Vater trinkt Alkohol trotz Chemo

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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Kelpie
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Vater trinkt Alkohol trotz Chemo

Beitrag So., 10.08.2014, 06:40

Mein Vater raucht und trinkt viel zu viel.

Jetzt hat er ein Prostatakarzinom.
18 Monate lang hat er verschwiegen, dass er zur Hormontherapie geht. Jetzt braucht er eine Chemo, das musste er dann doch der Familie sagen.

Kaum war er nach der (ambulanten) ersten Chemo daheim, zwitscherte er 1l Bier und 1,5 Liter Wein - wie er es seit Jahren täglich tut.
(Ja natürlich fährt er Auto..... )
Über seine Ernährung sag ich nur: Wurst, Wurst, Wurst, Fleisch reichlich vom Schwein oder Huhn (bloß keine Weiderind, keinen Fisch, kein Wild), Gemüse ist für Kaninchen.

Ja, ja, ich weiß, er zahlt jetzt die Rechnung. Das macht es aber auch nicht leichter.

Ich habe Biologie studiert und unterrichte. Ernährung, Rauchen, Krebsentstehung etc. - das ist mein täglich Brot.
Gefühlt möchte ich meinen Papa nehmen und durchschütteln, Herrgott wie kann man so lernresistent und stur sein??
Ok ich könnt ne Menge Eltern durchschütteln, Gott sei Dank hab ich noch drei Wochen schonfrist, ehe ich wieder konfrontiert werde mit: Mama lässt immer den Pizzadienst kommen. Shisha macht doch nichts. Usw. Nur meine eigenen Probleme derzeit.

Verstehen werde ich so ein Verhalten nie; ich habe vieles in meiner Herkunftsfamilie nicht verstanden.

Er ist trotz allem mein Papa, der immer für mich da war. Zu meiner Mutter habe ich kein Verhältnis, ich kann mich nicht an emotionale Nähe zu ihr erinnern.
Sie ist psychisch krank, das kann für meinen Papa nicht leicht gewesen sein, deswegen begann wohl auch sein Drogenmissbrauch.

Ich versuche, die Situation zu akzeptieren. Innerlich gelingt es mir nicht gut, glaube ich.
Ich habe zur Zeit starke Asthmabeschwerden und die Medis helfen überhaupt nicht. (Habe schweres Asthma seit dem Kleinkindalter.)
Ok die Pollenbelastung ist sehr hoch, aber ich denke mein Seelenleben spielt jetzt auch eine große Rolle. Werde morgen mit dem Lungenarzt reden.

Ich habe noch nie bewusst einen nahestehenden Menschen verloren. Ein Großvater starb vor meiner Geburt, der andere kurz nach meiner taufe, eine Oma wenig später. Und die einzige Oma, die ich bewusst kenne, lebt noch. Sie ist die Mutter meines Vaters, fast 101 Jahre alt, bei klarem Verstand und noch immer in ihrer eigenen Wohnung. Sie weiß das alles noch nicht.

Danke fürs Lesen, ich muss mich jetzt mal ausweinen.
Zuletzt geändert von Kelpie am So., 10.08.2014, 06:49, insgesamt 1-mal geändert.

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Fify
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Beitrag So., 10.08.2014, 06:47

Die Scheiß Teufelskreisläufe!

Kannst du denn mit deinem Papa ganz normal über seine Krankheit jetzt reden?
Hast du noch jemand Anderen, mit dem du über deinen Papa reden kannst?
Manchmaal ist geteiltes Leid halbes Leid.

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Kelpie
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Beitrag So., 10.08.2014, 06:56

Ja, Fifi, ich kann mit Freundinnen reden, die allerdings alle ihr eigenes Kreuz tragen. Eine ist selbst schwer krank, bei einer der Ehemann, bei meiner besten und gleichaltrigen Freundin der Vater (Hautkrebs).
Wir jammern uns dann an, letztendlich tröstet das, und wir versuchen uns auch gegenseitig zu helfen. Du hast recht, geteiltes Leid ist halbes Leid.

Ich war drei Mal bei einer Psychologin, weil ich dachte, bei dieser sich anbahnenden Krise (Mutter, Oma - was soll werden??) könnte ich professionelle Hilfe brauchen.
Diese Tante nimmt 80 Euro/Stunde und mir gehts in keinster Weise besser bzw ich habe nicht das Gefühl, dass überhaupt was passiert. Ich war noch nie bei sowas, werde auch nicht mehr hingehen. Ich komme und sage: Mir gehts gar nicht gut, mein Vater ist gerade im Spital bei der Chemo. Und dann verbringe ich teure Minuten damit, ihr den Ablauf einer Lungenfunktionsuntersuchung zu erklären. (Und o wow, ich weiß von selber, dass Seelenkrisen bestehendes Asthma verschlimmern. Bei jedem Lungenarzt hängen Tafeln mit den Auslösern, wo neben Tierhaaren und Pollen eben auch Kummer steht.)
Also nein, da hilft mir ein Internet-Kummerkasten mehr. Und das gegenseitige Anjammern mit Freundinnen.

Mit dem Papa kann man überhaupt nicht über Erkrankungen reden. Auch nicht über Zukunftsvorsorge in so einem Fall. Er hasst das. Er verdrängt, was nur geht. Immer schon hat er zu streiten begonnen bei solchen Themen. Jetzt will er ein normales Leben weiterführen - na wie lange wird das gehen, wenn er zur Chemo derartig viel trinkt? Und wenns ihm schlecht geht, ist er extrem wehleidig.

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Fify
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Beitrag So., 10.08.2014, 07:02

Ich gehe zu einer Psychotherapeutin. Bei mir ist es das Gute, dass die Krankenkasse das bezahlt. Sie löst nicht meine Probleme, aber sie hilft mir, dass ich mich mit mir selbst und meiner Umgebung beschäftige und dass ich selbst Lösungen suche.

Was hättest du dir denn von der professionellen Hilfe gewünscht? Was hätte sie denn machen sollen?

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Kelpie
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Beitrag So., 10.08.2014, 07:26

Erwartet hätte ich konkrete Ansätze, mich von negativen Gedanken wegzubringen. Mitunter fällt es mir schwer, mich konstruktiv zu verhalten, sodass ich mir selber was Gutes tue.

Stattdessen jammere ich die Wand an, die Tante schweigt bis auf sehr gelegentliche, einsilbige Zwischenfragen. Dafür sind mir 80 Euro einfach zu teuer.
Wenn ich mit meinem Hund rede, kommt mehr Feedback. (Schlabbrig, aber lieb.)
(Und die Kasse zahlt höchstens einen kleinen Teil, da keine psychische Erkrankung diagnostiziert ist.)

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Fify
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Beitrag So., 10.08.2014, 07:39

Es gibt sehr unterschiedliche Therapieverfahren.
Ich beispielsweise mag es nicht, wenn ich Ratschläge bekomme.

So wie ich es verstanden habe und wie eine Freundin mir erzählt hat, wäre vermutlich eine Verhaltenstherapie für dich passender. Ich würde mich auf jedenfall an deiner Stelle, falls du doch noch mal eine Therapeutin aufsuchen möchtest, mich vorher über die unterschiedlichen Therapieverfahren informieren und danach eine passende Therapeutin suchen.

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Fundevogel
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Beitrag So., 10.08.2014, 10:48

Liebe Kelpie,

tut mir leid zu hören, dass es deinem Vater schlecht geht.
Gut, dass du Freundinnen hast, mit denen du drüber reden kannst;
du erwähntest, dass er es nun doch der Familie erzählen musste ...
gibts da noch Familienmitglieder, die mittragen und sich kümmern können?
Auch würde ich ihm das Reden nicht ersparen, vielleicht hilft es nicht nur dir,
sondern auch ihm, wenn über die Krankheit, die Alkoholsucht gesprochen wird.

Es gab offenbar einige Belastungen im Leben deines Vaters,
was aber auf jeden Fall krank macht sind Geheimnisse, Verdrängen, Verschweigen,
und auch solche Lasten und was das mit allen in der Familie macht, wäre wichtig,
da auch drüber zu reden. Rede mit ihm und sag ihm, dass du auch Angst um ihn hast
und dass dich sein Verhalten wütend macht.

Auf jeden Fall gut, dass du morgen mit dem Lungenfacharzt redest, was immer du machst,
das das Asthma besser wird, mache es. Der Kummer verschlimmert das Asthma, aber wenn man
den Körper pflegt, ist das für die Seele auch eine Entlastung.
Also lieber öfter Asthmaspray nehmen und mal nicht am Cortison sparen, vielleicht kannst du dir eine Salzgrotte gönnen oder einen Wellnesstag mit Massagen, Packungen etc., inhalieren,
was auch immer hilft. Es hilft auch meiner Seele immer, wenn man bewusst gute Sachen ist,
bei mir ist das zum Beispiel ein Rieseneis, ... gönne es dir.
(Was man bei akutem Asthma besser nicht oder weniger isst, brauche ich dir wohl nicht zu sagen.)
Und mit anderen Menschen darüber reden, wie es dir geht, ist gut: Freundinnen, Familie etc.

Ich wünsche dir, deinem Vater und deiner Familie alles Gute!
Fundevogel

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Kelpie
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Beitrag So., 10.08.2014, 16:33

Fify hat geschrieben: Ich würde mich auf jedenfall an deiner Stelle, falls du doch noch mal eine Therapeutin aufsuchen möchtest, mich vorher über die unterschiedlichen Therapieverfahren informieren und danach eine passende Therapeutin suchen.
Also aus meiner Sicht ist dies Sache des Therapeuten. Ich mag jetzt keine Recherche über die Möglichkeiten irgendwelcher Therapien anfangen, eher interessieren mich jetzt unterstützende Ernährungsweisen bei Tumoren.
Auf diese Psychologin bin ich verfallen, weil sie genau zwischen Wohnung und Arbeit ihre Praxis hat. Wenn ich auch noch Gott weiß wohin fahren müsste, wäre mir das bald zu viel.

Ich informiere mich ja auch nicht im Falle einer akuten Erkältung, was es für Möglichkeiten der Heiserkeits-Behandlung gibt, und suche mir einen Arzt danach aus. Sondern ich krieche zum nächstgelegenen HNO und sag ihm: "Sie, ich kann kaum reden, und ich muss aber viel und laut reden können. Was können Sie für mich tun?" Er wird dann schon wissen, ob Gurgeln mit Kräutertees genügt oder ob Antibiotika angezeigt sind.

@Fundevogel:

Danke dir und Fiy für die guten Wünsche.

Du hast auch Asthma? Nein ich habe mir momentan eine Mini-Mini-Menge Cortison selbst verordnet, weils mir wirklich nicht gut geht. Sonst nehme ich eh das ganze Programm, Seretide, Singulair, Berodual, Desloratadin.
Der Lungenarzt will schon länger Omalizumab probieren, aber ich trau mich nicht drüber. Die Kasse würde das zahlen, weil Ig E > 1000, aber die Nebenwirkungen lesen sich sehr grauslich.

Ich hab mir an dem Tag der bösen Nachricht neue Möbel gekauft und eine Wand gelb angemalt. Gilt das als Seelen-Kuchenstück?
(Wollte das schon länger, aber irgendwie brauchte ich dann am Nachmittag dieses Tages ganz, ganz dringend sonnengelbe Farbe. Und wo ich in dem Möbelhaus war...)
Es gab offenbar einige Belastungen im Leben deines Vaters,
was aber auf jeden Fall krank macht sind Geheimnisse, Verdrängen, Verschweigen,
und auch solche Lasten und was das mit allen in der Familie macht, wäre wichtig,
da auch drüber zu reden. Rede mit ihm und sag ihm, dass du auch Angst um ihn hast
und dass dich sein Verhalten wütend macht.
Ich weiß. Ich versuche zu reden, seit Jahren schon. Er blockt total ab.
Er scheint nicht zu verstehen, dass ich Sorge um ihn habe.
Und ja du hast recht, ich bin hilflos wütend über diese Art, sich selbst kaputt zu machen.

Verdrängen, Verschweigen ist ein ganz großes Familien-Problem. Ich falle da als einzige aus dem Rahmen, ich bin ein offener Mensch. (Sonst platze ich.)
Mich macht es dann krank, wenn ich mit allen Versuchen zu reden nicht weiter komme.

Meine Mutter hat psychische Probleme, die Oma ist zu alt und mein Bruder hat sich total distanziert. (Auch räumlich, er lebt ziemlich weit entfernt.)

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leuchtturm
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Beitrag So., 10.08.2014, 17:31

Und ja du hast recht, ich bin hilflos wütend über diese Art, sich selbst kaputt zu machen.
das ist ein ernstes Problem-- für euch beide!

Solange er nicht kooperieren will, keinen Alkoholentzug macht (hat er den Onkologen gesagt, dass er Alkoholiker ist?), wirst du oder jemand anderes nicht viel machen können.
Das ist sehr schwer zu ertragen, aber wenn auch nach ernsten Gesprächen blockt und die Medikamententherapie unterläuft, wird der Familie kaum etwas bleiben, um ihn zur Umkehr zu bewegen.

Mein Schwiegervater hatte bei Prostatakrebs irgendwann heimlich still und leise beschlossen, sich nicht behandeln zu lassen. Das erfuhr die Familie erst, als er im Sterben lag. Schwer zu ertragen, aber auch krebskranke Menschen sind mündig und haben die Wahl, ob und wie sie sich behandeln lassen.

Wichtig wäre, dass du dir für das Asthma Erleichterung verschaffst. Und für deine Seele.
An vielen Kliniken gibt es übrigens Psycho-Onkologen, die auch Angehörige betreuen. Vielleicht könntest du so jemanden aufsuchen?

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Fundevogel
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Beitrag So., 10.08.2014, 20:19

Hallo Kelpie,
Kelpie hat geschrieben: Du hast auch Asthma?
Früher mal, bin jetzt aber gut eingestellt, nur fallweise spüre ich es, dann nehme ich zur Sicherheit was Stärkeres
Kelpie hat geschrieben: Gilt das als Seelen-Kuchenstück?
Auf jeden Fall!
Kelpie hat geschrieben:Verdrängen, Verschweigen ist ein ganz großes Familien-Problem.

Ja, deshalb finde ich es so wichtig, dass du redest. Mit deinem Vater, deiner Familie und deinen Freunden.

Und du kannst immer herkommen ins Forum, da kannst du auch Dampf ablassen, wüten, rumjammern, weinen, da ist auch immer jemand, der zuhört und versteht.
Fundevogel

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