Widersprüchliche Gefühle in Missbrauchssituation

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Flügellos
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Widersprüchliche Gefühle in Missbrauchssituation

Beitrag Sa., 01.12.2012, 22:27

Ich erinnere ganz viel Angst, Entsetzen, Panik, Schmerz, Laut, aber es gab einen Moment, da war es ganz leise. Das Laut in mir wurde leise und ich fühlte mich zum ersten Mal in meinem Leben in Sicherheit. Beschützt. Getröstet. Dieser Moment war zu Ende als er aufstand, von mir weg ging. Da kam das Dröhnen in meinem Kopf zurück und ich wurde hysterisch. Das Chaos nahm seinen Lauf.

Mein ganzes restliches Leben wollte ich diesen Moment wieder haben. Ich schäme und verachte mich dafür. Unsagbar. Und dennoch... In gewisser Weise vermisse ich ihn.

Flügellos

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**AufdemWeg**
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Beitrag Sa., 01.12.2012, 22:36

ich bin tief getroffen von deinem Mut das hier so offen zu formulieren;
vielleicht kenne ich es ähnlich vor allen Dingen auf der körperlichen Ebene.

LG
ADW
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Launebär
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Beitrag Sa., 01.12.2012, 22:42

vielleicht hast du damals tief dissoziiert?

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Flügellos
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Beitrag Sa., 01.12.2012, 22:56

ADW, Danke! Schlicht und ergreifend.

Weißt Du, dass Monster in mir, ICH mußte die Maske endlich fallen lassen. Ich trage diese Last, dieses Wissen schon so lange in mir. Es frisst mich auf. iCH fresse mich auf.

@ Launebär: ich weiß es nicht. Vorher ja, da wurde die Panik und so vieles andere zu diesem "Laut". So laut, dass es in mir explodierte und dennoch nicht aus mir raus konnte. Dann fehlt mir Zeit. Und dann kam ich zurück. Und auch die Bilder. Ich weiß es einfach nicht... Ich weiß nur, ich fühle mich wie ein Monster. Ich bin es.

Flügellos

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Launebär
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Beitrag Sa., 01.12.2012, 23:02

Es tut mir so leid, dass du dich als Monster siehst

Das klingt nach Dissoziation. Das ist ein sehr wirkungsvoller Mechanismus der Psyche und hat dir geholfen, zu überleben. Du musst dich nicht schämen, wenn du dieses Gefühl wieder haben möchtest.

Bist du ihn Therapie?

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**AufdemWeg**
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Beitrag Sa., 01.12.2012, 23:04

ich würde dir gerne sagen können: ich weiss wie fallen lassen geht
aber ich weiss es nicht
nicht wie, nicht ob...weil es irgendwo zusammengehört.
Vielleicht verstehe ich dich aber auch falsch?
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Flügellos
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Beitrag Sa., 01.12.2012, 23:12

Launebär hat geschrieben:
Bist du ihn Therapie?
Ja, das bin ich. Ich hab über 3 Jahre gebraucht, um ihm diesen Teil der "Geschichte" zu erzählen. Gestern nun. Alles andere wurde damit belanglos und Nichtssagend.

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Flügellos
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Beitrag Sa., 01.12.2012, 23:19

@ADW: nein, in gewisser Weise hast Du mich schon richtig verstanden. Wobei ich die Suche mittlerweile aufgegeben hab. Aber die Sehnsucht bleibt.

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**AufdemWeg**
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Beitrag Sa., 01.12.2012, 23:26

du hast gesagt: gestern
dann wird es auch ein morgen geben
auch wenn das heute aus der Sehnsucht besteht.

So viel Kraft erstens sich das vor sich selbst einzugestehen und das auszusprechen, ich kanns nur noch einmal sagen: ich finde dich sooo mutig, wahnsinn ist das.
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ziegenkind
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Beitrag Sa., 01.12.2012, 23:31

flügellos, ich kenne manche, die diesen moment kennen. wir haben darüber geredet. nur eine kenne ich, die es geschafft hat, in der therapie darüber zu reden. sie sagt, danach, erst danach kam ein ganz neues gefühl von FÜR SICH sein können. ich weiß es nicht, wie sich das anfühlt. ich kann mir im moment nichts schwereres vorstellen. aber wenn ich sie sehe, zwei jahre später, dann möchte ich es auch können. dein mut macht mich ganz still. dein schmerz macht mich ganz still. vielleicht muss das monster erst ganz sichtbar vor dir stehen, damit du es FÜR IMMER wegschicken kannst. war es irgendwo nicht immer schon da?
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Flügellos
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Beitrag Sa., 01.12.2012, 23:40

ADW, sprachlos... und beschämt... Verzeih...

Danke.

@kenneth: ich dachte nicht... mir fehlen die Worte...

Und ja, Du hast recht. Das Monster war schon immer da.

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**AufdemWeg**
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Beitrag So., 02.12.2012, 07:58

Liebe Flügellose,

deine Worte haben mich beschäftigt, heute Nacht und heute morgen und ich würde dir so gerne etwas dazu sagen
aber es ist als ob etwas in meinem Mund sitzt, ihn verstopft, wie ein Gegenstand, der das Sprechen unmöglich macht.
Was für ein Thema...genau dieser Teil...dass da in diesem ganzen Schmerz und der Angst auch ein Gefühl der Sehnsucht da ist.
Ich meide dieses Thema des Missbrauchs und ja, ich meide es weil da viel mehr Gefühle sind eben auch solche wie Sehnsucht und...
wie erklären?
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Fundevogel
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Beitrag So., 02.12.2012, 09:05

Liebe Flügellos,

sprachlos und zu Tränen gerührt, bin ich gerade ganz unsicher, ob ich mich bei dir zu Wort melden soll und darf.
Denn meine Erinnerungen sind Scherben, die ich aus der Ferne betrachte und ich hoffe und wünsche noch immer, daß sie zu einem anderen Spiegel gehören.

Ich bin sehr sehr tief berührt von deinem Leid und deinem Mut.
DAS auszusprechen in der Therapie.
DAS war in meiner Therapie einmal Thema und ich bin komplett ausgetickt. Das erste und einzige Mal.
Denn DAS ist die allerunaushaltbarste Unerträglichkeit,
daß da auch etwas Gutes gewesen sein könnte.

Die Sehnsucht kenne ich aber auch, AdW, da ist so viel Licht. Vielleicht ein Schutz, von irgendwoher. Und die Sehnsucht, so unerträglich das allles ist, es gehört zu mir, meinem Innersten.
Vielleicht ist es die Sehnsucht vollständig zu sein. Ich selbst zu sein.

Liebe Flügellos,
danke für deinen Mut, es in deiner Therapie auszusprechen.
Danke für deinen Mut, es hier auszusprechen.
Ich glaube ganz fest daran, daß die Wahrheit heilt.
Fundevogel

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**AufdemWeg**
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Beitrag So., 02.12.2012, 09:30

Ich hätte gerne wieder deine Zuversicht, dass die Wahrheit heilt, Fundevogel;
irgendwie habe ich das auch einmal geglaubt, darauf vertraut und ich habe Mühe mir dieses wieder her zu holen.
Ausgesprochen in der Therapie ja, aber nicht ich bin ausgetickt sondern die Therapeutin.
Also hat die Wahrheit kaputt gemacht, dringt überall ein und zerstört.
Meine Erfahrung bis heute.
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Fundevogel
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Beitrag So., 02.12.2012, 09:57

Es gibt keine Alternative zur Wahrheit, für mich, AdW.
Was ist, ist.
Alles andere ist Augen verschließen, Verdrängen und Verleugnen.

Nur damit wir uns nicht mißverstehen - darin bin ich sehr gut.
Die Wahrheit kann sehr weh tun.
Aber was ist oder war, kann man nicht ungeschehen machen.
Kaputt gemacht hat das, was war. Nicht das Aussprechen.
Was kaputt ist, kann heil werden.
Ich weiß auch noch nicht, ob überhaupt und wie, für mich.

Aber ich weiß, aus Erfahrung, daß es auch Gutes gibt, in meinem Leben,
es gibt Liebe, es gibt Güte, in mir und in meinen geliebten Menschen.
Es kann heilen, auch wenn ich noch nicht weiß, ob und wie.
Und es kann nur die Wahrheit heilen oder es heilt nicht.

Mich hat das Verleugnen umgehauen und alles was damit zu tun hatte.
Die Wahrheit kann einen auch umhauen, deshalb braucht es
Selbst-Liebe, Geduld und achtsame Güte mit einem selbst, glaube ich.
Das ist eine sehr schwere Übung, eine sehr schwere.
Fundevogel

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