Depression, ohne es zu wissen?

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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Josey_Hikari
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Depression, ohne es zu wissen?

Beitrag Do., 02.02.2012, 20:06

Eine Frage! :D
Kann man Depressionen, bzw Depressive Episoden haben, ohne es selbst zu merken?

Ich meine, ich sehe mich als lebenslustigen Menschen, ich bin manchmal zum Erbrechen optimistisch und bin nie lange bedrückt. Ich bin schnell wieder oben auf, denke mir, es muss weitergehen und gehe meinen Weg. Klar, habe ich manhcmal hänger, aber die dauern höchstens ne Stunde oder so an, dann reiße ich mich hoch.

Ich hatte mal eine Depression- ich war 19 Jahre alt und bekam gesagt, dass ich jetzt Gicht haben würde, kurz darauf wurde ich wegen einer Endometriose operiert und musste die Pille nehmen (auf die ich nicht gut reagiere). Da fühlte ich mich depressiv, ich hatte keine Lust auf nichts, war sehr wankelmütig, die Libido war total down und ich ließ mich hängen und wäre am liebsten nur im Bett geblieben.
Das ist doch eine Depression, oder?
Das endete damals, als ich es aktiv merkte und mir sagte, dass es so ja nicht weitergehen kann! 3 Monate, dann wars vorbei. Sowas habe ich seitdem nie wieder gefühlt.

Ein paar mal wurde mir in der Vergangenheit gesagt, ich hätte eine Depression (zum Glück denkt das meine momentane Psychologin nicht).

Kann man also eine Depression haben, bzw Depressive Episoden, ohne es zu merken? Und der Thera merkt es?

Josey~

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Ratlosigkeit
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Beitrag Do., 02.02.2012, 21:41


kann man im Regen stehen ohne zu merken dass man nass wird?

Wenn Du eine Depression hast , dann merkst du es. Wenn du nix merkst, hast Du keine Depression. Alles klar?

Leider schmeissen viele Leute gerne mit dem Begriff Depression herum, gedankenlos, unwissend, oft in beleidigender Absicht.
Alles ist gut, wenn es aus Schokolade ist.

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R.L.Fellner
Psychotherapeut
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 06:23

Hallo Josey,

selbstverständlich ist das möglich, es ist geradezu ein Typikum psychischer Störungen, dass es für einen selbst äußerst schwer ist, diese a) zu erkennen und b) richtig einzuschätzen!

Die Depression ist dafür bekannt, sogar von vielen Medizinern häufig jahrelang "übersehen" und fehlbehandelt zu werden - Gründe dafür sind die mitunter irreführenden Symptome (z.B. körperliche Schmerzen, Schlafstörungen und diverse andere "körperliche" Erscheinungen) und die Sicht vieler Mediziner des Körpers als "Maschine" und das Ausblenden der Psyche als Mitfaktor für Beschwerden.
Aber auch viele Betroffene neigen dazu, die Möglichkeit einer Depression auszublenden, zu verdrängen oder fehlzuinterpretieren. Dies ist mit ein Grund dafür, dass die Depression die wohl am häufigsten fehldiagnostizierte und zumeist jahrelang zu spät diagnostizierte Form psychischen Leidens ist. Tragischerweise hat das die Konsequenz, dass die Betroffenen nicht nur jahrelang mit geringerer Lebensqualität zu leben haben als bei einer adäquaten Behandlung möglich wäre, sondern mitunter "chronifiziert" sich die Störung auch, wenn sie jahrelang unbehandelt bleibt und eine Therapie ist danach ungleich schwieriger und "zäher".

Im Psychotherapie-Blog habe ich eine Vielzahl von Artikeln zu den vielen "Gesichtern" und Auswirkungen der Depression verfasst, und daneben einen Artikel über den Forschungsstand und Therapieansätze zur Depression - hoffentlich ist etwas dabei, das Sie auf Ihrer persönlichen Suche nach den passenden nächsten Schritten weiterbringt:
http://www.psychotherapiepraxis.at/pt-b ... epression/
http://www.psychotherapiepraxis.at/arti ... apie.phtml

Freundliche Grüße,
R.L.Fellner

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sandrin
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 07:19

Auch ich denke, dass man durchaus eine Depression haben kann, ohne es zu merken, einfach weil die Krankeit so komplex ist. Bei mir ist es auch so, dass sie sich immer ein neues Gewand sucht, zumindest in den abgrenzbaren Phasen. Manchmal ist das Symptom der Niedergeschlagenheit vorherrschend, das ist aber bei Weitem nicht immer so bei mir. Meistens ist es diese bleiernde Müdigkeit, die Unfähigkeit, mich aufzuraffen, Entscheidungen zu treffen. Es ist eher ein Nichts als eine starke Trauer. Das spielt sich bei mir auch sehr oft auf der körperlichen Ebene ab.
Seit ca. einem Jahr kommen starke Angstzustände hinzu, die ich zuvor jahrelang nicht mehr so hatte.
Aber gleichzeitig würde auch ich mich als eher positiven Menschen bezeichnen, der nach aus viel Optimismus und Lebenslust ausstrahlt. Menschen, die mich nicht näher kennen, nehmen mir das auch ab. Andere, die mich sehr gut kennen, weisen mich vielmehr darauf hin, dass meine Eigenwahrnehmung nicht so ganz stimmt und dass ich durchaus depressiv wirke.
Bei einer Depression besteht halt auch immer die Möglichkeit, dass man die bloße Tatsache und die damit verbundenen Symptome wegdrückt - einfach weil nicht ist, was nicht sein darf.
Auf jeden Fall würde ich an deiner Stelle genau hinschauen, alleine schon, weil du dann viel authentischer leben kannst. Das Wegdrücken von Depressionen kostet nämlich verdammt viel Kraft, wie ich dir aus Erfahrung sagen kann.

Sandrin

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Lilly111
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 19:49

Richtig spannend wird diese Frage, wenn es sowohl physische als auch psychische Ursachen geben kann.

Vor Beginn einer Therapie ist es (glaube ich) üblich abzuklären, ob körperliche Ursachen für bspw. Schlaflosigkeit und Niedergeschlagenheit vorliegen. Besonderes Augenmerk haben dabei die Schilddrüsenwerte, da eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse teils ähnliche Symptome wie eine Depression haben.

In seltenen Fällen - bei Schilddrüsenkrebs - ist es aber notwendig auf Dauer mit einer leichten oder mäßigen Überfunktion zu leben. Der TSH-Wert muss supprimiert werden, um den im Körper verbliebenen SD-Zellen keinen Wachstumsanreiz zu liefern. Das erreicht man mit einer de facto Überdosierung der SD-Hormone.

Dementsprechend schwierig bis vllt. unmöglich ist es dann wohl, zuzuordnen ob bspw. gestörter Schlafrythmus, ständige Müdigkeit im Wechsel mit sehr geringem Schlafbedürfnis, Antriebslosigkeit gefolgt von Bäume-ausreiss-Phasen, innere Unruhe usw. nun physisch oder psychisch bedingt sind.

Die Krux an der Situation ist, dass man kaum Handlungsspielraum hat (ohne einem Rezidiv Vorschub zu leisten) und dementsprechend auch nicht ausprobieren kann, ob eine Dosisänderung zur Veränderung der Symptome führen würde. Umgekehrt ist man wohl immer auch ein wenig „therapieresistent“, weil man physisch bedingte Symptome nun mal nicht wegtherapieren kann.

So betrachtet kann ich für mich die Frage
Kann man Depressionen, bzw Depressive Episoden haben, ohne es selbst zu merken?
umgekehrt beantworten:
Man kann sich teils depressiv fühlen, ohne eine Depression zu haben.

Lilly
... as stubborn as a mule.

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Josey_Hikari
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 19:53

Zuerst einmal: Vielen Dank für die Antworten! :D

Ich muss zugeben, dass mir die Diagnose "Depression" Angst macht, ähnlich wie "Hypochonder".
Beide hörte ich nämliich 2009 immer wieder. Und dann stellte sich heraus, dass meine Symtome von einer Hashimoto-Erkrankung kamen. Ich hatte innerhalb von 3 Monaten 20kg zugelegt, es ging mir schlecht, ich war müde und hatte stärkere Schmerzen als sonst (Wirbelsäule schief und krum, trotz Schlankheit).
Plötzlich war ich gar nicht mehr zu gebrauchen. Nicht nur, das sich sowieso schon nie gern unter Leute gegangen bin (bin eher ein zurückgezogener Mensch, der rasch überlastet ist), jetzt kam auch noch eine körperliche Erschöpfung dazu. Ich ging zum Arzt und hörte "Depression" und "Psyche", gleich beim Ersten. Auch beim nächsten Arzt war das so. Auch beim Dritten. Immer wieder, ohne mich groß untersucht zu haben, kam "Depression". Blutwerte, immer nur das kleine Blutbild, wurden gemacht und die Werte lagen ja alle nur knapp drüber oder drunter. Das ist noch keine Krankheit.
Letzten Endes kam auch noch "Hypochonder" dazu.
In der Zeit litt mein Selbstwertgefühl sehr.
Ich ging zu einem Endokrinologen, weil ich dachte, dass ich wegen Stress vielleicht einfach nur zuviel Cortisol im Blut hätte. Ich ließ mich testen und fiel aus allen Wolken (echt, ich war total fertig danach), als es hieß, ich hätte eine Schilddrüsenunterfunktion mit Hashimoto. Erschwerend kam noch dazu, dass meine Frau zur selben Zeit, dieselben Symptome hatte, immer wieder hieß es Psyche, aber auch bei ihr war es die Schilddrüse.
Aber ich war froh, es zu wissen. Und dann die Überraschung:
Als ich Medikamente bekam, ging es mir sowas von besser.
Dann wurde es wieder schlimmer mit meinen Symptomen (auch unter Medis gibt es immer wieder Schübe von Hashimoto und die Werte werden schlechter), aber meine Schilddrüse war ja eingestellt, nach der normalen Skala.
Durch Zufall (auf der Suche nach dem richtigen Hund für unsere kleine Familie) unterhielten wir uns mit einer netten Familie, die uns zu einem neuen Endo schickte (wir waren eh umgezogen und suchten gerade). Dort bekam ich statt L-Thyroxin Novothyral, weil von den 3 Schilddrüsenwerten nur einer gut eingestellt war. Und bei Hashimoto muss man eh besser aufpassen, da sind die Werte ganz eng gesteckt, aber das ist unter den Ärzten irgendwie noch nicht durch. Jeder Hashi-Patient hat seinen "Wohlfühlwert".
Jedenfalls ging es mir unter den richtigen Medis- jetzt- richtig gut, ich fühlte mich, als könnte ich Bäume ausreißen. Bis auf die normalen körperlichen Schmerzen eben.

Ist jetzt eine lange Geschichte, aber ich bin sehr eingeschüchtert, von diesen übereilten Diagnosen.
Letzten Endes muss man das körperliche vorher wirklich ausschließen können.

Wenn Depression so viele Gesichter hat, wie kann man sie einwandfrei feststellen? Ist das nicht auch wieder subjektiv? Es macht mir Angst, dieser Subjektivität ausgesetzt zu sein.
Zudem: Die Symptome überschneiden sich mit so vielen anderen psychischen Krankheiten. Wie kann man sicher sein?
Wenigstens bin ich jetzt kein Hypochonder mehr. Die trockenen Augen sind ein Sögren-Syndrom, das Essen, dass im Hals steckenbleibt, ist ein Nußknackerösophagus, die roten Punkte, die bei Kälte auf der Haut auftauchen, ist eine Pupura, die Müdigkeit kam zu großen Teilen von einer Blutarmut (und den Schilddrüsenhormonen) und so weiter. Ich bilde mir nix ein, schön zu wissen :)

Ich denke, mein Problem ist auch, dass ich Angst vor Fremden habe. Das habe ich, seit ich ganz klein bin, niemals abgelegt. Angst vor Fremden, Angst vor Erwachsen, Angst vor Respektpersonen, wie Ärzte, Lehrer usw. Ich konnte das nie überwinden. Deshalb wirke ich sicher in meinen Affekt eingeschränkt. Ich traue mich nicht, den Mund aufzumachen und halte mich stark zurück. Eine Somatisierungsstörung habe ich ja auch, bei Stress gehts sofort los.
Da ist es sicher schwer, alles auseinander zu pflücken.
Das ist auch einer der Gründe, wieso mir ein Psychiater, trotz Verdacht und positiver Tests, das Asperger-Syndrom nicht diagnostizieren wollte (er könne nicht ganz dahinterstehen, mein Fall sei zu kompliziert).

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Josey_Hikari
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 19:54

Wie erkenne ich denn jetzt, ob ich unter Depressionen leide? Wenn ich welche habe, will ich sie loswerden. Es würde mir nichts bringen, sie zu verleugnen. Dadurch gehen sie nicht weg.
Ich bin jemand, der die Sachen alle anpacken will, möglichst aktiv sein will.
Ich habe niemals Entscheidungschwierigkeiten (muss höchsten einen Moment mal hin und her überlegen) und bin auch nicht niedergeshclagen und Durchschlafstörungen habe ich auch nicht. Ich kann nachts zwar nicht immer pennen, dafür aber am Tag umso länger und tief (meist gehe ich gegen 2 oder 4 Uhr nachts schlafen, dann schlafe ich auch sofort und ohne Grübeln oder so ein). Dass ich nachts nicht schlafen kann, liegt daran, dass ich den Tag mit Stress verbinde. Das ist eine Macke, die ich nicht loswerde, solange ich soviele Termine habe und immer wieder unter Stress gerate. Nachts ist es ganz still und keiner klingelt, das Telefon schweigt und die Nachbarn schlafen, Das mag ich :)

Ich habe nicht die Erfahrung gemacht, dass die Diagnose "Depression" zu spät gestellt wurde. Es wurde mir, wie gesagt, immer gleich an den Kopf geknallt. Stempel.

So, das war mein Aufsatz XD
Bleibt noch die Frage zu klären: Kann man Depressionen einwandfrei erkennen? Kann man es selbst bei sich erkennen?


Josey~

PS:
@Lilly111: Witzig, wir haben gleichzeitig geschrieben :3

@ R.L.Fellner: Danke, die Links sehe ich mir an. Eben habe ich sie nur überflogen. :)

@Ratlosigkeit: Danke!

@Sandrin: Auch Ihnen danke!
Zuletzt geändert von Josey_Hikari am Fr., 03.02.2012, 20:06, insgesamt 1-mal geändert.

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Ratlosigkeit
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 19:56

Das würde aber bedeuten, dass jeder bei jedem eine Depression diagnostizieren kann völlig unabhängig davon, ob es überhaupt Symptome gibt.
Worauf begründet sich die Diagnose Depression wenn sich der betreffende Mensch sich so beschreibt:
Josey_Hikari hat geschrieben:Ich meine, ich sehe mich als lebenslustigen Menschen, ich bin manchmal zum Erbrechen optimistisch und bin nie lange bedrückt. Ich bin schnell wieder oben auf, denke mir, es muss weitergehen und gehe meinen Weg. Klar, habe ich manhcmal hänger, aber die dauern höchstens ne Stunde oder so an, dann reiße ich mich hoch.
???
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Lilly111
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Beitrag Fr., 03.02.2012, 20:18

@Josey_Hikari

... zeitgleich mit einer ähnlichen Geschichte, das ist jetzt wirklich witzig.

Von deinen Schilderungen kommt mir vieles sehr bekannt vor. Mein Endo fühlt sich auch nicht zuständig, wenn ich ihm sage, dass ich mich manchmal wie vom 40-Tonner überrollt fühle. Allerdings muss ich ja zu seiner Ehrenrettung sagen, dass er tatsächlich nicht viel machen kann. Aber ein bisschen, nur ein bisschen...., bitte, bitte. Naja, ich habe dann selbst runterdosiert (nicht zur Nachahmung empfohlen!)
Josey_Hikari hat geschrieben:Wie erkenne ich denn jetzt, ob ich unter Depressionen leide?
Mich beschäftigt diese Frage auch manchmal.
Aber ich habe für mich beschlossen, dass ich es auf die Hormone schiebe, solange es im vertretbaren Rahmen bleibt. Wird es schlimmer (ohne Dosisänderung) sieht mein Thera mich wieder.

Lilly
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Josey_Hikari
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Beitrag Mo., 06.02.2012, 16:20

Danke nochmal an Ratlosigkeit und Lilly :3

Wenn jemand nochmal eine Idee oder etwa szu sagen hat, nur her damit :D

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Kimba&Blacky
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 13:59

Jetzt habe ich diesen Thread entdeckt und lese diesen Post und komme schon wieder ins Grübeln! :kopfschuettel:

Woher soll man nun denn wissen, ob das, was man fühlt, wirklich so ist?
R.L.Fellner hat geschrieben: Fr., 03.02.2012, 06:23selbstverständlich ist das möglich, es ist geradezu ein Typikum psychischer Störungen, dass es für einen selbst äußerst schwer ist, diese a) zu erkennen und b) richtig einzuschätzen!
Ich weiß seit über 20 Jahren nicht, ob ich Depressionen habe oder nicht.
R.L.Fellner hat geschrieben: Fr., 03.02.2012, 06:23Die Depression ist dafür bekannt, sogar von vielen Medizinern häufig jahrelang "übersehen" und fehlbehandelt zu werden - Gründe dafür sind die mitunter irreführenden Symptome (z.B. körperliche Schmerzen, Schlafstörungen und diverse andere "körperliche" Erscheinungen) und die Sicht vieler Mediziner des Körpers als "Maschine" und das Ausblenden der Psyche als Mitfaktor für Beschwerden.
Ich wurde von Anfang an auf Depressionen behandelt, aber mir ging es davon noch schlechter.
Meine Symptome sind und waren körperlich bei gleichzeitiger seelischer Entspanntheit und Gelassenheit. Sobald man mich in Ruhe ließ, ich also weder zur Schule noch zur Arbeit gehen musste, ging es mir wirklich gut. Ist das eine Depression? Ich weiß es nicht....

Gruß
Kimba&Blacky

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Kaonashi
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Beitrag Fr., 08.12.2017, 08:40

Bei mir ist es so, dass ich manchmal denke, ich bin depressiv, dann wieder nicht. Ich denke es wegen Müdigkeit, Antriebsmangel, Nichtschaffen von Alltagsaktivitäten. Aber ich zweifle, weil ich oft trotzdem gute Stimmung habe.

Ärzte und Therapeut sagen eher, dass ich nicht depressiv wirke.
Falls ich depressiv bin, dann kommt es wahrscheinlich von Überlastung (Arbeit und Alltag). Nach einer Arbeitswoche geht es mir am Wochenende immer schlecht, den Montag habe ich noch frei, da wird es besser, ab Dienstag, wenn ich arbeite, geht es meistens, ich fühle mehr Schwung, bin abgelenkt, außer wenn ich besonders viel Stress hatte, dann geht mir die Luft aus, und dann am Wochenende wieder schlecht.
Niedergeschlagen bin ich nicht, nur manchmal traurig wegen bestimmter Dinge. Lachen kann ich aber auch, und Spaß haben. Es ist nicht das große schwarze Loch, das manche beschreiben.

Mir hat in vielen Jahren nie jemand eine Depression diagnostiziert, obwohl ich sogar Phasen hatte, wo ich an Suizid dachte. Es kommt mir vor, als hätten die Ärzte, die mit mir zu tun haben, Hemmungen, das Wort "Depression" in den Mund zu nehmen.
Ich rede wenig über Gefühle, ich befasse mich meist eher mit konkreten Alltagsproblemen als mit Gefühlen. Ich denke, viele Ärzte erwarten, dass man mit einer Depression ganz müde ins Zimmer geschlurft kommt und dann mit gedämpfter Stimme berichtet, wie schlecht es einem geht. So bin ich halt nicht. Ich versuche, Probleme einzugrenzen und dann gezielt zu fragen "was mache ich denn da, wenn...". Außerdem geht es mir mein ganzes Leben lang schon mehr oder weniger schlecht in der Hinsicht, dass alles immer schwierig ist, es war ja nie anders.


Eremit
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Beitrag Fr., 08.12.2017, 11:25

Es kommt wohl immer auf die jeweiligen Umstände an, sprich, um welche Art von Depressionen es sich handelt, wie sich diese manifestiert, wie man selbst und das Umfeld damit umgeht, etc …

Ich wusste lange nichts davon, dass ich an depressiven Verstimmungen litt, bis bei mir schließlich Dysthymie diagnostiziert wurde. Vorher hielt ich mich einfach nur für ein wenig ernster, als es die meisten Menschen sind, mehr nicht.

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Kimba&Blacky
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Beiträge: 761

Beitrag Fr., 08.12.2017, 13:08

@Kaonashi:

Ich habe mich am Wochenende immer besser gefühlt, weil ich da nicht zur Schule oder zur Arbeit gehen musst.

@Eremit: Wie wurde dass bei dir denn diagnostiziert​? Wurdest du dann dagegen behandelt? Und wäre es schlimm für dich gewesen, wenn du keine Diagnose erhalten hättest?

Gruß
Kimba &Blacky

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Kaonashi
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Beitrag Fr., 08.12.2017, 16:44

Kimba&Blacky hat geschrieben: Fr., 08.12.2017, 13:08 Ich habe mich am Wochenende immer besser gefühlt, weil ich da nicht zur Schule oder zur Arbeit gehen musst.
War bei mir früher auch so. Jetzt ist es anders. Arbeit ist stressig, laugt aus, ist schwierig, aber es ist wenigstens noch Inhalt, am Wochenende ist gar nichts mehr, weil die Energie nicht mehr da ist. Erst nach ein paar Tagen Erholung erwachen wieder ein paar kleine Lebensgeister. Aber dann geht die Tretmühle schon wieder los.
Wenn ich ein Tief habe, dann ist es so.
Dann kommen wieder Hochs, wo alles nicht so schlimm ist und ich mich frage, wieso ich mich so anstelle oder ob ich nicht lüge oder maßlos übertreibe, wenn ich irgendwo andeute, dass es mir nicht gut geht.
Ich empfinde es als eine Art "Teilzeit-Depression".

Ich bin jetzt voraussichtlich ab nächsten Monat offiziell nicht mehr voll arbeitsfähig, und mein Chef meinte dazu "es sei dir gegönnt" (weniger Stunden zu arbeiten). Als ob man sich teilweise Erwerbsminderung mal eben so "gönnt". Echt jetzt. Aber ich denke, das ist repräsentativ, man sieht mir eben nichts an, da wirkt es so, als sei das nur so ein Work-Life-Balance-Ding nach dem Motto "ich will mal ein bisschen weniger arbeiten, damit ich mehr Lebensqualität habe" (was natürlich genau so stimmt, nur ist die Dimension halt ein bisschen anders, es geht nicht nur um mehr Lebensqualität, sondern überhaupt ums Überleben im Sinne von Vermeidung von Krankheit und ihren negativen Folgen).

Ich bin überrascht, dass man einen Antrag auf teilweise Erwerbsminderung stellen kann, und dennoch kommt von keiner Seite (Arzt, Therapeut) irgendwie die Erwähnung des Wortes "Depression" oder gar ein Vorschlag zur Behandlung derselben.
Deshalb wundert es mich auch, weshalb andere sagen, diese Diagnose würde vorschnell vergeben werden. Ich habe eher das Gefühl, dass man (schon fast wörtlich genommen) mit dem Kopf unterm Arm daherkommen muss, damit mal jemand das Wort in den Mund nimmt.

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