Der Schmerz in mir, Gefühle zulassen

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Wandelröschen
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Der Schmerz in mir, Gefühle zulassen

Beitrag Fr., 26.10.2012, 12:28

Hallo,
Oh je, es tut so weh in mir, und paradoxerweise, so schlimm es ist, so schön ist es auch. Aber alles noch so ein bisschen konfus. Na ja, vielleicht ist es auch nicht richtig, hier einfach mal drauf los zu schreiben, so relativ kurz nach der Stunde heute Morgen, vielleicht muss sich da erst noch was setzen, bestimmt.
Aber es war so schlimm, aber auf der anderen Seite auch positiv. Ich bin schon emotional, kenne Gefühle, so ist es nicht, auch z.B. Wut, hat mein Thera schon kennengelernt, aber die Gefühle beziehen sich alle auf das Jetzt. Aber wenn es um die alten Geschichten geht, die Traumatas, da sind sie weg, alles so neutral, und ich komme mir beim Erzählen oft so vor, als wenn ich meinem Thera berichte, dass irgendwo in China ein Sack Reis umgefallen ist.
Und heute hat mein Thera mal wieder an den richtigen Stellschrauben gedreht, da war auf einmal ein kleiner Anflug von Gefühl da, hatte mich etwas verwirrt, wohl auch weil unbekannt, war unangenehm, wollte ich gleich wieder ausknipsen, aber der Kerle verstand es, mich daran zu hindern, im Gegenteil. Er unternahm noch was, um das Ganze noch zu verstärken. Wäre am liebsten geflohen, real ging ja irgendwie nicht, aber auch am Switchen hindert er mich bzw. holt mich sofort zurück. Der kriegt das, im Gegensatz zu meiner Ex-Thera, recht zuverlässig und schnell mit. Also keine Fluchtmöglichkeit, hält mich da.
Und dann kam so ein Schmerz in mir auf, zerriss mir fast die Brust, tat nur weh, auch ein paar Tränen, und die Stunde neigte sich dem Ende zu, bzw. war sogar schon ein klein wenig überzogen. Und ich war in einem Zustand, wie ich unmöglich unter die Menschheit gehen konnte (bei meiner Ex war das öfters der Fall und sie schubste mich trotzdem raus, auch, wenn eins der Kleinen da war). Gut, manchmal brauch ich auch hinterher noch etwas Zeit für mich, um mich zu sammeln, und die Möglichkeit hab ich auch, er geht dann mit dem nachfolgenden Patient in den anderen Raum (wenn seine Kollegin nicht zeitgleich da ist, was an meinem Therapietag meistens der Fall ist) und ich kann noch ein klein bisschen sitzen bleiben und gehe dann irgendwann.
Dieses Mal hatte er von sich auch gesagt, dass er sehe, dass ich noch Zeit für mich brauche und ich könne ruhig da bleiben, verabschiedete sich dann und ging zur anderen Patientin, die schon da war. Es tat so weh in mir und ich wagte es, es so sein zu lassen, es zuzulassen, es weiter zu spüren, ich wurde nicht nach draußen geschickt, musste also nicht gleich wieder funktionieren, den Schmerz wegmachen, dass es ja keiner sieht, ich ihn auch nicht, durfte ihn sehen, spüren, wollte einerseits, andererseits auch nicht, wagte es aber – in diesem geschützten Raum – trotz meiner Angst, es nicht aushalten zu könne, daran zu Grunde zu gehen. Ich saß noch auf meinem Platz, und dann kam er doch glatt nach ein paar Minuten nochmal zu mir, um sich zu erkundigen, wie es mir geht, ob alles ok sei und so. Das hat´s noch nie gegeben. Und es war mir fast schon unangenehm, dass ich es zuließ, dass er mich so schwach gesehen hat. Als er dann wieder weg war, übermannte mich der Schmerz, es tat so weh, zum Zerbersten, fühlte ich noch nie, heulte dann Rotz und Wasser, kann mich nicht erinnern, dass es das so schon gegeben hatte, alles so schlimm/neu/ungewohnt.
Aber ich ließ es zu, zum ersten Mal und entgegen all meinen Befürchtungen sonst immer, kripierte ich nicht daran, dauerte zwar ewig, aber langsam wurde der auch körperlich spürbare Schmerz weniger, war dann so ko, bin dann fast eingeschlafen. Irgendwann, als wohl der nachfolgende Patient gegangen war, kam mein Thera wieder. Wir sprachen noch ein wenig, ehe ich dann mich unter die Menschheit trauen konnte, war dann ok.
Konkrete Fragen hab ich jetzt nicht, bin halt noch ein wenig konfus, alles so neu und ungewohnt, nimmt mich mit, musste ich nur mal loswerden.
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.

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Anna Lüse
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Beitrag Sa., 27.10.2012, 16:59

Hallo Wandelröschen,
Wandelröschen hat geschrieben: Und heute hat mein Thera mal wieder an den richtigen Stellschrauben gedreht, da war auf einmal ein kleiner Anflug von Gefühl da, hatte mich etwas verwirrt, wohl auch weil unbekannt, war unangenehm, wollte ich gleich wieder ausknipsen, aber der Kerle verstand es, mich daran zu hindern, im Gegenteil. Er unternahm noch was, um das Ganze noch zu verstärken. Wäre am liebsten geflohen, real ging ja irgendwie nicht, aber auch am Switchen hindert er mich bzw. holt mich sofort zurück. Der kriegt das, im Gegensatz zu meiner Ex-Thera, recht zuverlässig und schnell mit.
Das klingt gut. Trifft man ja nicht allzu oft. Also welche, die was mitbekommen und dann noch entsprechende Schräubchen drehen können.
Ich kann nachvollziehen, dass es einerseits total überraschend ist, wenn du aufeinmal Dinge fühlst, also so in der Art, wie du es beschreibst. Dass es schön und schrecklich irgendwie zugleich ist.
Muß eine enorm aufwühlende Stunde gewesen sein.
Wandelröschen hat geschrieben: Dieses Mal hatte er von sich auch gesagt(...) ich könne ruhig da bleiben, verabschiedete sich dann und ging zur anderen Patientin, die schon da war.
Das finde ich sehr ungewöhnlich und schön.
Wandelröschen hat geschrieben: Es tat so weh in mir und ich wagte es, es so sein zu lassen, es zuzulassen, es weiter zu spüren, ich wurde nicht nach draußen geschickt, musste also nicht gleich wieder funktionieren, den Schmerz wegmachen, dass es ja keiner sieht, ich ihn auch nicht, durfte ihn sehen, spüren, wollte einerseits, andererseits auch nicht, wagte es aber – in diesem geschützten Raum – trotz meiner Angst, es nicht aushalten zu könne, daran zu Grunde zu gehen.
Da warst du verdammt mutig.
Hört sich echt so an, als hättest du einen sehr netten Thera. Fänd ich auch schön, dableiben dürfen, danach noch mal kurz sprechen, bevor man wieder raus auf die Straße muß. Und dass er zwischendrin gucken kommt, ob alles okay ist, sehr fürsorglich.

Wie geht´s dir denn jetzt? Also mit dem Gefühlten und der Tatsache, dass du es gefühlt und ausgehalten hast?

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Wandelröschen
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Beitrag Mo., 29.10.2012, 09:30

Hallo Anna Lüse,
Danke, dass du geschrieben hast.
Anna Lüse hat geschrieben: Wie geht´s dir denn jetzt? Also mit dem Gefühlten und der Tatsache, dass du es gefühlt und ausgehalten hast?
Inzwischen bin ich wieder recht gut aufgestellt, der Denkapparat funktioniert wieder ganz gut, bin halt auch ein wenig kopflastig.
Anna Lüse hat geschrieben: Muß eine enorm aufwühlende Stunde gewesen sein.
Ja, das war es. Aber bei ihm fühle ich mich wirklich gut aufgehoben. Auch wenn eine Stunde sehr aufwühlend ist, bekommt er gewöhnlich immer rechtzeitig die Kurve, so dass er mich gut aufgestellt gehen lassen kann nach ca. 50 min (war bei meiner Ex-Thera öfters nicht der Fall)
Anna Lüse hat geschrieben: Und dass er zwischendrin gucken kommt, ob alles okay ist, sehr fürsorglich.
Das war jetzt aber wirklich eine Ausnahme, gab es noch nie, auch wenn ich mal noch etwas nach der Stunde zum Sammeln da bleiben konnte, bevor ich dann irgendwann ging. Verabschiedet war verabschiedet. Aber in dem aufgewühlten Zustand nach der Stunde war ich auch noch nie.
Anna Lüse hat geschrieben: Da warst du verdammt mutig.
Mutig? Ja, in gewisser Weise schon. Mit ihm traue ich mich inzwischen durchaus, meine engen Grenzen zu überschreiten, weil ich bei ihm immer wieder die Erfahrung machen konnte, mir passiert nichts, ich kann es aushalten, sterbe nicht daran, gehe nicht unter.
Meine Grenzen/Schutzmauern von damals sind halt auch verdammt eng gesteckt, wie bestimmt bei vielen hier, war damals ja auch notwendig, waren ja auch wirklich lebensbedrohliche Situationen. Aber was fürs Kind gut war ist jetzt für mich als Erwachsene oft eher hinderlich und dysfunktional, weil ich als Erwachsene jetzt ja ganz andere Möglichkeiten habe als damals als Kind.
Bei ihm habe ich kontinuierlich die Erfahrung gemacht, dass ich über meine Grenzen gehen kann, er mich nicht abschmieren lässt, zuverlässig an meiner Seite ist und das ich das, was er mir zutraut/ zu-mutet, auch schaffen kann, ich also mutig sein darf. Und so lasse ich mich inzwischen auf seine Interventionen und Konfrontationen ein. Sie haben mich immer weiter gebracht (auch wenn´s öfters verdammt weh tat, ist halt keine Kuscheltherapie, eher oft Schwerstarbeit).
Anna Lüse hat geschrieben: Hört sich echt so an, als hättest du einen sehr netten Thera. … Trifft man ja nicht allzu oft. Also welche, die was mitbekommen und dann noch entsprechende Schräubchen drehen können.
Ja, empfinde ich inzwischen auch, gerade auch nach den Erfahrungen bei meiner Ex-Thera und bei einigen probatorischen Stunden bei anderen Theras, als ich auf der Suche nach einen neuen war.
Übrigens muss er wohl auch Gedanken lesen können , so oft, wie er mir schon Fragen beantwortet hatte, die ich in der Stunde stellen wollte, aber noch nicht geäußert hatte.
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.

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Gelli
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Beitrag Mo., 29.10.2012, 11:05

Wandelröschen,ich kann dich gratulieren das du den Mut hattes,dich vor deinem Thera so verletzlich,so traurig aber zugleich auch stark zu zeigen,das kann und will nicht jeder der eine Therapie macht.Und ich kann dir so nachempfinden wie das für dich gewesen sein muß,das da endlich Gefühle von Schmerz und Trauer aufgekommen sind erst recht weil dein Thera die "passenden Schrauben"dafür eingesetzt hat.
Und ich denke dein Thera wußte genau das du es aushalten kannst,der Zeitpunkt war richtig,denn sonnst hätte er die "passenden Schrauben"nicht genutzt.
Und ich kann dir aus Erfahrung sagen,je öfter du deine Gefühle welche auch immer es sein mögen,zulassen und herauslassen kannst,je wweniger werden sie dich beschäftigen,du wirst "leichter"in dir werden,offener für das positive in dir.
Ich finde es auch sehr fürsorglich das er dich in dem aufgewühlten Zustand nicht so einfach gehen ließ sondern dir Zeit gab das sich das setzen kann,und sein Nachfragen zeigt, das ihm nicht egal ist,wie du nach Hause kommst.Und so wie du deinen Thera beschreibst,wie du dich bei ihm aufgehoben fühlst,welche Möglichkeiten und Zuspruch er dir gibt,das könnte glatt meiner sein.
Mein Thera erfüllt mindestens all die Voraussetzungen die du von deinem Thera beschrieben hast.Ich habe mit ihm früher die ganzen Traumatas aufgearbeitet,er war dabei sehr fürsorglich,ließ mich nie allein,war stets an meiner Seite,ob im kindlichen Anteil oder im Erwachsenen Anteil,auf ihn konnte und kann ich mich noch immer verlassen,jederzeit konnte und kann ich ihn im Büro anrufen wenn mir dannach ist(gegebenfalls ruft er zurück wenn er nicht gerade zu sprechen ist).
Wenn ich auf dem Fußboden saß,setzte auch er sich schräg neben mir auf dem Fußboden,lief ich im Büro auf und ab,so lief er mit mir zusammen,welchen Wunsch ich auch immer hatte/habe,ob Spaziergang im Wald,ob Agressionsabbau im Keller,ob Rollenspiele,ob in der Arbeit mit Puppen,selbst als ich meine Tochter(die ich mit 15 Jahren verloren habe,aber es geistig nie aktzeptiert hatte,also nie losgelassen habe)hat er das mit mir sehr einfühlsam in einem Ritual verabschiedet.Seine Möglichkeiten,für seine Offenheit,und seine immerwährende Fürsorge das hat mir endlich das gefühl von Vertrauen geben können,denn Vertrauen konnte ich vor Beginn der Therapie garnicht mehr weil Männer mir sehr weh getan haben,aber er als Mann zeigte mir durch viel Gedult und Verständnis das durchaus Vertrauen zu einem Mann möglich sein kann.
Wenn ich im Leben auch nicht viel erreicht habe,sehr viel falsch,kaputt gemacht habe,und wenn mir die tiefe Sehnsucht nach Liebe und Partnerschaft vergönnt sei,so sind mir einerseits meine Kinder,aber auch mein Thera mir im Leben geschenkt worden,dies bin ich meinem Vater im Himmel sowas von dankbar.

Wandelröschen du und ich,vieleicht auch noch ein paa andere wir können uns glücklich schätzen das unsere Theras so toll mit uns umgehen,nicht jeder macht so tolle Erfahrungen,ich wünschte es würden noch viele andere so schöne Erfahrungen mit ihren Theras machen.
GUT DING WILL WEILE HABEN

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Anna Lüse
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Beitrag Mo., 29.10.2012, 13:59

Es freut mich, dass das Wandelröschen (toller Nick) in scheinbar wirklich guten Händen ist.
Wünsche noch eine angenehme, gut aufgestellte Woche

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