Freies Assoziieren oder Geschwafel?
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Freies Assoziieren oder Geschwafel?
Worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen freiem Assoziieren und Geschwafel?
Meistens hab ich mittlerweile so viel zu erzählen in den Stunden, dass ich gar nicht alles unterbringen kann. Mir gehen dann zwischen den Sitzungen so viele Dinge durch den Kopf, dass ich manches tage- oder gar wochenlang mit mir rumschleppe, bis ich alles losgeworden bin. Dann ist der Kopf zwar ziemlich voll, aber immerhin habe ich in diesen Phasen das folgende Problem nicht: Was passiert, wenn man mal wirklich nichts zu sagen hat?
Und nun ist es wieder so weit: Ich fühle mich zwar total entspannt, wenn ich an die Therapie denke und ich muss nicht ständig alles, was mich beschäftigt, aufschreiben, um es nicht zu vergessen. Aber nun frage ich mich: Was mache ich, wenn mich gerade nichts beschäftigt? Klar, frei assoziieren... nichts leichter als das... Also, ganz frei geht sowieso nicht, jedenfalls nicht zu Beginn einer Sitzung. Mittendrinnen klappt es wunderbar. Aber erst mal muss ich wissen, was ich sagen will. Und - auch wenn man mir dreißig mal sagt, ich müsse, solle, dürfe mich nicht zensieren - ich kann es nicht lassen, dass ich mir überlege: Ist es jetzt psychoanalytisch irgendwie interessant, wenn ich erzähle, dass mein Meerschweinchen gestorben ist? Oder mir meine Mutter mal wieder auf die Nerven geht (nicht, dass wir das nicht schon besprochen hätten )? Oder gar, wenn ich erzähle, dass ich gerade Pommes gegessen hab, obwohl ich lieber Nudeln mag?
Ich habe schon öfter mal gelesen, dass es ärgerlich ist, wenn Patienten schwafeln und über ihren letzten Friseurbesuch erzählen. Und dass das eine Form des Widerstands sei. Woher weiß ich nun aber, ob meine Pommes Ausdruck eines Widerstands sind und der Friseurbesuch nicht? Oder umgekehrt? Und woher weiß das der Therapeut? Es ist auch bestimmt nicht so, dass ich mich nicht trauen würde, heikle Themen anzusprechen. Gerade deshalb kommt es mir so komisch vor, nun wieder über meinen Alltag zu reden. Aber was sonst ist das freie Assoziieren?
Ich dachte auch immer, dass das Assoziieren sozusagen erleichtern soll, das, was einen wirklich beschäftigt, herauszufinden. Aber wenn man schon so weit war, über seine innersten Zustände nachzudenken und zu reden - wieso muss man dann plötzlich wieder auf Pommes zurückgreifen?
Meistens hab ich mittlerweile so viel zu erzählen in den Stunden, dass ich gar nicht alles unterbringen kann. Mir gehen dann zwischen den Sitzungen so viele Dinge durch den Kopf, dass ich manches tage- oder gar wochenlang mit mir rumschleppe, bis ich alles losgeworden bin. Dann ist der Kopf zwar ziemlich voll, aber immerhin habe ich in diesen Phasen das folgende Problem nicht: Was passiert, wenn man mal wirklich nichts zu sagen hat?
Und nun ist es wieder so weit: Ich fühle mich zwar total entspannt, wenn ich an die Therapie denke und ich muss nicht ständig alles, was mich beschäftigt, aufschreiben, um es nicht zu vergessen. Aber nun frage ich mich: Was mache ich, wenn mich gerade nichts beschäftigt? Klar, frei assoziieren... nichts leichter als das... Also, ganz frei geht sowieso nicht, jedenfalls nicht zu Beginn einer Sitzung. Mittendrinnen klappt es wunderbar. Aber erst mal muss ich wissen, was ich sagen will. Und - auch wenn man mir dreißig mal sagt, ich müsse, solle, dürfe mich nicht zensieren - ich kann es nicht lassen, dass ich mir überlege: Ist es jetzt psychoanalytisch irgendwie interessant, wenn ich erzähle, dass mein Meerschweinchen gestorben ist? Oder mir meine Mutter mal wieder auf die Nerven geht (nicht, dass wir das nicht schon besprochen hätten )? Oder gar, wenn ich erzähle, dass ich gerade Pommes gegessen hab, obwohl ich lieber Nudeln mag?
Ich habe schon öfter mal gelesen, dass es ärgerlich ist, wenn Patienten schwafeln und über ihren letzten Friseurbesuch erzählen. Und dass das eine Form des Widerstands sei. Woher weiß ich nun aber, ob meine Pommes Ausdruck eines Widerstands sind und der Friseurbesuch nicht? Oder umgekehrt? Und woher weiß das der Therapeut? Es ist auch bestimmt nicht so, dass ich mich nicht trauen würde, heikle Themen anzusprechen. Gerade deshalb kommt es mir so komisch vor, nun wieder über meinen Alltag zu reden. Aber was sonst ist das freie Assoziieren?
Ich dachte auch immer, dass das Assoziieren sozusagen erleichtern soll, das, was einen wirklich beschäftigt, herauszufinden. Aber wenn man schon so weit war, über seine innersten Zustände nachzudenken und zu reden - wieso muss man dann plötzlich wieder auf Pommes zurückgreifen?
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Ich mach zwar keine Analyse, aber ich denk, dieses Phänomen gibts in allen Therapien mal.
Ich bin schon sehr lange in Therapie und habe für mich festgestellt, dass das in Wellenbewegungen funktioniert - mal intensiver, tiefer eben, und mal lockerer, alltäglicher, leichter. So wie das Leben eben auch ist. Ganz normal.
Für mich greift da auch der Spruch: das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
Es gibt für alles eine Zeit - fürs Intensive und fürs Luftholen. Und meist passiert rückblickend auch in den leichteren Phasen ganz schön viel, untendrunter, weil da der Raum und die Zeit ist, dass sich was setzen und festigen kann.
Deshalb würde ich das gar nicht bewerten (wenn möglich), sondern es nehmen, wies kommt. Auch die Pommes.
lg
Mirjam
Ich bin schon sehr lange in Therapie und habe für mich festgestellt, dass das in Wellenbewegungen funktioniert - mal intensiver, tiefer eben, und mal lockerer, alltäglicher, leichter. So wie das Leben eben auch ist. Ganz normal.
Für mich greift da auch der Spruch: das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
Es gibt für alles eine Zeit - fürs Intensive und fürs Luftholen. Und meist passiert rückblickend auch in den leichteren Phasen ganz schön viel, untendrunter, weil da der Raum und die Zeit ist, dass sich was setzen und festigen kann.
Deshalb würde ich das gar nicht bewerten (wenn möglich), sondern es nehmen, wies kommt. Auch die Pommes.
lg
Mirjam
Sieh dich nicht um.
Schnür deinen Schuh.
Jag die Hunde zurück.
Wirf die Fische ins Meer.
Lösch die Lupinen!
Es kommen härtere Tage.
(I.Bachmann)
Schnür deinen Schuh.
Jag die Hunde zurück.
Wirf die Fische ins Meer.
Lösch die Lupinen!
Es kommen härtere Tage.
(I.Bachmann)
Sollst du denn wirklich frei assoziieren, Titus? Ich dachte nämlich auch, das sei die Grundregel für meine Analyse, bis meine Thera mir dann mal gesagt hat, die Grundregel sei, dass ich das anspreche, was mir wichtig ist - und das ist dann doch ein Unterschied, das ist dann kein Geschwafel.
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Mirjam:Ja, das stimmt vermutlich. Es wäre ja auch irgendwie seltsam, wenn man monatelang ständig psychisch unter Strom steht und gar nicht mehr 'runterkommt'. Deshalb behaupte ich jetzt auch mal ganz zaghaft, dass ich mich sogar etwas auf die Sommerpause freue...
Tristezza: Bei mir ist es ja so, dass ich irgendwie komischerweise alles so auf indirektem Wege erfahre... ich wusste ja bis vor wenigen Wochen noch nicht mal, dass es sich um eine Analyse handelt Er hat nie gesagt: "Wir machen jetzt das und das, und Sie müssen dabei dieses und jenes machen". Das hat sich einfach so ergeben, und ich fand das gut, weil es gar nicht erst Druck erzeugt hat. Irgendwann sagte er dann mal so nebenbei, dass die Grundregel ja eigentlich so aussieht, dass man frei assoziieren sollte, dass die Idee dahinter auch wichtig sei, dass aber klar sei, dass das sowieso niemand schafft.
Eigentlich mache ich es auch immer so, dass ich über das rede, was mir wichtig ist. Aber das waren in den letzten Wochen solche 'Klopper', dass ich im Moment wirklich relativ leer bin - und ich weiß ja bei vielen Dingen sowieso, wie er reagiert ("wir können Ihre Mutter nicht ändern") - oder ich rede es mir jedenfalls ein
Nicht, dass sich das schlecht anfühlen würde, aber ich muss erst mal wieder umlernen, und ich hab eigentlich keine Lust mehr auf meine 'Standard-Eröffnung' à la: "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll..."
Tristezza: Bei mir ist es ja so, dass ich irgendwie komischerweise alles so auf indirektem Wege erfahre... ich wusste ja bis vor wenigen Wochen noch nicht mal, dass es sich um eine Analyse handelt Er hat nie gesagt: "Wir machen jetzt das und das, und Sie müssen dabei dieses und jenes machen". Das hat sich einfach so ergeben, und ich fand das gut, weil es gar nicht erst Druck erzeugt hat. Irgendwann sagte er dann mal so nebenbei, dass die Grundregel ja eigentlich so aussieht, dass man frei assoziieren sollte, dass die Idee dahinter auch wichtig sei, dass aber klar sei, dass das sowieso niemand schafft.
Eigentlich mache ich es auch immer so, dass ich über das rede, was mir wichtig ist. Aber das waren in den letzten Wochen solche 'Klopper', dass ich im Moment wirklich relativ leer bin - und ich weiß ja bei vielen Dingen sowieso, wie er reagiert ("wir können Ihre Mutter nicht ändern") - oder ich rede es mir jedenfalls ein
Nicht, dass sich das schlecht anfühlen würde, aber ich muss erst mal wieder umlernen, und ich hab eigentlich keine Lust mehr auf meine 'Standard-Eröffnung' à la: "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll..."
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Vielleicht kann ein gemeinsames harmonisches Schweigen ja auch mal ganz nett sein?
Mh, nun, diese Eröffnung ist ja m.E. auch schon ein Downer gleich zu Beginn.titus2 hat geschrieben:Nicht, dass sich das schlecht anfühlen würde, aber ich muss erst mal wieder umlernen, und ich hab eigentlich keine Lust mehr auf meine 'Standard-Eröffnung' à la: "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll..."
Vielleicht wollte er mit dem Hinweis auf das Freie Assoziieren herausnehmen, dass Du den Anfang (der ja den Gesamtverlauf wesentlich mitbestimmt) gleich so in Perspektive auf die Erwartung in der Situation gestaltest und Deine Gedanken da freier schweifen lässt, einen festhälst und artikulierst.
Ich lasse am Anfang meistens die vorigen Gedanken, auch im Bezug zur letzten Stunde schweifen, und nehme dann den wichtigsten heraus. Das klappt meistens ganz gut.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard
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Das Komische ist, dass der Stundenverlauf eigentlich immer gut ist; ich kann mich an keine Stunde erinnern, in der wir besonders viel Leerlauf gehabt hätten. Ich hab auch nicht das Gefühl, dass ich etwas kontrollieren müsste oder so. Es ist einfach nur der bescheuerte erste Satz. Und ich möchte nicht, dass es sich anhört wie: "Und, wie geht's uns denn so?" - das ist so belanglos, irgendwie.
und wenn du diesen satz "einfach" mal versuchst wegzulassen titus ?
sagt eine, die jahrelang standardmäßig - im grunde zwanghaft mit diesem satz die stunde begonnen hat, wahlweise begleitet mit hysterischem gekicher, weil es mir wie ne soap vorkam, oder total-blockierung oder oder oder.. aber den satz einfach wegzulassen, war mir lange nicht so "einfach" möglich.. (ich würde mal so spontan drauf tippen, dass sich hinter diesem satz noch was versteckt gehalten hatte) also deswegen nur mal als tipp: versuchs doch mal und schau, wie es dir damit geht.
LG
sagt eine, die jahrelang standardmäßig - im grunde zwanghaft mit diesem satz die stunde begonnen hat, wahlweise begleitet mit hysterischem gekicher, weil es mir wie ne soap vorkam, oder total-blockierung oder oder oder.. aber den satz einfach wegzulassen, war mir lange nicht so "einfach" möglich.. (ich würde mal so spontan drauf tippen, dass sich hinter diesem satz noch was versteckt gehalten hatte) also deswegen nur mal als tipp: versuchs doch mal und schau, wie es dir damit geht.
LG
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)
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Komisch, oder? Dass man solch ein Ritual braucht; genauso, wie mir neulich aufgefallen ist, dass ich mich immer räuspern muss, bevor ich mich dort hinsetze
Vermutlich ist das mit diesem Satz so was wie eine Entschuldigung oder Unterwürfigkeitsgeste (wie beim Hund), die besagen soll: "Bitte sei mir nicht böse und tu mir nichts, wenn ich deinen Ansprüchen nicht genüge" oder so.
Vermutlich ist das mit diesem Satz so was wie eine Entschuldigung oder Unterwürfigkeitsgeste (wie beim Hund), die besagen soll: "Bitte sei mir nicht böse und tu mir nichts, wenn ich deinen Ansprüchen nicht genüge" oder so.
ja ich glaube auch, dass da ne riesenangst dahinterstecken könnte, den "erwartungen" nicht zu genügen.
bei mir war es auch ne angst, mich in das bzw. mein unbekannte(s) stärker fallen zu lassen und mal "schauen was kommt" .. also ein kontrollthema. ... und damit auch ein nähe- und - distanz- thema...
finde es auch spannend, dass es nicht so eindimensional ist.. bzw. sein muss..
bei mir war es auch ne angst, mich in das bzw. mein unbekannte(s) stärker fallen zu lassen und mal "schauen was kommt" .. also ein kontrollthema. ... und damit auch ein nähe- und - distanz- thema...
finde es auch spannend, dass es nicht so eindimensional ist.. bzw. sein muss..
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)
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"schauen, was kommt" klingt irgendwie spannend für mich - wie bei einem Date oder so Blöd ist nur die Befürchtung, es könnte NICHTS kommen
Also, wenn er mich ein einziges Mal hängenlassen würde nach meinem Anfang, bekäme ich wohl ein richtiges Blackout.
Also, wenn er mich ein einziges Mal hängenlassen würde nach meinem Anfang, bekäme ich wohl ein richtiges Blackout.
Wäre ja auch mal ein spannendes Thema für die Stunde, deine Angst vor dem Nichts, vor dem Schweigen, vor dem Hängengelassenwerden.titus2 hat geschrieben:Also, wenn er mich ein einziges Mal hängenlassen würde nach meinem Anfang, bekäme ich wohl ein richtiges Blackout.
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Ich denke, das ist halt Ausdruck meiner Unsicherheit, dass ich immer meine, jemanden zu brauchen, der Halt gibt. Und wenn da NICHTS ist, dann fühle ich mich wieder so haltlos. Und das ist dann wohl die logische Folge von dem, was nach der Geburt gefehlt hat.
Alles in deiner Beziehung zu deinem Therapeuten hat eine Bedeutung. Fühlt es sich für dich auch so an?
VG
tellmewhy
VG
tellmewhy
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Was meinst du? Ob ich mich in der Beziehung haltlos fühle? Nein, überhaupt nicht. Aber ich hab Angst, den Halt zu verlieren, vielleicht. Aber ich glaube, das weiß er.
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