Die Thunfischpizza und ihre Folgen...

Bulimie, Anorexie, Adipositas, EDNOS (mehr zur Unterscheidung finden Sie in meinen themenbezogenen Artikeln im Archiv, darüber hinaus finden Sie auf der Website auch Selbsttests zum Thema)
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Catinka
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Die Thunfischpizza und ihre Folgen...

Beitrag Do., 18.10.2012, 08:28

… ich dachte ich hätte Sie im Griff, die Pizza, die Essstörung. Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Gestern Abend habe ich mir ein Blech Thunfischpizza zubereitet, ganz liebevoll. Ein leckerer Teig für den Boden, Tomatensoße, der gute Käse, Zwiebeln, Thunfisch … ab in den Ofen damit. Schon während dessen drehten sich meine Gedanken im Kreis. Ich habe fest daran geglaubt, dass ich es schaffe nur ein oder zwei Stück zu essen und mir den Rest für den nächsten Tag aufzuheben, immer wieder ein großer mächtiger Kampf … es ist mir nicht gelungen. Bis auf ein kleines Stück habe ich alles vernichtet … innerhalb kürzester Zeit. Wie konnte das passieren? Ich fühlte mich furchtbar. Damit ich den Schmerz und die Scham nicht mehr fühlen musste ging ich ins Bett. Ich versuchte zu schlafen aber auch da hat mir die Pizza einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie ließ mich nicht schlafen, Sie rüttelte an meiner Mageninnenwand und tyrannisierte mich. Die ganze Nacht. Bis heute weiß ich nicht was Sie mir sagen wollte?! … Irgendwann muss ich jedoch eingeschlafen sein, um vier Uhr Nachts wurde ich dann von meinem Erbrochenen wach. Die Pizza war also immer noch da und ein Teil davon lag jetzt neben mir auf meinem Kissen … jetzt konnte Sie mich sogar anschauen und auslachen. Ist das nicht toll?!

So bescheuert das auch alles klingen mag, ich schäme mich abgrundtief und ich wünschte mir, dass es mir gelingen könnte endlich zu verstehen, was das Essen für eine Bedeutung für mich hat. Alle reden immer davon, das Essen dient als Ersatz für Wünsche, für Bedürfnisse … Ich kann es nicht fühlen, ich finde mich einfach nur furchtbar, ich fühle mich so schlecht damit und ich weine den ganzen Tag. Ich bin in Therapie, ich war in Kliniken, habe Bücher gelesen und trotzdem habe ich den Eindruck, dass es nicht „besser“ wird … Meine Gesundheit leidet bereits darunter und ich gerate unter Druck. Ich muss etwas tun. Ich muss muss muss. Aber was soll ich noch tun. Geduld haben … verdammte Geduld … ich bin eigentlich am Ende und ich fühle mich kraftlos und allein. Ich wünsche mir, dass es besser wird irgendwann … ich frage mich, ob ich meine Augen nicht weit genug öffne, ob ich in die falsche Richtung schaue? Bin ich blind? Übersehe ich irgendwas?

Ich wollte das mal loswerden, die Last liegt schwer auf meiner Brust und vielleicht wird sie jetzt etwas leichter. Danke für´s zulesen und vielleicht kennt einer von euch ja auch dieses Problem und hat Interesse daran mir davon zu erzählen. Vielleicht fühle ich mich dann nicht mehr so allein damit.

Danke und liebe Grüße
Catinka
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Bridgetjones
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Beitrag Do., 18.10.2012, 09:06

Hallo,
ich wollte dir nur schreiben, dass ich das auch alles nur viel zu gut kenne. Gestern erst habe ich mir auch einen ganzen Beutel Pommes mit einer ganzen Packung geriebenem Käse, 40 Chickennuggets und 2 Hamburger (Supermarkt) reingetan. Der Plan war auch nur ein paar Pommes und einen Burger zu essen.....
Ich weiß auch nicht. Also grundsätzlich fress ich aus Einsamkeit oder Langeweile. Gestern habe ich allerdings den ganzen Tag nichts gegessen. Ich denke einmal, da war der Fressanfall vorprogrammiert...
Das du dich Nachts erbrochen hast, kenn ich so nicht, ich kotz direkt wieder alles aus.
Deine Schuld- und Schamgefühle kenn ich auch sehr gut. Ich fühle mich jedes Mal furchtbar danach.
Machst du denn eine Therapie?
"Das nächste mal werde ich es nich verkacken Mum" - "Kind deine Ausdrucksweise" - "Entschuldigung....das nächste mal werde ich es nicht verkacken....Mutter!"

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Ekel
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Beitrag Do., 18.10.2012, 11:03

vielleicht helfen dir ja worte von jemandem der mit essstörunegn noch nie was zu tun hatte:

Wenn ich mir nen ganzes Blech Pizza reinzwieble und mich dann ins bett lege und vielleicht den ganzen tag kaum was gegessen habe, dann würd ich höchstwarscheinlich auc ins bett kotzen.

falls dir das nicht weiterhilft sorry für die einmischung..

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Sinarellas
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Beitrag Do., 18.10.2012, 11:12

Wenn du schon imer Probleme mit deinem Essen hattest wunderts mich nicht dass dein Magen streikt nach dem ganzen.
Aber ich kenns von mir, ich hab auch heißhungerattacken, aber ich lasse sie zu Das istd er Unterschied (war selber anorektisch). Ich sage mir: wenn ich heißhunger auf Pizza,. Karrotten oder Melone habe, dann sagt mir mein Körper, dass er das jetzt braucht.
Also esse ichs solange bis das Bedürfnis gestillt ist. man muß lediglich aufpassen, dass das nicht zur Regel wird und eingebildeten Heißhunger bzw. krankheitsbedingten mit gesundem Verwechselt.
Das nächste mal bei Pizza denken: ok ich muß genau aufpassen, wann ich wirklich satt bin und bei jedem stück hör ich in mich und meinen magen rein obs nun gut ist.
ist doch nicht schlimm was dir passiert ist :o klar ists ekelig und vorallem im schlaf finde ich das schon cras (therapeuten sagen...!), aber das ist kein Weltuntergang.
Wieso macht man sich als essgestörter mensch nur immer so fertig, wenn man was ißt. Essen ist super, toll und macht Spaß und man sollte sich diesen Spaß nicht verbieten. Klar muß man auf seine Gesundheit dabei achten, aber grundlegend soll Essen Spaß machen !
..:..

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Catinka
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Beitrag Do., 18.10.2012, 12:59

Hallo,
Bridgetjones hat geschrieben:…ich wollte dir nur schreiben, dass ich das auch alles nur viel zu gut kenne. Gestern erst habe ich mir auch einen ganzen Beutel Pommes mit einer ganzen Packung geriebenem Käse, 40 Chickennuggets und 2 Hamburger (Supermarkt) reingetan. Der Plan war auch nur ein paar Pommes und einen Burger zu essen..... Ich weiß auch nicht. Also grundsätzlich fress ich aus Einsamkeit oder Langeweile. Gestern habe ich allerdings den ganzen Tag nichts gegessen. Ich denke einmal, da war der Fressanfall vorprogrammiert...
Einen Plan habe ich auch immer aber er geht selten auf. Leider. Ich habe den ganzen Tag über, meiner Meinung nach auch relativ vernünftig, gegessen und ich hatte nicht das Gefühl, dass sich an diesem Tag ein Fressanfall daraus entwickeln könnte. Ich habe auch nicht geplant am Abend ein ganzes Blech Pizza zu fressen. Es ist während dessen passiert. Ich konnte nicht mehr stoppen. Ich habe nichts dabei gefühlt. Es waren selbstvernichtende Gedanken da aber keine Gefühle.
Bezgl. deiner Frage nach einer Therapie, ich mache eine Psychoanalyse.
Sinarellas hat geschrieben:…Das nächste mal bei Pizza denken: ok ich muß genau aufpassen, wann ich wirklich satt bin und bei jedem stück hör ich in mich und meinen magen rein obs nun gut ist.
Da tue ich, jedes Mal … ich sage mir ich passe auf, auch dieses Mal habe ich das gemacht aber dann wumms, alles was ich gesagt, geplant, gefühlt habe ist weg und ich kenne keine Grenzen mehr. Und dann kann ich auch nicht mehr in meinen Magen rein hören und hören ob´s gut ist.
Mein Therapeut weiß das alles, auch das ich gelegentlich im Schlaf kotze… er ist Analytiker und sagt nichts dazu … aber er weiß es.
Sinarellas hat geschrieben:Wieso macht man sich als essgestörter mensch nur immer so fertig, wenn man was ißt. Essen ist super, toll und macht Spaß und man sollte sich diesen Spaß nicht verbieten. Klar muß man auf seine Gesundheit dabei achten, aber grundlegend soll Essen Spaß machen !
Ich verstehe das auch nicht. Momentan ist essen für mich eine absolute Belastung und kein Spaß, also eigentlich ist essen seit ich denken kann eine Belastung für mich. Ich hatte noch nie Spaß daran.
Vielleicht hab ich´s einfach noch nicht verstanden, vielleicht brauche ich einfach noch Zeit … ich bin verzweifelt…
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Méabh
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Beitrag Do., 18.10.2012, 13:13

Catinka, wenn du dich so arg dagegen wehrst, klappt das aber auch nicht. Dann machst du dir nur Stress. Der Muss - muss- muss - Stress ist ein ganz übler Stress, der einen manchmal sogar in die falsche Richtung zwingt.

(Wenn ich zB sage, dass ich nun SOFORT aufhören MUSS, Süßes zu essen, um endlich gesünder zu leben, fahre ich quasi sofort danach los und kaufe was, aus Panik.)

Ich kenn das auch, war jahrelang Bulimikerin.
Wenn so eine Fressattacke passiert ist - dann ist das Schlechteste, was du machen kannst, hinterher auf dich zu schimpfen und dich zu quälen. Dann steht man ständig auf Anschlag. ("Jetzt hab ich es mal geschafft, muss!!! durchhalten", und wenn es dann wieder passiert ist, quält man sich wieder.) Und wenn dein Kopf viel weiß, dann machen die Gefühle oft trotzdem "ihr Ding".

Versuch es wie ein Stolpern zu sehen. Es gibt so was wie "liebevolles Beobachten" lernen. Mit ein bisschen Abstand zu sich. Stell dir vor, du wärst dein kleines Mädchen, das - wieder mal - aus welchen Gründen auch immer, zu viel Leckeres gegessen hat. Da hat das kleine Mädchen sich eben mal wieder hinreißen lassen - und fertig. Es IST eben so, jetzt noch, dass es über die Stränge schlägt, und Schimpf und Scham nützen nichts, außer, dass es sich noch blöder fühlt.

Ich kann mir gut vorstellen, dass deine Geduld nicht reicht. Aber du brauchst sie, die Geduld mit dir. Du machst es dir durch dein MUSS SCHNELL was passieren nur besonders schwer, aber kürzer wird es dadurch nicht, es generiert nur Panik.

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Sinarellas
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Beitrag Do., 18.10.2012, 14:10

Ich glaube nicht, dass du ernsthaft darauf hörst, wann du wirklich satt bist.
Aber im Enddefekt ist alles erfolglos, jedes tun und regeln etc. wenn du nicht für dich eine gesunde und normalisierte Beziehung zum Essen findest.
Dein Verhältnis dazu ist so gestört und du hast es dir über Jahre lang antrainiert, sonst hättest du keine Essstörung.
Das ist wie mit Drogen, nach jahrelangem Drogengenuß kannste nicht von ausgehen, dass jener ein gesundes Maß zum "iwe nehme ich drogen ohne dass ich gleich wieder von abhängig werd" je hat. Problem: Essen kannst du dich nicht entziehen, also mußt du den gesunden Umgang damit mühsam wieder erlernen.
Und irgendwann wirds dir wurschd sein, wirst du nicht über jeden bissen nachdenken,d enn das ist dein Problem: Du denkst nach, bei jedem essen, bei allem was mit Essen zu tun hat und das mußt du lernen abzustellen.
..:..

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Catinka
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Beitrag Fr., 19.10.2012, 08:52

Méabh hat geschrieben:Catinka, wenn du dich so arg dagegen wehrst, klappt das aber auch nicht. Dann machst du dir nur Stress. Der Muss - muss- muss - Stress ist ein ganz übler Stress, der einen manchmal sogar in die falsche Richtung zwingt.
Dessen bin ich mir bewusst und ich weiß, dass es nicht gut ist sich solchen Stress zu machen. Aber es steckt in mir drin. Es ist wie ein Fluch den ich nicht mehr loswerde. Und dieser Teil von mir gehört ja irgendwie auch zu mir. Ich kann ihn nicht ausschalten oder ignorieren. Dieser Teil in mir ist stärker als alles andere ... Es ist viel einfacher darauf zu hören was mein Kopf mir sagt (nämlich alle niedermachenden und vernichtenden Worte) als auf mein Gefühl zu hören. Bzw. der Kopf ist so "laut", dass ich nichts anderes mehr wahrnehme. Das macht mich irre.
Méabh hat geschrieben:Versuch es wie ein Stolpern zu sehen. Es gibt so was wie "liebevolles Beobachten" lernen. Mit ein bisschen Abstand zu sich. Stell dir vor, du wärst dein kleines Mädchen, das - wieder mal - aus welchen Gründen auch immer, zu viel Leckeres gegessen hat. Da hat das kleine Mädchen sich eben mal wieder hinreißen lassen - und fertig. Es IST eben so, jetzt noch, dass es über die Stränge schlägt, und Schimpf und Scham nützen nichts, außer, dass es sich noch blöder fühlt.
Genau das ist das Problem. Ich kann das nicht. Ich kann diesem kleinen Mädchen mit den Fehlern nicht verzeihen. Ich kann dieses kleine Mädchen nur runter machen und "vernichten". Ich kann nicht liebevoll beobachten oder liebevoll sein. Jetzt nicht. Aber ich wünsche mir, dass ich es lerne ...
Méabh hat geschrieben:Ich kann mir gut vorstellen, dass deine Geduld nicht reicht. Aber du brauchst sie, die Geduld mit dir. Du machst es dir durch dein MUSS SCHNELL was passieren nur besonders schwer, aber kürzer wird es dadurch nicht, es generiert nur Panik.
Es generiert wahnsinnige Angst. Ich habe große Angst.
Sinarellas hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass du ernsthaft darauf hörst, wann du wirklich satt bist...Und irgendwann wirds dir wurschd sein, wirst du nicht über jeden bissen nachdenken,denn das ist dein Problem: Du denkst nach, bei jedem essen, bei allem was mit Essen zu tun hat und das mußt du lernen abzustellen.
Wahrscheinlich hast du mit all dem recht. Und wenn ich das so lese dann hört es sich so einfach an, so abgeklärt ... es klingt nach absoluter innerer Ruhe und das muss ein schönes Gefühl sein ...
Catinka

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FreudsLeiden
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Beitrag Sa., 20.10.2012, 02:19

Ein ganzes Blech zu machen - bei bekannter ES, und dann davor zu hocken, ist das Spiel mit dem Feuer. Erst gar nicht so eine große Portion machen... und wenn schon Pizza, (wo man nicht so wenig machen kann) dann halt ein kleine Schnitte kaufen. Ich bin grundsätzlich auch so eine Aufesserin, deshalb fang ich mir das gar nicht erst an und koch nur kleine Portionen. Analysieren kannst du da bis zum St. Nimmerleinstag, vielleicht musstest du als Kind aufessen, vielleicht hast du genießen verlernt und Essen ist eine Art "Arbeit", Bestrafung, vielleicht willst du dich unbewusst demontieren und erniedrigen.
Reich mir die Hand, mein Leben
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Jugendstil
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Beitrag Sa., 20.10.2012, 14:37

Es liest sich so als sei "das Essen genießen", ein Fremdwort für dich?

Ich kenne Essanfälle zwar auch, aber wie hier schon jemand schrieb: Ich baue sie heute ganz bewusst ein. Würde ich sie mir ganz verbieten, würden sie mich irgendwann überwältigen.

Ich hätte also ebenfalls Pizza gebacken, wohl ein halbes Blech voll - und diese Menge dann möglichst langsam und konzentriert aufgegessen. - Heute kann ich das, früher ging das aber auch nicht. Ich aß bei solchen Gelegenheiten, bis mir der Magen weh tat.

Ich konnte also so aus der Schleife (der Essanfälle) rauskommen: Mit Bewusstsein und absichtlich das tun, was man sonst nur mit schlechtem Gewissen und deshalb hastig und verborgen und fast unbewusst tun kann. Sich bewusst machen, dass Essen etwas Gutes und Bereicherndes sein will, kein Feind,

Das wollte dir die Pizza vermutlich nachts auch mit dem "Anklopfen" sagen: "Hättest du dir doch die Hälfte von mir wirklich gegönnt"...

Die Lösung kann meiner Ansicht nach niemals im Alles oder Nichts liegen. Ich bin sicher, dass diese Haltung das Krankhafte noch schürt. Heilung geschieht über Akzeptanz.

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Catinka
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Beitrag Sa., 20.10.2012, 16:50

FreudsLeiden hat geschrieben:Ein ganzes Blech zu machen - bei bekannter ES, und dann davor zu hocken, ist das Spiel mit dem Feuer.
Ein ganzes Blech zu machen war vielleicht etwas leichtsinnig, das sehe ich ein. Aber wie bereits geschrieben, es war nicht geplant einen Essanfall daraus entstehen zu lassen und ich habe auch nicht davor gehockt. Es ging mir nicht schlecht an diesem Tag, ich hatte das Gefühl, es im Griff zu haben. Ich habe es nicht zelebriert, so wie an anderen Tagen an denen ich wirklich hockte und alles in mich hineinstopfte um es dann bewusst wieder auszukotzen. Es gab Tage in der Vergangenheit, da ging es mir schlechter als je zu vor und ich hatte kein Problem damit ein Stück Pizza oder was auch immer zu essen und den Rest einfach für den nächsten Tag aufzuheben.
An diesem Tag war es anders. Ich saß auf der Couch, ich wusste, die Pizza ist im Ofen, ich wusste es liegt an mir wie viel ich davon esse und wie viel nicht. Und dann fing er an, der innere Kampf und ich habe den Kampf verloren.

Es tut mir Leid, es tut mir für mich Leid, für meinen Körper. Seit diesem Abend/Tag habe ich wieder furchtbare Angst vor dem Essen. Hunger zu spüren ist derzeit das einzige was irgendwie angenehm ist. Sobald ich esse fühlt es sich schlecht an. Und ich habe Angst, dass es wieder ausufert. Und natürlich ist auch das schlechte Gewissen da. Bei jedem Bissen.
FreudsLeiden hat geschrieben:Analysieren kannst du da bis zum St. Nimmerleinstag, vielleicht musstest du als Kind aufessen, vielleicht hast du genießen verlernt und Essen ist eine Art "Arbeit", Bestrafung, vielleicht willst du dich unbewusst demontieren und erniedrigen.
Mir ist aber wichtig zu verstehen warum ich das tue. Warum ich das Essen nicht „nur“ zum Überleben benötige sondern warum das Essen so eine enorm große Rolle in meinem Leben spielt. Mir ist wichtig zu erfahren warum ich es als Ersatz benötige und vor allem als Ersatz für was? Und was ich für eine Alternative habe?!

Jugendstil hat geschrieben:Es liest sich so als sei "das Essen genießen", ein Fremdwort für dich?
Ja, das ist es. Essen und genießen, das passt für mich nicht zusammen.
Jugendstil hat geschrieben:Ich kenne Essanfälle zwar auch, aber wie hier schon jemand schrieb: Ich baue sie heute ganz bewusst ein. Würde ich sie mir ganz verbieten, würden sie mich irgendwann überwältigen.
Ich hätte also ebenfalls Pizza gebacken, wohl ein halbes Blech voll - und diese Menge dann möglichst langsam und konzentriert aufgegessen. - Heute kann ich das, früher ging das aber auch nicht. Ich aß bei solchen Gelegenheiten, bis mir der Magen weh tat.
Mich würde interessieren wo bei dir der Punkt erreicht war, an dem du begonnen hast langsam und konzentriert zu essen? Ich meine, ich versuche das. Ich setze mich hin und versuche darauf zu achten aber innerhalb kürzester Zeit bin ich gedanklich völlig woanders. Gar nicht mehr bei der Sache. Und dann „zwinge“ ich mich, mich wieder zu konzentrieren, zwei Sekunden später bin ich wieder weg. Und irgendwann merke ich, dass ich alles aufgegessen habe (ob nun zwei Knäcke oder 5 Teller irgendwas, das ist egal).
Jugendstil hat geschrieben:Ich konnte also so aus der Schleife (der Essanfälle) rauskommen: Mit Bewusstsein und absichtlich das tun, was man sonst nur mit schlechtem Gewissen und deshalb hastig und verborgen und fast unbewusst tun kann. Sich bewusst machen, dass Essen etwas Gutes und Bereicherndes sein will, kein Feind,
Wie kann man denn bewusst absichtlich etwas tun, was man eigentlich abgrundtief hasst? Wie kann man sich bewusst dafür entscheiden sich einen Essanfall zu genehmigen wenn im Hinterkopf der Hammer schlägt und kurz davor ist dich zu vernichten? Stehe ich so auf dem Schlauch? Ich verstehe das nicht?!
Jugendstil hat geschrieben:Das wollte dir die Pizza vermutlich nachts auch mit dem "Anklopfen" sagen: "Hättest du dir doch die Hälfte von mir wirklich gegönnt"...
Die Hälfte wäre zumindest für meinen Körper eine bessere Lösung gewesen, er hätte dann in der Nacht nicht so leiden müssen. Aber meinem Kopf wäre es egal gewesen, Hälfte oder ganz, das schlechte Gewissen wäre so oder so dagewesen. Das weiß ich. Und somit auch die Selbstvorwürfe und alles andere.
Jugendstil hat geschrieben:Die Lösung kann meiner Ansicht nach niemals im Alles oder Nichts liegen. Ich bin sicher, dass diese Haltung das Krankhafte noch schürt. Heilung geschieht über Akzeptanz.
Ich wünschte mir es gäbe einen Knopf den man an und ausschalten könnte. „Heilung geschieht über Akzeptanz“. Klingt total logisch. Total verständlich. Aber auch nur für den Kopf. Von einem Gefühl diesbezüglich ist jedoch keine Spur. Und das wirft immer wieder Fragezeichen auf.

Liebe Grüße
Catinka

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Jugendstil
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Beitrag Sa., 20.10.2012, 19:45

Hallo!

Die Frage, ab wann ... kann ich dir nicht punktgenau beantworten. Soviel aber: Es war ein längerer Prozess, der über die Bewusstmachung ging. Es gab keinen "Knopf", der nur gedreht werden musste.

Hasst Du wirklich das Essen oder nur das Gefühl danach und projizierst das aufs Essen?

Es liest sich eher als ob du unbewusst Betäubung suchst. Welche Gefühle sind es wohl, die du betäuben willst oder musst? Die Beantwortung der Frage, wogegen du also anisst, gehört zum Bewusstmachung. Und auch die Erkenntnis, dass der anschließende Gefühlssturm sehr wirksam weiter Gefühle "weg machen" kann. Irgend etwas muss da sein ... Allerdings hat dir alles "Graben" ja bisher nichts gebracht.

EIN Ausweg wäre, du würdest einen EA "einfach" nicht so schwer nehmen und dir insofern Erleichterung verschaffen, indem du dir sagst, dass es halt gelegentlich so passieren kann. Das wäre auch eine Art Akzeptanz ...

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Catinka
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Beitrag Di., 30.10.2012, 09:14

Jugendstil hat geschrieben:Hasst Du wirklich das Essen oder nur das Gefühl danach und projizierst das aufs Essen?
Es gibt schon Momente, wenn ich zum Beispiel ein schönes Kochbuch in der Hand halten und schaue, ob ich nicht was nettes kochen könnte, da habe ich das Gefühl, dass ich das Essen nicht hasse. Dann freue ich mich tatsächlich darauf. Aber trotzdem ist das Essen unheimlich negativ belastet und schon diese negative Färbung sorgt dafür, dass ich es eigentlich nicht leiden kann und das Kochbuch dann am liebsten gleich wieder weglegen möchte. Ich möchte dann nie nie nie wieder überhaupt irgendetwas essen weil ich mich so schlecht damit fühle. Tja aber das Ergebniss daraus ist dann meist ein Fressanfall.
Jugendstil hat geschrieben:...Und auch die Erkenntnis, dass der anschließende Gefühlssturm sehr wirksam weiter Gefühle "weg machen" kann...
Hm verstehe nicht ganz, was du damit meinst?
Jugendstil hat geschrieben:EIN Ausweg wäre, du würdest einen EA "einfach" nicht so schwer nehmen und dir insofern Erleichterung verschaffen, indem du dir sagst, dass es halt gelegentlich so passieren kann. Das wäre auch eine Art Akzeptanz ...
Das liest sich so einfach. Und klar ist mir das auch (im Kopf). Aber was mir nach wie vor nicht klar ist, wie kann ich etwas akzeptieren, was ich so an mir hasse? Das wäre für mich so als wenn ich eben akzeptieren müsste, das Tiere gequält werden. Das passiert nun mal gelegentlich und es gibt nun mal Menschen die böse sind. Aber das kann ich auch nicht akzeptieren weil ich es einfach abgrundtief hasse. Mir ist leider kein besseres Beispiel eingefallen ... aber dieses Beispiel verdeutlicht vielleicht wie viel Hass in mir steckt, wie viel Hass ich in Bezug auf mich selbst spüre und wie wenig Akzeptanz ich mir gegenüber aufbringen kann.

Und die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich selbst so akzeptiere wie ich bin (mit allen Essanfällen usw.) ist genauso gering wie die Wahrscheinlichkeit, dass ich Menschen akzeptiere, die Tiere quälen. Nur das man Tierquäler wirklich nicht akzeptieren sollte.

Aber für mich und vor allem mein weiteres Leben wäre es schon sinnvoll, diese Selbstakzeptanz zu finden.

Ich fühle keinen Ausweg, kein Licht am Ende des Tunnels.

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Jugendstil
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Beitrag Di., 30.10.2012, 09:56

Dein interessanter Vergleich mit der Tierquälerei zeigt deutlich auf, dass du Essen als moralisch bewertest! Und da liegt auf jeden Fall etwas schief.

Essen ist in deinem Empfinden ja etwas geradezu Sündhaftes, du verurteilst es wie im Mittelalter der Sex verurteilt wurde, scheint mir. Essen ist aber keineswegs etwas Verwerfliches, sondern dient zum Leben!

Mit dem "Gefühlssturm" meinte ich folgendes: Du spürst nach dem Essen die aus der moralischen Verurteilung entstehenden Gewissensbisse, das artet dann geradezu aus in Selbstzerfleischung, und diese Gefühle sind so dominant - stürmisch - dass du nichts anderes mehr spüren kannst.

Du beamst dich also mit dem Essen gewissermaßen aus der normalen Realität raus. So kannst du bedrohliche Gefühle - z. B. Konflikte anderer Art - erfolgreich verdrängen. - Gibt es Dinge, denen du dich nicht stellen willst? Ängste vielleicht?

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Catinka
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Beitrag Di., 30.10.2012, 16:55

Jugendstil hat geschrieben:Dein interessanter Vergleich mit der Tierquälerei zeigt deutlich auf, dass du Essen als moralisch bewertest! Und da liegt auf jeden Fall etwas schief.
Das sieht wohl ganz danach aus. Die Frage die sich für mich stellt, wie konnte es soweit kommen? Und wenn ich so darüber nachdenke...und auch darüber...
Jugendstil hat geschrieben:Essen ist in deinem Empfinden ja etwas geradezu Sündhaftes, du verurteilst es wie im Mittelalter der Sex verurteilt wurde, scheint mir...
...dann ist das eigentlich mit allem so. Alles was auch nur im geringsten mit Genuss, Wohlbefinden, Lust, Entspannung etc. zu tun hat ist für mich nicht gestattet. Und auch wenn ich das weiß und das "locker" abstellen könnte, selbst wenn ich mir ganz bewusst klar mache "Ich hab das verdient" (was auch immer) dann kann ich es trotzdem nicht spüren und somit habe ich auch kein bewusstes Verlangen danach.

Jugendstil hat geschrieben:Essen ist aber keineswegs etwas Verwerfliches, sondern dient zum Leben!
Und wenn ich könnte würde ich das Essen sein lassen.

Jugendstil hat geschrieben:Mit dem "Gefühlssturm" meinte ich folgendes: Du spürst nach dem Essen die aus der moralischen Verurteilung entstehenden Gewissensbisse, das artet dann geradezu aus in Selbstzerfleischung, und diese Gefühle sind so dominant - stürmisch - dass du nichts anderes mehr spüren kannst...Du beamst dich also mit dem Essen gewissermaßen aus der normalen Realität raus. So kannst du bedrohliche Gefühle - z. B. Konflikte anderer Art - erfolgreich verdrängen. - Gibt es Dinge, denen du dich nicht stellen willst? Ängste vielleicht?
Es gibt sicherlich Dinge in meinem Leben, vor denen habe ich Angst und es gibt Konflikte mit denen ich mich nicht auseinander setzen möchte ... ABER ich dachte eigentlich ich würde mich mit allem in gewisser Weise auseinander setzen. Das ist u.a. der Grund warum ich eine Therapie mache, warum ich mir Hilfe gesucht habe.

Ich habe eher die Befürchtung, dass ich gewisse Dinge gar nicht sehe(n kann), weil ich scheinbar blind und taub durch die Weltgeschichte laufe. Und allein der Gedanke, dass ich etwas übersehe löst diverse Selbstzweifel aus.

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