Mutter verwahrlost

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Hadassa
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Mutter verwahrlost

Beitrag So., 06.05.2012, 23:48

Hallo liebes Forum.

Es ist für mich ein ganz großer Schritt etwas zu schreiben, dass mich mit am Meisten in meinem Leben beschäftigt und belastet, aber ich mache mir mittlerweile so große Sorgen, dass ich Hilfe suchen muss.

Meine Mutter ist verwitwet und das seit fast 14 Jahren. Seitdem mein Vater gestorben ist musste sie ihr Leben von Grund auf umkrempeln. Die finanzielle Lage hat sich zum Schlechten entwickelt, sie musste nach langer Hausfrauen-Phase wieder ins Berufsleben einsteigen, mich alleine durch die Pubertät begleiten und meinen Bruder ebenfalls.

Seit einigen Jahren, wenn ich so recht darüber nachdenke schon seitdem mein Vater tot ist, hortet sie Müll. Ich kann manchmal nicht glauben, wie sehr ich dies verdrängt habe vor langer Zeit und dass mir das erst seit ein paar Jahren so richtig aufgefallen ist und unnormal vorkam, obwohl ich mit ihr in diesem Müll lebte.
Es fing damit an dass sie Küchenmüll hortete. Sie hatte große Säcke in der Küche stehen in denen der Müll von Wochen Platz fand. Manchmal stellte sie einen neuen dazu bevor sie den alten hinunterbrachte.
Es roch schrecklich, überall waren Fruchtfliegen. Ebenso spülte sie das Geschirr nicht ab. Das habe ich dann gemacht und mein Bruder hat ab und zu den Müll hinuntergebracht. Eine klare Aufteilung gab es nicht und wir haben irgendwie auch mitgezogen, anstatt uns durchzusetzen, so sehr es uns auch ekelte.

Irgendwann zogen wir um und ihre Müllhorterei wurde immer schlimmer. Mein Bruder wohnte mittlerweile alleine. Ich konnte nie Besuch mitbringen und als ich meinen ersten richtigen Freund hatte, hat der sich so geekelt und es war einfach nur schrecklich für mich.
Irgendwann stellte ich fest, dass sie auch nicht mehr regelmäßig auf Toilette ging, sondern ihre Kleidung einnässte oder vollkotete. Manchmal auch die Couch.
Die Schamgrenze war zu groß sie darauf anzusprechen - bis heute. Meinem Bruder geht es genauso.
Das Schlimme ist, dass sie natürlich danach riecht und obwohl ich sie von ganzem Herzen liebe, schäme ich mich so oft weil ich mich vor ihr ekel und immer zusehe dass sie mich besuchen kommt, anstatt dass ich zu ihr fahre.
Die Küche steht voller Müll und es riecht schlimm, überall sind Fruchtfliegen.

Letztes Weihnachten bin ich mit meinem Freund zu ihr gefahren, er hat sich fast getrennt von mir nachdem er dort war. Ich kann ihn ja irgendwo verstehen, aber sie hatte mir versprochen alles zu reinigen (sie auf den Müll anzusprechen hatte ich mich getraut), nur leider ging der Geruch nicht innerhalb eines Tages aus der Wohnung.

Ich weiß einfach nicht was ich machen soll.
Ich habe so Angst um ihre Gesundheit, dass sie schwer krank wird körperlich.
Ich würde mir so Vorwürfe machen, weil ich denken würde, ich hätte mich überwinden müssen sie darauf anzusprechen, dann hätte sie schon seit Jahren ein normales Leben und würde nicht so einfach krank werden können.

Zur Zeit bin ich schwanger und sie freut sich darüber. Ich habe jetzt schon Panik. Natürlich werde ich mit dem Kind nie in ihre Wohnung fahren, aber auch wenn sie zu mir kommt um ihr Enkelkind zu sehen, muss ich bis dahin eine Lösung gefunden haben, denn was für mich schon schrecklich riecht, das kann ich dem Kind nicht antun.

Alleine schon dass ich das schreibe tut mir weh, denn ich habe das Gefühl ich verrate sie, aber es muss einfach raus.

Der einzige Mensch in meinem Leben der das alles komplett weiß ist mein älterer Bruder und zu dem habe ich momentan keinen Kontakt.

Weiß irgendjemand einen Rat für mich bitte? Oder hat einen Tipp wie ich ihr helfen kann?

Vielen Dank dass ich mich mal ausschreiben konnte.

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münchnerkindl
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Beitrag Mo., 07.05.2012, 00:00

Für solche Fälle gibt es Stellen:

Nämlich erstens den sozialpsychiatrischen Dienst deiner Gemeinde und zweitens evtl noch das Gesundheitsamt.

Das sind die zwei Stellen die für verwahrloste Bürger zuständig sind.

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Passat
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Beiträge: 943

Beitrag Mo., 07.05.2012, 00:57

Hallo Hadassa,

es ist auf zweierlei Weise äußerst tragisch was du da schreibst. Zuerst das geschilderte Elend deiner Mutter und dass du (verständlicherweise) darunter leidest. Andererseits aber auch, dass sowohl ihr Elend als auch dein Leid völlig verschwiegen bleiben. Wahrscheinlich nehmt ihr das doch auch jedes Mal voneinander wahr, wenn ihr euch seht - und dennoch sagt niemand was. Und wenn ihr auseinandergeht, bleiben immer zwei getrübte Herzen zurück.

Den größten Gefallen könntest du deiner Mutter wohl damit tun, indem du sie auf ihr Elend direkt ansprichst. Nun weiß ich nichts von eurer Beziehung zueinander, also auch nicht ob du sie besser behutsam darauf ansprechen solltest, oder, schonungsloser sagst wie du es empfindest: "Hier stinkts", "wie siehts denn hier wieder aus?" usw. ...

Wie es scheint hat deine Mutter Hilfe dringend nötig, aber weniger du. Vielleicht wartet sie sogar seit Jahren darauf.

Edit: Ach noch was. Bevor du münchnerkindls Rat beherzigst, mache dir bewußt, dass das nicht nur positive Konsequenzen für euch alle haben wird, wenn du dich an ein Amt wendest. Möglicherweise wird deine Mutter dann bürokratisch zu ihrer Gesundheit gezwungen. Wenn du etwas bei ihr bewegen kannst, habt ihr beide mehr davon.
"Alles entsteht durch den Konflikt" (Heraklit)

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Elfchen
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Beitrag Mo., 07.05.2012, 08:25

liebe hadassa

zuerst mal möchte ich dir sagen, dass es mich sehr berührt, wie sehr die liebe und auch die sorge zu deiner mutter aus deinen zeilen spricht. dann möchte ich dir auch eine schöne schwangerschaft wünschen.

zum problem denke ich auch, dass ihr hilfe braucht.
vielleicht kannst du es wirklich ansprechen. ihr sagen, wie sehr du sie liebhast, wie wichtig sie dir ist, und dass du darum hilfe holen möchtest. dann empfindet sie es vielleicht nicht als verrat. die tatsache, dass sie müll hortet, macht sie zum messie. was das aber mit dem in die hose machen ist, das muss man abklären, ich weiss nicht, ob es dazugehört. jedenfalls ist klar, dass sie total überfordert ist, sie, dein bruder und auch du, das ganze system bei euch. alleine kommt ihr da nicht raus. die arme hat sich wohl total aufgegeben. ich glaube, an deiner stelle täte ich baldmöglichst handeln, denn der prozess wird langwierig für euch alle werden.

hab nur mut und ich wünsche dir viel kraft für all das!
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Epiktet

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münchnerkindl
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Beiträge: 9792

Beitrag Mo., 07.05.2012, 09:53

Elfchen hat geschrieben:l
vielleicht kannst du es wirklich ansprechen. ihr sagen, wie sehr du sie liebhast, wie wichtig sie dir ist, und dass du darum hilfe holen möchtest.

Ich glaube daß das jemandem mit so einem Problem so enorm peinlich ist von lieben Angehörigen darauf angesprochen zu werden daß ich mir vorstellen kann daß alleine das nicht wirklich helfen wird.

Da muss auf jeden Fall professionelle Hilfe her.

Gibt es bei dir in der Gegend evtl Selbsthilfegruppen (auch für Angehörige)?

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Thread-EröffnerIn
Hadassa
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Beitrag Mo., 07.05.2012, 10:38

Danke für Eure Anteilnahme und dafür dass Ihr Euch die Mühe gegeben habt meinen langen Text zu Lesen.

Ich weiß dass Ihr da Recht habt, im Grunde komme ich nicht drum herum sie anzusprechen. Aber ich habe so große Angst ihr danach vor die Augen zu Treten, auch davor dass sie vielleicht den Kontakt abbricht, denn auf etwas Intimeres und Verletzlicheres kann man einen Menschen fast nicht ansprechen.
Ich habe schon des Öfteren (leider wenn ich über den Zustand wütend war, so wie an Weihnachten z.B.) gesagt, dass das nicht normal sei, ich Angst um ihre Gesundheit habe und es riechen würde. Aber sie blockt voll ab, sagt was ich behaupte würde nicht stimmen, ich würde mich anstellen, etc.
Auch wenn mein Bruder dies sagte, war er im Unrecht. Ich glaube, jeder könnte ihr das sagen, sie würde in ihrer Lüge weiterleben.
Und sauer wird sie dann auch, aber so richtig.

Wenn ich es schaffe das Thema anzusprechen, dann muss es glaube ich in Briefform sein. Ein direktes Konfrontieren schaffe ich nicht, vor Allem nicht in Anbetracht dessen dass sie eh alles abstreiten und sauer werden wird.
Was durch den Brief passiert kann ich nicht sagen. Vermutlich meldet sie sich nicht mehr. Das machte sie schon öfters wenn sie meinte Gründe dafür zu haben.

Was das Amt angeht, so wäre es sicher eine wirkungsvolle Maßnahme, aber ich habe Angst vor diesem Schritt, weil er sehr massiv ist und ich das Gefühl hätte ich würde sie vor der Öffentlichkeit bloßstellen.

Ob es Selbsthilfegruppen zu dieser Problematik gibt weiß ich gar nicht so genau, denn ich habe mich bisher noch nie an die Öffentlichkeit damit gewendet. Und ich dachte immer, dass das nicht das typische Messie-Verhalten ist alles zusammen genommen und sie somit nicht in das Raster fällt.

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Stacheldraht
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Beitrag Mo., 07.05.2012, 11:08

Wenn die Situation so ist, wie Du sie beschreibst, stellt Deine Mutter inzwischen nicht nur für sich, sondern auch für andere eine Gefahr dar. Immerhin gefährdet sie nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch die ihrer Umwelt. Jedenfalls dann, wenn sie in einem Mietshaus wohnt. Allein die schimmelnden Küchenabfälle stellen bereits eine große Gefahr für die Gesundheit dar. Zumal ich mir gut vorstellen könnte, dass Fruchtfliegen nicht ihre einzigen Mitbewohner sein werden, wenn dieser Zustand bereits solange anhält.
Insbesondere die Tatsache, dass sie nicht mal mehr auf's Klo geht und dennoch nicht einsichtig ist, dass dies kein normaler Zustand ist, deutet in meinen Augen sehr daraufhin, dass ihr jegliche Krankheitseinsicht fehlt. Denn bei einer solch extremen Verwahrlosung kann mir niemand glaubhaft erklären, dass dies kein Ausdruck einer Krankheit ist. Insofern denke ich bleibt Dir nichts anderes übrig als Deiner Mutter nun wirklich zu helfen, indem Du für sie Hilfe organisierst. Alles andere wäre in meinen Augen fahrlässig und erhöht die Gefahr, dass nicht nur ihr psychischer, sondern auch ihr physischer Zustand sich verschlechtert.

Ich mein, mal ehrlich? Was muss denn noch passieren, damit Du Dich über den falsch verstandenen Familienstolz hinwegsetzt und Dich um ärztliche Hilfe für Deine Mutter bemühst? Muss sie dafür erst mit dem Essen und Trinken aufhören? Denn über den Punkt, an dem freundliches Zureden hilft, scheint sie schon lange hinaus zu sein. Nimm also bitte den Rat von münchnerkindl an und wende Dich an den sozialpsychiatrischen Dienst. Das ist bei weitem besser als irgendwann am Grab der Mutter zu stehen mit dem Wissen zu lange gewartet zu haben, weil einem die Situation zu peinlich war.

Tut mir leid, falls Dich meine Worte kränken sollten. Ich kann verstehen, wie furchtbar Du Dich fühlst und ich weiß wie es ist mit Familiengeheimnissen leben zu müssen. Aber gerade Deine Selbstachtung wird steigen, wenn Du aktiv dageben angehst. Manchmal muss man einem geliebten Menschen erst wehtun, wenn man ihm wirklich helfen will. So traurig das auch ist.
Lache und die ganze Welt wird mit dir lachen. Weine und du weinst allein.
Oldboy

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