Illegale Dinge, von denen Therapeuten erfahren: Schweigepflicht?

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RoboCat
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Illegale Dinge, von denen Therapeuten erfahren: Schweigepflicht?

Beitrag Di., 24.10.2017, 17:37

Hallo,

ich würde gerne wissen, ohne dabei konkreter werden zu müssen, wie Therapeuten mit Dingen umgehen (müssen) die wider das Gesetz stehen. Der Therapeut erfährt davon, weil sich der Patient unbedacht geäußert hat und er ist in dem Fall "der Täter".

Ich weiß, dass Suizidabsichten und Gewalttaten gemeldet werden müssen. Wie aber steht es mit kleineren Delikten, die zwar illegal sind, aber niemanden gefährden?

(Hinweis Admin: Betreffzeile präzisiert)
:axt:

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alatan
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Beitrag Di., 24.10.2017, 17:58

RoboCat hat geschrieben: Di., 24.10.2017, 17:37 Ich weiß, dass Suizidabsichten und Gewalttaten gemeldet werden müssen.
Beide Aussagen sind falsch. Geäußerte Suizidabsichten stellen erst einmal eine therapeutische Herausforderung dar. Und daraus kann sich sehr viel ergeben, aber keine "Meldepflicht".

Eine geschehene Gewalttat darf wegen der ärztlichen Schweigepflicht i. d. R. gar nicht weitergegeben werden. Eine geplante Gewalttat, die andere gefährdet, darf, aber muss nicht gemeldet werden.
RoboCat hat geschrieben: Di., 24.10.2017, 17:37 Wie aber steht es mit kleineren Delikten, die zwar illegal sind, aber niemanden gefährden?
Bezieht sich die Frage auch auf eine vermeintlich notwendige Meldung oder das therapeutische Umgehen damit?

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candle.
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Beitrag Di., 24.10.2017, 18:01

RoboCat, warum meinst du denn das überhaupt deinem Therapeuten erzählen zu müssen?

Was ein Therapeut tun muß, weiß ich nicht, fällt vermutlich einfach nur unter die Schweigepflicht.

candle
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Möbius
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Beitrag Di., 24.10.2017, 19:00

Was der Patient einem Psychotherapeuten erzählt, unterliegt der "berufsrechtlichen Schweigepflicht". Diese reicht sehr weit - das Vertrauensverhältnis von Patient und Therapeut ist insofern rechtlich sehr gut geschützt. Es muß schon "hammerhart" kommen, daß die Bindung an die Schweigepflicht entfällt. Man kann das leider nicht im Rahmen eines solchen Forenbeitrags allgemein definieren, wo da die Grenze ist. Aber "Alltagsdelikte" wie Verstöße gegen das BtMG, Betrug der Sozialversicherung, Steuerhinterziehung usw unterfallen der Schweigepflicht zweifellos.

Verletzt der Psychotherapeut diese Schweigepflicht, dann sind die Informationen, die er den Strafverfolgungsbehörden gibt, rechtlich nicht verwertbar, der Therapeut macht sich selbst strafbar.

Wenn sich der Therapeut trotzdem in extremen Ausnahmefällen zu einer Anzeige berechtigt - und verpflichtet - glaubt, ist er zudem grundsätzlich verpflichtet, den Patienten darauf hinzuweisen. Es gibt zwar denkmögliche Fälle, in denen der Therapeut einen Patienten gleichwohl ohne Hinweis anzeigen muß, etwa wenn der Patient Mord, Massenmord oder dergleichen ernsthaft plant - aber diese dürften praktisch wenig relevant sein, erst recht nicht für die Frage der TE.

Als Anwalt hatte ich mal ein solches, relativ "hartes" Problem: zu mir kam ein Arzt, der nebenberuflich in einem Unternehmen arbeitete, das kosmetische Operationen durchführte, die "privat" bezahlt werden müssen. Ein anderer dort ebenfalls nebenberuflich tätiger Arzt führte solche Operationen unter erheblichem Alkoholeinfluß durch, was mein Mandant eher zufällig mitbekommen hatte. Mein Mandant wollte sich lediglich aus der vertraglichen Bindung lösen, "aussteigen", aber keine Strafanzeige stellen.

Ich mußte meinen ärztlichen Mandanten zunächst darauf hinweisen, daß ich die Reichtweite meiner anwaltlichen Schweigepflicht zu überprüfen hätte - ein "besoffen" operierender Arzt ist immerhin eine Gefahr für die Volksgesundheit. Aber meine - aus eigenem Interesse sehr sorgfältige - Prüfung ergab: auch dieser Fall unterlag der anwaltlichen Schweigepflicht. (Es gibt keinen wesentlichen Unterschiede zwischen den zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufen - den "Berufsgeheimnisträgern": Arzt, Psychotherapeut, Rechtsanwalt, Steuerberater, Geistliche staatlich anerkannter Religionsgemeinschaften usw). Ich konnte meinem Arzt helfen, die vertragliche Bindung fristlos zu beenden - und der "besoffen" operierende Arzt hat "lustig" weiter operieren können ...

Ich erzähle dies, um zu illustrieren, daß man sich wegen "Alltagsdelikten", die zwar illegal und strafbar sind, aber unterhalb dieser Schwelle meines Beispiels bleiben, wirklich keine Gedanken zu machen braucht, wenn man sie dem Therapeuten offenbart.

Wenn trotzdem ernstliche Bedenken bestehen hilft leider nichts als der Gang zum Rechtsanwalt.

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montagne
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Beitrag Di., 24.10.2017, 20:49

Wie aber steht es mit kleineren Delikten, die zwar illegal sind, aber niemanden gefährden?
Schulterzucken, nach meiner Erfahrung.

Es besteht Schweigepflicht. Alles andere sollte dem therapeutischen Fortschritt dienen. Je nach Lebensgeschichte des Klienten kanns wohl vom gepflegten Anschiss bis zum ignorieren der Tatsache, dass es illegal war alles sein.

Ich habe 2 Mal sowas getan und auch berichtet, was in die Kategorie strafbar, aber für niemanden weiter schlimm (außer ggf. mich selbst fällt). Einmal hat meine Therapeutin den Aspekt der Straftat ignoriert und wir sprachen über die Sache an sich, warum ich es brauchte das zu tun.
Einmal hat sie nur gegrinst und gemeint, vllt. wird es in ein paar Jahren zugelassen und legal sein. Da hatte ich die Sache aber auch recht reumütig gebeichtet. Nicht der Gesetzesverstoß an sich war mein Problem, sodnern die potentielle Selbstgefärdung und auch die Tatsache, dass ich mir aus beruflichen Gründen auch nicht das kleinste Vergehen leisten kann, bzw, dabei erwischt zu werden, es also mein Einkommen und meine "Karriere" gefärdet und damit meine Existenz.
amor fati

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RoboCat
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Beitrag Mi., 25.10.2017, 06:27

Vielen Dank für eure Antworten, insbesondere die von Möbius hat mich doch sehr erleichtert.

Candle, wie gesagt ging es mir um eine Äußerung, die ich tat ohne nachzudenken. Sie geschah gewissermaßen im Affekt, ich dachte sofort, dass ich das lieber nicht erzählt hätte.

Mir war bis eben nicht klar, wie weitreichend die Schweigepflicht tatsächlich ist. Nun gehe ich aber davon aus, dass Dinge wie Steuerhinterziehung, Versicherungsbetrug oder meinetwegen auch Grasanbau/Verkauf nichts sind, was angezeigt werden würde.

Davon ab würde das ja auch einen massiven Vertrauensbruch darstellen, von dem der Therapeut gar nichts hätte. Es sei denn sein Gewissen um dieses Wissen würde ihn so belasten, dass er keinen Schlaf fände...
:axt:

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RoboCat
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Beitrag Mi., 25.10.2017, 06:33

Alatan, ich meinte keine Suizidgedanken, sondern Aussagen wie “heute Abend bringe ich meinen Mann um, danach dir Kinder und dann mich“.
:axt:

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candle.
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Beitrag Mi., 25.10.2017, 08:48

RoboCat hat geschrieben: Mi., 25.10.2017, 06:27 Candle, wie gesagt ging es mir um eine Äußerung, die ich tat ohne nachzudenken. Sie geschah gewissermaßen im Affekt, ich dachte sofort, dass ich das lieber nicht erzählt hätte.
Du, ich bin nur ein klein wenig geschockt, meine Puschelwelt geht hier ein klein wenig kaputt.

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Krümmelmonster
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Beitrag Mi., 25.10.2017, 10:34

@ RoboCat,
Dann darf sie dass der Polizei melden.

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Möbius
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Beitrag Mi., 25.10.2017, 11:41

RoboCat hat geschrieben: Mi., 25.10.2017, 06:33 Alatan, ich meinte keine Suizidgedanken, sondern Aussagen wie “heute Abend bringe ich meinen Mann um, danach dir Kinder und dann mich“.
Ich stimme dem Krümelmonster zu - wird eine solche Ankündigung ernsthaft gegenüber dem Therapeuten geäussert, ist er zur Anzeige nicht nur berechtigt, sondern wegen des Strafttatbestands der "Nichtanzeige geplanter Verbrechen" sogar verpflichtet. "Verbrechen" sind in der strafrechtlichen Terminologie Straftaten, die mit einer Mindeststrafe von 1 Jahr Freiheitsentzug oder mehr bedroht sind. "Mord und Totschlag" gehören da selbstverständlich dazu. Straftaten, die mit niedrigerer Strafandrohung versehen sind, heißen "Vergehen".

Geplante "Vergehen" muß - und darf ! - der Therapeut nicht zur Anzeige bringen.

Es ist natürlich für den Therapeuten eine sehr unangenehme Lage, wenn der Patient eine Aussage tut, wie in Robocats Beispiel. Häufig wird es lediglich ein Ausdruck starker Wut sein, kein ernsthafter "Tatvorsatz". Das muß der Therapeut dann "analysieren" und dementsprechend handeln. Dabei kann er sich auch der Hilfe und des Rates der Therapeutenkammer, eines Rechtsanwalts usw. bedienen - das ist zwar auch "tatbestandsmässig" ein Bruch der Schweigepflicht, aber er ist "gerechtfertigt" - also: "legal" - weil der Therapeut ein "eigenes rechtliches Interesse" verfolgt, nämlich eine eventuelle Pflicht zur Strafanzeige zu überprüfen. Der Therapeut darf sich ja auch zB in prozessualer Auseinandersetzung mit dem Ex-Patienten über die Schweigepflicht hinwegsetzen.

Aber ich wiederhole nochmals: ich bin seit 2011 aus dem Beruf raus, habe keine Anwaltszulassung mehr, den Anschluß an die Entwicklung von Gesetzgebung und Rechtssprechung verloren. Meine Ausführungen sind also nicht wirklich "belastbar".

Wer diesbezüglich ernste Zweifel hegt, sollte wirklich in den sauren Apfel beißen und den möglicherweise einige hundert Euro teuren Rat eines Anwalts einholen. Denn im Rahmen der zumindest in der BRD "gedeckelten" Erstberatung sind komplizierte und in der Anwaltspraxis eher seltene Rechtsfragen meist nicht zu klären.

Last not least: auch den Therapeuten selbst kann man auf dieses "ungute Gefühl" ruhig mal ansprechen - es sollte die Therapie nicht belasten, meine ich.

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RoboCat
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Beitrag Mi., 25.10.2017, 14:28

candle. hat geschrieben: Mi., 25.10.2017, 08:48

Du, ich bin nur ein klein wenig geschockt, meine Puschelwelt geht hier ein klein wenig kaputt.
Höh? Wieso das? :anonym:
:axt:


Alyssa
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Beitrag Fr., 27.10.2017, 12:55

So ganz grob gesagt: Das hängt wohl sehr vom Therapeuten, vom Patienten und von der Situation ab.
Eine verbindliche Aussage zu einer so vagen Frage wirst du hier im Forum nicht bekommen.

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