Nicht von dieser Welt und doch mittendrin...

Alle Themen, die in keines der obigen Foren zum Thema "Psychische Leiden und Beschwerden" passen.
Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
apXV
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
männlich/male, 27
Beiträge: 3

Nicht von dieser Welt und doch mittendrin...

Beitrag Fr., 06.04.2012, 22:13

Ich habe manchmal das Gefühl als wäre ich nicht von dieser Welt. Wenn ich alleine bin, fühle ich mich recht wohl. Ich bin dann sozusagen in "meiner Welt". Das sieht dann so aus, dass ich z.B. lese, Musik höre, Sport betreibe oder mich intensiv einer Sache widme, in die ich mich völlig vertiefen kann und die ich gerne tue.
Unter Menschen sieht es anders aus. Ich fühle mich nicht unwohl. Obwohl ich, wie gesagt, schon immer der Einzelgänger-Typ war, habe ich gelernt, mich zurechtzufinden und "mitzuleben". Zu kommunizieren, sozialisieren, Kontake zu knüpfen...Und mittlerweile bin ich darin so kompetent, dass ich im engeren Freundeskreis sogar richtig ausgelassen sein kann. Obwohl ich nach einer gewissen Zeit dann wieder das Bedürfnis verspüre, alleine zu sein und die Stille aufzusuchen. Wenn ich dann aussteige und mich in meine eigene Welt vertiefe, dann fällt es mir extrem schwer, mich wieder loszureißen.
In meinem Beruf habe ich relativ viel Kundenkontakt. Ich bin höflich und habe, ohne zu viel Selbstlob, einen perfekten Umgang. Auch mit meinen Mitarbeitern pflege ich soziale Kontakte, da auch diese essentieller Bestandteil des beruflichen Miteinanders sind, obwohl mich z.B. der Smalltalk überhaupt nicht interessiert. Aber ich kann scheinbar ganz gut Interesse heucheln.
Seit ich wieder eine Partnerin gefunden habe, ist das ganze noch schlimmer. Sie ist eine Träumerin und wenn wir beide zusammen sind, sind wir einfach in unserer Welt...Aber sie scheint es irgendwie zu schaffen, sich locker wieder loszureißen. Bei mir ist es anders und langsam mit jedem Mal schlimmer. Beim letzten Mal hatte ich richtige Ängste davor, wieder in die "soziale Normalwelt" zurückzukehren. Dort angekommen, war es gar nicht so schlimm, ich habe mich schnell zurechtgefunden und auch wieder wohlgefühlt, obwohl ich mich immer auf meine "Ausstiege" freue. Allgemein bin ich ein Mensch, der wenig spricht, viel denkt und extrem introvertiert ist. Manchmal denken die Menschen in meinem privaten Umfeld, dass ich niedergeschlagen bin oder "was mit mir los ist, weil ich so wenig rede". In der Arbeit kann ich erstaunlich viel reden. Sofern es für die Arbeit relevant ist.

Als ich einem Freund davon erzählt habe, der sich mit Psychologie auskennt, hat er gesagt, das entspräche sehr genau einer schizoiden Persönlichkeitsstörung. Und tatsächlich, das was ich im Internet darüber gelesen habe, trifft genau zu. Dieses Gefühl, die Welt wie hinter einer Glasscheibe wahrzunehmen, beschreibt genau meinen Zustand. Manchmal fühle ich mich sogar richtig losgelöst, da erschrecke ich dann richtig (Depersonalisation?). Es gibt eine Sache, die so ziemlich meinem Lebensinhalt entspricht: Reisen. Ich liebe es, zu reisen, ohne aber lange irgendwo zu verweilen. Es ist meine Art der Wahrnehmung, die Dinge nur im Vorbeifahren zu beobachten. Das ist meine kreative Seite, denn diese Dinge halte ich künstlerisch mit Fotografien fest. Schizoide Persönlichkeitsstörung klingt erstmal irgendwie erschreckend, aber dafür dass es eine "Störung" ist, leide ich nicht wirklich darunter.

So gesehen fühle ich mich also insgesamt wohl. Es gibt aber einen Grund, warum ich hier schreibe. Ich muss irgendwie Ordnung in dieses Hin- und Her zwischen der sozial fordernden Berufswelt und der stillen Welt der Ein- bzw. der trauten Zweisamkeit bringen, denn auf Dauer halte ich es nicht aus. Es fällt mir aber schwer meinen Beruf aufzugeben, denn ich wüsste nicht, welcher Beruf mir die Möglichkeit gibt, alleine zu arbeiten, ohne aber in einem staubigen, monotonen Archiv zu versauern. Vielleicht habt ihr ja Ideen, wie ich das schaffen könnte? Oder welche Berufe es da gibt.

Werbung

Benutzeravatar

morla
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 32
Beiträge: 18

Beitrag Sa., 07.04.2012, 00:16

hi,
ich versteh dich total. bin auch gern allein.
berufe mit wenig menschenkontakt wäre vlt der tierpfleger. aber ich kenn ja deine interessen nicht. hab natürlich gegeooglt. einfach "berufe ohne menschenkontakt" eintipsen und ich war erstaunt, wieviele gerne auch so einen "einsamen" beruf hätten. viele stellen einen leider als gestört da und unnormal. google einfach mal

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
apXV
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
männlich/male, 27
Beiträge: 3

Beitrag Mi., 11.04.2012, 17:20

Ja, da findet man tatsächlich einiges. Aber Tierpfleger u.dgl. - so romantisch das vielleicht auch klingen mag, es wäre ein enormer Abstieg für mich. Ich habe eine sehr gute Ausbildung und verdiene auch dementsprechend. Auf dem Niveau ist es dann natürlich schon schwieriger, solche Jobs zu finden.

Nochmal zum eigentlichen Thema: Wenn ich mal meine Ruhe finde, und endlich ein wenig loslassen kann, dann habe ich richtig heftige Ängste vor dem Zurückkehren in die soziale, hektische Welt. Fast so eine Art soziale Phobie. Und wenn man mich, wenn ich endlich mal alleine bin und kreativ sein kann (ich betätige mich da in Richtung Kunst und Literatur), in meinem Flow stört, dann bekomme ich derartige Aggressionen, dass ich nicht mehr ich selbst bin. Ich bin da einfach extrem sensibel, aber bis auf meine Partnerin versteht niemand, dass man einfach mal seine Ruhe haben möchte und von niemandem angesprochen werden will, selbst wenn die verdammte Welt in Flammen stünde.

Vielleicht wäre es am besten, wenn ich mich nurmehr der Kunst alleine widmen würde, aber ich habe einfach Angst vor der finanziellen Unsicherheit.

Benutzeravatar

Tarengrim
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 31
Beiträge: 234

Beitrag Do., 12.04.2012, 10:11

Wie sehen denn deine Phantasiewelten aus, in die du dich flüchtest? In wie ferne unterscheiden sie sich von der Realität? Vielleicht gibt das ja aufschluss darüber, warum du so gerne dahin zurück kehrst und so ungerne in der Realität verweilst.

Wenn ich raten müsset würde ich sagen du versuchst vor etwas davon zu laufen. Eben die Flucht in Scheinwelten, Kunst und besondere vorliebe zum Reisen würden darauf hinweisen. Fühlst du dich vielleicht in der Welt nicht entsprechend geschätzt?

Werbung

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
apXV
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
männlich/male, 27
Beiträge: 3

Beitrag Fr., 13.04.2012, 21:05

Es sind ja keine Phantasiewelten. Der Unterschied zum Berufsleben ist einfach nur so krass. Wenn ich beispielsweise Musik höre, dann lasse ich mich immer vollkommen auf die Musik ein und vertiefe mich darin. Ich nehme die Musik dann sehr intensiv wahr und mein Kopf füllt sich sofort mit visuellen Vorstellungen ("Kopfkino"). Ich kann Musik nur dann hören, wenn sie gerade zur Situation passt. Also beim Sport lebhafte Musik, beim Autofahren sehr atmosphärische Musik.
Allgemein kann ich nichts "halbherzig" machen. Ich muss mich immer in alles was ich tue vertiefen. Ich habe mal gehört, dass Menschen, die sämtliche Handlungen sehr intensiv wahrnehmen, einen erhöhten Dopaminspiegel haben. Inwiefern das jetzt für mich relevant ist, sei dahingestellt.
Ähnlich ist es wenn ich z.B. mit meiner Freundin im Bett liege und wir uns in den Armen halten. Das Gefühl der Harmonie und Geborgenheit ist so stark, dass ich mich davon nicht losreißen kann.
Und dann kehre ich wieder zurück in die sachliche, nüchterne Berufswelt. Ich mag meinen Job, und da sind irgendwie zwei völlig verschiedene Charakterseiten in mir. Einerseits völlig professionell, ohne jegliche Gefühlsregungen im Berufsleben. Privat aber vollständig den Gefühlen und der Kreativität hingegeben.
Ich fühle mich in beiden "Welten" wohl. Nur der Wechsel fällt mir so schwer. Es widert mich alleine schon an, in der Freizeit einkaufen zu gehen...Mit diesem widerlichen Überschuss an Waren und dem chaotischen Durcheinander. Überall Menschen mit diesem pathologischen Konsum- und Kaufzwang...


Anuthea
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
weiblich/female, 22
Beiträge: 1

Beitrag So., 08.07.2018, 17:36

Wow wie alt dieser Beitrag ist...
Und dennoch hast du genau meine Gefühlswelt aufgefasst.
Meine Frage ist: geht es dir immer noch so oder hat sich bei dir was geändert?

Benutzeravatar

BluePoint
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
anderes/other, 40
Beiträge: 930

Beitrag Sa., 03.11.2018, 19:12

Sehr gut beschrieben! Schade, dass der TE nicht mehr da ist.

Benutzeravatar

MariposaVolar
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 40
Beiträge: 8

Beitrag Di., 27.11.2018, 11:22

bei mir selbst wird das mit dem alter im stärker, diese 'abneigung' gegenüber dieser überfüllung an menschen und ihren banalitäten die nicht mal 30 minuten warten können und die sie dann mit ihren handys in den öffis für alle hörbar diskutieren.... ich habe jetzt schon die 40 überschritten und habe auch bei freunden mal kräftig die ganzen jammernden energieräuber aussortiert. jetzt zu weihnachten ist alles noch viel schlimmer. ich mochte weihnachten noch nie wirklich aber auch hier - je älter ich werde umso weniger mag ich es - und umso weniger wird das akzeptiert. weil als tante muss dir das doch gefallen wenn sich ein paar verwöhnte bälger das geschenkpapier um die ohren werfen um nach dem 20. packerl gelangweilt zu jammern anfangen ihnen wäre fad..... wie seht ihr das? ich schaue auch gerne diese survival-serien oder alaska dokus wo die menschen keine zeit haben für so einen scheiß weil sie sich ums überleben und um das wesentliche kümmern müssen.
auf der anderen seite kommt man sich dann doch schlecht vor weil wie kann einem das nicht gefallen wenn sich menschen gegenseitig doch so viel aufmerksamkeit schenken und kindern freude bereiten!?

Anm. Mod.: Bitte im Sinne der Lesbarkeit- siehe Netiquette- Gross-und Kleinschreibung berücksichtigen, danke! Elfchen


Eremit
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
anderes/other, 80
Beiträge: 8876

Beitrag Di., 27.11.2018, 11:55

MariposaVolar hat geschrieben:bei mir selbst wird das mit dem alter im stärker, diese 'abneigung' gegenüber dieser überfüllung an menschen und ihren banalitäten (…)
Scheint vor allem eine Sache des Älterwerdens zu sein. Mit dem Alter werden Menschen immer harmoniebedürftiger, auch schwindet das Verständnis für die Freunde an Trivialitäten, sowohl bei sich selbst, als auch am Gegenüber.

Vierzig ist noch kein Alter, warte ab, bis Du erstmal siebzig, achtzig bist, das wird noch viel schlimmer … ;-)


shesmovedon
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
männlich/male, 25
Beiträge: 2203

Beitrag Di., 27.11.2018, 11:57

Eremit hat geschrieben: Di., 27.11.2018, 11:55

Vierzig ist noch kein Alter, warte ab, bis Du erstmal siebzig, achtzig bist, das wird noch viel schlimmer … ;-)
Sprichst du da aus Erfahrung :O?


Eremit
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
anderes/other, 80
Beiträge: 8876

Beitrag Di., 27.11.2018, 12:07

Nur, was die vierzig anbelangt, das mit den siebzig, achtzig ist (vorerst) nur Beobachtung. :->

Benutzeravatar

MariposaVolar
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 40
Beiträge: 8

Beitrag Di., 27.11.2018, 12:29

Das denke ich mir auch das es jetzt ab 40 erst der Anfang ist, aber irgendwie muss man lernen damit umzugehen. Ich bin noch über 20 Jahre im Berufsleben und muss mich einfach mit äußeren Begebenheiten abfinden. Am meisten ärgert mich die Ignoranz der Menschen, aber auch das kann ich nicht beeinflussen. Ich kann mich beeinflussen und somit hab ich Entspannungsmusik für die Öffis falls wieder mal jemand seine Lautstärke beim Telefonieren nicht im griff hat :-)

Benutzeravatar

Reini42
Forums-Insider
Forums-Insider
männlich/male, 42
Beiträge: 162

Beitrag Di., 27.11.2018, 12:59

Ich habe Ältere stets als geduldiger erlebt. Sofern keine Demenz und Ähnliches, aber das bekommen sie selbst dann meistens eh nicht mit. Sie konzentrieren sich mehr auf das Wesentliche, kein: Ich hänge am Wochenende die ganze Nacht deppert in der Disco rum und langweile mich zu Tode nur damit ich am Montag mich und andere belügen kann wie cool ich bin.

Benutzeravatar

MariposaVolar
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 40
Beiträge: 8

Beitrag Di., 27.11.2018, 13:56

Ja da hast du Recht. Man verschwendet seine Energie nicht mehr sinnlos und geht weniger Risiken ein. Ich nutze auch meine Zeit bewusster weil man eben nicht mehr das große weite Leben vor sich hat sondern nur mehr die Hälfte davon, in etwa hoffe ich das zumindest. Aber ich habe von dir noch mehr gelesen und du bist auch gerade dabei deine Probleme aktiv in angriff zu nehmen - das finde ich toll. In unserem Alter gibt's keine Mama und Papa mehr dies richten, im besten Fall kann man noch um Rat fragen.

Benutzeravatar

Kaonashi
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 48
Beiträge: 1244

Beitrag Di., 27.11.2018, 14:25

Reini42 hat geschrieben: Di., 27.11.2018, 12:59 kein: Ich hänge am Wochenende die ganze Nacht deppert in der Disco rum und langweile mich zu Tode nur damit ich am Montag mich und andere belügen kann wie cool ich bin.
für mich der Satz des Tages. :)
ich mochte weihnachten noch nie wirklich aber auch hier - je älter ich werde umso weniger mag ich es - und umso weniger wird das akzeptiert. weil als tante muss dir das doch gefallen wenn sich ein paar verwöhnte bälger das geschenkpapier um die ohren werfen um nach dem 20. packerl gelangweilt zu jammern anfangen ihnen wäre fad..... wie seht ihr das?
ich glaube, dass dabei weniger das Alter eine Rolle spielt, sondern mehr die eigene Unzufriedenheit. Oft regt einen das am meisten auf, was einem selbst fehlt.
Also das kenne ich zumindest schon ganz gut von mir, neben dem, dass manche Dinge wirklich nervig sind wie das erwähnte laute Telefonieren am Handy.

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag