arbeiten im Altenheim

Das Leben ist wesentlich durch unsere Arbeit geprägt. Der Job kann jedoch auch Quelle von Ärger und Frustration sein, oder persönliche Probleme geradezu auf die Spitze treiben...
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Nena-Marie
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arbeiten im Altenheim

Beitrag Mi., 18.04.2012, 20:37

Liebes Forum!

Heute beschäftigt mich " wie kann ich Distanz sowie Schutz aufbauen, wenn ich elendiges Leid sehe, höre und spüre".

Kurzbeschreibung - ich wurde, ohne Vorbereitung, ins Eiskalte Wasser geworfen. Nichtsahnend wurde ich heute in einer anderen Abteilung eingeteilt, und ich habe so etwas noch nie gesehen, oder in dieser Form erlebt. Vor Schmerzen schreiende, weinende und stöhnende Menschen. Es hat mich zu tiefst getroffen, und es war, als ob diese Menschen es mir eingepflanzt haben. Die Bilder gehen nicht mehr weg, und ich weiß nun nicht - wie ich damit umgehen soll. Ich war nicht darauf vorbereitet, wurde nicht vorgewarnt - und war alleine dort.

Eine Person erinnerte mich optisch an eine bestimmte grausame Zeit. (ich denke es ist klar, was ich meine). Nur noch Haut und Knochen, laut klagend um Hilfe flehend, weinend und wimmernd im Bett und dem Leben völlig ausgeliefert - auf den Tod wartend. All Das ist regelrecht in meine Psyche gekrochen. Möchte selber weinen, doch habe Angst, es könnte mich dann noch weiter in etwas hineinziehen. Ich fühle mich missbraucht, da ich da ohne einer speziellen Ausbildung, ohne Vorbereitung oder Vorwarnung einfach eingeteilt wurde. Nun ist es so, und ich frage die User, die darin Erfahrung haben - wie ihr damit umgeht. Geht das überhaupt? Kann man so ein Leid ausblenden?

Es ist als ob ihr Leid in mich hineingekrochen ist. Kann das nicht anders beschreiben. Sogar die Bilder der still vegetierenden Menschen mit leeren, mich anstarrenden toten Augen, gehen nicht weg. Sowie die Schreie, das Stöhnen, weinen, um Hilfe flehen....

Wie kann ich mich davor schützen, und wie werde ich das von Heute wieder los? Ich werde es morgen zwar erwähnen, doch geworfen hat es mich schon.


Bin für Rückmeldungen sehr dankbar.

betroffene Grüße
Nena

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candle.
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 20:47

Hallo Nena-Marie!

Mir ging es ja leider früher auch so (anderer Beruf Medizin). Ich bin es bis heute nicht los bzw. es ist auch die Frage, ob es bei mir ein Trigger ist. In der Altenpflege habe ich dann Praktikum gemacht, weil das ja jetzt wirklich eine Marktlücke ist, weiß aber nicht was ich schauriger fand, die Kollegen und ihr Umgang mit den Patienten oder die Patienten selber.

Bist du denn jetzt in einer Demenzabteilung oder was ist jetzt das Spezielle was sich an deinem Job geändert hat? Wieso kann man dich einfach so umsetzen? Gab es dazu Anzeichen/ Vorfälle vorher oder Krankheitsausfall von Kollegen o. ä.. Oder behälst du die Position auf ewig jetzt bei?

Hast du diesen Beruf schon immer ausgeübt?

Mir fällt jetzt auch kein Schutz ein, außer dich an die Leitung zu wenden, aber da müßte man schon mehr Hintergründe wissen.

Viele Grüße!
candle
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Nena-Marie
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 22:16

Hallo candle,
Bist du denn jetzt in einer Demenzabteilung oder was ist jetzt das Spezielle was sich an deinem Job geändert hat? Wieso kann man dich einfach so umsetzen? Gab es dazu Anzeichen/ Vorfälle vorher oder Krankheitsausfall von Kollegen o. ä.. Oder behälst du die Position auf ewig jetzt bei?
Ja, es ist die Demenzabteilung, doch ich wusste das vorher nicht. Ich bin erst seit kurzem dort, und als Springerin eingestellt. Dieser Teil des Heimes sieht aus wie jeder andere auch. Es gab keine Vorwarnung, nichts. Ich möchte auf keinen Fall in dieser Abteilung bleiben. Es ist für mich nicht aushaltbar.
Hast du diesen Beruf schon immer ausgeübt?
Nein, erst seit kurzem.
Mir fällt jetzt auch kein Schutz ein, außer dich an die Leitung zu wenden, aber da müßte man schon mehr Hintergründe wissen.
Wenn ich es schaffe, dann spreche ich es morgen an. Mehr Hintergründe möchte ich nicht bekanntgeben, zwecks Anonymität. Bin einfach geschockt, es sitzt sehr tief.

Vielleicht hilft - warten bis es vorbeigeht?! Weiß einfach nicht wie ich morgen reagiere, falls ich wieder dahin muss. Die heftigsten Bilder sollen einfach weggehen. Es soll wieder still in mir werden. Meine größte Angst ist, dass es mich nachhaltig verändern könnte. Mein frohes Wesen anhaltend leiser wird. Ich suche für das Heutige einen Umgang.

Liebe Grüße,
und Danke.

Nena

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candle.
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 22:33

Hm, bist du im Zuge einer Maßnahme dort gelandet oder macht dir dieser Beruf wirklich Spaß? Normalerweise ist es ja so bei den Kollegen, dass die so um die 40 in der Leitung oder im Büro landen, weil es ja auch an den Kräften zehrt. Siehst du hier vielleicht eine Option?

candle
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Ghost Rider
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 22:38

Liebe Nena,


Es ist sehr schwer das Leid völlig von sich abprallen zu lassen.
Ich kenne auch solche Fälle die Du da beschreibst und ich kann mir denken wie schwer das für Dich ist.

Es ist meiner Meinung nach eine Unverschämtheit von denen Dich in diese Lage gebracht zu haben zumal Du keine Ausbildung hast die Dich davor schützt oder Du Erfahrung damit hast.

Du solltest das dringend mit Deinen Vorgesetzten besprechen!
Nena-Marie hat geschrieben:Wie kann ich mich davor schützen, und wie werde ich das von Heute wieder los? Ich werde es morgen zwar erwähnen, doch geworfen hat es mich schon.
Tja, das ist nicht so einfach.
Es ist meiner Meinung nach eine Ausbildung eine gute Möglichkeit oder zumindest ein Anfang zu lernen das Leid von sich selbst zu schützen.

Psychologen, Seelsorger,…,müssen auch lernen wie sie damit umgehen wenn jemand so offen mit ihnen redet um nicht selbst mitgerissen zu werden.

Ich denke, um das wirklich zu können ist viel praktische Erfahrung notwendig.

Die Tatsache, dass Dich das so sehr angegriffen hat und einen Trigger ausgelöst hat solltest Du unbedingt klar und deutlich zur Sprache bringen.
Nena-Marie hat geschrieben:Es hat mich zu tiefst getroffen, und es war, als ob diese Menschen es mir eingepflanzt haben. Die Bilder gehen nicht mehr weg, und ich weiß nun nicht - wie ich damit umgehen soll.
Vielleicht hast Du eine Prägung davon bekommen.
Du solltest das aufarbeiten, notfalls mit Hilfe von außen.

Deine jetzige Versetzung schadet Dir, tut Dir auf Dauer nicht gut und Belastet auch Dein weiters Leben.

Handle, denn so kannst Du kein ausgewogenes Leben zwischen Beruf und Freizeit aufbauen.


Ich wünsche Dir für morgen viel Kraft und hoffe, dass Du eine Lösung finden wirst.

lg Ghost Rider
"You don't kill yourself, stupid; you make revolution." hat Patch Adams zu sich selbst gesagt.
*~*~*~*
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Nena-Marie
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Beitrag Do., 19.04.2012, 19:38

Hallo candle, es war eine Maßnahme

Hallo Ghost Rider
Ghost Rider hat geschrieben: Es ist sehr schwer das Leid völlig von sich abprallen zu lassen.
Ich kenne auch solche Fälle die Du da beschreibst und ich kann mir denken wie schwer das für Dich ist.
Ja, sehr schwer. Ich schaffe es nicht.
Es ist meiner Meinung nach eine Unverschämtheit von denen Dich in diese Lage gebracht zu haben zumal Du keine Ausbildung hast die Dich davor schützt oder Du Erfahrung damit hast.
Heute habe ich es angesprochen, doch da wurde ausgewichen. Es sei nun eben so, und nicht unbedingt schlimm. Die Menschen haben keine Schmerzen, usw... Und ich wiederholte - das es aber etwas mit mir gemacht hat. Dann kam eine Meinung - haben sie privat Probleme? Also das Ansprechen in Betracht auf `keine Vorwarnung` wurde weggedrängt. Mir kamen die Tränen, und es hat mich noch weiter runtergezogen. Lauter für mich noch Fremde, und ich weine.

Daraufhin musste ich heute zwar nicht in diesen Bereich, doch man konnte die Person deren Bilder ich nun in mir trage trotzdem durch die Gänge hören.
Es ist meiner Meinung nach eine Ausbildung eine gute Möglichkeit oder zumindest ein Anfang zu lernen das Leid von sich selbst zu schützen.

Psychologen, Seelsorger,…,müssen auch lernen wie sie damit umgehen wenn jemand so offen mit ihnen redet um nicht selbst mitgerissen zu werden.
Heute weiß ich auch, dass mich der gestrige Tag mit einem alten Trauma in Berührung gebracht hat. Auch da ging es um Leben und Tod, um Hilfeschreie. Schon öfters habe ich versucht dieses Thema aufzuarbeiten, doch es ist mir bis jetzt nicht gelungen.
Handle, denn so kannst Du kein ausgewogenes Leben zwischen Beruf und Freizeit aufbauen.
Ja, dies befürchtete ich gestern schon. Deshalb meine Auseinandersetzung damit. Am Ende meines heutigen Tages stand dann fest, dass ich da nicht mehr arbeiten muss. Doch Aufarbeiten muss ich dieses Thema, damit es mir keinen nachhaltigen Schaden zufügen kann.
Ich wünsche Dir für morgen viel Kraft und hoffe, dass Du eine Lösung finden wirst.
Herzlichen Dank
Nena

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candle.
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Beitrag Do., 19.04.2012, 19:41

Dann ist es ja immerhin mit dem Arbeitsplatz gut ausgegangen. Das finde ich gut!

candle
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Ghost Rider
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Beitrag Do., 19.04.2012, 20:36

Hallo liebe Nena,

Es tut mir Leid um Dich, dass es Dich so sehr getroffen hat und es außerdem noch etwas aus Deiner eigenen Vergangenheit wieder "hochgespült" hat.
Ich weiß selber wie schwer das ist, dieser Hilflosigkeit ausgeliefert zu sein, und schlimmer noch als das, hat es Dich persöhnlich getroffen.
Nena-Marie hat geschrieben:Ja, sehr schwer. Ich schaffe es nicht.
Es ist ok und keine Schande, wenn Du es nicht kannst…
Du brauchst Dich auf gar keinen Fall zu schämen oder sonst irgendwas in der Richtung…
Nicht alle müssen es können.
Nena-Marie hat geschrieben:Ja, dies befürchtete ich gestern schon. Deshalb meine Auseinandersetzung damit. Am Ende meines heutigen Tages stand dann fest, dass ich da nicht mehr arbeiten muss. Doch Aufarbeiten muss ich dieses Thema, damit es mir keinen nachhaltigen Schaden zufügen kann.
Du musst da nicht mehr arbeiten?
Vollständig?
Du hast doch gesagt, dass Du nur heute nicht derselben Station warst.
Nena-Marie hat geschrieben:Heute weiß ich auch, dass mich der gestrige Tag mit einem alten Trauma in Berührung gebracht hat. Auch da ging es um Leben und Tod, um Hilfeschreie. Schon öfters habe ich versucht dieses Thema aufzuarbeiten, doch es ist mir bis jetzt nicht gelungen.
Ja, ich denke auch, dass es sehr wichtig ist dieses Trauma aufzuarbeiten und zwar je eher desto besser.
Denn Du hast gerade eben diese Bilder in Deinem Kopf und ich denke nicht, dass es Gesund ist diese unverarbeitet in sich drin zu lassen zumal eine Verbindung zur Vergangenheit besteht.

Ich wünsche Dir für Deine Zukunft Alles Alles Gute und viel Kraft beim Aufarbeiten.
Ich hoffe, dass Du eines Tages lernen kannst damit zu leben und in Deinem Beruf als auch in Deiner Freizeit und im Privatleben Glücklich sein kannst.

lg Ghost Rider
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Nena-Marie
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Beitrag Sa., 21.04.2012, 09:20

Hallo Ghost Rider,
Ghost Rider hat geschrieben: Du brauchst Dich auf gar keinen Fall zu schämen oder sonst irgendwas in der Richtung…
Nicht alle müssen es können.
Dies war eine neue Erfahrung für mich, dass ich mir zugestehe - nicht alles aushalten zu müssen. Da bin ich nun einfach an meinen Grenzen, und diese Erfahrung ist sehr wichtig für mich. Ein Gedanke war auch - ich habe selber schon genug Leid erfahren - und ich glaube das es mich deshalb auch so gebeutelt hat. Ich dachte nicht schon wieder so viel Leid.
Du musst da nicht mehr arbeiten?
Vollständig?
Du hast doch gesagt, dass Du nur heute nicht derselben Station warst.
Mir war wichtig an diesem besagten Tag dort nicht mehr arbeiten zu müssen. Ich bin auch stolz darauf, dass ich mich traute es gleich am Morgen anzusprechen - da ich wieder dort eingeteilt gewesen wäre. Als ich dann dieses so laute klagende Stöhnen trotzdem durch die Gänge hörte, in einem anderen Stockwerk arbeitend - wusste ich - ich halte das nicht aus, und es wird mir sehr schaden. Ich wollte da nur noch weg, und schon wieder waren Tränen da. Bin dort nun ganz weg.
Denn Du hast gerade eben diese Bilder in Deinem Kopf und ich denke nicht, dass es Gesund ist diese unverarbeitet in sich drin zu lassen zumal eine Verbindung zur Vergangenheit besteht.
Ja, so ist es. Mein persönlicher Level vom `aushalten` ist erschöpft. Es tut mir nicht gut, hatte jahrelang genug mit meinem Eigenen zu tun. Es ist Zeit für mich, mich nicht mehr fremdem Leid auszusetzen. Jetzt wo es mir nach jahrelanger Verarbeitung selber so gut geht, möchte ich mich vor fremdem Leid schützen, mich beschützen. Mich endlich durch und durch achten, und wertschätzen. Auf mich schauen.
Ich wünsche Dir für Deine Zukunft Alles Alles Gute und viel Kraft beim Aufarbeiten.
Ich hoffe, dass Du eines Tages lernen kannst damit zu leben und in Deinem Beruf als auch in Deiner Freizeit und im Privatleben Glücklich sein kannst.
Ich danke dir von Herzen. Es ist eben im privaten so schön, und ich spürte einfach wie mein Erlebtes im Altenheim mein glücklich sein ankratzen könnte.

Zum berührten Trauma, angeschaut habe ich es mir schon immer wieder. Doch als Mutter eines betroffenen Kindes, wird ein Umgang damit noch auf sich warten lassen. Etwas wird für immer bleiben, und dies muss ich akzeptieren. Doch was ich kann ist mich schützen, wenn etwas Geschehenes gefährlich angekratzt wird.

Liebe Grüße
Nena

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Ghost Rider
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Beitrag Sa., 21.04.2012, 09:51

Liebe Nena,

Ich kann Deine Entscheidung da nicht mehr zu arbeiten gut nachvollziehen und es ist gut, dass Du über die Fähigkeit verfügst eine klare Grenze zu ziehen.

Ich wünschte nur ich könnte das…


Ja, Du hast Recht, Dein Glück darf nicht darunter leiden was Du dort gesehen hast.
Behalte Dein Glück, Deine Liebe und Deine Lebensfreude trotz alldem was Du in Deiner Vergangenheit erleben musstest bei und schütze es von außen.

Ich freue mich für Dich, dass Du Glücklich bist und das Du nach alldem Leid das Du erfahren hast auch mehr als verdient hast!

Alles Liebe für Dich und Deine Familie,
Ghost Rider
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