Traumatherapie vs gängige Therapieverfahren

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Candykills
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Traumatherapie vs gängige Therapieverfahren

Beitrag Sa., 25.07.2015, 08:20

Hallo

Ich hab gesucht und nichts gefunden, deshalb stell ich die Frage nun hier:

Immer wieder schreiben Leute, dass sie eine Traumatherapie machen wollen, alles ständig dreht sich hier um Traumatherapie und ich frage mich inwieweit eine "explizite Traumatherapie" wirklich nötig ist.

Ich hab zum Bleistift eine komplexe Traumafolgestörung diagnostiziert (komplexe PTBS, DIS) und werde von einer Tiefenpsychologin therapiert, die auch schon erfolgreich in den letzten 20 Jahren andere traumatisierte Menschen (Opfer von sexuellem Missbrauch, Gewalt im Elternhaus ect) therapiert hat, obwohl sie nicht explizit eine Traumatherapeutin ist. Ich fühle mich bei ihr sehr gut aufgehoben und habe nicht das Gefühl, dass sie keine Ahnung von Trauma hätte oder den Umgang damit - ganz im Gegenteil. Das ist ihr Job als Therapeutin, denn ohne Trauma und persönliche Probleme, würde ich ja gar nicht erst dorthin gehen.

Nun wäre ich ja nen klassischer Fall für nen Traumatherapeuten, auch werde ich jetzt stationär gehen und dort eine Traumatherapie machen....bei ganz normalen Therapeuten allerdings, die soweit ich weiß eben Tiefenpsychologen sind.
Reichen wirklich die gängigen Therapieformen nicht aus und ist der Umgang mit dem Trauma nicht eher abhängig von der Sensibilität des Therapeuten und seinen Weiterbildungen als von dem Prädikat TRAUMATHERAPEUT.

Irgendwie ist doch jeder, der hier ist, auf die ein oder andere Weise traumatisiert, demnach müsste doch jeder zu einem Traumatherapeuten. Deswegen frage ich mich inzwischen, ob Traumatherapeut nicht langsam sowas wie nen Label für "ich bin ein schwerer Fall als all ihr anderen" ist.

Mir ist bewusst, dass die Frage provokativ wirkt, aber es fällt mir halt wirklich immer wieder auf hier.

Haut euch nicht die Köpfe ein, falls ihr was dazu zu sagen habt - man kann auch ordentlich diskutieren, auch wenn man eine andere Meinung hat. Ich bin vor allem sehr gespannt von Traumatisierten zu lesen, die mit den gängigen Therapien gute Erfahrung machen. Und zu den Traumatisierten zähle ich alles, was zum Trauma führt... also Vernachlässigung, psychische physische und sexuelle Gewalt ect. Es gibt ja viele Formen. Wer sich traumatisierte fühlt ist eingeladen.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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stern
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Beitrag Sa., 25.07.2015, 09:15

Candykills hat geschrieben:Irgendwie ist doch jeder, der hier ist, auf die ein oder andere Weise traumatisiert, demnach müsste doch jeder zu einem Traumatherapeuten.
kann man so sehen, aber nicht jeder trägt eine Traumastörung i.e.S. davon. Denn Traumatisierungen können sich unterschiedlich äußern. Retraumatisierungen oder Dekompensationen sind möglichst zu vermeiden... Leitlinien empfehlen bei entsprechenden Störungen in aller Regel modifizierte Vorgehensweisen, um dem etwas besser Rechnung tragen zu können. Wenn ein Patient die Disposition mitbringt, ist es schon von Vorteil, wenn ein Therapeut damit Erfahrung hat (mit oder ohne explizite Fortbildung... vielleicht hat ja dafür jemand einschlägige klinische Erfahrungen oder zumindest langjährige Erfahrung. Eine solche Therapeutin lernte ich in einer Beratungsstelle kennen).

Ich habe Erfahrung mit einem entgleisenden Therapieprozess und weiß auch ungefähr, wie es meiner Therapeutin damit phasenweise ergangen ist (was wohl die Supervision kritisierte). Ob jemand entsprechende Fortbildungen hat, finde ich nicht zentral (denn es passierte trotz dieser), aber mir ist wichtig, dass jemand entsprechende Problematiken kennt, die (typischerweise) auftauchen können und damit umgehen kann (das sind bei jeder Störung andere). Das hat nicht nur mit Fachkompetenz zu tun, sondern auch mit der Person des Therapeuten, womit er besser und womit weniger gut umgehen kann. Aber genauso kann jemandem auch das Handwerkszeug fehlen... Als Versuchskarnickel KANN ich nicht herhalten. Es fällt mir ohnehin schwer, das Risiko, dass entsprechendes passieren kann, nochmals einzugehen (und dieses lässt sie nie ausschalten, bestenfalls eingrenzen).

Welches label man von anderen aufgedrückt wird, da steckt man=ich nicht drin... schlimm finde ich es eher, wenn von Therapeuten ein label aufgedrückt wird. Und wenn ich den Eindruck hatte (zu Recht und Unrecht), habe ich mich eher gegen (aus meiner Sicht übertriebene) "Pathologisierung" "gewehrt".... tut mir nicht gut. Ich finde viel angenehmer, wenn die gesunden Seiten wahrgenommen werden und vorhandene Schwierigkeiten ernst genommen werden... also eher so eine ganzheitliche Sichtweise. Auch hier gibt es definitiv Unterschiede. Bei eine stationäre Ärztin ist mir noch die positive-aufbauende Sicht auf den Patienten in Erinnerung. Andere schauen eher auf die Störung als auf Ressourcen. Wie gesagt: In einer Therapie ist mir das wichtig... was andere Leute daraus machen, ist deren Ding.

Auch bei jeder anderen Störung kann eine unsachgemäße durchgeführte Therapie zum Schaden des Patienten gereichen bzw. zur Dekompensation führen. Hier ist dann evtl. analog von Vorteil, wenn der Therapeut mit den Spezifika dieser Störung Erfahrung hat. Ich sehe das also eher wie einen Facharzt für bestimmte Störungen an... ähnlich wie es Therapeuten gibt, die sich eher auf Angst- und Zwangsstörungen spezialisieren oder auf Persönlichkeitsstörungen. Psychische Störungen können sehr sehr vielfältig sein. Ich glaube nicht so recht daran, dass jeder alles gleichermaßen behandeln kann.
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stern
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Beitrag Sa., 25.07.2015, 09:53

Kleiner Nachtrag:
Candykills hat geschrieben:Nun wäre ich ja nen klassischer Fall für nen Traumatherapeuten, auch werde ich jetzt stationär gehen und dort eine Traumatherapie machen....bei ganz normalen Therapeuten allerdings, die soweit ich weiß eben Tiefenpsychologen sind.
Reichen wirklich die gängigen Therapieformen nicht aus ...
In der Kassenfinanzierung gibt es eher nur VTler, TFPler und PAler und das, was du gängige Therapieverfahren nennst . Und das sagt noch nicht unbedingt etwas darüber aus, was der Therapeut behandelt und was seine Schwerpunkte bzw. Spezialisierungen sind. THEORETISCH kann jedes Verfahren alles... aber praktisch haben Therapeuten oft Grenzen, so dass nicht jeder alles behandelt (persönliche und fachliche).
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Candykills
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Beitrag Sa., 25.07.2015, 09:57

Mit den gängigen Verfahren meinte ich die von den Kassen finanzierten verfahren. Das jeder Therapeut nochmal nen Schwerpunkt hat ist klar. Aber Schwerpunkt schließt Erfahrung mit Traumaarbeit nicht aus, bspw. sind psychosomatische Beschwerden ja auch oft durch Traumata ausgelöst.
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stern
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Beitrag Sa., 25.07.2015, 10:07

Candykills hat geschrieben:Mit den gängigen Verfahren meinte ich die von den Kassen finanzierten verfahren. Das jeder Therapeut nochmal nen Schwerpunkt hat ist klar.
ja eben. In den Kassenfinanzierung gibt es ja eh nur die 3 Verfahren... insofern ist JEDER Patient dort bei einem Tiefenpsych. oder VTler, usw. ALLES andere (auch z.B. Fortbildungen zur Behandlung bestimmter Störungen) ist nur Schwerpunkt bzw. Fortbildung bzw. Erfahrung. Das sagt noch nichts darüber aus, was für eine Fortbildung das genau war. Die Ausbildung im Hauptverfahren (VT, TFP, usw.) wird allerdings wird (so vermute ich) nicht sooo unterschiedlich ausfallen - aber je nach Ausbildungsinstitut wird es wohl auch manche Unterschiede geben. Aber welche Kenntnisse eine Therapeut zusätzlich hat, weiß man ja normal nicht... vom Praxisschild her am allerwenigsten.
Zuletzt geändert von stern am Sa., 25.07.2015, 10:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Jenny Doe
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Beitrag Sa., 25.07.2015, 10:08

@ Candykills,

diese ganzen Fortbildungen zum "Traumatherapeuten" sind nichts anderes als Geldmacherei. Man wird nicht zum (Trauma)Experten, wenn man ein Wochenendseminar besucht. Jeder Psychotherapeut - und selbst Diplompsychologen an der Universität - werden in der Behandlung von Traumata ausgebildet.
Ich habe auch eine Traumatherapie gemacht, bei einer stinknormalen Verhaltenstherapeutin, die in ihrem ganzen Leben noch nie die Namen Michaela Huber, Redemann oder sonst wer gehört hat. Sie hat die Traumabehandlung während ihrer stinknomalen Therapeutenausbildung gelernt.

Ich habe jetzt nicht überprüft, ob die Links noch aktuell sind, aber das Zitierte gibt Dir eine Antwort auf Deine Frage:

Posttraumatische Belastungsstörung: bessere Begutachtungsstandards gefordert
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/3 ... aumata.htm
http://www.dgppn.de/publikationen/stell ... ahm-4.html
(...)
Weiterhin weist die DGPPN darauf hin, dass zu den besten Voraussetzungen für eine sachgerechte Beurteilung psychotraumatischer Störungen eine gründliche psychiatrisch-psychotherapeutische Ausbildung gehört. In dieser wird die Befähigung erworben, um einen umfassenden psychopathologischen Befund erstellen zu können. Gerade in der PTBS-Diagnose stellt die Erhebung dieses Befundes eine wichtige Grundlage dar. Selbstverständlich sei es, dass ein Gutachter den aktuellen wissenschaftlichen Diskussionsstand in der Psychotraumatologie kennen müsse, damit er die Befunde auf dem aktuellen wissenschaftlichen Hintergrund einordnen könne. Dazu bedürfe es aber laut DGPPN keiner speziellen psychotraumatologischen Weiterbildung.
Bessere Begutachtungsstandards bei postraumatischen
Belastungsstörungen gefordert
http://dgppn.globit.com/aktuelle-news/n ... -begu.html
(...)
Es gebe, so die DGPPN inzwischen zunehmend kommerzielle Angebote von selbst ernannten Spezialgutachtern. Diese würden vorgeben, dass für eine Begutachtung solcher Störungen die Absolvierung eines Ausbildungscurriculums in Psychotraumatologie oder eine spezielle Ausbildung in Psychotraumatherapie erforderlich sei. Die DGPPN widerspricht solchen Behauptungen und Forderungen mit Nachdruck und weist daraufhin, dass der kompetenteste Ansprechpartner für Gutachten im Kontext psychotraumatischer Störungen der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sei. Bei besonders schwierigen und komplexen rechtlichen Fragestellungen könne durchaus eine zusätzliche Weiterbildung im Schwerpunkt „Forensische Psychiatrie“ oder die Zertifizierungen in Forensischer Psychiatrie seitens der Fachgesellschaft hilfreich sein.
(...)
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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stern
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Beitrag Sa., 25.07.2015, 10:16

Begutachtung und Behandlung sind für mich nicht das gleiche...
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Jenny Doe
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Beitrag Sa., 25.07.2015, 10:21

@ stern
Begutachtung und Behandlung sind für mich nicht das gleiche...
Stimmt. Trotzdem werden Psychotherapeuten in beiden Fällen während ihrer Ausbildung hinreichend ausgebildet um eine PTBS diagnostizieren und behandeln zu können.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Candykills
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Beitrag Sa., 25.07.2015, 10:22

Danke Jenny Doe für die Links. In einem Sprang mir das Wort "Inflationär" entgegen und ich finde das passt ein wenig zu meinem Thema. Es scheint Gruppen/Menschen zu geben, die für sich meinen sie müssten zu jemandem gehen, der explizit als Traumatherapeut ausgewiesen sei. Ich denke letztendlich haben aber viele ein Trauma...dann lässt sich Trauma nochmal unterscheiden. Für mich sind die Therapeuten, die aber Opfer von Krieg und Kriegsmisshandlungen zum Beispiel behandeln, keine Traumatherapeuten, die unter diesem Label arbeiten, sondern Experten, die hochspezialisiert sind auf BESONDERE Fälle.

Hier hab ich aber das Gefühl, dass jeder der irgendein Trauma hat jetzt explizit nen Therapeuten braucht mit dem Label Traumatherapeut auf dem Praxisschild und das finde ich befremdlich und kommt diesem Begriff der inflationären Nutzung recht nahe.
Ich finde das gegenüber all den Therapeuten, die dieses Label nicht nutzen, eine Art Abqualifizierung - ungerechterweise.

Ich würde gern verstehen, warum sich scheinbar so viele nicht wohl fühlen bei Therapeuten ohne diesem Label und im Gegensatz auch mal herausfinden wie viele denn erfolgreich ein schweres Trauma bei Therapeuten ohne Label bearbeiten konnten.
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stern
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Beitrag Sa., 25.07.2015, 10:24

Als Patient wünsche ich mir eigentlich nur eines: Ein professionell durchgeführte Therapie, die anschlägt und dass der Therapeut fachlich und persönlich entsprechend behandeln kann. Wie er das gewährleistet, ist sein Sache... also was er glaubt dafür an Aus- bzw. Fortbildung und Erfahrung zu benötigen.. ob er glaubt, mit mir persönlich zu können, usw. Das muss er abwägen.

Mein Ding, ist muss zumindest etwas darauf vertrauen können, dass das gegeben ist und ich mit dem Therapeuten und der Vorgehensweise einigermaßen können. Qualifikationen kann ich evtl. erfragen.

Sagte ich Jenny: Jedes Therapieverfahren kann offiziell jeden Patienten behandeln . Praktisch traut es sich aber doch nicht jeder zu alles und jeden behandeln zu können, hmmmmmmmmmmmm. (Und ich finde das eigentlich auch gut, wenn jemand evtl. Grenzen kennt).
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leberblümchen
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Beitrag Sa., 25.07.2015, 10:35

Es geht vielleicht nicht nur um die Frage nach der Schwere des Traumas, sondern auch um andere Kriterien, die ein Zusammenarbeiten erleichtern oder erschweren. Das fängt bei der Verliebtheit an, zum Beispiel. Oder bei der Fähigkeit des Patienten, "mitzuarbeiten", sich irgendwie zu artikulieren und zu reflektieren. Oder beim Zustand des Therapeuten und seiner momentanen oder grundsätzlichen Belastbarkeit.

Ich fürchte, dass Patienten oft abgeschoben werden mit dem Hinweis, ihr Trauma sei zu schwierig für den betreffenden Behandler. Das geschieht wiederum, wenn der Therapeut nicht professionell handelt - ohne sich dessen bewusst zu sein. Dann sucht er schließlich nach einer Ursache, die praktischerweise weder in der Persönlichkeit des Patienten noch in der des Therapeuten vorliegt. Praktischerweise ist das dann "das Trauma".

Dass ein Patient selbst von sich aus zunächst mal nach dem Superspezialtraumaexperten sucht, habe ich hier noch nicht gelesen. Eher halt davon, wie wichtig der Traumabegriff selbst für viele Menschen ist, fast wie ein Strohhalm, an dem man sich festklammert, um das eigene Empfinden irgendwie plausibler und für Andere nachvollziehbarer zu machen und um sich von Anderen abzugrenzen.

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Beitrag Sa., 25.07.2015, 10:42

Es gibt auch Therapeuten, die sich auf Essstörungen spezialisieren. Und das kann jemand ja dann auch kenntlich machen. Auch alle anderen Verfahren können Essstörungen behandeln. Ob der Therapeut, der sich hier nicht speziell weiter fortbildete (weil er es aufgrund seiner Ausbildung eh als kann und können muss ) als "Abqualifizierung" sieht es dessen Ding. Offiziell kann jedes Verfahren alles... fachliche Mängel dürfte es also offiziell gar nicht geben, weil man hat ja alles gelernt in der Therapieausbildung im Hauptverfahren und ansatzweise auch im Studium (und das lässt sich sogar nachlesen welche Methoden im Hauptverfahren zu Anwendung kommen dürfen und welche psychische Störungen behandelt werden können).
Zuletzt geändert von stern am Sa., 25.07.2015, 10:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Jenny Doe
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Beitrag Sa., 25.07.2015, 10:47

@ Candykills,
Ich finde das gegenüber all den Therapeuten, die dieses Label nicht nutzen, eine Art Abqualifizierung - ungerechterweise.
Seh ich auch so. Aber auch Psychotherapie ist nichts anderes als Wettbewerb, Profilierung, Macht und Geldmacherei. Mit Bezeichnungen wie "Traumatherapeut" wird den Klienten natürlich suggeriert, dass sie zu einem selbst kommen sollen, und nicht in die Praxis nebenan gehen sollen, in denen "nur" Therapeuten arbeiten, die kein Wochenendseminar besucht haben. Der Begriff "Traumatherapeut" ist eine bewusste Irreführung der Klienten, die natürlich denken, dass sie sich einen Therapeuten suchen müssen, die die Bezeichnung "Traumatherapeut" an ihre Hauswand gemalt haben, weil ja alle anderen Therapeuten inkompetent seien und nicht in der Lage seien ihnen zu helfen.
In einem Sprang mir das Wort "Inflationär" entgegen und ich finde das passt ein wenig zu meinem Thema.
Ja, das passt gut rein. Sehe ich auch so. Geht beides in dieselbe Richtung.
Ich würde gern verstehen, warum sich scheinbar so viele nicht wohl fühlen bei Therapeuten ohne diesem Label und im Gegensatz auch mal herausfinden wie viele denn erfolgreich ein schweres Trauma bei Therapeuten ohne Label bearbeiten konnten.
Das Problem bei der Beantwortung dieser Frage ist, dass die meisten Klienten keine Vergleichsmöglichkeiten haben. Es haben ja nicht alle Klienten mehrere Therapien gemacht, sondern sitzen entweder bei einem "Traumatherapeuten" oder einem "normalen" Psychotherapeuten. Die meisten Klienten suchen ja gezielt nach einem Therapeuten, der "Traumatherapeut" an die Wand gemalt hat, ohne zu hinterfragen, was diesen Therapeuten denn eigentlich zum (selbsternannten) Experten macht.

Ich selber hatte das Vergnügen mit beiden Therapeuten Bekanntschaft zu machen, mit und ohne Label. Ich bevorzuge die ohne Label, aus dem ganz einfachen Grund, die sehen auch noch was anderes als überall Traumata. Die denken - für meinen Geschmack - normaler und sagen öfters "das ist normal", während Traumatherapeuten alles dramatisieren (meine Erfahrung und meine persönliche Präferenz).
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candle.
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Beitrag Sa., 25.07.2015, 10:49

Hallo Candykills!

Ich habe nun mehrfach gelesen, weiß jetzt aber nicht wirklich worauf du hinaus willst?
Candykills hat geschrieben: ... und werde von einer Tiefenpsychologin therapiert, die auch schon erfolgreich in den letzten 20 Jahren andere traumatisierte Menschen (Opfer von sexuellem Missbrauch, Gewalt im Elternhaus ect) therapiert hat, obwohl sie nicht explizit eine Traumatherapeutin ist. Ich fühle mich bei ihr sehr gut aufgehoben und habe nicht das Gefühl, dass sie keine Ahnung von Trauma hätte oder den Umgang damit - ganz im Gegenteil. Das ist ihr Job als Therapeutin, denn ohne Trauma und persönliche Probleme, würde ich ja gar nicht erst dorthin gehen.
Es ist doch gut, wenn du dich bei deiner Therapeutin gut aufgehoben fühlst!

Den Traumatherapeut scheint es mir gar nicht zu geben, sondern nur spezielle Zertifizierungen diverser Techniken, die hilfreich sind zur Traumaverarbeitung, die sich jeder Therapeut wohl bei entsprechendem Interesse aneignen kann.

Oder ist es in etwa so eine Frage: Ich bin nicht so schlimm dran, wenn ich nicht bei einem Traumatherapeuten bin?

Viele Grüsse!
candle
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Jenny Doe
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Beitrag Sa., 25.07.2015, 10:50

@ Stern
Praktisch traut es sich aber doch nicht jeder zu alles und jeden behandeln zu können, hmmmmmmmmmmmm
Ja, das sehe ich auch so. Für mich macht es aber nochmal einen Unterschied, ob ein Theraepeut sagt "ich habe mich spezialisiert auf ..." oder sich selbst als selbsternannter Traumaexperte ausgibt und sich das Schild "Traumatherapeut" an die Wand heftet.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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