Der Roboter will endlich bewusst leben

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sandrin
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Der Roboter will endlich bewusst leben

Beitrag Fr., 20.01.2012, 16:00

Hallo,

zunächst einmal eine kurze Anmerkung: Ich wusste nicht so ganz, wohin ich dieses Thema packen soll, glaube aber, dass ich hier schon nicht ganz falsch bin.

Aktuell quält mich der Gedanke, dass ich eigentlich nur funktioniere und gar nicht (noch nie?) bewusst lebe (gelebt habe). Vielleicht kennt ihr das von euch selber. Gerade wenn man psychisch lädiert ist, ist die Maxime, den Anforderungen halbwegs zu genügen und ja nicht die Balance zu verlieren. Lange Zeit war mir das auch genug. Im Moment fühle ich mich aber, als würde irgendein Schleier über mir liegen, als würde die Zeit verstreichen, ohne dass ich bewusst am Geschehen teilhabe. Am meisten fällt mir das am Wochenende auf, wenn ich einmal Zeit für mich hätte, aber dann völlig überfordert mit der Aufgabe bin, meine Zeit BEWUSST zu nutzen und nicht wieder nur teilnahmslos dazusitzen bzw. mit Ängsten auszufüllen, die mich dann auffressen.
Ich nehme meine Umgebung nicht mehr wahr, fühle mich wie erstarrt und weiß aber auch nicht, wie ich aus dieser Hülle wieder rauskommen soll. Ich spreche jetzt gar nicht so sehr von großen Events, die ich mir wünsche. Vielmehr meine ich die Kleinigkeiten, die man mit allen Sinnen wahrnimmt.
Hm.... Ich weiß, das klingt alles ein wenig verwirrend, ich weiß nur auch nicht so recht, wie es ausdrücken sollte. Ich möchte einfach wieder aufwachen!
Kennt jemand das von sich selber?

Sandrin

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Tristezza
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Beitrag Fr., 20.01.2012, 17:09

Hallo Sandrin,

den Zustand, den du beschreibst, kenne ich nicht wirklich, möchte dich aber zum besseren Verständnis etwas fragen: Habe ich es richtig verstanden, dass du dir nichts Gutes tun kannst? Dass in deinem Leben die Leistung sehr im Vordergrund steht, so sehr, dass du nichts mehr mit dir anfangen kannst, wenn keine Leistung mehr gefordert ist?

Tristezza

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Blaubaum
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Beitrag Fr., 20.01.2012, 17:17

ja, das gefühl, nicht bewusst genug zu leben, kenne ich. alles scheint an mir vorbeizufliegen, vieles ergibt sich automatisch, ohne bewusstes dazutun, ohne kontrolle darüber oder ein bewusstes eindringen in das, was geschieht.

ich setze mich dann ab und zu hin und tue ganz bewusst und willentlich NICHTS. versuche auch, nichts zu denken. vorher sehe ich auf die uhr, gebe mir 10 oder 15 minuten dafür. währenddessen läuft die zeit dann gefühlt immer langsamer, und 5 minuten werden eine gefühlte halbe ewigkeit.

danach ist es dann so, dass ich kleinigkeiten viel stärker und intensiver wahrnehme (kleinigkeiten, die von mir beachtet werden WOLLEN?) mir wieder klar wird, dass ICH es bin, der sich für das eine und gegen das andere entscheiden kann, dass ich kein fremdgesteuerter roboter bin und niemandes erwartungen zu erfüllen habe. die zeit, die mir vorher leer erschien, scheint wieder mehr gefüllt zu sein und das leben viel spannender, viel freier und weniger von aussen bestimmt.

das entbindet mich nicht von verpflichtungen und notwendigkeiten, aber ich erfülle sie mit einem anderen gefühl.
spezialisten wissen zuerst viel über wenig und am ende alles über nichts

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Thread-EröffnerIn
sandrin
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Beitrag Fr., 20.01.2012, 18:40

Tristezza hat geschrieben: ... möchte dich aber zum besseren Verständnis etwas fragen: Habe ich es richtig verstanden, dass du dir nichts Gutes tun kannst? Dass in deinem Leben die Leistung sehr im Vordergrund steht, so sehr, dass du nichts mehr mit dir anfangen kannst, wenn keine Leistung mehr gefordert ist?
Das spielt sicher auch eine Rolle. Es ist tatsächlich so, dass womöglich das Leben neben der Arbeit nie von mir aufgebaut wurde. Das war im Studium schon immer so: Zum Ende des Semesters war Stress pur angesagt und ich habe mich so auf die Ferien gefreut. Als die dann da waren - rumps. Bestenfalls kam dann die Frage "Und jetzt?", schlimmstenfalls eine gebackene Depression.

Ich glaube aber, das Problem, das ich hier meine, ist, dass ich unter einer Dunstglocke lebe. Alles fühlt sich taub an. Wenn ich mich dann mal lebendig fühle, dann habe ich Panik und mache mir tausend Sorgen.

Ich weiß nicht, mir fehlt im Moment einfach auch so eine Art Grundgeborgenheit. Ich liege in meinem Bett, aber fühle mich nicht kuschlig wohl. Ich komme am Wochenende endlich heim und alles ist weit weg.
Und ich krieg nichts mit, bin immer abwesend, auch in Gesprächen mit anderen, kann mich nicht auf das Hier und Jetzt einlassen.

LG Sandrin

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Engel22
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Beitrag Fr., 20.01.2012, 18:47

hallo sandrin, ich kenne diesen zustand auch nicht wirklich, mag an meinem job liegen wo mir jeden tag vor augen geführt wird, das das leben begrenzt ist und nicht ewig. auch habe ich da viel mit krankheit zu tun wo man schnell lernt bewusster zu leben. besonders hilfreich war mir die zeit im hospiz, wo man wirklich merkt wie unrelevant vieles andere im leben ist und das man die zeit nutzen sollte die mana hat. wichtig ist sicher auch eine lebensaufgabe zu haben d.h. einen sinn im leben zu haben, ich denke wenn man den nicht hat oder erkennt ist es sehr schwer.entsprechen deine wünsche nicht der wirklichkeit bzw gehen diese beiden sachen bei dir weit auseinander? woher kommt denn das unbewusste bzw aus welchem zustand resultiert es?
vll steckt auch was anderes hinter diesem automatismus.
lg

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sandrin
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Beitrag Fr., 20.01.2012, 18:53

Engel22 hat geschrieben:entsprechen deine wünsche nicht der wirklichkeit bzw gehen diese beiden sachen bei dir weit auseinander? woher kommt denn das unbewusste bzw aus welchem zustand resultiert es?
Nein, meine Arbeit füllt mich aus, macht mir Spaß und gibt mir wirklich viel. Allerdings ist es auch sehr stressig. Auch in der Schule kann ich vieles gar nicht mehr bewusst wahrnehmen, weil alles Schlag auf Schlag geht. Das bedauere ich manchmal, weil der Kontakt zu den Jugendlichen diesen vielen bürokratischen Vorschriften und Verwaltungsarbeiten (glaubt man gar nicht, wie viel) weichen muss.
Ich glaube aber auch, dass es einfach nicht gut ist, das gesamte Leben auf die Arbeit aufzubauen. Wenn es da mal Probleme geben sollte, dann gibt es keinen Ausgleich, der mich auffangen könnte.

Manchmal habe ich auch das Gefühl, dieses Roboterverhalten könnte ein Schutzmechanismus sein. In dem Sinne, das ich Angst habe, ich könnte überschwemmt werden, wenn ich mich nicht unter Kontrolle habe. Und das Mittel zur Kontrolle ist Automatismus.

LG Sandrin

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Tristezza
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Beitrag Fr., 20.01.2012, 19:19

Das klingt für mich so, als könnte dein Robotergefühl zwei unterschiedliche Ursachen haben: 1. Du bist - bei der Arbeit - so gestresst, dass du dich nicht mehr richtig spürst. 2. Du hast andererseits - zu Hause - zu viel Zeit, so dass die Gefahr besteht, dass deine schlechten Gefühle hochkommen, wogegen du dich mit dem Robotergefühl zu schützen versuchst.
Hast du keine Hobbies und Freunde, mit denen du deine Freizeit verbringen kannst?

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Thread-EröffnerIn
sandrin
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Beitrag Fr., 20.01.2012, 19:32

@tristezza
zu Nummer 1: Definitiv richtig.
zu Nummer 2: Zu viel Zeit habe ich eigentlich nicht. Es vielmehr so, dass ich die Zeit, die ich habe, so sinnvoll wie nur möglich nutzen möchte, um wieder Kraft zu tanken. Hobbies habe ich schon, Freunde zum Verbringen der Freizeit eher nicht, weil sich das durch die vielen Ortswechsel während des Studiums und Referendariats nicht ergeben hat.
Oftmals versuche ich dann regelrecht, die Zeit festzuhalten, trauere jeder Minute nach, die verstrichen ist, weil ich sie wieder nicht für mich nutzen konnte. Das klingt alles fürchterlich verkrampft, ich weiß. Mir ist auch klar, dass ich nur dann Kraft tanken kann, wenn ich nicht zwanghaft festhalte und mich auf den Augenblick einlasse. Das gelingt mir aber nicht. Vielmehr habe ich das Gefühl, alles zieht von mir vorbei und ich habe nicht die Fähigkeit, aufzuwachen und aktiv am Leben teilzuhaben.

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Tristezza
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Beitrag Fr., 20.01.2012, 20:18

sandrin hat geschrieben:Oftmals versuche ich dann regelrecht, die Zeit festzuhalten, trauere jeder Minute nach, die verstrichen ist, weil ich sie wieder nicht für mich nutzen konnte.
Das klingt zumindest nicht schwer depressiv. Du scheinst am Leben zu hängen. Mir geht es ähnlich wie dir mit dem Gefühl fehlender Geborgenheit, allerdings wünsche ich mir deshalb oft, dass die Zeit, besonders am Wochenende, schnell vorbei geht. Egal ob ich sie gut genutzt habe oder nicht...

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sandrin
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Beitrag Fr., 20.01.2012, 20:31

Tristezza hat geschrieben:Das klingt zumindest nicht schwer depressiv. Du scheinst am Leben zu hängen.
Na ja, kann ich nicht sagen. Ich denke nicht darüber nach, ob mir mein Leben wichtig ist, ich lebe es einfach (oder werde gelebt?). Das ist auch so ein Punkt, dass ich solche Gedanken gar nicht mehr an mich heranlasse.

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