Suizidfolgen für Eltern

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Broken Wing
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Suizidfolgen für Eltern

Beitrag Sa., 13.09.2014, 12:04

Manche Zufälle gibt es, die gibt es eigentlich nicht. Ich war gestern etwas spät dran und wollte nicht mit den Öffis fahren. Also Taxi gerufen.
Die Fahrerin wurde mir von Freunden empfohlen, da sie einen guten Ruf genießt.

Naja man plaudert halt. Ich weiß auch nicht, wie es dazu gekommen ist, aber sie erzählte mir von ihrem Kind, das sich das Leben genommen hat. Sie war knapp vorm Heulen.
Kind bezeichnet hier auch Erwachsene, weil es mir nicht um das Alter sondern um das Beziehungsverhältnis geht.

Das und die Tatsache, dass es einige Jährchen her sein dürfte, war für mich höchst lehrreich. Natürlich plagen mich als Todeswillige auch Sorgen darüber, wie meinen Nächsten hinterher gehen wird.

Nachdenklich stimmte mich auch, als sie von seinem später gefundenen Tagebuch erzählte, in dem übliche Bedenken geäußert werden, wie zB, dass man es der Familie nicht antun könne. Aber irgendwann scheint seine Not doch alles aufgewogen zu haben.

Ich war bisher der Meinung, früher oder später könnten die Hinterbliebenen damit abschließen. Von Internetberichten halte ich nicht viel, auch nicht von programmatischen Zusammentreffen. Natürlich habe ich meine Situation verschwiegen, dennoch bin ich froh, dass ich die Gelegenheit bekommen habe, etwas zu lernen.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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feenstaub
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Beitrag Sa., 13.09.2014, 12:26

Hallo Broken Wing,

ich denke, für Eltern ist es immer sehr schwer bis gar nicht auszuhalten, wenn das eigene Kind stirbt (egal, wie alt das Kind ist). Bei Suizid kommen wahrscheinlich Schuldgefühle dazu, dem Kind nicht das nötige Rüstzeug mitgegeben zu haben, das Leben anzunehmen.
Meine Kinder haben den Suizid einer Freundin sehr nah miterlebt. Da ist eigentlich klar, dass der Grund auch in familiärer Umgebung liegt, es war fast schon wie ein aggressiver Akt der Freundin, sowohl gegen sich selbst, als auch gegen ihre Umgebung.
Ich weiß nicht viel, wie die Eltern es jetzt verkraften, für die Freundinnen war es einerseits ganz schlimm, andererseits trösten sie sich etwas damit, dass sie ja vorher oft gesagt hat, dass sie sich den Tod wünschte.
Grüße,
feenstaub

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Fundevogel
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Beitrag Sa., 13.09.2014, 18:11

Liebe Broken Wing,

oh man ...ganz schön heftig dein Gespräch.

In meiner Familie gibt es keinen Suizid, aber einige (selbst schon erwachsene) Kinder, die vor ihren Eltern gestorben sind. Die Eltern haben das niemals verwunden, meine Oma zB hat kurz vor ihrem Tod noch von ihrer verstorbenen Tochter gesprochen, die anderen Eltern leben alle selbst noch. Ich denke mir, dass ein Suizid nochmal schlimmer ist, weil man sich dann als Eltern immer fragt, was man falsch gemacht hat.

Im übrigen kann ich deine Sehnsüchte und Gedanken sehr gut nachvollziehen.
Fundevogel

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Broken Wing
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Beitrag Sa., 13.09.2014, 18:47

Hallo ihr beiden,

Ich glaube auch, dass ein Tod des eigenen Kindes nie einfach zu bewältigen ist. Doch beim Suizid ergibt sich das Problem für mich und für Eltern aus einer anderen Warte. Genau so wie Hinterbliebene stelle ich auch mir die Frage, ist es nicht vermeidbar, dass ich ihnen dieses Leid antue. Der einzige Unterschied: Ich vorher, die anderen nachher. Aber quälend ist es gleichermaßen.

Wie sie auch, werde ich auf diese Fragen keine Antwort bekommen. Wenn es eine Krankheit ist, kann ich nämlich nichts dafür. Es ist absurd, da von Entscheidung zu reden, auch wenn einem Freiheit vorgegaukelt wird. Es ist, wie bei organischen Erkrankungen auch, nur eine Frage der Resistenz. Und auf die hat man bewusst keinen Einfluss.
Es fragt sich also nur, wie lange es der Körper mitmacht, ehe er gegen sich vorgeht. Der Suizid ist dann der natürliche Tod bei einer entsprechenden Erkrankung.

Sollte es keine Krankheit sein, habe ich die Pflicht, so zu handeln, dass ich allen Beteiligten so wenig Schaden wie möglich zufüge. Vorausgesetzt, mein Suizid wäre für alle Beteiligten der größtmögliche Schaden. Es wäre meine Pflicht, weiterzumachen. Die Zeiten mit dieser Sicht auf den Suizid haben wir hinter uns, zum Glück. Das hätte nämlich die Verächtung des Selbstmörders zur Folge.

Aber nur, weil der Suizid heute überwiegend als Symptom einer Erkrankung gesehen wird, heißt das nicht, dass dem wirklich so ist. Ich werde mich also weiterhin quälen müssen, solange ich diese Wünsche habe. Ja, es leiden Hinterbliebene. Ich verstehe nicht, warum aber das spiegelverkehrte Leid des Betroffenen nie gesehen wird. Liegt es daran, dass das Leiden derer viel leiser ist?
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hope_81
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Beitrag Sa., 13.09.2014, 18:56

Broken Wing hat geschrieben:Ich verstehe nicht, warum aber das spiegelverkehrte Leid des Betroffenen nie gesehen wird. Liegt es daran, dass das Leiden derer viel leiser ist?
Das verstehe ich auch nicht. Ich denke aber, dass jemand, der diese Todessehnsucht nicht kennt, und das Leben nicht als Qual und Strafe sieht, es einfach nicht verstehen kann.
"Wie konnte er/sie es uns nur antuen" ist ja meist der Ausspruch. Es ist egoistisch.
Mhh, jemandem den Tod zu gönnen, passt nicht in unser Denken.
Das Beste, was du für einen Menschen tun kannst, ist nicht nur deinen Reichtum mit ihm zu teilen, sondern ihm seinen eigenen zu zeigen.
Benjamin Disraeli

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peppermint patty
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Beitrag Sa., 13.09.2014, 19:34

hopeless81 hat geschrieben: Mhh, jemandem den Tod zu gönnen, passt nicht in unser Denken.
Weil das ja als aggressiver, bösartiger Akt verstanden wird. Von daher wäre es verpönt. Dabei wird natürlich das reale Leiden der Betroffenen ausgeblendet.
Ironischerweise würde man bei einem Tier anders agieren und ihm den Tod wünschen wenn es leidet.

Da frage ich mich haben wir bei Tieren eine höhere Empathiefähigkeit als bei Menschen? Oder wird es einfach tabuisiert, da man ja davon ausgehen "muss", dass alle Menschen leben wollen? Ich denke es ist wohl überwiegend blanker Egoismus. Und dem könnte ich mich bei mir nahestehenden Menschen auch nicht erwehren. Mein Vermissen, meine Schuldgefühle,...

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Broken Wing
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Beitrag Sa., 13.09.2014, 19:58

Hallo Peppermint Patty,

Ich würde nicht den Vergleich mit den Tieren anstellen. Es gibt genug Grausamkeiten, die Menschen auch ihren Haustieren angedeihen lassen. Was die Einschläferungangeht, sind die Motive nicht bekann, man geht unbeechtigt von Mitleid aus. Und außerdem wird der Machtfaktor unterschätzt, der bei günstigr Gelegenheit aus Menschen Bestien machen kann. Über Tiere hat der Mensch macht und legt sich ein Haustier zu, weil er es pflegen will. Das Ter kann ihm keine günstigen Positionen verschaffen, sodass eine rasche Beseitigung in Frage käme. Ganz im Gegensatz zur Oma, wo schon mal Erbschaftsfragen ihr Ende besiegeln können.

Viele Tiere existieren nur Dank des Menschen ausschließlich dafür, um seine Bedürfnisse ach Zuwendung, Unterhaltung, Nahrung o.ä. zu befriedigen. Es wäre in der Tat besser für sie, wenn ihnen solch ein Leben erspart bliebe, aber da hält sich uner Mitleid halt in Grenzen.

Tut mir leid, meine Tastatur schon wieder.
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Fundevogel
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Beitrag Sa., 13.09.2014, 20:08

Das Thema Egoismus hat was ...

Einerseits: Diejenigen, die gehen, seien egoistisch wie hopeless sagte. Oder drücken sich.
Andererseits: Diejenigen, die zurückbleiben (was für ein eigenartiges Wort in diesem Zusammenhang eigentlich...), leiden an ihrem Vermissen, ihren Schuldgefühlen, wie peppermint patty sagte.

Aber man kann nicht nur für andere leben und schweigen, auf Dauer, in einer schweren Depression.
Irgendwann muss man anfangen zu reden.
Fundevogel

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hope_81
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Beitrag Sa., 13.09.2014, 20:17

Fundevogel hat geschrieben:Das Thema Egoismus hat was ...

Einerseits: Diejenigen, die gehen, seien egoistisch wie hopeless sagte. .
Ohhh nein, da wurde ich falsch verstanden, Ich meinte es ist egoistisch demjenigen, der sich umbringen
will, ein schlechtes Gewissen zu machen,nur weil ich als Hinterbliebende leide.
Das Beste, was du für einen Menschen tun kannst, ist nicht nur deinen Reichtum mit ihm zu teilen, sondern ihm seinen eigenen zu zeigen.
Benjamin Disraeli

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Fundevogel
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Beitrag Sa., 13.09.2014, 20:22

@hopeless: oh, sorry, ich dachte, du sagst, dass die Hinterbliebenen die sich umbringen wollen als egoistisch ansehen. Nicht, dass du das meinst ... hab ich mich schlecht ausgedrückt, Entschuldigung.
Fundevogel

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Broken Wing
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Beitrag Sa., 13.09.2014, 20:25

Hallo Fundevogel,

Danke für deine tollen Beiträge.
Ich sehe das auch so, irgendwann muss man reden. Aber wie? Wenn keiner verstehen kann?
Die Schuldfrage bleibt. Es geht hier um eine prinzipielle Frage, auf die es bisher keine Antwort gibt. Auf die Frage der Willensfreiheit, die bei einem Depressiven angeblich eingeschränkt sein soll. Finde ich gewagt, die Ansage. Ich meine, wenn nicht einmal klar ist, ob es so etwas wie Willensfreiheit überhaupt gibt, wie kann man wissen, dass sie eingeschränkt ist? Sicher, wenn es einem besser geht, bringt man sich nicht um. Aber so kann ich auch argumentieren, dass der Krebskranke leben will, wenn er nicht mehr unter dem Krebs leiden muss. Somit ist sein Wille eingeschränkt. Ach ja, der Hungrige will auch nicht essen, aber der Hunger schränkt seine Willensfreiheit ein ...
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hope_81
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Beitrag Sa., 13.09.2014, 20:25

Nein kein Problem Fundevogel. So klar steht es bei mir ja auch nicht.
Ich wollte das nur richtig stellen, weil ich persönlich einen Suizid respektiere, auch wenn es mich schmerzt.
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feenstaub
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Beitrag Sa., 13.09.2014, 20:42

ich glaube, das ist es ja auch: selbst wenn man es verstehen kann, dass der andere es will und auch respektieren, die Trauer bleibt ja trotzdem und das Vermissen. Egoistisch hin oder her, es ist wie es ist: der eine will sterben, der andere will den Lebensmüden bei sich im Leben halten. Vielleicht ist es mehr sowas wie ein "Interessenkonflikt", aber halt eben existenziell.


Vincent
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Beitrag Sa., 13.09.2014, 20:58

Interessante Doku über Suizid (und Trauer der Hinterbliebenen):

"Früher träumte ich vom Leben"

http://www.arte.tv/guide/de/048613-000/ ... -vom-leben

(Kam gerade gestern Abend auf Arte)
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." (Horvàth)

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Broken Wing
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Beitrag Sa., 13.09.2014, 20:59

Und ja. Das "wieso hast du uns das angetan?" der Hinterbliebenen klingt in meinen Ohren wie ein Vorwurf. Man kann über alles reden? Das tun doch die meiste Suizdkandidaten. 80 % kündigen ihren Suizid an. Das wird gern erwähnt, wenn es um Prävention geht. Wenn aber persönliche Berichte kommen, im Fernsehen oder im Internet zB, liest man überwiegend von Menschen, die sich völlig unerwartet umgebracht haben.
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