Angststörung oder Begleiterscheinung der Depression?

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Phobien, Zwängen, Panikattacken und verwandten Beschwerden.
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sandrin
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Angststörung oder Begleiterscheinung der Depression?

Beitrag Mi., 04.01.2012, 20:59

Guten Abend allerseits!

Ich bemerke bei mir seit etlichen Monaten die Tendenz, dass ich mich sehr schnell und intensiv in verschiedene Situationen hineinsteigere. Das kann z. B. sein, wenn ich denke, ich hätte einen Fehler in der Arbeit gemacht, wenn ich bei schlechtem Wetter Auto fahren muss, wenn mir aufgefallen ist, dass ich etwas vergessen habe - einfach alles, was einem so im Alltag unterkommt.
Während andere sich allenfalls sorgen, gerate ich in Panik. Ich kann an nichts anderes mehr denken, glaube, ich würde in gewaltige Schwierigkeiten kommen, die mein Leben zerstören und lebe eigentlich immer in Bedrohung. Das alles ist so megaanstrengend. Kaum habe ich eine Sorge geklärt, kommt eine neue Situation, die mich panisch werden lässt.
Nun habe ich ja eine depressive Vergangenheit/Gegewart? und weiß nicht so ganz, was da passiert. Ängstlich war ich schon immer, aber diese Entwicklung beginnt, mir Sorgen zu machen.
Die Frage, die ich mir stelle, ist, ob das im Rahmen der Depression normal ist oder ob ich sich das zusätzlich noch eine Angststörung auftun könnte. Wie ist das bei euch?

LG Sandrin

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stern
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Beitrag Do., 05.01.2012, 00:30

Ängstlich war ich schon immer, aber diese Entwicklung beginnt, mir Sorgen zu machen.
Ich hab' noch nicht ganz verstanden, was das "neue" an der Entwicklung ist. Dass Ängste jetzt stärker werden als die Ängstlichkeit, die du schon immer kennst?

Ernüchternde Antwort: Auch das müsste eigentlich sauber diagnostisch eingeordnet werden (wenn du es denn könntest ). Schlichtweg aus dem Grund, so dass möglichst wenig übersehen, wo der Hase im Pfeffer liegt. Oder in anderen Worten: Entscheidender ist, zu orten, wo der Hase begraben ist und weniger der Name an sich (mögliche Diagnosen gibt es m.W. viele... aber das kann man dann evtl. etwas besser eingrenzen, umso präziser man verorten kann, woher der Wind weht... denn die Symptomatiken von Depression und Angst können teils ähnlich sein).

Grds. gesehen können Ängste, wie du geschrieben hast, Begleiterscheinung einer Depression sein (die sich dann mit zunehmendem Ausmaß der Depression intensivieren dürften). Jemand mit einer Angsterkrankung kann wegen best. Umstände dann in eine Depression abgleiten. Beides kann per se gemischter und gleichgewichtiger auftreten und entsprechend diagnostiziert werden. Es können aber ab einem best. Schwergrad evtl. auch eigenständige Diagnosen sein (Angst und Depression also)... bis dahin, dass man beides auch als Begleiterscheinung einer anderen Grunderkrankung, die primärer dahinter steckt, sehen könnte. Je nach dem können sich sehr vermutlich auch andere Behandlungsschwerpunkte ergeben. Das alles unter dem Vorbehalt, dass ich weder Arzt noch PT bin, sondern jemand, die Ängste und Depressionen ebenfalls kennt. Dafür etwas Lesestoff *g* =>
http://www.gesundheitswerkstatt.de/gesu ... ilder.html
http://www.angst-beratung.de/Komorbidit.ae.t.htm

Wenn ich es bei mir lebensgeschichtlicher betrachte, finde ich die Frage danach, welche Symptome zuerst da waren relativ müssig, zumal ich dann noch ein paar weitere Komorbidäten berücksichtigen müsste (im Prinzip hätte ich als Kind schon in eine Therapie gehört, sprich: wurde teils gar nicht behandelt, geschweige denn rechtzeitig, so dass sich manche Symptomatiken sogar unbehandelt wieder legten, aber um in anderer Form wieder aufzutauchen). Erschwerend kommt hinzu, dass ich relativ lange Zeit manche Reaktionen selbst nichtmal als Angstreaktionen verorten konnte, nichtmal manche ausgewachsene Panikattacken... sondern erst im Rahmen der Therapie dafür sensibilisiert wurde. Rekonstruktion also schwer... retrospektiv sehe ich es aber so, dass nicht so viel lupenreine Depression war, wie ich manches ne Zeit lang darauf zurück führte... ganz sauber kann ich div. Ängste/Unruhezustände aber auch nicht in jedem Fall zuordnen (manchmal besser, manchmal weniger. Angst ist eben auch noch nicht gleich Angst). Muss allerdings bei dir nicht so sein!

Was ich sagen kann bei mir, dass teils die Depression so stark und vordergründig war, das eh kein Weg daran vorbei geführt hätte/hatte erstmal daran anzusetzen, insbes. auch medikamentös. Teils waren die Angstsymptomatiken vordergründiger (die evtl. auch erst umso mehr bemerkbarer werden, wenn die Depression abflaut).

Ich tendiere auch dazu (wie in einem Link auch angedeutet ist): Wenn man die Depression zum Abklingen bringt oder zumindest halbwegs eindämmen kann und bedeutsame beeinträchtigende Angstsymptomatiken bleibt, dann ist die Depression nicht das ursprüngliche Grundübel (auch wenn sich phasenweise ein Depression darüber schieben kann. In der Therapie wurde bei mir aber u.a. an beidem angesetzt, zumal Ängste auch stärker hervor traten plus neue bisher nicht gekannte hinzugekommen waren als ich erstmals eine Therapie aufnahm... plus nicht mehr handle-bare Erschöpfung, etc.).
Zuletzt geändert von stern am Do., 05.01.2012, 00:53, insgesamt 1-mal geändert.
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sandrin
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Beitrag Do., 05.01.2012, 00:49

Hallo Stern,

mir fällt das deshalb so auf, weil ich gerade vor einem Jahr noch in einer tiefen depressiven Phase steckte, also mit starker Antriebslosigkeit. Dies hatte sich dann in den Folgewochen gelegt bzw. wurde abgelöst von den Ängsten. Ich bin praktisch immer wie ein aufgescheuchtes Huhn. Und Fehler, Versäumnisse usw. führen dazu, dass jetzt alles aus ist, ich riesen Probleme kriege und das alles eine enormen negativen Einfluss auf men Leben haben wird. Selbst bei Dingen, wo man mir von außen entweder sagt, dass nichts Schlimmes passieren wird bzw. wenn halt unangenehme Konsequenzen (z. B. Ärger, möglicherweise geringes Bußgeld oder was auch immer) auf mich zukommen können. Es ist schrecklich - ich fühle mich immer bedroht. Kaum ist das eine weg, kommt was Neues.

Ich weiß, dass ich eigentlich auch das diagnostisch abklären müsste. Wobei ich hier schon klarer eine Pathologie erkennen kann und auch der Leidensdruck ist enorm. Mir kommt es schon so vor, als seien die Ängste schlimmer geworden. Aktuell habe ich aber anderweitig depressive Symptome.
Es gibt ja diese Diagnose "Angst und Depression gemischt", die wurde mir sogar schonmal gestellt. In der Beschreibung klingt das aber eher banal - eben Symptome, die keine richtige Depression und keine richtige Angststörung darstellen. Also das füllt sich für mich schon anders an.

Ich weiß aber halt auch, dass ich das irgendwie in den Griff kriegen muss, weil ein Teufelskreis ist. Manchmal habe ich echt Angst, ich könnte irgendwann die Kontrolle verlieren, die ich im Moment noch so halbwegs aufbringen kann. Das ist so anstrengend!

LG Sandrin

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Beitrag Do., 05.01.2012, 16:24

Mir kommt es schon so vor, als seien die Ängste schlimmer geworden. Aktuell habe ich aber anderweitig depressive Symptome.
Als Laie kann ich das kaum auseinanderdröseln, tue mir auch bei mir selbst auch teils mit der Verortung und Rekonstruktion und Chronologie schwer. Eine ausgewachsene Depression kann durchaus auch mit Ängsten besetzt sein, was man dann wohl auch als Depression(ssymptom) diagnostizieren würde, wenn die Depression vordergründiger ist, vgl. z.B.
Weiterhin sieht sich der an Depression Leidende einer massiven Angst gegenüber. Diese Ängste können sich um alle Lebensbereiche drehen. Am häufigsten jedoch steht die Angst um die Zukunft (die Eigene, aber auch die von näherem Umfeld). Verstärkt wird diese Angst durch ein fast dauerhaft vorhandenes Gefühl in dem sich der Patient mit allen an ihn herangetragenen Aufgaben überfordert fühlt. Teilweise können sich auch soziale Phobien entwickeln.
http://www.dr-gumpert.de/html/depression.html
Gibt aber in der Tat auch Mischformen... oder eine ausgewachsene Angststörung ist das vordergründigere, siehe oben.:

Das fiese ist, Ängste bzw. Angststörungen neigen unbehandelt eher zur Ausweitung oder Verlagerung (dass sich dann vielleicht unbehandelt eine Depression "anhängt"... oder dass sich eine Angst sozusagen auf andere Inhalte verlagert, der Kern aber der gleiche ist)... muss nicht so kommen, die Wahrscheinlichkeit ist aber alles andere als unbeachtlich.

Ich hatte auch mal eine Phase, in der sich Ängste ausdehnten (wobei ich nicht sicher sagen kann, ob es wirklich ein Ausdehnen war. Oder ob das zuvor eher durch Erschöpfung und tralala überlagert war bzw. mit der dann allerdings zurückgegangenen Depression nur wieder deutlicher für mich spürbarer und differenzierbarer wurden). Klinisch haltbar ist das vielleicht nicht: Aber gefühlt war die Depression dauerhafter der Fall mit best. Symptomen (u.a. Erschöpfung, Stimmung, Interessenverluste, Grübelneigung/Ängsten etc.), also ein eher durchgängigeres "Tief". Diese Ängste bis Panikreaktionen eher episodenhafter (durchgängiger allerdings innere Unruhe/Übererregung, wobei das eh eine Baustelle von mir ist, aber da war das nochmals auf anderem Niveau), aber in anderer Form mind. genauso beeinträchtigend. Trug auch nicht zum Amusement des Theras bei, der schon Tendenzen zur Generalisierung/Angststörung sah. War eine Reihe von Ängste, die ich noch nicht hatte (vom Inhalt her, also das, auf was sie sich nun bezogen erschien mir gefühlt "absurd" damals). Oder ich steigerte mich beim Einschlafen (natürlich ungewollt) in verschiedenes hinein (was sich teils etwas anders anfühlte als ausgeprägtere Grübelneigung und depressiven Schleifen, die zuvor da war... aber auch da gibt es fließende Übergänge)... was bes. abends unangenehm war, wenn dann Herzrasen und Panik etc. dazu kam (letzteres vielleicht ein bisschen ähnlich wie bei dir) usw. Und dieses Stresslevel und insges. erhöhte innere Unruhe kann dann natürlich auch erschöpfend sein (auf eine andere Art und Weise). Legte sich dann aber auch wieder, um dann nochmals anderen Mist genauer und differenzierbarer herauszukristallisieren, bei mir *umpf*.
Es gibt ja diese Diagnose "Angst und Depression gemischt", die wurde mir sogar schonmal gestellt. In der Beschreibung klingt das aber eher banal - eben Symptome, die keine richtige Depression und keine richtige Angststörung darstellen.
Ich würde es eher so verstehen, dass dann beides gleichgewichtiger und gleichzeitiger vorhanden ist... und keines so vordergründig ist, dass das andere dahinter zurücktritt - ohne jeweils die Kriterien einer reineren Einzeldiagnose zu erfüllen (stattdessen Kombi aus verschiedenem, das ein eigenes Krankheitsbild darstellen soll). Finde ich sogar fast aussagekräftiger als eine Einzeldiagnose, bei der eine signifikantere Komorbidität o.ä. dann evtl. gar nicht so hervor geht oder übersehen wurde. Banal ist anders... und wird dadurch nicht zum Ausdruck gebracht, denn klar ist das ziemlich beeinträchtigend. Würde die Diagnose eher als Zugeständis an die Tatsache sehen, dass sie Depression und Angst nicht immer so sauber abgrenzen lassen (als das eine ODER das andere), sondern es eben auch Überschneidungen geben kann. In dem einen Link von oben geht zudem, wie ich finde, ganz gut hervor (ich sehe das ähnlich), dass Mischungen/Komorbidäten per se "ätzend" sein können. Und wichtig: Diagnosen sind nur Momentaufnahmen... kann mit der Zeit ja durchaus einiges zurückgehen (alternativ auch verstärken oder verlagern). =>
Zuletzt geändert von stern am Do., 05.01.2012, 16:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag Do., 05.01.2012, 16:27

Auch gibt es ja eine generalisierte Angstörung, vgl.:
http://de.wikipedia.org/wiki/Generalisi ... %C3%B6rung. Aber wenn jemand alle Kriterien einer depressiven Episode erfüllt, wird die Diagnose vermutlich eher in Richtung Depression gestellt, vgl. Link. Wenn zusätzlich alle Kriterien einer Angsstörung könnte man vermutlich auch eine Doppeldiagnose stellen... vermutlich umso eher je ausgeprägter beides ist, denn (und das gilt bei vielem) ist Unterscheidbarkeit und Abgrenzung tendenziell etwas leichter. Wenn von beidem einige Symptomatiken gleichgewichtig, dann auch gemischt... vermutlich ergibt dann das eigene Gespür ob man es eher als Angst mit depressiven Zügen sieht oder als Depression mit Angstsymptomatiken. Meines Verständnisses nach... aber ich verweise da auf Links und Behandler, der ich nicht bin.

Wichtig finde ich, dass unabhängiger von der Diagnose beidem Rechnung getragen wird, wenn beide Symptomatiken da sind, und weder die Angst- noch die depressive Kompomente übersehen wird (egal wie das dann zu verschachteln ist, was hier wirklich unübersichtlich und mitunter auch schwer abgrenzbar ist... zumindest erscheint mir das so *gg*) und möglichst der wirkliche Ursprung gefunden wird... und dass auch darauf geachtet wird dem Überforderungsniveau Rechung zu tragen. Denn ja... Teufelskreis passt da schon bzw. kann gut und gerne eine werden, wenn man Angst oder Depression übersieht.

Fazit: Das heikle ist m.M.n., dass bei einer Depression durchaus Ängste und entsprechende Symptomatiken eine Rolle spielen (als ein mögliches Symptom einer Depri), siehe oben. In dem Fall legt sich dann oft in dem Atemzug in dem die Depression wieder nachlässt (oder auch umgekehrte: Wenn die Ängste zunehmen kann das Zeichen sein, dass die Depri stärker wird). Siehe oben: Wenn sich das dann nicht legt, dann spricht einiges dafür dass evtl. Angststörung unabhängiger von der Depression ein Problem ist. Analog können auch "aufwändige" Grübel- und Sorgenschleifen bis -zwänge, die für Depressionen nun auch nicht untypisch sind, im Gegenteil (unter best. Umständen) für eine Zwangserkrankung sprechen, wenn die Depri abgeklungen ist oder das außerhalb der selben auftritt. UND SO WEITER.

Blöd wenn man erst im Nachhinein feststellt, dass das ganz übersehen wurde und alles rein als Ausdruck einer Depression zugeordnet wurde, und ansonsten nicht so beachtet wurde (auch in umgekehrte Richtung: Wenn die Depressionsneigung hinter einer Angsstörung verkannt wird). Aber wie gesagt: Ich halte das für schwer abgrenzbar wegen div. Ähnlichkeiten, die es bei beiden geben kann... und auch die Forschung ist sich da anscheinend bei manchem noch nicht so einig, was evtl. Eigenständigkeit oder Verständis als eine Störung (mit Begleitungerscheinungen) angeht. Noch ungünstiger vermutlich wenn Depression und Angst Folge eine nochmals anders gelagerten Grunderkrankung sind, die nicht erkannt wird (ich meine gerade Ängste und Depression können relativ häufig als Folge oder Begleitung von ganz unterschiedlichem Mist auftreten... selbst bei organischen Befunden).
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Beitrag Do., 05.01.2012, 22:04

Liebe stern,

ich möchte dir zunächst einmal für deine Mühe danken, deine Gedanken helfen mir immer sehr weiter!
Du schreibst, dass es für uns Laien schwer ist einzuschätzen, was zuerst da war - die Angst oder die Depression. Im Grunde wäre mir das auch nicht wichtig, wäre da nicht die Frage, wie ich am besten mit den Ängsten umgehen soll, wo ich also ansetzen soll. Ängste wären ja primär etwas, was man "verlernen" sollte (zumindest ausverhaltenstherapeutischer Sicht), während man bei der Depression schon genauer hinsehen sollte, was da im Moment im Argen liegt. Für mich heißt es also: Primär an der Linderung oder dem Umgang mit der Angst arbeiten oder "hinter die Fassade" schauen und herausfinden, was da gerade mit mir passiert. Ich glaube, bei einer Depression würde ich mir auch "Schonung" zugestehen, würde mir zugestehen, dass ich im Moment vielleicht "krank" bin und deshalb auf mich aufpassen muss/darf. Das wäre bei Ängsten weniger so. Ich weiß nicht, warum, keine Ahnung.

Ängste kenne ich auch in den depressiven Phasen, das war schon immer so. Nur kommt mir das dieses Mal so massiv vor. Und wie schon erwähnt - die wirklich deutliche Depression mit der quälenden Antriebslosigkeit wurde sozusagen durch dieses Aufgescheuchtsein abgelöst. Vieles von dem, was du über dich selbst schreibst, kenne ich einfach auch so gut von mir. Gerade gestern hatte ich das auch, dieses Grübeln beim Einschlafen, diese Panik, die aufkommt. Und in der Nacht ist alles noch einmal bedrohlicher. Da sagen dann alle zu mir, ich müsse ruhiger werden, dürfe nicht immer gleich das Schlimmste annehmen. Leichter gesagt als getan.

Aktuell frage ich mich schon, was ich tun soll. In der Vergangenheit habe ich oft den Eindruck gehabt, dass ich in dem Moment, in dem ich anerkenne, dass im Moment einfach alles ins Wanken geraten ist und ich mich schonen darf, also ich Druck rausnehmen darf, alles auf einmal schon leichter wird. Es ist eigentlich das bekannte Muster bei mir: Ich "brauche" Diagnosen, weil sie Schonen, die Fokussierung auf mich und Stressreduktion legitimieren, manchmal auch den Anspruch auf Hilfe und Unterstützung. Aber bald wird mich der Alltag wieder haben und mir graut schon vor diesem Gefühl, nicht genügend Zeit für mich und die Auseinandersetzung mit mir zu haben. Oft habe ich das Gefühl, mich selber zu verlieren. Im Grunde schwanke ich zwischen zwei Polen: der Angst und Depression im Moment auf der einen Seite und dem Gefühl der "Gefühllosigkeit", des "Nicht-mehr-mit-mir-im-Kontakt-Seins" andererseits.

LG Sandrin

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Beitrag Fr., 06.01.2012, 02:19

sandrin hat geschrieben:Im Grunde wäre mir das auch nicht wichtig, wäre da nicht die Frage, wie ich am besten mit den Ängsten umgehen soll, wo ich also ansetzen soll.
Wie gesagt: Ich würde als Schritt 1 erstmal verstehen, die Art der Angst etwas einzugrenzen... also handelt es sich um etwas, was eher in den Bereich der Angststörung gehört. Zur Verdeutlichung: Theoretisch und praktisch könnten auch organische Erkrankungen dahinter stecken oder mitverursachen (meinetwegen eine Schilddrüsenüberfunktion, die ähnliches bewirken könnte wie Angstreaktionen in physiologischer Hinsicht). Und auch innerhalb des psychologischen Spektrum kann der Umgang je nach Angst (und individuelle psych. Konstitution) sehr vermutlich variieren. Denn wie gesagt: Gerade Ängste und depressive Verstimmungen können Reaktionen auf so vieles darstellen. Meinetwegen auch als Anpassungsstörung (auf belastende Lebenseinschnitte, z.B. Scheidung, Kündigung, berufliche Umstellungen, etc.), was sich dann z.B. ebenfalls in Angst und Depression gemischt äußern kann. Da ginge es dann wohl auch darum, das etwas zu "verabeiten", evtl. Vulnerabilität bzw. Bewältigungsmöglichkeiten stärken, etc. Angst ist jedenfalls für mich nicht gleich Angst, zumindest für mich nicht... und dementsprechend unterschiedlich kann sich gestalten, wie ich damit umgehe.

Erklären kann es sowohl die VT und TFP auf ihre Art (natürlich dann unter Berücksichtigung individueller Begegebenheiten)... würde sagen: Geschmackssache, mit was man sich mehr anfreunden kann bzw. was plausibler erscheint. Wirksam sein dürfte beides
Ängste wären ja primär etwas, was man "verlernen" sollte (zumindest ausverhaltenstherapeutischer Sicht), während man bei der Depression schon genauer hinsehen sollte, was da im Moment im Argen liegt.

Auch bei Ängsten könnte man genauer hinschauen... die Sichtweise ergibt sich vielleicht bei dir eher daraus, dass du Ängste nicht so ernst nimmst o.ä. wie Depression?
Für mich heißt es also: Primär an der Linderung oder dem Umgang mit der Angst arbeiten oder "hinter die Fassade" schauen und herausfinden, was da gerade mit mir passiert.
Warum nicht beides... sehe da nix ausschließendes.
Da sagen dann alle zu mir, ich müsse ruhiger werden, dürfe nicht immer gleich das Schlimmste annehmen. Leichter gesagt als getan.
WENN wir von etwas reden, was eher in die Ecke Angststörung gehört... nun ja, dann kann man auch darüber geteilter Meinung sein. Zum einen im Punkt "ruhiger werden müssen". In dem Sinne gemeint, dass z.B. ergänzend auch ein Entspannungsverfahren nützlich sein kann, o.k. Ansonsten zeichnet sich eine Angststörung gerade dadurch aus, dass sie als unkontrollierbar erlebt wird bzw. Ängste sich verselbständigt haben... und zu sagen: jetzt reg' dich nicht so auf oder mach' dir keine Sorgen hat z.B. bei einer generalisierten Angststörung dann evtl. erstmal einen ähnlichen Gehalt und Nutzen wie für einen Depressiven die Sprüche: Denke nicht so negativ oder reiß' dich doch mal zusammen.

Und zum Punkt "das schlimmste annehmen": Gibt ja durchaus einige Stimmen die sagen (überspitzt gesagt): Problematisch ist, dass genau das nicht gemacht wird. Bzw. i.a.W.: Sorgen/Ängste werden zwar angedacht, aber nicht zu Ende gedacht, was die emotionale Verarbeitung verhindert, die Auseinandersetzung mit dem Auslöser/Ursache wird abgewehrt und der Problemlösungsprozess hakt ebenfalls, weil "für sich sorgen" (als gesunde Signalwirkung einer Angst) und "sich sorgen" hier mehr oder weniger abgekoppelt sind. Und Vermeidung intensiviert Ängste tendenziell eher. Damit in Kontakt zu kommen (was man i.a.W. dann auch als konfrontativere Vorgehensweise bezeichnen kann, die IMO gar nicht so so sehr auf die VT beschränkt ist, wenngleich man es ihr eher zuordnet) KANN helfen - als ein Ansatzpunkt von verschiedenen... Aber es wird eher angeraten, das nicht im Alleingang zu vollziehen, sondern therapeutisch. Will damit auch nicht sagen, dass ich das als Allheilmittel sehe... sondern durchaus kritisch... und es müssen einige Variablen passen müssen (bei mir in jedem Fall... z.B. wenn Angstreaktion dann erst recht "überdrehen" bis ich umkippe, schon passiert, dann habe ich nix davon, im Gegenteil. Bei mir weht auch nicht jede Angst aus der Angststörungsecke). I.a.W.: =>
Zuletzt geändert von stern am Fr., 06.01.2012, 02:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag Fr., 06.01.2012, 02:26

Dass sich diese Patienten aber in endlosen Sorgenketten verirren können, ohne mit den belastenden Situationen wirklich emotional in Kontakt zu kommen, das zeigt auch die therapeutische Erfahrung mit GAS-Patienten (...).

Es gibt noch einen weiteren psychologischen Ablauf, der an der Aufrechterhaltung pathologischer Sorgen wesentlich beteiligt ist: Patienten mit Generalisierter Angststörung erwarten häufig Ereignisse, die unwahrscheinlich sind und normalerweise gar nicht eintreten. Wenn diese Ereignisse dann tatsächlich nicht eintreten, führen Patienten dies fälschlich auf die Sorgen zurück („immer wenn ich mir ausreichend Sorgen mache, geht hinterher alles gut“). Auch auf diese Weise verstärkt das System sich selbst. Sorgen helfen somit außerdem, das Gefühl der Unsicherheit zu reduzieren, das bei GAS-Patienten besonders ausgeprägt ist (...). Wenn jemand überzeugt ist, dass Sorgen das Eintreten negativer Ereignisse verhindern, dann sind sie auch hilfreich, Unsicherheit zu reduzieren. ...
Um zu erklären, warum sich das Störungsbild der GAS verfestigen kann, sind noch weitere Mechanismen anzunehmen: Insbesondere kommt es aufgrund der unvollständigen Verarbeitung der Sorgen nicht zu einer Habituation. Dies fördert negative Annahmen über die Sorgen („Meine Sorgen machen mich fertig!“, „Wenn ich meine Sorgen nicht in der Griff bekomme, verliere ich meine Arbeit/meine Freundin etc.“), die wiederum häufig kontraproduktive Kontrollversuche nach sich ziehen (...).
Diese Ausführungen machen insgesamt deutlich, dass Vermeidungsprozesse neben anderen aufrechterhaltenden Mechanismen bei der Generalisierten Angststörung eine zentrale Rolle spielen. Die Vermeidung bezieht sich vor allem auf innere Erlebnisse und weniger auf die Verhaltensebene
(obwohl dies bei Patienten mit Generalisierter Angst sehr wohl vorkommen kann!). Nach unserer Auffassung muss eine effektive Behandlung deshalb möglichst direkt bei der Vermeidung physiologischer
Erregung und innerer Erlebnisse ansetzen.
http://www.psychologie.tu-dresden.de/i2 ... r/284m.pdf
Auch so Gedanke wie: Wenn ich gleich vom schlimmsten ausgehe erspare ich mir eine Enttäuschung, passt ein bissi in dieses Raster. Insofern eine gewagte Deutung (die aber durchaus manches haben kann):
Im Grunde schwanke ich zwischen zwei Polen: der Angst und Depression im Moment auf der einen Seite und dem Gefühl der "Gefühllosigkeit", des "Nicht-mehr-mit-mir-im-Kontakt-Seins" andererseits.
Ängste (auch Depressionen) können gerade dazu beitragen, nicht mit sich in Kontakt zu kommen. Anwandlungen dahingehend haben sich bei mir zum Glück nicht wirklich manifestiert... schaffe es mittlerweile eigentlich halbwegs gut etwas so zu sehen (und auch zu erleben) nicht x Zukunftszenarien zu spinnen, sondern: Wenn xy wirklich eintreten sollte, kann ich mir immer noch Gedanken machen. Ausnahmen bestätigen die Regel *g*... reagiere mittlerweile u.U. auch eher empfindlicher, wenn dann jemand anderes meint, mir die Ängste katastrophieren zu müssen, die ich mir nicht machte.
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Beitrag Fr., 06.01.2012, 19:42

stern hat geschrieben:Erklären kann es sowohl die VT und TFP auf ihre Art (natürlich dann unter Berücksichtigung individueller Begegebenheiten)... würde sagen: Geschmackssache, mit was man sich mehr anfreunden kann bzw. was plausibler erscheint. Wirksam sein dürfte beides
Stimmt, beide haben unterschiedliche Sichtweisen. Wobei mir gerade der wirklich sehr interessante Link zur TU Dresde zeigt, dass da auch in VT eine starke Tendenz hin zu mehr Emotionalität und "Basisarbeit" geht. Das finde ich positiv. Vielleicht ergibt sich ja doch irgendwann mal eine Art "integrative Therapie", die beide Aspekte - also sowohl den emotionalen, lebensgeschichtlichen Background als auch den praktischen Teil - berücksichtigt.

Auch bei Ängsten könnte man genauer hinschauen... die Sichtweise ergibt sich vielleicht bei dir eher daraus, dass du Ängste nicht so ernst nimmst o.ä. wie Depression?
Da ist sicherlich was dran. Bei den Ängsten denke ich mir immer, das sei eine Spinnerei. Aber es stimmt schon, auch da gibt es ja eine Grundlage, auf der sich die Spirale immer weiterdreht.
Und zum Punkt "das schlimmste annehmen": Gibt ja durchaus einige Stimmen die sagen (überspitzt gesagt): Problematisch ist, dass genau das nicht gemacht wird. Bzw. i.a.W.: Sorgen/Ängste werden zwar angedacht, aber nicht zu Ende gedacht, was die emotionale Verarbeitung verhindert, die Auseinandersetzung mit dem Auslöser/Ursache wird abgewehrt und der Problemlösungsprozess hakt ebenfalls, weil "für sich sorgen" (als gesunde Signalwirkung einer Angst) und "sich sorgen" hier mehr oder weniger abgekoppelt sind. Und Vermeidung intensiviert Ängste tendenziell eher
Das finde ich einen interessanten Ansatz. Mir ist das nämlich auch aufgefallen, dieses Wegdrücken geht schlicht und ergreifend nicht. Der Gedanke und die Sorgen kommen ja immer wieder durch. Man kann das vielleicht vergleichen mit einer Erkältung, die man laufend unterdrückt, z. B. durch Medikamente, die sich ihren Weg früher oder später bahnt, oft noch heftiger als zuvor. Dasselbe gilt meiner Erachtens aber auch für Depressionen. Ich habe in den letzten Jahren, gerade nach dem eher verkorksten Ende der Therapie, für mich beschlossen, "alles nicht mehr so an mich heranzulassen". Ich frage mich inzwischen schon auch, ob das kein Eigentor war. Auf der anderen Seite musste ich mein Leben aber wieder in den Griff bekommen. Und zum Trauern war wenig Raum und Zeit, ich steckte kurz vor Abschluss des Studiums und ehrlich gesagt war ich diese Qual leid. Meine Grundüberzeugung ist aber auch: Man muss Probleme auf emotionaler Ebene "durcharbeiten". Sonst kommt man nie zur Wurzel des Übels.

LG Sandrin

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Beitrag Fr., 06.01.2012, 23:53

sandrin hat geschrieben:Das finde ich einen interessanten Ansatz. Mir ist das nämlich auch aufgefallen, dieses Wegdrücken geht schlicht und ergreifend nicht. Der Gedanke und die Sorgen kommen ja immer wieder durch.
Das ist vermutlich damit zu vergleichen, zu versuchen 5 Min. nicht an einen rosa Elefanten zu denken => Umso mehr hat man denselben dann vor dem geistigen Auge. Wenn Wegdrücken von manchen Dingen funktionieren würde, hätte ich die Methode vermutlich schon perfektioniert und verkauft .

Muss nicht bei jedem so sein (!), aber bei mir erwies sich das in mancherlei Hinsicht dann wirklich als ein Boomerang. Und ich sag' mal so: Tagsüber klappte das auch eine längere Zeit so halbwegs (Ablenken, Wegdrücken, sich in Arbeit und sonstige Aktivitäten stürzen, etc.)... fieser wurde nach einer Weile beim Einschlafen, wo manches dann doch wieder zurückkam... und ich auf übliche Ablenkungsstrategien nicht mehr zurückgreifen konnte. Irgendwann kamen zunehmend Unruhezuständen im Bett auf, so dass ich erstmal länger wach blieb, um mich noch etwas zu beschäftigen. Mündete dann irgendwann noch in einer ausgewachsenen Schlafstörungen, so dass ich gar noch Angst vor der nächsten Nacht hatte (logisch, war nicht mit angenehmem assoziiert, im Gegenteil)... die Unruhe/Angst teils so hoch, dass nichtmal weniger Schlaf (was ich erhoffte) zum Einschlafen führte, selbst ein Schlafmittel (das aber nach Aussage des HA ein leichteres war ) steckte ich weg und Herzrasen und Co. blieben... und Regeneration förderte das auch nicht.

Insofern kann ich gar nicht sagen, was ätzender war... DAS oder die Depression/Erschöpfung... beides auf seine Weise genauso ätzend, würde ich sagen bzw.:.... Depression hätte ich vielleicht noch am ehesten "wegdrücken" können, Erschöpfung zunehmend weniger (versuchte ich ja)... aber Ängste ließen sich bei mir noch weniger ignorieren (was ich aber damals teils nichtmal als Ängste benennen konnte ). Insofern tendiere ich echt dazu: Wegdrücken mag eine Zeit lang aufgehen... dauerhaft nicht, sondern da ist Auseinandersetzung angesagt. Und insofern stimme ich dem auch zu:
Man muss Probleme auf emotionaler Ebene "durcharbeiten". Sonst kommt man nie zur Wurzel des Übels.
Auch bin ich ebenfalls ein Fan von integrativen Vorgehensweisen (die teils auch praktiziert werden... in D aber noch überwiegender in stat. Settings)... wobei ich o.g. jetzt wirklich nicht als etwas sehe, dass psychodynamischen Verfahren vorbehalten ist (ginge ja an der Psyche des Menschen vorbei, Emotionen auszusparen - bei psych. Störungen, die u.a. i.d.R. immer auch affektive sind). Vielleicht hattest du ja einen Thera, der rein kognitiv gearbeitet hat... was, wie ich finde, in der Tat je nach Patient zu kurz greifen kann.
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Beitrag Sa., 07.01.2012, 00:21

sandrin hat geschrieben: Nun habe ich ja eine depressive Vergangenheit/Gegewart? und weiß nicht so ganz, was da passiert. Ängstlich war ich schon immer, aber diese Entwicklung beginnt, mir Sorgen zu machen.
Die Frage, die ich mir stelle, ist, ob das im Rahmen der Depression normal ist oder ob ich sich das zusätzlich noch eine Angststörung auftun könnte. Wie ist das bei euch?


Ich denke mal daß die selbe Problematik alle deine einzelnen Problembaustellen antreibt, die Essstörung genauso wie die Depressionen und die Ängste.

Ich glaube das nennt sich Symptomverlagerung. Also wenn man eine Grundproblematik hat, sich diese aber in öfters mal wechselnden Symptomen äussert, also ist die eine Baustelle "abgedichtet", bricht das ganze an einer anderen Stelle raus, und wenn man die zuspachtelt kommt es wieder wo anders zum Vorschein.

Ich denke mal das wird so lange so weitergehen bis du die Wurzel des Problems angehst. An Einzelsymptomen rumzudoktorn bringt da vermutlich wenig.

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Beitrag Sa., 07.01.2012, 00:32

sandrin hat geschrieben:
Da ist sicherlich was dran. Bei den Ängsten denke ich mir immer, das sei eine Spinnerei. Aber es stimmt schon, auch da gibt es ja eine Grundlage, auf der sich die Spirale immer weiterdreht.


Ich denke daß das allgemeine Stresslevel unter das man sich setzt (oder wahlweise auch von aussen gesetzt wird) sehr grossen Einfluss auf das Angsterleben hat. Und daß sich innere Nervosität und Druck die man hat dann als alle möglichen Ängste manifestiert, die Ängste ein Ventil für den inneren Druck sind.

Ich könnte mir sogar vorstellen daß da die Gehirnchemie eine Rolle spielt wenn das ganze System dauerhaft völlig überreizt und überfordert ist, daß dann irrationale Angst und Stressreaktionen einfach aufgrund der entgleisenden Biochemie überhand nehmen.

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nemesis
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Beitrag Sa., 07.01.2012, 01:46

Hallo Sandrin!
sandrin hat geschrieben:Vielleicht ergibt sich ja doch irgendwann mal eine Art "integrative Therapie", die beide Aspekte - also sowohl den emotionalen, lebensgeschichtlichen Background als auch den praktischen Teil - berücksichtigt.
Eine solche Therapie gibt es bereits. Die nennt sich "Schematherapie", wird hierzulande auch von Therapeuten angeboten und ist (meines Wissens nach) als "Verhaltenstherapie" bei der Krankenkasse anerkannt und abrechnungsfähig...
Wikipedia hat geschrieben:Die Schematherapie ist eine Form der Psychotherapie. Sie zählt zur sogenannten dritten Welle der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Therapien, und erweitert die Methoden der kognitiven Therapie um Elemente psychodynamischer Konzepte und anderer bewährter psychologischer Theorien und Therapieverfahren wie der Objektbeziehungstheorie, der Transaktionsanalyse, der Hypnotherapie und der Gestalttherapie.
...
Sie findet erfolgreich Anwendung bei der Behandlung chronischer erkrankter Patienten mit Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen (insbesondere Borderline- und Narzisstische Persönlichkeitsstörung), aber auch bei Essstörungen, Substanzmittelmissbrauch, ...

Quelle: Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Schematherapie
Vielleicht wär' das 'ne passende Alternative für Dich?

Liebe Grüße!

nemesis
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sandrin
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Beitrag Sa., 07.01.2012, 11:21

stern hat geschrieben: Insofern kann ich gar nicht sagen, was ätzender war... DAS oder die Depression/Erschöpfung... beides auf seine Weise genauso ätzend, würde ich sagen bzw.:.... Depression hätte ich vielleicht noch am ehesten "wegdrücken" können, Erschöpfung zunehmend weniger (versuchte ich ja)... aber Ängste ließen sich bei mir noch weniger ignorieren (was ich aber damals teils nichtmal als Ängste benennen konnte ). Insofern tendiere ich echt dazu: Wegdrücken mag eine Zeit lang aufgehen... dauerhaft nicht, sondern da ist Auseinandersetzung angesagt. Und insofern stimme ich dem auch zu:
Stimmt, wobei ich mich aber leichter damit tue, die Depression auszuhalten. Die Ängste erscheinen mir so bedrohlich. Da kommt dann das Gefühl des Kontrollverlusts hinzu, während ich mich bei einer Depression halt einfach verkriechen kann (sofern möglich). Wenn ich arbeite, dann bin ich eh anderweitig beschäftigt. Und tagsüber kümmere ich mich dann um die Probleme der Kids, da rückt das eigene Erleben in den Hintergrund. Irgendwie ist dieser Rollentausch auch wieder eine Form von Abwehr, was sich spätestens in den Ferien bemerkbar macht.

@ Münchnerkindl
Das mit der Symptomverlagerung sehe ich genauso. Man treibt den Teufel im Grunde mit dem Belzebub aus. Es lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen: Die Psyche sucht sich immer einen Weg. Hört man auf der einen Ebene nicht hin, sucht sie sich eine neue. Aber entkommen kann man nicht. Wenn ich ganz ehrlich bin, will ich das aber auch gar nicht, weil ich innerlich schon auch ganz klar das Verlangen danach habe, endlich bei mir anzukommen. Das Stresslevel spielt da natürlich mit rein, klar. Das hat zwei Seiten. Einerseits bringt es eine gewisse Ablenkung, andererseits schwächt es zusätzlich. Negative Begleiterscheinung der Ablenkung ist ja auch, dass man sich nicht mit dem Wesentlichen auseinandersetzen kann.

@nemisis
Über die Schematherapie habe ich kürzlich erst gehört und mich daraufhin ausführlicher damit beschäftigt. Ich muss sagen, dieser Ansatz macht für mich absolut Sinn. Die Verhaltenstherapie scheint sich mehr und mehr von den rein kognitiven und behavioristischen Ansätzen zu verabschieden und sich für lebensgeschichtliche Aspekte zu öffnen. Das begrüße ich sehr. Bedauerlicherweise gibt es aber kaum Therapeuten in Deutschland, die mit dieser Methode arbeiten. Dafür steckt sie noch zu sehr in den Kinderschuhen. Mal sehen, wie sich das weiterentwickelt.

LG Sandrin

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münchnerkindl
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Beitrag Sa., 07.01.2012, 19:24

sandrin hat geschrieben:Das Stresslevel spielt da natürlich mit rein, klar. Das hat zwei Seiten. Einerseits bringt es eine gewisse Ablenkung, andererseits schwächt es zusätzlich. Negative Begleiterscheinung der Ablenkung ist ja auch, dass man sich nicht mit dem Wesentlichen auseinandersetzen kann.
Und dann mal Techniken üben wie progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training um von dem Stresslevel und dem Gedankenkarussell rund um deine ganzen Problematiken runterzukommen?

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