Dämliche Ansichten des Vaters - wie damit umgehen?

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blaues_wasser
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Dämliche Ansichten des Vaters - wie damit umgehen?

Beitrag Do., 19.02.2015, 05:36

Erst einmal muss ich sagen, dass ich derzeit eine Erdgeschosswohnung im Hause meiner Eltern bewohne und sie somit nur sehe, wenn ich es möchte. Das Verhältnis zu ihnen ist ganz gut, aber auch nur, weil ich gewisse Dinge, wie zum Beispiel jene, von denen ich gleich erzählen werde, irgendwohin verbanne, wo sie mich nicht weiter belästigen. Jetzt ist aber gerade einer dieser Momente, in denen ich wieder an sie denken muss und darum schreibe ich nun hier.

Kurz vor Weihnachten wurden in New York ja zwei Polizisten von einem Schwarzen erschossen. Ich war dann irgendwann mal oben bei meinen Eltern und im Esszimmer lief gerade der Fernseher mit den Nachrichten. Mein Vater und mein Bruder saßen am Tisch und redeten über irgendetwas. Ich stand daneben, aß einen Apfel und ahnte schon, als ich die Nachrichten sah, dass jetzt wieder irgendein Mist von meinem Vater kommen würde und schon ging es los.

Er sagte, dass dieser Schwarze doch gleich 10 oder 15 Polizisten hätte erschießen sollen, denn es wäre ja nicht das erste Mal gewesen, dass Schwarze durch weiße Polizisten ihr Leben lassen mussten. Ganz sprachlos erwiderte ich, was denn die beiden Polizisten in New York damit zu hätten. Er meinte dann, dass alle Polizisten in den USA so seien. Dafür wollte ich dann Beweise haben. Daraufhin fing er dann an, dass er Lebenserfahrung hätte und die Polizei in den USA im Prinzip so etwas wie die SS sei und ihre eigenen Regeln aufstellt. Dort herrsche ein Kadergehorsam und alle denken das Gleiche. Ich wollte dann wissen, woher er denn wissen möchte, dass genau diese beiden Polizisten in New York auch so denken würden. War halt seine "Lebenserfahrung"...

Dann hieß es auf einmal, dass es gut sei, dass die Schwarzen sich wehren würden und nicht so wie die Juden, alles mit sich machen lassen. Langsam riss mir der Geduldsfaden und ich wollte wissen, was denn die Juden im NS-Staat für einen Widerstand hätten leisten sollen? In dieser verschissenen Diktatur, in denen Geisteskranke an der Macht waren, der Bevölkerung eingetrichtert wurde, dass die Juden unwertes Leben seien und sie denunziert und von den eigenen Nachbarn an die Gestapo und somit höchstwahrscheinlich dem Tode ausgeliefert wurden. Das sollte mir mein so intelligenter Vater doch mal erklären! Ich weiß nicht mehr, was er darauf antwortete. Wie dämlich muss man denn sein und sagen, die Juden hätten sich nicht stark genug gewehrt? Da habe ich fast gekotzt, als ich das gehört habe. Mein Bruder setzte noch oben drauf, dass sich die Polizisten dadurch, dass sie nicht ihren Job gekündigt hätten, für Gewalt gegen Schwarze durch Polizisten ausgesprochen und somit die Morde für gut befunden hätten. Mein Bruder, der Akademiker, kommt mit solch einer intelligenten Aussage!

Ich verließ dann wortlos den Raum und ging in meine Wohnung. Am nächsten Tag taten wir alle so, als hätte es diese Diskussion nie gegeben.

Irgendwann dann im Januar gab es wieder so einen Vorfall. Es ging um afrikanische Asylbewerber, die hier seit letztem Jahr im Ort leben. Mein Vater meinte, dass man sich, als Weißer, einem Südländer gegenüber, immer überlegen fühlen würde und das dies so in uns drin sein würde. Ich meinte, er solle nur für sich selbst sprechen und nicht für mich. Dann fragte er mich, was ich denn denken würde, wenn ich einen Türken sehen würde. Ich antwortete ihm: "Sicher nicht, dass ich diesem Menschen überlegen bin, weil er ein Türke ist und ich ein Deutscher." Das wollte er mir nicht glauben. Woher will er wissen, was ich denke? Alter, regen mich diese pauschalen Urteile auf!

Er meckert andauernd über die Politiker, über Banker und Wirtschaftsleute und redet sich dabei in Rage. Ständig bringt er dann das dritte Reich ins Spiel und zieht irgendwelche Vergleiche: "Heute sind die Menschen genauso dumm wie damals und die hätten auch Hitler gewählt.", "Putin ist so wie Hitler!" usw.

Ohne Bezüge zum dritten Reich kommt er gar nicht mehr aus. Zwischendurch kommen auch manchmal so lustige Sprüche wie "Hätte das der Führer gewusst..." oder irgendetwas mit Adolf Hitler. Er schaut auch ständig irgendwelche Dokus über das dritte Reich. Ich glaube sogar, dass er das fast jeden Abend macht. Im Fernsehen kommen die ja ständig. Ich habe ihn mal darauf angesprochen und er sagte, dass er sich das anschauen würde, weil es ihn daran erinnert, wie dumm die Menschen doch seien.

Was soll ich davon halten?

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Hannah*
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Beitrag Do., 19.02.2015, 07:18

Was du davon halten sollst? Na, dann versetzt dich doch mal in deinen Vater hinein (nicht in seine Sprüche, sondern in ihn selbst).

Ich kenne ein ähnliches Verhalten von einem alten Onkel von mir aus der Zeit seines ersten Ruhestandes. Da hat er sich auch über alles Politische in Rage geredet und genau wie dein Vater mit Vorliebe Dokus über das Dritte Reich angesehen. Auf mich hat das den Eindruck gemacht, als würde er das Unbehagen mit sich und seiner Situation auf diese Weise kompensieren wollen, indem der es nach außen richtet. Das entlastet für den Moment ein wenig, weil man sich besser, klüger, was weiß ich hält, aber so richtig gut wirkt die Verlagerung natürlich auch nicht.
Falls das auch bei deinem Vater so sein sollte, meine Empfehlung: hab ein wenig Geduld und Nachsicht mit deinem Vater (musst ja nicht die Sprüche übernehmen oder gut finden).

Mein Onkel ist übrigens ganz ruhig geworden, seit er sich mit seinem Alter abgefunden hat, er interessiert sich auch gar nicht mehr für Hitler und Co. Sein Lieblingsthema ist nun das Wetter, das ihm manchmal ziemlich Sorgen macht...

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blade
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Beitrag Do., 19.02.2015, 08:59

ich vermute Ihr Vater hat einfach Angst.
eine Erklärung für das Unerklärliche und Furchtbare parat zu haben (die Dummheit der Menschen)
hilft einem oft diese Angst zu verdrängen und sich selbst psychisch wieder in einer kontrollierteren Position zu befinden.
auch wenn das zum Preis der Wahrheit geschieht.

wie waren eigentlich die politischen Überzeugungen seines Vaters (Ihres Großvaters)?
würde mich nicht wundern, wenn Ihr Vater dazu jetzt eine Gegenposition einnehmen würde, vielleicht spielt auch dies noch eine Rolle.

es ist jedoch so: Extremismus drängt einen relativ leicht in eine ebenfalls extreme Position, entweder dafür oder dagegen. Hitler als Maßstab aller Dinge, als Ikone welche man entweder verehrt oder verteufelt, ist ebenfalls eine manipulative Nachwirkung der Nazizeit. Es wird einem so schwer bis unmöglich gemacht
eine kühlen Kopf zu bewahren, bei all der schädlichen Aufmerksamkeit, die diese Geschichtsepoche noch immer fordert.
Manchmal versuche ich mir in Gedanken auszumahlen, was sein würde, wenn Hitler nie gewesen wäre.
Ich komme zu dem Schluss, daß die Welt sehr wahrscheinlich ein besserer und freundlicherer Ort sein würde.
Denn es gab in den 20iger-Jahren beträchtliche Entwicklungsansätze in vielerlei Hinsicht (politisch, philosophisch, psychologisch, sozial, geistig-geistlich, in der Kunst, in der Wissenschaft,...)
all diese Ansätze wurden dann vom WK 2 überrollt und sind hinter dem "Polarisierungsvorhang" in Vergessenheit geraten.
Einige Ansätze waren sehr vielversprechend, sie wären es noch.
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luftikus
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Beitrag Do., 19.02.2015, 09:36

blade hat geschrieben:Manchmal versuche ich mir in Gedanken auszumahlen, was sein würde, wenn Hitler nie gewesen wäre.
Ich komme zu dem Schluss, daß die Welt sehr wahrscheinlich ein besserer und freundlicherer Ort sein würde.
Es ist wirklich schwierig, sich auszumalen, wie die Geschichte ohne das Dritte Reich weiter verlaufen wäre. Es stimmt schon, die Zwanzigerjahre scheinen ziemlich progressiv und modern gewesen zu sein, und das Dritte Reich hat einen Großteil der Ideen und Gedanken dieser Zeit wieder ausradiert und die Gesellschaft weit zurückgeworfen. Andererseits müssen ja auch starke nationalistische Tendenzen da gewesen sein, sonst hätte Hitler es wohl nie an die Macht geschafft.

Bis heute ist das Dritte Reich schon allein deswegen ein Thema, weil es auch unser Leben noch prägt; es ist wie ein Nachhall einer großen Explosion, die uns immer noch in den Ohren brummt. Allein wenn ich mir mein eigenes Leben ansehe: ein nicht unbeträchtlicher Teil meiner Familie ist durch den Zweiten Weltkrieg in Mitleidenschaft gezogen worden oder gestorben. Die ehemals große Familie ist auf wenige Menschen zusammengeschrumpft, was unter anderem daran liegt, dass ein Großteil meiner Onkels den Krieg nicht überlebt hat und keiner von ihnen ihrerseits Familien gründen konnte. Und der überlebende Teil der Familie war bzw. ist psychisch stark durch diese Zeit beeinflusst worden. Sie trugen bzw. tragen Gedanken in sich, die sich wiederum auf meine Erziehung und somit auf mein Leben ausgewirkt haben.

Ohne das Dritte Reich hätte ich vermutlich eine große Familie mit vielen Cousins/Cousinen und deren Kindern, und auch meine Eltern wären vielleicht psychisch anders gestrickt und hätten mich anders erzogen. Wer weiß...

Zum Thema politische Diskussionen: auch ich kenne einige Leute, die sich da ständig in Rage reden. Ich mag das nicht. Zwar unterhalte ich mich gern über politische Themen, aber ich mag lieber ruhige, sachbezogene Unterhaltungen, bei denen man das Für und Wieder abwägen kann. Viele Leute regen sich aber gleich stark auf, schimpfen herum und fantasieren sich alle möglichen Schreckensszenarios zusammen, wenn dies oder jenes nicht passiert, oder wenn diese oder jene Partei nicht wahlweise abgewählt wird oder endlich an die Macht kommt. Sobald die Diskussion diesen hysterischen Tonfall bekommt, klinke ich mich aus. Denn es strengt mich an, und man kommt mit sachlichen Argumenten sowieso nicht mehr weiter.

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Danica
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Beitrag Do., 19.02.2015, 09:47

luftikus hat geschrieben:Zum Thema politische Diskussionen: auch ich kenne einige Leute, die sich da ständig in Rage reden. Ich mag das nicht. Zwar unterhalte ich mich gern über politische Themen, aber ich mag lieber ruhige, sachbezogene Unterhaltungen, bei denen man das Für und Wieder abwägen kann. Viele Leute regen sich aber gleich stark auf, schimpfen herum und fantasieren sich alle möglichen Schreckensszenarios zusammen, wenn dies oder jenes nicht passiert, oder wenn diese oder jene Partei nicht wahlweise abgewählt wird oder endlich an die Macht kommt. Sobald die Diskussion diesen hysterischen Tonfall bekommt, klinke ich mich aus. Denn es strengt mich an, und man kommt mit sachlichen Argumenten sowieso nicht mehr weiter.
Das geht mir ganz genauso. Insbesondere auch z.B. mit religiösen Themen. Wenn ich merke, dass Menschen einer sachbezogenen Argumentation nicht mehr zugänglich sind, dann unterlasse ich auch jede entsprechende Argumentation. Meine weitere Reaktion hängt davon ab, wie nah mir die jeweilige Person steht. Fehlt ein persönlicher Bezug, ziehe ich mich ganz zurück. Ist mir zu anstrengend. Themenbezogene Diskussionen führen jedenfalls dann zu nichts, außer zu Streit und Missstimmung.

Ganz tolle Beiträge hier, übrigens, wie ich finde

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hawi
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Beitrag Do., 19.02.2015, 10:01

Hallo blaues wasser,
du schreibst, beschreibst ein Stück Vater Sohn „Beziehung“, Kommunikation.

Wie ich finde, schon auch mit den Erwartungen, die Sohn an Vater hat.
Die Verallgemeinerungen, Abwertungen, Vorwürfe, etc. deines Vaters?
Jepp, vieles davon find ich auch „dämlich“.
Deine „Gegensicht“? Oder die Sicht deines „Bruders“?
Auch da meine ich Ansichten raus zulesen, die halt überzeugungsgeprägt sind, die auch nicht ohne Pauschalen, ohne Wertungen auskommen, Wertungen, die auch nicht unbedingt jeder teilt, teilen muss.

Da ich euch ja nicht kenne: Frag dich doch u.a. mal, ob du bei anderen, die auch grad Reden schwingen, sich produzieren, aus deiner Sicht „dämliche“ Ansichten kommunizieren, genau so gereizt heftig reagierst.
Wenn ja, dann ist das halt so, dann hat es aber mit deinem Vater so sehr gar nichts zu tun. Wenn nein, dann guck nach, bei dir nach, deine Erwartungen an deinen Vater.
Versuch für dich den Teil zu erwischen, wo du an deinen Vater andere Erwartungen als gegenüber anderen Erwachsenen stellst. Daneben vielleicht auch ähnlich bei deinem Vater. Ist er sonst auch so, oder eher nur im Gespräch gegenüber seinen Söhnen?

Was besonderes bleibt eine Kind-Elternbeziehung ja immer. Aber schon ganz gut, wenn beide Seiten sie als Erwachsene führen, wahrnehmen, sprich, manch Besonderheit als Erwachsene relativieren.
So wird dann aus dem Vater auch mal der ältere Mann, der einer anderen Generation angehört, oder den halt schlicht einigen Überzeugungen hat, die du nicht, so nicht teilst.
Zumindest etwas stressfreier, wenn du, ihr so miteinander umgeht, den Blödsinn des anderen nicht unwidersprochen lasst, aber etwas mehr zulasst, zumindest soweit, wie bei anderen auch.

LG hawi
„Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, daß die Dummen todsicher
und die Intelligenten voller Zweifel sind.“
Bertrand Russell


redred
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Beitrag Do., 19.02.2015, 10:22

Hallo blaues_wasser (schöner Nick )

Kennst Du den Ausspruch "Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen." ?

Ich verstehe nicht, wo das Problem ist? Lass doch deinem Vater einfach seine Meinung. Und wenn er etwas pauschal sagt, dann sieht er das eben pauschal. Wieso ist das denn Dein Problem?
Darauf herumzuhacken und deinen Vater und deinen Bruder zu deiner Meinung bekehren zu wollen, läuft auf Rechthaberei hinaus. Und was ist das Problem, das er Dritte Reich Dokus ansieht? Dann interessiert ihn halt das Thema ganz besonders. Andere schauen den ganzen Tag Comedy oder Talk Shows. So what?
Dein Vater kann doch machen, was er will, es ist sein Leben. Du hast deins.

Übrigens, dieser Meinung deines Vaters: "Heute sind die Menschen genauso dumm wie damals und die hätten auch Hitler gewählt.", könnte ich durchaus auch zustimmen.
Ob Dir eine Katze, die Dir über den Weg läuft, Unglück bringt oder nicht, hängt davon ab, ob du ein Mensch bist oder eine Maus!

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hawi
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Beitrag Do., 19.02.2015, 10:28

luftikus hat geschrieben:Ohne das Dritte Reich hätte ich vermutlich eine große Familie mit vielen Cousins/Cousinen und deren Kindern, und auch meine Eltern wären vielleicht psychisch anders gestrickt und hätten mich anders erzogen. Wer weiß...
luftikus,

nicht dass meine Vorfahren dezimiert worden wären, mich prägt diese Zeit aber heute durchaus auch, prägt sie als Sohn eines SS Angehörigen, eines Vaters, der nie, kaum drüber sprach, der sich natürlich nie für irgendwas entschuldigte, der im Krieg angeblich nur so was tat wie massenweise Kartoffeln zu schälen, und der, als ich heranwuchs, die Zeit hinterfragte, im Grunde nur grob „Stellung bezog“ indem er dann meinte, es sei ja nicht alles verkehrt gewesen.

Vater/Sohn Beziehung?
Für den kleinen Sohn ein klasse Vater! Für den Erwachsenen, dessen Vater mittlerweile zig Jahre tot ist? Auf jeden Fall prägend!

LG hawi
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luftikus
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Beitrag Do., 19.02.2015, 11:02

hawi hat geschrieben:prägt sie als Sohn eines SS Angehörigen, eines Vaters, der nie, kaum drüber sprach, der sich natürlich nie für irgendwas entschuldigte, der im Krieg angeblich nur so was tat wie massenweise Kartoffeln zu schälen, und der, als ich heranwuchs, die Zeit hinterfragte, im Grunde nur grob „Stellung bezog“ indem er dann meinte, es sei ja nicht alles verkehrt gewesen.
Bei mir wars so, dass während des Dritten Reichs eher mein Großvater der aktive Parteifreund gewesen war. Bis zu seinem Tod war er ein Anhänger Hitlers gewesen. Mein Vater hingegen war am Kriegsende gerade ein Jugendlicher gewesen, der hat nicht aktiv mitgemischt, ist aber trotzdem natürlich durch die Zeit geprägt worden.

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Danica
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Beitrag Do., 19.02.2015, 11:10

Ich mag jetzt einfach pauschal behaupten, dass die beiden Weltkriege die Menschen bis heute buchstäblich weltweit prägen. Ob ohne Hitler nicht eine andere vergleichbare, annähernd so schreckliche Katastrophe entstanden wäre... Vielleicht nicht.

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hawi
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Beitrag Do., 19.02.2015, 11:19

@luftikus
Nur kurz, weil es das Thema hier ja allenfalls streift:
Viel weiß ich ohnehin nicht, weil halt fast nicht drüber geredet wurde, der Vater meines Vaters auch früh starb. Dieser Großvater ? Wird wohl eher den 1. Weltkrieg mitgemacht haben. Mir auch da kaum was überliefert. Einiges spricht dafür, dass der womöglich recht kaisertreu war, später aber nix von Nazis hielt. Mein Vater, Jahrgang 1920, dafür wohl umso mehr.
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Beitrag Do., 19.02.2015, 11:47

Danica hat geschrieben:Ich mag jetzt einfach pauschal behaupten, dass die beiden Weltkriege die Menschen bis heute buchstäblich weltweit prägen. Ob ohne Hitler nicht eine andere vergleichbare, annähernd so schreckliche Katastrophe entstanden wäre... Vielleicht nicht.
Danica,

das heute „richtig“ einzuordnen, zum Teil wohl immer noch nicht weit genug weg, um es hinzukriegen.
Beide Weltkriege beeinflussen bis heute ganz sicher, je nach Weltregion verschieden, auch verscheiden stark. Daneben dann aber auch anderes.

So ganz allgemein?
Seh ich dann gar nicht so personenbezogen! Eher schon bezogen auf Industrialisierung, Wissenschaft, auch Wandel von Anschauungen, Lebensweisen. Umbrüche in kurzer Zeit, die zwar anders als in Deutschland, aber an vielen Stellen in der Welt Menschen leiden ließen.
Was wiederum zu sehr unterschiedlichen „Ideologien“ führte, die aber aus heutiger Sicht alle nicht grad menschenfreundlich waren.
Ein Hitler war – wie ich finde – auch so was ein „Kind seiner Zeit“, wie z.B. auch ein Stalin, Mussolini, aber auch die japanisch monarchische Variante gehört dazu, sogar die Art von Kapitalismus, die u.a. in den USA praktiziert wurde. Überall für mich gepaart auch mit so was wie Rassismus, o. a. Formen von Menschenverachtung.
Fast schon gut, dass es hier so monströs „ausuferte“, dass herunterspielen schlicht unmöglich war, ist. So hat Deutschland als Land für sich heute immerhin einiges mehr an Üblem anerkannt, anerkennen müssen, als viele andere Länder.
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luftikus
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Beitrag Do., 19.02.2015, 12:17

hawi hat geschrieben:Fast schon gut, dass es hier so monströs „ausuferte“, dass herunterspielen schlicht unmöglich war, ist. So hat Deutschland als Land für sich heute immerhin einiges mehr an Üblem anerkannt, anerkennen müssen, als viele andere Länder.
Das sehe ich auch so: eigentlich gut, dass Deutschland aus seiner Vergangenheit wenigstens etwas gelernt zu haben scheint. Im Gegensatz zu anderen Ländern mit diktatorischen Vergangenheiten gab es bei uns eine systematische Aufarbeitung und "Vergangenheitsbewältigung". Zwar wird diese inzwischen von vielen Leuten kritisiert, aber ich finde, dass wir davon profitieren. In anderen Ländern werden ungeliebte Vergangenheiten oft nach wie vor unter den Teppich gekehrt, was zu gesellschaftlichen Verwerfungen und langfristigen Problemen führen kann.

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Samt&Seide
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Beitrag Do., 19.02.2015, 12:44

Wenn wir andere mit unseren - natürlich richtigen - Gedanken umformen oder den Mund verbieten möchten, weil wir nicht ertragen, was sie so reden … was ist dann eigentlich an uns anders als an denen?

Warum sind wir eigentlich so sicher, dass sie ja "nur" zu übernehmen bräuchten, was wir ihnen an klugen Vorlagen geben - wär doch ganz einfach! - wo wir doch von uns selbst sehr genau wissen, wie schwer es ist, sich zu ändern?

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Danica
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Beitrag Do., 19.02.2015, 14:01

Absolute Zustimmung, Hawi!

Bedingte Zustimmung, Samt&Seide... Manche Meinungen DARF man nicht unwidersprochen stehen lassen. Die Ansichten des Vaters des TE halte ich auch für ziemlich grenzwertig. In welcher Weise man entgegentritt, das ist die große Frage. Irgendwie erinnerst du mich an einen anderen User, der hier nach zig-tausend-facher Ankündigung im Moment mehr oder weniger "verdunstet" zu sein scheint...

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