Wie offen mit Psychomacken sein?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

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chaosfee
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Wie offen mit Psychomacken sein?

Beitrag Di., 26.11.2013, 23:40

Liebe Forengemeinde,

mich interessieren eure Erfahrungen, die ihr so gemacht habt, als ihr Freunden, Familie etc. von euren psychischen Problemen erzählt habt. Oder auch, wie ihr damit klarkommt, das zu verheimlichen.

Wer in eurem Umfeld weiß von euren Problemen, von Therapien und Diagnosen?

Wie habt ihr eure Probleme/Erkrankungen erklärt? Wie seid ihr mit Zurückweisungen/Zuspruch/Neugierde/Desinteresse umgegangen?

Angeregt zu dieser Frage hat mich die Serie über psychische Erkrankungen in der ZEIT.

Ich habe selbst einmal eine sehr schlechte Erfahrung gemacht und seitdem nie wieder versucht, jemandem aus meinem Umfeld mit meinem Problem zu belasten. Mich erstaunte nun sehr zu lesen, dass ein Großteil der Betroffenen angeblich ein positives bzw. unterstützendes Feedback erhielt. Ist das auch im echten Leben so?

chaosfee

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Widow
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Beitrag Mi., 27.11.2013, 00:20

Der Unterschied zwischen "Psychomacke" und "Körpermacke" hinsichtlich des Umgangs vieler Freunde/der Familie/der Bekannten damit ist nach meinen Erfahrungen nicht groß:
Du wirst in beiden Fällen meistens aussortiert: Kaum einer weiß mehr, wie er mit dir "umgehen" soll - egal, ob du einen Krebs oder eine Depression hast.
Du bist keiner von ihnen mehr, für die meisten, so meine Erfahrung mit beidem. Im Falle von Krebs aber fangen sie öfter an zu heulen.

Nen Gruß
widow

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candle.
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Beitrag Mi., 27.11.2013, 00:24

Hallo chaosfee!

Also diese "Macken" wie du sagst, sind ja oftmals offensichtlich oder werden es- zumindest bei mir. Ich denke, dass du eher die Therapie meinst, die vielleicht noch ein Tabu ist. Die Probleme waren auch bekannt- da kann ich ja nur von mir reden.
Wie habt ihr eure Probleme/Erkrankungen erklärt?
Früher habe ich mir dazu auch Gedanken gemacht, aber nun ist es so, dass ich denke, dass ich nichts erklären muß. Klingt jetzt vielleicht etwas platt, und es ist auch immer die Frage wen man damit erreichen will. Arbeitgeber interessiert das womöglich gar nicht und Freunde kennen einen ja recht gut.
Wie seid ihr mit Zurückweisungen/Zuspruch/Neugierde/Desinteresse umgegangen?
Das mit den Zurückweisungen könntest du mir erklären, da weiß ich nicht wirklich was du damit meinst. Zuspruch bekomme ich, Neugierde ist relativ begrenzt und Desinteresse habe ich jetzt so aber auch nicht erlebt. Es hängt wohl auch davon ab wer damit gemeint ist. Und ich denke auch, dass das Alter auch eine Rolle spielt.

Also ja, es ist im echten Leben so. Ich möchte mich ja auch gerne aus meiner Psychomacke rausarbeiten, da tut es wirklich gut mit Freunden in diesem echten Leben zu sein.

Also grundsätzlich kann ich nichts Negatives sagen- Familie mal ausgeklammert.

Viele Grüße!
candle
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leberblümchen
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Beitrag Mi., 27.11.2013, 05:51

Ich finde die Frage ganz interessant, wobei ich auch denke, dass es gut ist zu unterscheiden: Die Störung (ich mag das Wort 'Macke' nicht so) ist ja noch mal was anderes als die Therapie.

Was ich dabei so interessant finde, ist, dass auch meine Wahrnehmung eher so ist, dass diese akzeptierende Haltung wirklich nur theoretisch da ist. So von wegen: "Eigentlich hab ich ja nichts dagegen, aber wenn es konkret wird, dann ist es mir doch unheimlich". Man weiß, dass es besser wäre, offener damit umzugehen und toleranter zu sein, aber tief drinnen denkt man sich doch: "Was muss das für eine arme Sau sein, dass der das nötig hat".

Wobei es auch da wieder auf das Umfeld ankommt, das einen umgibt: Es gibt ja Kreise, in denen es wahnsinnig chic ist, davon zu berichten, wie lange man schon eine Analyse (die muss es schon sein) macht; da gehört das schon zum guten Ton.

Und es gibt Leute (Männer?), die sich schon schämen würden, auch nur 25 Stunden zum Verhaltenstherapeuten zu gehen.

Was vermutlich eine Frage ist, wie wichtig man sich selbst nimmt als Mitglied der Gesellschaft - wie sehr man auch um sich selbst kreist. Entsprechend reagiert auch das Umfeld: Wenn jemand ausstrahlt, eine graue Maus zu sein, wird man anders reagieren, als wenn der Betroffene eine relativ angesehene Persönlichkeit ist; Letzterer wird man es eher 'verzeihen', vermutlich weil die eigene Angst davor, die Therapie könnte einen Menschen 'durchschauen' und damit auch die geheimen Phantasien und Komplexe sichtbar machen, sicher geringer ist, wenn man sieht: "Oh, der Bundespräsident hat auch schon mal eine Therapie gemacht".

Ich bin in einer sehr kleinbürgerlichen Familie aufgewachsen, wo auch heute noch gilt: "Wer eine Therapie macht, wer das nötig hat, ist verrückt und muss dafür sehr doll bemitleidet werden, denn wir dürfen die Verrückten ja nicht diskriminieren, denn das wäre ja gar nicht fein". - Das dann alles, wie gesagt, vor dem Hintergrund der eigenen Ängste, denen man sich nicht stellt, denn das wäre wohl ein Fass ohne Boden.

Und so schwanke ich zwischen der Einstellung, es quasi als Doppelleben zu betrachten, und dem Wunsch, SEHR offen zu sein und nicht nur so verschämt zu sagen: "Übrigens...", sondern fast ein bisschen stolz darauf zu sein - nicht, weil es so toll wäre, sondern weil es ein Teil von mir ist, den zu verbergen ich eigentlich gar nicht einsehe. Nicht nur der Familie gegenüber, sondern grundsätzlich. Dennoch weiß ich natürlich, dass es für Menschen, die damit keine Erfahrung haben, seltsam sein kann, damit konfrontiert zu werden; also bin ich vorsichtig - und lande dann schnell wieder an dem Punkt, an dem ich merke, ich verstecke etwas von mir.

Andererseits: Die Störung selbst - wen sollte die etwas angehen? Wenn ich mal darauf zu sprechen komme, sage ich gerne - und hatte damit auch nie ein Problem -, dass ich sehr große Ängste habe und dass ich große Probleme mit meiner Mutter habe. Aber für ein Gespräch unter Bekannten reicht das ja aus, obwohl es nur die Spitze des Eisberges ist.

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leuchtturm
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Beitrag Mi., 27.11.2013, 07:03

Therapieerfahrung habe ich keine, aber ich kann berichten von Problemen mit Suchtabhängigen einerseits und einer aggressiven Krebserkrankung andererseits -- beides im engsten Umfeld.
Bei beiden "Fällen" habe ich die Erfahrung gemacht, dass es sehr darauf ankommt, wie man selbst damit umgeht. Kann ich selbst offen und halbwegs sachlich darüber sprechen, ernte ich weder Ablehung noch Zurückweisung, sondern Bewunderung. "Halbwegs sachlich" heißt, durchaus auch mit Tränen oder meine eigenen Ängste deutlich machend.
Den Stier sozusagen bei den Hörern packend.
Das nimmt den Anderen auch ihre verständlicherweise vorhandene Unsicherheit.

Diejenigen, die in ähnlicher Situation selbst das Gefühl haben, es handele sich um etwas Peinliches oder was man vertuschen sollte, vermitteln dies auch und ernten Befremdung.

Wie gesagt, das sind "nur" sehr persönliche Erfahrungen.

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Luxbordie
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Beitrag Mi., 27.11.2013, 07:38

Ich habe eigentlich nie ein Geheimnis draus gemacht dass ich eine Therapie mache. Seit ich mich als Transmann geoutet habe weiß es eigentlich jeder, eben weil man weiß dass da eine psychologische Betreuung wichtig ist.

Von meiner Borderline Diagnose wissen nur die wenigsten, meine beste Freundin, 2 Arbeitskollegen, meine Hausärztin, meine beiden Theras und meine Mutter. Vielleicht hat sonst noch der ein oder andere es mitgekriegt. Ehrlich gesagt ist es mir ziemlich egal. Hab bis jetzt auch noch nicht festgestellt dass ich von irgendwem anders behandelt werde. Außer meiner besten Freundin. Aber im positiven Sinn. Da sie doch mehr über mich weiß und ich sie mehr einbeziehe als andere ist es wichtig dass sie ein bisschen weiß was BL bedeutet. Sie war sogar 1x mit zu Thera.
LG
Luxbordie
"Hier kommt Alex"

Du ertrinkst nicht, wenn du in den Fluss fällst - du ertrinkst nur dann, wenn du drin bleibst. Anthony Mello


leberblümchen
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Beitrag Mi., 27.11.2013, 09:10

leuchtturm, ich habe eine gegenteilige Erfahrung gemacht (auch nicht persönlich, aber im engen Umfeld): Da hat jemand tatsächlich offen über die Tatsache, dass er eine Therapie macht, gesprochen, und zwar ganz gefestigt, so von wegen: "Ich wollte euch nur mal mitteilen, dass ich mir therapeutische Hilfe gesucht hab, weil ich mit Problem xy nicht mehr klargekommen bin" - und die Reaktion war, dass meine Familie (die üblichen Verdächtigen) mich noch jahrelang (!) damit zugetextet hat, wie es denn nun xy gehe und ach, das tut ihnen ja so leid, au weia, eine Therapie, wie schlimm.

Nun bin ich selbst inzwischen einigermaßen desensibilisiert, was Psycho- und Sexfragen betrifft, sodass es mich tatsächlich nicht mehr treffen könnte, wenn meine Mutter mich für einen armen Schwächling hält. Aber ich sehe da halt auch keine Berührungspunkte, denn sie sagte mir neulich gerade noch über jemanden, der wegen Depressionen eine Therapie macht: "Der ist krank; du weißt doch, wie DIESE Leute sind!" - dass sie selbst (von meinem Therapeuten und mir quasi ferndiagnostiziert) eine Frühstörung hat, weiß sie nicht; das wird nur mal so im größten Panikanfall erwähnt: "Ja, ich brauche Hilfe, ich kann nicht mehr" - und fünf Minuten später ist ihre Welt wieder in Ordnung.

Das ist also sehr angstbesetzt; da muss sehr vieles verdrängt werden, und ich glaube, das geht nicht nur ihr so. Sich wirklich intensiv mit sich selbst auseinanderzusetzen, erfordert schon gewisse Voraussetzungen. Wenn die nicht gegeben sind, ist es vermutlich auch schwierig, mit den Ängsten und Leiden der Mitmenschen angemessen umzugehen.

Für meine Mutter sind Tiefenpsychologen vermutlich gemeingefährliche Sektengurus.

Einmal kam die Freundin eines Verwandten zu Besuch. Sie studierte (!) damals Psychologie, und das Erste, was meine Mutter (aber auch andere Verwandte) rausbrachte, war: "Oh, da müssen wir ja jetzt aufpassen, was wir sagen".

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hopelife
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Beitrag Mi., 27.11.2013, 09:35

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Mehrheit der Menschen sich mit Krankheit überfordert fühlen, wahrscheinlich weil es ihnen selbst Angst macht?
Vielen fehlt natürlich auch das Empathievermögen, weil sie selbst ein mehr oder weniger ein gradliniges leben hatten/ führen.
Ich würde es trotzdem versuchen immer klar zu trennen. Im Berufsleben würde ich selbst der engsten Kollegin meine private Probleme nicht mitteilen.
Bei Freunden ist das so, dass sie mich so akzeptieren sollten oder sie dürfen gerne gehen.
Ich finde es auch wichtig sich nicht immer für andere zu konstruieren,denn so wird man vermutlich nie die Menschen finden, die wirklich zu einem passen, weil man selbst gar nicht echt ist. Es ist aber auch schwer authentisch zu sein, wenn man es gelernt hat sich immer wieder anzupassen, um x und y zu gefallen.
Ich schäme mich dafür auch nicht eine Therapie in Anspruch zu nehmen, aber zu sagen ich war beim Psychiater bringe ich nicht über Lippen.
es wäre heute nicht so wie es ist,
wäre es damals nichts gewesen wie es war!

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Madja
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Beitrag Mi., 27.11.2013, 09:51

Ich glaube, es kommt darauf an, was für "Psychomacken" man hat. Manche sitzen tief drin, so das die Umwelt das gar nicht mitbekommt, andere wiederum sind nach außen sehr präsent.
Mein Hautproblem liegt in dem Bereich "Sexualität", also eigentlich nur für mein Ehemann zu spüren. Hätte er mich nicht "gezwungen" mir selbst zu gestehen, was eigentlich mit mir los ist, konnte ich sie wahrscheinlich immer noch perfekt verdrängen. Danach war komplizierter. Ich gebe zu, die ersten Wochen nach der "Offenbarung" waren sehr schwer. Meine Ehe stand vor dem aus, was mich richtig mitgenommen hat. Da haben Leute aus meiner Umgebung mitbekommen, dass es mir sehr schlecht geht, aber ja allem irgendwie schlecht geht, war das kein großes Thema.
Worum genau bei mir geht, wissen: mein Mann und meine drei Freundinnen. Dass ich eine Therapie mache, wissen noch paar Bekannten und meine Mutter. Alle haben einfach zu Kenntnis genommen ohne großartigen Kommentare. Nur meine Mutter hat gesagt: "bevor du Geld ausgibst, erzähle mir alles, ich kann dir bestimmt besser helfen als ein Seelenklempner". Da musste ich mich schon auf die Zunge beißen...
Freiheit heißt Verantwortung. Deshalb wird sie von den meisten Menschen gefürchtet. - George Bernard Shaw

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luftikus
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Beitrag Mi., 27.11.2013, 10:48

In meinem Fall habe ich es bislang eher so erlebt, dass meine "Pschomacken" von den anderen nicht verstanden, und somit auch nicht ernst genommen werden. Besonders häufig bekomme ich zu hören, ich solle mich nicht so anstellen, mir ginge es doch gut. Manche regen sich sogar drüber auf und werfen mir mein Problem als persönliche Schwäche vor, über da sie sich ärgern müssten...


montagne
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Beitrag Do., 28.11.2013, 14:14

Ich glaube die Frage sagt schon was über das Stigma aus, dass noch immer auf Therapie und psychischen Problemen liegt. Es ist völlig normal das man im Laufe des Lebens körperlich krank wird, auch ernster, aber psychisch? Das ist immer noch verrückt.

Steckt da nicht auch der Gedanke drin, "Ich mache Therapie, also bin ich gestörter als andere?" Oder: "Ich bin gestört, die anderen ja nicht."
So stigmatisiert man sich selbst, denke ich, innerlich, aber auch äußerlich, wenn man SO darüber spricht. "Ich armes Opfer mache Therapie.." Mal ganz überspitzt formuliert. Dann wird man auch so behandelt wie ein Opfer, wie jemand, der eben ganz doll bemitleidet werden muss und über den man herzieht, wenn er weg ist.

Ich merke halt in meinem Umfeld, privat, aber teils auch beruflich, dass es einige Menschen gibt, die ich für gestörter halte als mich oder mindestens genau so gestört. Nur ich mache seit Jahren Therapie und die nicht. Ich mache mir Gedanken, über meine Gestörtheit und die halten sich meist (nicht immer) für völlig normal. Und ich denke sie sind auch normal. Ich aber halt auch. Jeder geht halt nur anders mit seinen Problemen um. Ich will nicht mehr das eine über das andere Stellen. Für mich ist es stimmig, mich den Themen zu widmen, die hinter meinen Symptomen und fordergründigen Problemen liegen. Für andere ist es ein anderer Weg, auch okay. oder sie tune s auf andere Weise, gehen ins Kloster, so jemanden kenne ich auch.

Ich will nur sagen, diese Dichotomy, die hinter der Frage steht: Wie gehe ich damit um, das ich "gestört" bin und Therapie mache (während die anderen normal sind), die stimmt meiner Meinung nach so nicht.
amor fati


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chaosfee
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Beitrag Do., 28.11.2013, 16:48

Danke erst einmal für eure Antworten. Ich versuche mal, ein paar Gedanken aufzugreifen:
montagne hat geschrieben:diese Dichotomy, die hinter der Frage steht: Wie gehe ich damit um, das ich "gestört" bin und Therapie mache (während die anderen normal sind), die stimmt meiner Meinung nach so nicht.
Meine Frage ging auch weniger in die Richtung, wie ich selbst damit umgehe, dass mir eine Störung diagnostiziert wurde, sondern eher, wie gehen andere damit um. Ob andere "normaler" sind als ich, spielt für mich im Allgemeinen keine Rolle, eben weil ich ja nicht weiß, was hinter den anderen Fassaden steckt. Und wie du schon sagtest, je länger man selbst Therapie macht, umso mehr entdeckt man den Sand im Getriebe der anderen.

candle. hat geschrieben:Zitat:
Wie seid ihr mit Zurückweisungen/Zuspruch/Neugierde/Desinteresse umgegangen?
Das mit den Zurückweisungen könntest du mir erklären, da weiß ich nicht wirklich was du damit meinst.


Dass Menschen sich abwenden, wenn sie von Schwierigkeiten erfahren, Dinge kleinreden, Probleme leugnen. Ist dir das nie passiert?

leberblümchen hat geschrieben:Die Störung (ich mag das Wort 'Macke' nicht so)
Und ich mag das Wort 'Störung' nicht so...

leberblümchen hat geschrieben:Es gibt ja Kreise, in denen es wahnsinnig chic ist, davon zu berichten, wie lange man schon eine Analyse (die muss es schon sein) macht
Das hört man ja immer wieder, halte ich aber inzwischen, zumindest in D, für ein Konstrukt. Außer vielleicht in anonymen Kreisen wie diesem Forum...

leberblümchen hat geschrieben:Was vermutlich eine Frage ist, wie wichtig man sich selbst nimmt als Mitglied der Gesellschaft - wie sehr man auch um sich selbst kreist. Entsprechend reagiert auch das Umfeld: Wenn jemand ausstrahlt, eine graue Maus zu sein, wird man anders reagieren, als wenn der Betroffene eine relativ angesehene Persönlichkeit ist; Letzterer wird man es eher 'verzeihen', vermutlich weil die eigene Angst davor, die Therapie könnte einen Menschen 'durchschauen' und damit auch die geheimen Phantasien und Komplexe sichtbar machen, sicher geringer ist, wenn man sieht: "Oh, der Bundespräsident hat auch schon mal eine Therapie gemacht".
Glaubst du nicht, dass hier eher der Promi-Bonus zum Tragen kommt? Ich kenne eher die gegenteilige Reaktion: "Ach komm, DU hast doch keine Probleme..." (= du hast doch alles, also muss es dir auch gut gehen)

leberblümchen hat geschrieben:Andererseits: Die Störung selbst - wen sollte die etwas angehen?
Naja, wenn du jemandem erzählst, dass du zur Therapie gehst, wird derjenige in 99% der Fälle wahrscheinlich wissen wollen, wieso. Da geht es schon los. Was sagt man da? Ok, mit Ängsten und Zwängen können die meisten noch irgendetwas anfangen, aber was sagt man, wenn sich die eigenen Probleme nicht so einfach herunterbrechen lassen und Diagnosen abschreckend klingen? Wie erklärt man beispielsweise Persönlichkeitsstörungen, ohne dem anderen seine ganze Lebensgeschichte aufs Auge zu drücken und in Fachbegriffen zu ersäufen?

hopelife hat geschrieben:Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Mehrheit der Menschen sich mit Krankheit überfordert fühlen, wahrscheinlich weil es ihnen selbst Angst macht?
Wie bist du damit umgegangen?
luftikus hat geschrieben:Besonders häufig bekomme ich zu hören, ich solle mich nicht so anstellen, mir ginge es doch gut. Manche regen sich sogar drüber auf und werfen mir mein Problem als persönliche Schwäche vor, über da sie sich ärgern müssten...
Gleiche Frage an dich, luftikus: Wie gehst du damit um?

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candle.
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Beitrag Do., 28.11.2013, 16:57

Hallo chaosfee!
chaosfee hat geschrieben:
Dass Menschen sich abwenden, wenn sie von Schwierigkeiten erfahren, Dinge kleinreden, Probleme leugnen. Ist dir das nie passiert?
Es hängt davon ab. Familie eindeutig ja, aber mit Freunden und Bekannten habe ich diese Erfahrung gar nicht gemacht. Und dann hängt es wohl auch noch von den Schwierigkeiten ab, die man selber hat.

Meine "Schwierigkeit" war wohl der soziale Rückzug, der beklagt wurde. Inzwischen läuft es aber schon wieder ganz gut.

Liebe Grüße!
candle
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luftikus
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Beitrag Do., 28.11.2013, 17:06

chaosfee hat geschrieben:Gleiche Frage an dich, luftikus: Wie gehst du damit um?
Lange Zeit konnte ich damit nur schlecht umgehen. Solche Aussagen haben mich jedesmal nur noch mehr runtergezogen, weil ich das Gefühl hatte, man nimmt mich nicht ernst, und ich wäre nur ein Jammerlappen. Außerdem wurde mir die Ernsthaftigkeit meines Anliegens abgesprochen; ich fühlte mich dann oft lächerlich, mit einem unwichtigen Problem.

Inzwischen versuche ich, mich von solchen "Killer-Phrasen" nicht mehr so stark unterkriegen zu lassen. Wer solche Sachen plappert, geht überwiegend von sich und seinen eigenen Wahrnehmungen aus, und scheint sich eben nicht mit meiner Problematik auszukennen. Da mir dieses destruktive Gerede nicht weiterhilft, wende ich mich eben anderen Menschen zu und kümmere mich so gut es geht nicht weiter darum.

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(V)
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Beitrag Do., 28.11.2013, 17:17

Ich kann mich Montagne nur anschließen.

Oft kommt mir sogar vor, als ob ich "EIGENTLICH" viel normaler und vernünftiger bin als die sog. Normalen. Aber ich bin halt aus dem Netz rausgefallen. Mich haben entsprechend die Umstände gezwungen, mich mit meinen Macken auseinander zu setzen. Wenn diverse "Macken" aber durch das Umfeld und den Beruf aufgefangen werden, man damit Jahrzehntelang ohne nennenswerte Einbußen durch das Leben schummeln kann, es quasi keinen Selektionsdruck gibt, dann neigen diese Menschen dafür, sich irrtümlicherweise für "kerngesund" zu halten, und im Zuge einer kollektiv angelegten Verdrängung sich über anderen zu stellen...

Man sagt auch nicht umsonst, dass mit zunehmenden Alter auch die Macken einer Person stärker werden. Für wahr. Solange kein Selektionsdruck besteht, werden solche Menschen sich auch nicht damit auseinander setzen, sondern ihr Selbstbild um jeden erdenklichen Preis verteidigen. Oder anders gesagt: Never change a winning team. Solange wie sie nicht aus dem sozialen und beruflichen Netzwerk rausfallen mit ihrer Macke, solange gelten sie als normal, und müssen sich nicht damit beschäftigen. Basta.

Das Problem könnte nun aber sein: Wenn jemand daher kommt, der sich aktiv damit auseinander setzt z.B. indem er Therapie macht, und sogar pro-aktiv damit umgeht, indem er offen darüber auf spricht, dann birgt das die Gefahr, dass der Gegenüber sich vielleicht auch mal reflektieren müsste. Und daran soll tunlichst nicht gekratzt werden. Also, nichts wie weg damit. Leugnen. Verdrängen. Ablehnend reagieren.

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