Hallo Psychotherapie-Forum,
im vergangenen Jahr ist mir immer mehr bewusst geworden, dass die Beziehung zu meinen Eltern ziemlich schlecht ist. Das war mir vorher tatsächlich nicht klar.
Ich wohne zurzeit noch bei meinen Eltern und habe dieses Jahr eine Ausbildung angefangen, werde allerdings nächsten Monat ausziehen, damit ich näher an meinem Arbeitsplatz wohne.
Aufgefallen ist mir Folgendes in der Beziehung zwischen Eltern und mir:
- ich habe Angst meinen Vater um etwas zu bitten (z.B. bei längeren Autofahrten anhalten, weil ich auf Toilette muss)
- ich habe kein Vertrauen zu meinen Eltern (lasse sie nicht in mein Leben rein)
- Eltern reden sehr schlecht bei Verwandten/Freunden über mich (und meinen Bruder), mit und ohne unser Beisein
- ich schädige mich selber, damit sie sich schlecht fühlen (?)
- ich fühle Mitleid UND Freude UND Selbstmitleid, wenn sie hilflos (mit mir/meinem Bruder) sind
- ich fühle mich schlecht, weil ich sie (glaube ich) nicht wirklich Liebe
- ich kann ihnen gegenüber keine Gefühle zeigen (außer Lachen, Sarkasmus, Ironie)
- ich fühle mich schlecht, bei dem Gedanken sie zu umarmen, zu küssen oder sonst irgendwie Zuneigung zu zeigen
- ich fühle mich schlecht, wenn sie (besonders meine Mutter) mich loben/Zuneigung zeigen
- habe das Gefühl, dass die Zuneigung meiner Mutter an Bedingungen geknüpft ist
- ich kann mit ihnen nicht darüber reden
Mein Vater ist sehr gefühlskalt und zeigt außer Lachen, Sarkasmus und Ironie auch keine Gefühle. Er versteht Sachen andauernd falsch. Ich fühle mich provoziert dadurch, weil jeder andere (anwesende) Mensch versteht was ich meine und ich das Gefühl habe, er WILL es nicht verstehen.
Sein Leben besteht zum großen Teil aus Arbeiten, Fernsehen und am Wochenende "bastelt" er (Elektrotechnik).
Meine Mutter ist oft überfürsorglich, erinnert mich 1000x an Sachen die ich noch machen muss und versucht mein Leben zu organisieren. Sie hat mich mal gefilmt und ausgelacht, als ich einen Wutausbruch als Kind hatte, weil ich Schulaufgaben nicht geschafft habe. Das war mir extrem unangenehm und peinlich. Habe danach jahrelang mein Zimmer nach Kameras durchsucht (war das ein Trauma?). Glaube das hatte ich sogar mal verdrängt und mir ist das auch erst vor ca. einem Jahr wieder hochgekommen. Habe sie deswegen auch angesprochen und sie hat sich entschuldigt und "wollte es nur aus pädagogischen Zwecken machen" oder sowas.
Beide reden meistens über die Arbeit oder Pflichten von mir/meinem Bruder (i.d.R. Mutter). Außerdem sticheln sie sich andauernd gegenseitig, so eine Art unterschwelliger Streit (ganz pervers).
Ich habe allgemein Probleme mit tiefen Beziehungen und Vertrauen zu anderen Menschen. Außerdem fühle ich mich oft leer, hatte früher Drogenprobleme und in letzter Zeit ist mir bewusst geworden, dass ich versteckte selbstverletztende Verhaltensmuster habe: extremer Sport; Rauchen (bin eig. Nichtraucher); Sachen kaputtmachen, die mir wichtig sind; sehr selten Schläge ins Gesicht, Kopf irgendwo gegen schlagen oder beißen/kneifen. (Kein Ritzen) (Borderline Tendenzen?)
Eigentlich sollte ich fragen, was ich machen kann, damit die Beziehung zu meinen Eltern besser wird. Aber ich will eigentlich keinen Dialog mit ihnen. Es wäre mir nicht möglich, sie darauf anzusprechen. Es fühlt sich falsch an und die Hemmung wäre viel zu groß.
Ich kann im RL mit niemandem über so emotionale Themen reden. Ist das alles in normalem Rahmen? Es wäre super, wenn ihr mir eure Meinung zu der Situation sagt und vielleicht Ratschläge geben könntet, wie ich damit umgehen kann.
Freundliche Grüße
DECT
Kranke Beziehung zu Eltern (!?)
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Hallo DECT!
Die Beziehung zu deinen Eltern hört sich für das, was du beschrieben hast (Angst vor dem Vater, der einen immer missversteht und schlecht über einen spricht, sowie eine Mutter, die die Wut ihres Kindes mit Lachen erfüllt filmt) genauso an, wie es sich anfühlen "sollte". Das heißt: wenn man mit solchen Eltern "gesegnet" ist, dann ist Wut, Verwirrung, Ablehnung (Selbstablehnung) genau das, was man als Kind solcher Eltern fühlt.
Die meisten erwachsenen Kinder erlauben sich gar nicht, diese Gefühle wahrzunehmen. Du berichtest selbst davon, dass dir vormals nicht bewusst war, wie kaputt die Beziehung zu deinen Eltern ist.
Das Kind schützt sich anfangs gegen solche "kaputte" Eltern indem es sich mit ihnen identifiziert, weil es geliebt werden will und es wäre zu schmerzhaft zu glauben, dass die Eltern einen nichts Gutes wollen. Deshalb übernimmt es "automatisch" die Sicht der Eltern und erst wenn es jugendlich und erwachsen wird, hat es die Chance, zu erkennen, dass die Eltern es nicht wirklich lieben. Und es beginnt eine Zeit der Auseinandersetzung mit der Geschichte und dem eigenen Selbst.
Du kannst dich insofern glücklich schätzen, als du schon sehr früh (mit Anfang 20) gemerkt hast, dass da was nicht stimmt. Viele Erwachsene leben Jahrzehnte in dem Gedanken, dass die Eltern "heilig" sind.
Ich kann dir Literatur zum Thema empfehlen, mit Hilfe derer du lernen kannst, dich selbst (in deinen Wut- und Hilflosigkeitsgefühlen) zu verstehen, und zu verstehen was dahintersteckt.
Arno Gruen: Verrat am Selbst
Alice Miller: Drama des begabten Kindes
Alles Gute!
Chancen
Die Beziehung zu deinen Eltern hört sich für das, was du beschrieben hast (Angst vor dem Vater, der einen immer missversteht und schlecht über einen spricht, sowie eine Mutter, die die Wut ihres Kindes mit Lachen erfüllt filmt) genauso an, wie es sich anfühlen "sollte". Das heißt: wenn man mit solchen Eltern "gesegnet" ist, dann ist Wut, Verwirrung, Ablehnung (Selbstablehnung) genau das, was man als Kind solcher Eltern fühlt.
Die meisten erwachsenen Kinder erlauben sich gar nicht, diese Gefühle wahrzunehmen. Du berichtest selbst davon, dass dir vormals nicht bewusst war, wie kaputt die Beziehung zu deinen Eltern ist.
Das Kind schützt sich anfangs gegen solche "kaputte" Eltern indem es sich mit ihnen identifiziert, weil es geliebt werden will und es wäre zu schmerzhaft zu glauben, dass die Eltern einen nichts Gutes wollen. Deshalb übernimmt es "automatisch" die Sicht der Eltern und erst wenn es jugendlich und erwachsen wird, hat es die Chance, zu erkennen, dass die Eltern es nicht wirklich lieben. Und es beginnt eine Zeit der Auseinandersetzung mit der Geschichte und dem eigenen Selbst.
Du kannst dich insofern glücklich schätzen, als du schon sehr früh (mit Anfang 20) gemerkt hast, dass da was nicht stimmt. Viele Erwachsene leben Jahrzehnte in dem Gedanken, dass die Eltern "heilig" sind.
Ich kann dir Literatur zum Thema empfehlen, mit Hilfe derer du lernen kannst, dich selbst (in deinen Wut- und Hilflosigkeitsgefühlen) zu verstehen, und zu verstehen was dahintersteckt.
Arno Gruen: Verrat am Selbst
Alice Miller: Drama des begabten Kindes
Alles Gute!
Chancen
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- Forums-Gruftie
- , 34
- Beiträge: 515
das mit dem filmen ist das letzte! ich weiss noch, dass ich als kind, wie jedes kind, auch mal geweint habe - nicht grundlos. manchmal weinte ich zb, weil meine mutter mich geschlagen oder ausgeschimpft hatte. und wenn sie grade "in stimmung" war, musste ich anschließend zu ihr kommen und mir anhören, wie süß ich doch gerade aussähe. das kommt mir heute noch wie eine vergewaltigung vor.
-
- Helferlein
- , 26
- Beiträge: 38
Hallo DECT,
erst einmal finde ich es total mutig und gut von dir, dass du dich uns anvertraust. Wie Chancen schon gesagt hat, sind die Konsequenzen aus dem Verhalten deiner Eltern so, wie sie sein sollen. Ich erkenne mich in dir fast komplett wieder.
Raten würde ich dir auf jeden Fall zu einer tiefenfundierten Psychotherapie um deine Kindheit mit einem Profi aufzuarbeiten. Wir haben damals so viel Schmerz erfahren müssen, dass wir irgendwann dicht gemacht haben und keine Gefühle mehr an uns rangelassen haben (wie auch? Dann müssten wir uns umbringen). Das würde dein Problem mit tiefen Beziehungen/Vertrauen erklären. Wie sollst du Vertrauen in andere habe, wenn du 1. dir nicht vertraust, bzw. dich nicht als ganzes siehst/akzeptierst und 2. dir nicht zugetraut wurde, dass du anderen vertrauen kannst...
Diese Mauer gilt es also zu durchbrechen...
Deine Mutter ist nicht überfürsorglich sondern entwertet dich total. Sie macht das nicht aus "Sorge" sondern weil sie dir nicht zutraut, dass du selbst daran denkst/dir eine Erinnerung machst oder das du in deinem Leben alleine klar kommst etc. (das klingt total hart. Es tut mir echt leid)
Der Auszug ist der richtige Weg. Wegen der Agressivität würde ich mir keine Gedanken machen (es sei denn es artet aus). Ich vermute das es deine Gefühle sind die langsam mal raus müssen, sonst platzt du.
Wünsch dir ganz viel Glück!
LG
Butterblümchen
erst einmal finde ich es total mutig und gut von dir, dass du dich uns anvertraust. Wie Chancen schon gesagt hat, sind die Konsequenzen aus dem Verhalten deiner Eltern so, wie sie sein sollen. Ich erkenne mich in dir fast komplett wieder.
Raten würde ich dir auf jeden Fall zu einer tiefenfundierten Psychotherapie um deine Kindheit mit einem Profi aufzuarbeiten. Wir haben damals so viel Schmerz erfahren müssen, dass wir irgendwann dicht gemacht haben und keine Gefühle mehr an uns rangelassen haben (wie auch? Dann müssten wir uns umbringen). Das würde dein Problem mit tiefen Beziehungen/Vertrauen erklären. Wie sollst du Vertrauen in andere habe, wenn du 1. dir nicht vertraust, bzw. dich nicht als ganzes siehst/akzeptierst und 2. dir nicht zugetraut wurde, dass du anderen vertrauen kannst...
Diese Mauer gilt es also zu durchbrechen...
Deine Mutter ist nicht überfürsorglich sondern entwertet dich total. Sie macht das nicht aus "Sorge" sondern weil sie dir nicht zutraut, dass du selbst daran denkst/dir eine Erinnerung machst oder das du in deinem Leben alleine klar kommst etc. (das klingt total hart. Es tut mir echt leid)
Der Auszug ist der richtige Weg. Wegen der Agressivität würde ich mir keine Gedanken machen (es sei denn es artet aus). Ich vermute das es deine Gefühle sind die langsam mal raus müssen, sonst platzt du.
Wünsch dir ganz viel Glück!
LG
Butterblümchen
- "Regel 32: Genieße die kleinen Dinge im Leben."
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- sporadischer Gast
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- Beiträge: 28
Offenbar hast du leider auch Eltern, die eine narzisstische Störung haben.
Das hilft nur eines: Distanz halten, und sich darum bemühen, selbst ein so normal wie mögliches Leben aufbauen.
Dazu sucht man sich am besten Hilfe von außen.
Das hilft nur eines: Distanz halten, und sich darum bemühen, selbst ein so normal wie mögliches Leben aufbauen.
Dazu sucht man sich am besten Hilfe von außen.
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