Ist Vertrauen in Therapien etwas Grundsätzliches?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Sausewind
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Ist Vertrauen in Therapien etwas Grundsätzliches?

Beitrag So., 01.07.2012, 21:08

Angeregt von einem anderen Thread hier, würde ich gerne einmal folgendes Thema zur Diskussion stellen:

Ist Vertrauen in Therapien was Grundsätzliches? Ich meine damit: Muss sich der Therapeut / die Therapeutin das erarbeiten? Oder sollte der Patient es bis zu einem gewissen Grad nicht auch schenken?

Was kann ein Therapeut / eine Therapeutin tun, um das Vertrauen der Patientinnen zu erlangen? Wo sind Grenzen?
Was sind schlimme Vertrauensbrüche? Was hingegen kann man verzeihen?

Mein Therapeut ist auch ziemlich verschusselt, aber trotzdem vertraue ich ihm grundsätzlich. Allerdings las ich jetzt hier auch schon, verpasste Terminabsprachen etc. seien ganz schlimme Vertrauensbrüche.

Was meint ihr? Ist das individuell verschieden, wie man das wahrnimmt? Ich habe manchmal den Eindruck, in den Diskussionen hier werden unglaublich hohe Ansprüche an TherapeutInnen gestellt, sie werden hart kritisiert, es wird genau benannt, was in keinem Fall passieren dürfe etc. . . und dass man unter Umständen am besten gleich die Therapie beenden sollte . . und ich denke mir oft, das sind keine realistischen Forderungen. . alle machen mal Fehler, die das Vertrauen erschüttern können, selbst wenn sie darum bemüht sind, es nicht zu tun . .was meint ihr?

Liebe Grüße
Sausewind

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Lou Who
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Beitrag So., 01.07.2012, 21:20

Hallo Sausewind,

meiner Meinung nach ist das Vertrauen, das man in seinen Therapeuten hat, das Fundament für eine erfolgreiche Behandlung. Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit beeinträchtigen dieses Vertrauen und vermindern den Erfolg. Das heißt, der Therapeut macht seine Arbeit nicht gut. Und dafür habe ich kein Verständnis. Ich stelle auf der Arbeit hohe Ansprüche an mich selbst und die stelle ich auch an meinen Therapeuten. Fehler sind sicherlich erlaubt aber nicht wünschenswert und möglichst zu vermeiden. In anderen Berufen, gerade im medizinischen Bereich, darf man sich so gut wie keine Fehler erlauben. Wenn der Chirurg dir das falsche Bein amputiert, würdest du ja auch nicht sagen: Fehler macht ja jeder mal.

Gruß
Lou
Zuletzt geändert von Lou Who am So., 01.07.2012, 21:22, insgesamt 1-mal geändert.

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Engel22
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Beitrag So., 01.07.2012, 21:22

hallo sausewind,

Ich finde für eine erfolgreiche Therapie ist Vertrauen unerlässlich. Leider wird aber genau diese nicht immer erreicht,warum auch immer, das kann viele Ursachen haben.

Bei mir war schon ein "gewisses" Vertrauen da bei meiner Therapeutin(lag aber auch daran das sie auch meine Hausärztin ist) war sie aber auch noch nicht lange. Sie hat aber einen sehr guten Ruf und ich hab beruflich schon häufiger mit Ihr zu tun gehabt. Das hat zu dem schon viel positives beigetragen.

Dennoch mussten "wir" auch erst das Vertrauen für diese Momente erarbeiten die mir richtig "weh" tun, über die ich am besten gar nicht reden würde. Es hat sehr lange gedauert bis ich dies Dinge äußern konnte, weil da einfach vieles stimmen muss. Es gab auch immer mal wieder auf uns abs, gibt es immer noch. Aber ich denke dadurch das ich vielles offen gelegt habe hab ich schon mehrere Hürden überwunden. Ich weiß das sie eine super Ärztin und Therapeutin ist und das ich ja möchte das es mir besser geht und da gehört halt dazu sich auch auf etwas einzulassen. Es gibt auch Stunden wo ich innerlich zu mache (als Selbstschutz) Aber zuhause überlege ich dann waran es lag das ich nicht reden konnte und geh diese Situationen noch mal durch. Meist kann ich Ihr dann auch eine Std. später sagen waran es lag.

Für mich ist Vertrauen eigtl. das wichtigste in meiner Therapie.

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Tellmewhy
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Beitrag So., 01.07.2012, 21:24

Ich denke, es gibt vertrauensförderndes therapeutisches Verhalten und vertrauensminderndes. Es gibt zwar kein absolutes Vertrauen, aber meiner Meinung nach einen absoluten Vertrauensbruch, z.B. bei sexuellem Missbrauch in der Therapie. Über allem steht ein Dialog zwischen Patient und Therapeut als Ausdruck gegenseitigen Vertrauens. Für dessen Aufrechterhaltung und dessen Grenzen ist der Therapeut mit seiner Professionalität und Erfahrung verantwortlich. Nur innerhalb dieses Rahmens sind neue Beziehungserfahrungen sinnvoll und hilfreich, finde ich.
Hast du gute oder weniger gute Erfahrungen für dich mit dem Verhalten deines Therapeuten gemacht?

VG
tellmewhy

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kaja
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag So., 01.07.2012, 21:33

Sausewind hat geschrieben: Ich habe manchmal den Eindruck, in den Diskussionen hier werden unglaublich hohe Ansprüche an TherapeutInnen gestellt, sie werden hart kritisiert, es wird genau benannt, was in keinem Fall passieren dürfe etc. . . und dass man unter Umständen am besten gleich die Therapie beenden sollte . . und ich denke mir oft, das sind keine realistischen Forderungen

Ich denke diese extremen Überreaktionen sind der Krankheit der entsprechenden Kunden geschuldet und nicht unbedingt representativ.
Es wird (zum Teil) ein perfekter , makelloser und immer 10000% auf einen fixierter Therapeut gefordert.
Vielleicht weil der Gedanke das der Gegenüber nicht perfekt sein könnte Unsicherheit auslöst ?

Ich denke der Eindruck kann gerade hier so entstehen weil die Kunden mit einem "realistischen" Therapeutenbild keine Beiträge über verpasste Termine oder "falsche" Satzstellungen, Augenbewegungen, Seufzer etc. verfassen.
After all this time ? Always.

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Sausewind
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Beitrag So., 01.07.2012, 22:10

Tellmewhy hat geschrieben: Hast du gute oder weniger gute Erfahrungen für dich mit dem Verhalten deines Therapeuten gemacht?
Gute Frage. Natürlich sind Missverständnisse und verpasste Terminabsprachen sehr ärgerlich, also völlig neutral bin ich da nicht. Aber es erschüttert eben nicht grundsätzlich mein Vertrauen in meinen Therapeuten. Bei den großen, (lebens-)wichtigen Themen ist er da, "inhaltlich" kann ich ihm völlig vertrauen. Und das ist mir das Wichtigste. Und dann eben denke ich oft: Bei jemand anderem könnte auch immer irgend was passieren, was mich irritiert, eine Aussage, ein Missverständnis, was auch immer - das ist nur menschlich, kein Therapeut ist perfekt. Ich sehe das eher als Lernmöglichkeit für mich, damit umzugehen.

Es gibt noch etwas anderes: Ich empfinde so eine Art Grundvertrauen, das ich sehr schwer beschreiben kann, das sich nicht an äußeren Sachen festmachen lässt. Ein grundsätzliches Vertrauen in seine Person. Das ist so wie "Ja oder Nein". Und im Zweifel wäre es eben "Ja".

Und alle Sachen, die ich mich (noch) nicht traue anzusprechen, haben weniger mit ihm als mit mir zu tun, das spüre ich auch ganz deutlich.

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Wandelröschen
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Beitrag Mo., 02.07.2012, 01:22

Sausewind hat geschrieben: Ich empfinde so eine Art Grundvertrauen, das ich sehr schwer beschreiben kann, das sich nicht an äußeren Sachen festmachen lässt. Ein grundsätzliches Vertrauen in seine Person.
Das ist toll, dass du so etwas hast, darauf ist dann auch relativ leicht aufzubauen.

Schwierig wird es dann, wenn das nicht vorhanden ist. Wenn man kein Ur-Vertrauen aufbauen konnte aufgrund von frühkindlichen Traumatisierungen.
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.

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Tellmewhy
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Beitrag Mo., 02.07.2012, 08:27

Ich finde alles wichtig, was irritiert. Sprich mit deinem Therapeuten darüber wie es für dich ist, wenn Termine von seiner Seite nicht eingehalten werden. Das ist kein Vertrauensbruch.

VG
tellmewhy

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Offy
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Beitrag Mo., 02.07.2012, 08:52

Was als Vertrauensbruch empfunden wird und was nicht, ist schon sehr subjektiv.
Wichtig dabei ist mMn, was ich brauche und erwarte.
Für mich ist vieles sehr schwierig, was ich aus Vorerfahrungen als negativ bewerte. Dazu gehören z.B. auch solche Terminverwechslungen, aber auch manche Verhaltensweisen, die wiederholt auftreten, obwohl ich gesagt habe, dass ich das problematisch finde und sie mir versprach, darauf zu achten.
Das gibt dann gern mal einen Knacks in meinem Vertrauen. Ebenso bei Aussagen, in die ich etwas hinein(fehl-)interpretiere.
Bei manchen Dingen ist es an MIR, den Umgang damit zu lernen. Bei anderen wiederum will ich mich darauf verlassen können, dass die Thera es berücksichtigt. Stabilität und Verlässlichkeit sind ganz wichtige Voraussetzungen, damit ich Vertrauen aufbauen kann.
Heute weinte ich –
aber keine Träne benetzte eine Blume.
Still, leise und nutzlos!
Werde ich auch so von der Welt gehen?

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Tellmewhy
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Beitrag Mo., 02.07.2012, 09:11

Interessante Gedanken. Vielleicht kann man es selbst für sich daran festmachen, ob man sich gleich wichtig wie der Therapeut fühlt in der Therapie. Ich denke, dass es Verhalten gibt, dass Vertrauen auch nach und nach zerstören kann, wenn es ohne Klärung bleibt, wie z.B. Unzuverlässigkeit, Nachlässigkeit, Aggression, mangelnde Achtsamkeit des Therapeuten. Wo ich mir sicher bin, ist, dass Vertrauen immer ein Stück verloren geht, wenn der Patient etwas klären möchte und das Gefühl hat, dass es ihm wichtiger ist als dem Therapeuten. Ich glaube auch, dass dafür nicht jeder Patient, der eine Psychotherapie macht, noch sensibel ist.

VG
tellmewhy

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Sausewind
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Beitrag Mo., 02.07.2012, 10:56

Wandelröschen hat geschrieben: Schwierig wird es dann, wenn das nicht vorhanden ist. Wenn man kein Ur-Vertrauen aufbauen konnte aufgrund von frühkindlichen Traumatisierungen.
Hallo Wandelsröschen, ich vertraue grundsätzlich schon schwer, denn bei mir gab es frühkindliche Traumatisierungen. Und es bleibt immer ein Rest Misstrauen, 100% Vertrauen kenne ich nicht. Ich weiß nicht, ob das andere kennen, keine Ahnung. Kannst du das mittlerweile so stark?

Aber es ist trotzdem so ein Gefühle von "der Person kann ich mich grundsätzlich mit meinen Themen anvertrauen" - wie gesagt, kann es schwer beschreiben. Das heißt nicht, dass ich nicht plötzlich Anfälle kriege und denke, mein Therapeut ist eigentlich böse (das meinte ich auch mit Täter-Inszenierungen), aber das vergeht dann eben wieder, wenn ich wieder "ich" bin . .

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