Bin ich lebensuntüchtig aufgrund autoritärer Erziehung?

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Dantana
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Bin ich lebensuntüchtig aufgrund autoritärer Erziehung?

Beitrag Sa., 06.09.2014, 18:33

Liebes Forum,

ich empfinde mich als behindert. Behindert darin, jemals ein normales Leben führen zu können.
Was genau ich habe, weiß ich bisher nicht. Ich habe seit Jahren Depressionen (ich war in Therapie und nehme Antidepressiva), weil mein Leben in einer Sackgasse ist. Ich fühle mich absolut lebensuntüchtig!
Ich weiß nicht, ob es körperlich/neurologisch oder rein seelisch bedingt ist.

Meine Eltern haben mich nicht gewollt.
Ich habe keine Erinnerung an die ersten 3 Lebensjahre, vermute aber, daß sie von Anfang an sehr aggressiv mir gegenüber waren.
Zu meinen ersten Erinnerungen gehört, wie mein Vater mit erhobener Hand vor mir steht und mich zu schlagen droht. Als ich älter war, tat er das allerdings selten. Er war eher der schwache Elternteil.
Meine Mutter war psychisch sehr labil. Wenn ich nicht gleich hörte oder mal log, schrie sie hysterisch das ganze Haus zusammen und betitelte mich mit üblen Schimpfworten.

Ich wollte lange nicht laufen lernen. Eine Tante erzählte mir, ich sei als Kleinkind durchgeschüttelt worden, weil ich mich bei meinen Gehversuchen am Glastisch oder Schrank abgestützt hatte. Meine Mutter behauptete, ich sei nur zu ängstlich gewesen.
Ich hatte lange Zeit Trinkstörungen, weil ich eine gestörte Mundmotorik hatte. Ich musste erst lernen, wie man vernünftig aus einem Glas oder einer Tasse trinkt.
Ich lernte spät sprechen. Es war, als sei ich einfach sprachlos gewesen aufgrund der Umstände zu Hause.
Ich stürzte oft und wenn ich das tat, dann immer auf den Mund. Den Reflex, mich mit den Händen abzustützen, entwickelte ich erst als Teenie.
Stand ich an einer Treppe, konnte man davon ausgehen, daß ich in den nächsten Sekunden runterpurzeln würde.

Kinder verspotteten mich, egal ob im Kiga oder in der Schule. Ein besonderes Problem war meine Dyskalkulie.
Wenn ich mal ein Kind ein wenig provozierte, hatte ich ganz schnell einen Schlag weg. Manchmal wusste ich nicht, wie mir geschah, weil ich so langsam reagierte.

In der Schule war ich Außenseiterin, weil ich nicht clever genug war, nicht witzig, zu langsam, unsportlich. NIE gut genug!
Ich sprach lange unverständlich, leierte und nuschelte. Heute weiß ich, daß ich eine logopädische Behandlung benötigt hätte.
Sprach ich mal ein Wort falsch aus, brüllte die Klasse gleich vor lachen.
Ich war meistens still und ernst und wenn ich mal lachte, schrie mich der Lehrer an, warum ich so blöd grinse wie ein Honigkuchenpferd!

Meine Eltern hatten hohe Erwartungen an mich, die ich nicht erfüllen konnte.
Mein Vater wollte eigentlich, daß ich mal die Firma übernehme, aber es zeichnete sich schon früh ab, daß ich mich dafür nicht eignete. Ich wurde angebrüllt und zurechtgestutzt. Ich glaube, meine Eltern taten sich wegen ihrer "missratenen" Tochter leid.
Ich brauchte immer ewig für die Hausaufgaben, schweifte oft ab und baute mir eine Fantasiewelt auf.
Es kam auch vor, daß ich nichts und niemanden bemerkte, wenn ich in der Stadt unterwegs war. Verträumtheit bestimmt auch heute noch mein Leben.
Bald hieß es, ich sei unhöflich und würde niemanden grüßen.

Leider zeichnete sich mit den Jahren immer mehr ab, daß ich körperliche Einschränkungen habe.
Probleme mit der Visumotorik, gestörte Feinmotorik, Koordinationsstörungen, fehlende Körperspannung.
Ich konnte nichts. Nicht werfen, fangen, laufen, springen, an einem Seil hochklettern, etc. Radfahren funktionierte auch erst spät.

In mir machte sich zunehmend Frust breit.
Ich war manchmal aggressiv gegen mich und gegen andere. Entwickelte einen Waschzwang, eigenartige Rituale, führte Selbstgespräche.

Im Berufsleben klappt bis heute nichts.
Es scheitert immer daran, daß ich fast nichts kapiere, extrem vergesslich bin, Arbeit nicht sehe und immer durch irgendwas abgelenkt bin.
Ich habe mich schon in verschiedenen Bereichen ausprobiert und habe erst im Juni einen anspruchslosen Bürojob verloren.
Ich habe keine Freunde, weil ich sehr passiv und schrecklich naiv bin. Niemand kommt mit meiner Art klar. Die Leute fragen sich manchmal, von welchem Planeten ich stamme.

Inzwischen habe ich noch andere Sorgen als die Existenzängste und meine Einsamkeit.
Ich habe festgestellt, daß ich Gesichter von Bekannten teilweise nicht wiedererkenne, und das macht mir Angst!
Vor kurzem sah mich eine Frau in der Stadt ganz auffällig an und ich überlegte ob es eine ehemalige Freundin war, die den Kontakt vor 3 Jahren abgebrochen hat. Ich wusste es nicht und starrte sie nur an...
Dasselbe passierte mir mit dem Freund eines Vaters, der mich irritiert ansprach, ob ich ihn denn nicht kenne.

Ein Psychiater kam im letzten Jahr bei der Auswertung meines EEG zu dem Schluss, dass bei mir eine frühe Hirnschädigung vorliege.
Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, denn bekanntermaßen können ja Antidepressiva Einfluss auf das Ergebnis einer solchen Untersuchung haben.

Kann es sein, dass meine Eltern mich zu einem lebensuntüchtigen Menschen gemacht haben oder kann bereits eine Behinderung vorliegen?

Gruß,
Dantana
Zuletzt geändert von Dantana am Sa., 06.09.2014, 19:05, insgesamt 1-mal geändert.

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ziegenkind
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Beitrag Sa., 06.09.2014, 18:43

dantana, du schreibst unheimlich lebendig und präzise. das können nicht viele. ansonsten glaube ich, dass abgrundtiefe traurigkeit einen behindern kann. hast du schon einmal an eine therapie, vielleicht eine klinik gedacht?
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Dantana
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Beitrag Sa., 06.09.2014, 19:07

ziegenkind hat geschrieben:dantana, du schreibst unheimlich lebendig und präzise. das können nicht viele. ansonsten glaube ich, dass abgrundtiefe traurigkeit einen behindern kann. hast du schon einmal an eine therapie, vielleicht eine klinik gedacht?
Ja, eine abgrundtiefe Traurigkeit habe ich schon seit meiner Kindheit in mir.
Ich habe vor ein paar Jahren mal eine Therapie in einer Tagesklinik gemacht. Sie hat mir aber wenig gebracht. Ich glaube, Hauptgrund war, dass zu wenig auf den einzelnen Patienten eingegangen wurde.

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feenstaub
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Beitrag Sa., 06.09.2014, 19:43

Hallo dantana,

ich finde auch: du kannst dich gut ausdrücken, du hast eine perfekte Rechtschreibung, du kannst deine Problemen gut benennen. Du hast, es geschafft, einen Bürojob zu bekommen (auch wenn`s schief gegangen ist, das passiert anderen auch). Ich kann mir auch vorstellen, dass es viel bringen könnte, wenn du im Rahmen einer Therapie an deinem Selbstwertgefühl arbeitest.
Meine Tochter hat auch Dyskalkulie und ist auch in anderen Dingen manchmlal etwas langsam beim Lernen. Das schlägt sehr aufs Selbstwertgefühl, vor allen Dingen, wenn von außen noch dumme Sprüche kommen.
Ich kenne es auch, für naiv gehalten zu werden und mich dumm zu finden. Und ich glaube, es verstärkt sich, wenn man sich deshalb für wertlos hält. Aus diesem Kreislauf rauszukommen, geht wahrscheinlich am besten mit einer (guten) Therapie. Ich kann mir auch vorstellen, dass eine Einzeltherapie für dich besser ist.
Was machst du denn gerne in deiner Freizeit? Wofür interessierst du dich?

Lieb Grüße
fennstaub

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ExtraordinaryGirl
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Beitrag Sa., 06.09.2014, 19:56

Was du schreibst, erinnert mich teilweise stark an das, was ich durchmachen musste.

Ohne dir 'was einreden zu wollen: Hast du schonmal ans Asperger-Syndrom gedacht?
"Charakter zeigt sich in der Krise."

(Helmut Schmidt)

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Dantana
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Beitrag Sa., 06.09.2014, 20:12

ExtraordinaryGirl hat geschrieben:Was du schreibst, erinnert mich teilweise stark an das, was ich durchmachen musste.

Ohne dir 'was einreden zu wollen: Hast du schonmal ans Asperger-Syndrom gedacht?
Ja, vor zwei Jahren bin ich im Internet zufällig auf das Asperger-Syndrom gestoßen.
Ich konnte mich in vielen Diagnosekriterien wiedererkennen.
Was allerdings gar nicht zu passen schien, war die Unfähigkeit von Asperger-Autisten, nonverbale Signale richtig deuten zu können und mangelnde Empathie. Trotzdem habe ich mich für eine Diagnostik in der Autismusambulanz einer Uniklinik entschieden.

Es war im Grunde keine große Überraschung, dass man dort das Asperger-Syndrom ausschloss. Der Psychiater, mit dem ich abschließend sprach, meinte, dass der größte Teil meiner Probleme in der Lieblosigkeit und Kälte in meinem Elternhaus begründet sei.


Feenya
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Beitrag Sa., 06.09.2014, 20:50

Dantana hat geschrieben:
Ich wollte lange nicht laufen lernen. Eine Tante erzählte mir, ich sei als Kleinkind durchgeschüttelt worden, weil ich mich bei meinen Gehversuchen am Glastisch oder Schrank abgestützt hatte.
[...]
Ein Psychiater kam im letzten Jahr bei der Auswertung meines EEG zu dem Schluss, dass bei mir eine frühe Hirnschädigung vorliege.
Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, denn bekanntermaßen können ja Antidepressiva Einfluss auf das Ergebnis einer solchen Untersuchung haben.
Hast du schon einmal etwas von Schütteltrauma gehört?
Jedes Jahr sterben hierzulande 100 bis 200 Babys an den Folgen eines sogenannten Schütteltraumas. Etwa 400 Säuglinge, die das Schütteln überleben, leiden teilweise lebenslang an schwerwiegenden Schäden des Gehirns. Dass schon wenige Sekunden Schütteln genügen, um Babys lebensgefährlich zu verletzen, ist vielen Eltern nicht bekannt. Auch eine verzögerte Entwicklung und Schwächen in der Schule könnten auf Schütteltraumen zurückgehen, ....

Quelle: http://www.curado.de/babys-niemals-schuetteln-28707/
Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null - und das nennen sie ihren Standpunkt.

*Albert Einstein*

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Arthur
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Beiträge: 192

Beitrag Sa., 06.09.2014, 20:55

Hallo Dantana,

also wenn du von einem anderen Planeten kommst dann komm ich vom selben. Oder zumindest dem selben Sonnensystem, oder so.
Das wollte ich schon mal loswerden

Liebe Grüße

Arthur

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