Irreale Entscheidungsfindung - Bsp. Arzt

[Catomane1]

Hallo!
Hab bisher noch nie in diesem Forum was geschrieben, ab und zu mal gelesen.

Mein Problem ist mir ein bisschen peinlich, weil ich von Verstandes wegen das Ganze lösen kann, aber die Gefühle immer wieder komisch sind.

So, ich will/wollte zu meiner Hausärztin gehen. Aber immer wenn ich das vorhabe und ich dabei ein komplexeres Problem schildern muss, suche ich immer wieder Gründe, warum ich nun doch heute nicht zum Arzt gehen kann, quasi Fluchtinstinkt.

Es soll heute um meine große Müdigkeit/Erschöpfung gehen, mit der ich schon seit Jahren (seit 2003) kämpfe, aber nie großartige medizinische Ursachenforschung betrieben habe. Früher wars ein sehr nieriger Hämoglobinwert, der mich so müde machte, das Hämoglobin passt aber zur Zeit, trotzdem bin ich immer extrem müde.
So müde, dass ich meinen Alltagsbeschäftigungen nur mehr schwer nachgehen kann.
Ich bin seit kurzem z.b. in Bildungskarenz, weil ich nicht mehr ordentlich meine Arbeit geschafft hatte bzw. ich das Gefühl hatte, wenn ich weitermache, rutsch ich in ein Burnout. So hab ich die Notbremse gezogen und studier nun an der Fernuni.
Das nur als Beispiel. Da könnte ich noch mehr erzählen, was die Müdigkeit alles einschränkt.

Zum heutigen Problem: Mein Verstand sagt: "Geh bitte, eh klar, dass du zur Ärztin mal musst und auch darfst. Schließlich verzichtest heuer auch auf einiges an Gehalt. Du hast ein Kind zuhaus, das soll dich ja nicht nur müde kennen........"
Meine Gefühle sagen: "Ach, wegen sowas kann ich doch nicht die Ärztin belästigen, da muss ich selber damit klarkommen, die wird ja auch nix finden. Und sie hat eh immer Stress, weil soviele Leute zu ihr wollen,... und dann muss ich das alles erklären....

Schlussendlich sagt mein Gefühl mir, dass ich kein Recht dazu habe, andere Leute, auch wenn es ihr Beruf ist, zu belästigen. Geht ja schließlich nicht um Leben oder Tod....

Und ich dachte mir, ich hätte diese Phase vorbei, nachdem ich vor ein paar Jahren eine Krebserkrankung hatte. Aber ich komme nicht aus meiner Haut.
Damals - mit dem Krebs - machte ich dann auch eine Psychotherapie. Wollte ich schon länger machen, hab sie dann aber auch erst mit der Krebserkrankung gemacht, denn nun "hatte ich ja auch Recht dazu" und der Therapeut würde mich sicher nicht wegschicken.

Furchtbar, weil ich es ja eh viel besser weiß!!! Grrr....

lg catomane

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[Alienia]

Also bei mir sin solche Gefühle nie ganz weg gegangen.


Mittlerweile bin ich der Meinung, dass manche Menschen einfach MIT solchen Gefühlen leben müssen.

Irgendwann hatten sie vielleich auch mal ihre Berechtigung.
Vielleicht wollen sie einen vor Verletzungen schützen.

Vor der Verletzung, dass einem jemand sagt, man hätte es nicht verdient, man wäre es nicht wert.

Da ist eben der Verstand ganz wichtig. Ein Gegengewicht, der einem sagt wie sinnvoll solche Gedanken eben sind.

Und dann bleibt einem nichts anderes übrig, als das zu tun, was man vom Verstand her für richtig hält.
Also dann eben diese Gefühl mit zum Arzt nehmen. Aber mit dem Bewusstsein, dass man sich gut um sich selbst kümmert. Das man auch ein Recht dazu hat. Und wenn die Gefühle dagegen sind, dann sind sie das und es ist auch ok.
Aber man muss sich nicht dadurch einschränken lassen.
Sie tun zwar groß und übermächtig, aber sie sind es nicht.


Und wenn man immer wieder den Weg geht, den man in solchen Situationen vom Verstand richtig findet (gleichzeitig aber die Gefühle ernst nimmt), dann wird das irgendwann auch leichter...
Also mit ernst nehmen, meine ich:
Glaubst du z. B. vielleicht, dass diese Gefühle eigentlich zu einer anderen Zeit gehörten?
Zu deinem Vergangenheits-Ich?
Aber jetzt zu deinem Gegenwarts-Ich eigentlich gar nicht mehr passen?

Dann könntest du dir ja sagen, dass es sehr gut ist, dass dich diese Gefühl vor Gefahren waren wollen, sie aber in der Gegenwart jetzt gerade gar nicht mehr existieren.

Schlussendlich sagt mein Gefühl mir, dass ich kein Recht dazu habe, andere Leute, auch wenn es ihr Beruf ist, zu belästigen.

Bei wem hattest du denn in der Vergangenheit zum ersten Mal das Gefühl, ihn durch deine Anwesenheit zu belästigen?

Ansonsten: Diese Gefühle sind ein Teil von dir... Du solltest meiner Meinung MIT ihnen leen und nicht gegen sie kämpfen. Irgendwann hatten sie sicherlich mal einen Sinn. Sonst wären sie nicht so fest verankert in dir.

[Catomane1]

Danke, liebe Alienia!
Du hast mir mit deiner Antwort sehr geholfen. V.a. an die Möglichkeit, mit diesen Gefühlen auch leben zu können, anstatt sie immer einfach weghaben zu wollen, hab ich tatsächlich gar nicht gedacht.


Ich werde das in Zukunft öfter versuchen, trotz heftigen Gefühlen einfach doch dem Verstand zu folgen....puh.....

Interessant finde ich immer, dass ich ja sogar weiß, woher diese Gefühle kommen, die kommen tatsächlich aus meiner Vergangenheit, ich weiß es doch und trotzdem haben sie mich immer noch im Griff, obwohl sie mittlerweile kontraproduktiv sind. Ich weiß das alles und handle trotzdem noch so wie früher, wo das wirklich Sinn machte.

Ich finde es unfassbar, dass diese Gefühle einen so lang begleiten, ja sogar übermannen und im Griff haben können, obwohl die Kindheit so lange her ist und ich das auch weiß, dass das schon lange nicht mehr Realität ist.
Mein Kleiner ist nun 3, und immer wieder übermannen mich Gefühle, die eindeutig von früher kommen und es ist ganz schön schwer dagegen zu kämpfen. Das hätte ich mir nicht gedacht, bevor ich ein Kind hatte, wie viel da von früher wieder hochkommt....
Wahrscheinlich muss ich diese Gefühle auch annehmen, damit leben, aber dann wieder mich selbst und die heutige Realität sehen.

Danke, du hast mir wirklich geholfen!

Liebe Grüße, catomane

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