Die Kunst, innere Distanz zu den Eltern zu gewinnen...

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kornblumen
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Die Kunst, innere Distanz zu den Eltern zu gewinnen...

Beitrag Mo., 03.10.2011, 11:45

Hallo!
Ich habe ein Problem damit, mich von meinen Eltern abzugrenzen. Wir haben ein Nähe/Distanz-Problem. Meine Mutter hängt sehr an mir und wird aggressiv oder weinerlich, wenn ihre völlig übersteigerten Erwartungen an mich nicht von mir erfüllt werden. Meine eltern zeigen sich dann gleichzeitig leidend und bestafend mir gegenüber, wenn ich was "falsch" gemacht habe, also nicht "lieb" war.
Ich möchte meine eltern eigentlich nicht ständig kränken und enttäuschen. Aber fakt ist: Wir haben ein schlechtes verhältnis zueinander (meine eltern waren völlig überfordert mit mir als ich ein kind war, haben mich emotional sehr vernachlässigt und mit kontaktabbruch bestraft, wenn ich nicht lieb war. Ich war meinen Eltern gegenüber dann auch oft abweisend). Meine eltern erwarten viel von mir, mischen sich in mein leben, ertragen es kaum, wenn sie merken, dass ich inzwischen erwachsen bin und mein leben leben möchte. Ich empfinde das verhalten meiner eltern oft als psychoterror, sehe sie aber auch "leiden" und weiß auch, dass ich meinen eltern gerade wenig liebe geben kann. Aber es fällt mir auch sehr schwer, auf meine eltern warmherzig zuzugehen gerade WEIL sie so viel fordern.
Ich frage mich: Wie ist es möglich, mich von meinen Eltern innerlich zu distanzieren? Wie kann ich es verhindern, dass ich bei jedem Kontakt zu meinen Eltern so aggressiv werde?
Ich weiß, Grenzen stecken, Position verteidigen. "Stop" sagen, wenn meine eltern wieder zu viel erwarten. Ich versuche dies, aber es ist echt nicht einfach. Ich möchte mich oft am liebsten befreien, den kontakt abbrechen. Aber ich weiß, dass mir dies auch nicht gut tun würde.
Mir hat meine therapie sehr geholfen, mein leben leben zu können. Trotzdem hab ich noch probleme damit, mich von meinen eltern zu distanzieren und für mich einen guten weg zu finden, mit der situation umzugehen. Wann geh ich auf meine eltern zu? Wann gebe ich es auf, mich ihnen gegenüber zu erklären, dass sie zu hohe erwartungen haben? Wieviel aggression von seiten meiner eltern möchte ich mir gefallen lassen? Wann diskutiere ich/wann gehe ich lieber nicht auf meine eltern ein? Sage ich meinen eltern, dass es mir leid tut, dass ich sie kränke? Alles fragen, die mich noch oft überfordern und über die ich gerade sehr viel nachdenke.
Habt ihr ähnliche probleme? Wie habt ihr es geschafft, euch von euren eltern zu distanzieren und nicht ständig in schuldgefühle/aggressionen zu verfallen, wenn ihr sie trefft? Kennt jemand dieses dilemma?
Ich komme da gerade nicht so richtig weiter und merke, wie mein selbstwertgefühl und meine stimmung darunter leiden.
Danke schonmal für eure aufmerksamkeit !

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saffiatou
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Beitrag Mo., 03.10.2011, 12:29

Liebe Kornblumen,

bevor ich meine Therapie begonnen habe, war ich fest überzeugt ein gutes Verhältnis zu meinen
Eltern zu haben. Dabei habe ich gar nicht gemerkt, wie übergriffig sie waren, daß sie entschieden
haben, wie mein Leben auszusehen hat, was ich mache. Ich habe verdrängt, daß ich ihnen eigentlich
nicht vertraue, denn richtig gemeinsam reden, meine Probleme zu diskutieren geht nicht.

Durch die Therapie habe ich mich immer mehr zurückgezogen, einmal sind meine Eltern dann einfach
zu mir gefahren und haben versucht sich mit Gewalt in meine Wohnung zu drängen. Das gab den
Ausschlag, daß ich für eine Weile den Kontakt zu ihnen abbrechen muß. Ich habe ihnen einen Brief
geschrieben, in dem ich ihnen den Besuch vorwarf. Sie haben das nicht verstanden, warum ich
sie nicht sehen wollte. Danach schrieb ich noch einen Brief, in dem ich ihnen erklärte, was ich in-
zwischen erinnerte, die Mißhandlungen etc. Ich schrieb, daß ich jetzt mein Leben leben werde und
es nicht mehr dulde, daß sie für mich entscheiden. Es sind jetzt zwei Monate vergangen, seit ich
ihnen schrieb, und sie haben bisher nicht geantwortet. Ich denke das sagt einiges aus.

Du schreibst, Du möchtes Deine Eltern nicht kränken, aber sie müssen begreifen, daß Du erwachsen
bist und manchmal muß man es einfach direkt sagen. Mir tat es gut, als ich ihnen schrieb, ich hätte
nie den Mut gehabt es direkt zu sagen, weil sie mich dann auch wieder als "Spinnerin" bezeichnet
hätten, aber durch den Brief konnte ich aussprechen, ohne unterbrochen zu werden. Ich habe mir
viel zu lange gefallen lassen.

Es ist schwer sich zu lösen, und genau diese Schuldgefühle mit denen Du kämpfst, habe ich ebenfalls,
denn meine Eltern sind alt, sind jetzt alleine, keiner kümmert sich. Aber sie tragen dafür die Ver-
antwortung. Trotzdem fehlen sie mir, manchmal sehr.

Liebe Grüße, Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

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kornblumen
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Beitrag Mo., 03.10.2011, 13:23

Hallo Saffia!
Danke für deine antwort. Die tat gut. Ich hab auch schon einige briefe an meine eltern geschrieben, in denen ich versucht habe, meine sicht unserer beziehung zu beschreiben und ihnen klarzumachen, warum ich unsere beziehung als problematisch ansehe und warum es mir als kind oft schlecht ging (und heute deswegen manchmal auch). Die Reaktionen meiner eltern damals auf meine mails war entweder eine sehr vorwürfliche vonwegen "sowas sagt man nicht zu seinen eltern", "kläre das mit deiner psychologin" usw oder sie antworteten gar nicht, wollten auch nicht drüber reden und taten so, als gäbe es die mails gar nicht. Ein paar dinge konnten sie glaube ich auch verstehen, was ich in direkten Gesprächen merkte. Aber letztlich verfallen sie immer wieder in ihr passiv-vorwürfliches muster zurück.
So eine überfall-situation hatte ich diesen sommer auch mit meinen eltern. Es lief etwas anders, aber das prinzip war ähnlich: Ich verbrachte diesen sommer im ausland, was meine eltern erst irritierte (und sicherlich bei meiner mutter verlustängste auslöste) und sie dann veranlaßte, mich mit geschenken und mails zu überschütten. Das nahm vorallem bei meinem vater solche ausmaße an, dass ich ihm schreiben mußte, dass es zu viel ist (ich habs versucht, möglichst schonend zu formulieren). Seine smsse, mails und sein einmischendes verhalten war für mich unerträglich. Seitdem redet er nicht mehr mit mir, ignoriert mich, ist sarkastisch mir gegenüber...und verleugnet gleichzeitig, dass er ein problem mit mir hat, enttäuscht oder verletzt ist.
Meine eltern können nur ganz eng oder gar nicht. Sie sind entweder passiv und verschlossen oder übergriffig.

Ich möchte so gerne aus diesen gedanken an meine eltern herauskommen. Meine mutter hatte vor ein paar tagen geburtstag, deswegen ist es im moment wieder so "da". Ich schrieb ihr eine mail mit glückwünschen, relativ kurz, aber trotzdem nett, weil ich ihr ja auch an sich alles gute in ihrem leben wünsche. Auch wenn ich öfters mal echt aggressiv ihr gegenüber drauf bin (was ich ihr inzwischen kaum noch zeige). Es kam malwieder keine antwort und ich bin mir sicher, dass sie mir wieder vorwirft, dass ich sie nicht anrief und ihr keine postkarte schickte.

Hast du denn das gefühl, dass du deinen eltern alles wichtige gesagt hast? Oder überlegst du noch öfters, ihnen doch noch etwas zu erklären oder ihnen vorwürfe zu machen?
Ich bin nicht sicher, ob es gerade für mich besser ist, mich nochmal an meine eltern zu wenden nach dem motto: "Es tut mir leid, dass euch mein verhalten kränkt, aber mir geht es ohne eine gewisse distanz (was nicht kontaktabbruch bedeutet) zu euch nicht gut." oder ob ich es einfach jetzt dabei belassen sollte. Es aufgebe, mich zu erklären, weil wir uns sowieso nur im hamsterrad drehen.
Ich weiß, es ist schwer, dies von außen zu beurteilen. Aber was ist deine momentane haltung deinen eltern gegenüber?
Übrigens: Was auch bei erschwerend hinzukommt: Mein vater hat überhaupt keine freunde und meine mutter ist sehr labil, war auch schwer krank, bräuchte vermutlich eine psychotherapie. Klar, ich trage keine verantwortung für das wohlergehen meiner eltern. Ich sag mir dies auch immerwieder, aber es ist so schwer, dies wirklich zu verinnerlichen!
Viele Grüße!!

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saffiatou
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Beitrag Mo., 03.10.2011, 18:32

Liebe Kornblumen,

freut mich, wenn ich Dir mit meiner Antwort ein wenig helfen konnte.

Ich habe schon eine ganze Weile in der Therapie gebraucht, um zu erkennen, daß meine Eltern mir nicht gut tun.
Und auch da habe ich immer wieder die Verantwortung übernommen, wenn sie sich übergriffig verhielten. Sie haben
seit ich die Therapie mache (1,5 Jahre) niemals gefragt, warum ich mich immer mehr distanziert habe, sondern
die Schuld gleich auf meinen Partner geschoben. Mein Therapeut hat mir dann irgendwann geraten ihnen einen
Brief zu schreiben, aber ich hatte monatelang keinen Mut ihn abzuschicken, erst nach dem "Überfall" habe ich
mich getraut. Aber selbst da habe ich ihnen nicht alles sagen können, möchte sie noch immer "schonen", obwohl
sie sich nie Gedanken machen und sie mich mit ihren herabsetzenden Reden verlertzen.
kornblumen hat geschrieben:Die Reaktionen meiner eltern damals auf meine mails war entweder eine sehr vorwürfliche vonwegen "sowas sagt man nicht zu seinen eltern",
Meine Eltern reagieren gar nicht, als ob ich nie geschrieben habe, das war schon immer so, alles was schlecht ist
wird unter den Teppich gekehrt, oder, wenn ich auf eine Diskussion beharre, bin ich diejenige, die falsch liegt, sich alles
nur einbildet. Sie haben meine ganze Wahrnehmung vollständig zerstört.
kornblumen hat geschrieben:Aber letztlich verfallen sie immer wieder in ihr passiv-vorwürfliches muster zurück.
kornblumen hat geschrieben:und sie dann veranlaßte, mich mit geschenken und mails zu überschütten.
Weil sie sich einfach nicht vorstellen können, daß wir eben erwachsen sind und nicht mehr von ihnen abhängig.
Gerade diese Abhängigkeit in die meine Eltern mich manövriert haben, sie haben mich ebenfalls mit Geschenken
überhäuft, hat mich in meinen eigenen Entscheidungen gelähmt, ich habe mir nie zugetraut etwas selbst zu
bestimmen. Ich bin stolz auf mich, daß ich die letzten Geschenke, die sie zu diesem "Überfall" mitbrachten zu-
rückgewiesen habe. Jahrelang hatte ich wegen der Geschenke das Gefühl ich muß ihnen dankbar sein, darf nicht
widersprechen.

Meine Mutter hatte gestern Geburtstag und ich habe ihr eine Karte geschrieben, erst wollte ich gar nicht reagieren,
aber dann dachte ich ein Kärtchen ist ok. Ich bin noch nicht sicher, ob das eine gute Entscheidung war.

Meine Psychiaterin hat mir klar gemacht, daß ich mich von meiner Familie lösen muß, weil sie einfach destruktiv ist.
Sie hat mir immer wieder gesagt, wenn ich es nicht schaffe, möchte sie mich eine Weile in eine Klinik schicken,
zur Sicherheit. Genauso habe ich es in dem ersten Brief an meine Eltern dann auch formuliert, meine Mutter hat
daraufhin auf den AB gesprochen, daß, wenn ich in eine Klinik komme, ich ihr Bescheid geben soll, damit sie mich
dann regelmäßig besuchen kann. Sie hat nicht verstanden. Danach habe ich mich dann getraut den zweiten Brief
zu schicken, auf den sie bisher nicht geantwortet haben. Ich glaube sie sind schrecklich enttäuscht von mir.
kornblumen hat geschrieben:Hast du denn das gefühl, dass du deinen eltern alles wichtige gesagt hast? Oder überlegst du noch öfters, ihnen doch noch etwas zu erklären oder ihnen vorwürfe zu machen?
Nein, da ist noch so viel Unausgesprochenes, ich war ja auch in dem zweiten Brief sehr vorsichtig, habe vieles
weggelassen. Bin noch immer vorsichtig, weil ich ihnen nicht weh tun möchte, trotz allem nicht. Aber ich habe
erkannt, wie gut mir die Lösung tut. Als meine Mutter mich nach dem ersten Brief anrief und auf den AB sprach
ging es mir gleich schlecht.
kornblumen hat geschrieben:Aber was ist deine momentane haltung deinen eltern gegenüber?
Ich bin traurig, weil ich eine Familie vermisse, aber eine die ich nie hatte, die auf Liebe und Respekt basiert.
Ich hofffe, daß ich sie irgendwann nicht mehr so vermisse. Zur Zeit möchte ich keinen Kontakt mehr, Ich muß
erst einmal mit mir selbst klar kommen, mich aus diesen Fallstricken befreien und meine eigene Wahrnehmung,
die ja von ihnen immer negiert wurde schärfen. Sie haben regelrechte Gehirnwäsche betrieben.
kornblumen hat geschrieben:Was auch bei erschwerend hinzukommt: Mein vater hat überhaupt keine freunde und meine mutter ist sehr labil, war auch schwer krank, bräuchte vermutlich eine psychotherapie. Klar, ich trage keine verantwortung für das wohlergehen meiner eltern. Ich sag mir dies auch immerwieder, aber es ist so schwer, dies wirklich zu verinnerlichen!
Meine Eltern habe wenig Freunde, und treffen sie eigentlich nur zu den Geburtstagen, aber genau wie Du trage ich dafür
nicht die Verantwortung, auch wenn sie mir leid tun so alleine zu Hause. Ich möchte aber auch nicht mehr nur als Ihr
Entertainer da sein. Oft haben sie mir gesagt, ich soll vorbeikommen, weil sie sich selbst nichts mehr zu sagen haben.

Ganz liebe Grüße, Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

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kornblumen
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Beitrag Di., 04.10.2011, 00:14

Liebe Saffia!
saffiatou hat geschrieben:sondern
die Schuld gleich auf meinen Partner geschoben.
Das scheint ja auch ein typisches Phänomen zu sein, denn meine mutter hat auch eine ganze weile, als es darum ging, dass ich mit meinem leben nicht klarkomme, die schuld auf meinen damaligen freund geschoben. Schon erstaunlich, wie eltern, obwohl sie ja ganz klar lange zeit der haupteinflußfaktor auf ihr kind waren, sich so aus der verantwortung ziehen. Schon krass.
saffiatou hat geschrieben:Mein Therapeut hat mir dann irgendwann geraten ihnen einen
Brief zu schreiben, aber ich hatte monatelang keinen Mut ihn abzuschicken, erst nach dem "Überfall" habe ich
mich getraut.
Ich hatte damals am anfang meiner therapie meinen eltern eigentlich alles gesagt, was mich aufregte. Es fiel mir mit der unterstützung meiner therapeutin auch gar nicht so schwer, da sich so viel angestaut hatte und endlich rausmußte. Das waren eigentlich keine fiesen anschuldigungen. Aber ich hab schon sehr deutlich gemacht, dass ich mich emotional vernachlässigt fühlte und unser verhältnis als ziemlich schädigend empfinde.
Manchmal frag ich mich auch, wie hart dies für meine eltern war. Es sprudelte so viel frust und so viele vorwürfe aus mir heraus. Wobei ich nie unsachlich war, sie nie beleidigt habe. Ich kann leider kaum einschätzen, wie sehr es meine eltern traf, da sie halt letztlich immer so taten, als wäre nichts passiert
saffiatou hat geschrieben:Meine Eltern reagieren gar nicht, als ob ich nie geschrieben habe, das war schon immer so, alles was schlecht ist
wird unter den Teppich gekehrt, oder, wenn ich auf eine Diskussion beharre, bin ich diejenige, die falsch liegt, sich alles
nur einbildet.


Meine Mutter versucht wirklich IMMER, so zu tun als wäre alles harmonisch. Und, genau wie bei dir, wenn ich drauf beharre, dann wird sie sauer und macht mir vorwürfe, dass ich alles kaputtmache.
saffiatou hat geschrieben:Gerade diese Abhängigkeit in die meine Eltern mich manövriert haben, sie haben mich ebenfalls mit Geschenken
überhäuft, hat mich in meinen eigenen Entscheidungen gelähmt, ich habe mir nie zugetraut etwas selbst zu
bestimmen. Ich bin stolz auf mich, daß ich die letzten Geschenke, die sie zu diesem "Überfall" mitbrachten zu-
rückgewiesen habe. Jahrelang hatte ich wegen der Geschenke das Gefühl ich muß ihnen dankbar sein, darf nicht
widersprechen.
Ja, da muß ich noch ein bißchen an mir arbeiten: Ich hab in diesem Sommer die geschenke meiner eltern (hauptsächlich meines vaters) nicht rechtzeitig abgeblockt. Unser Kontakt war zu der zeit relativ entspannt (selten, aber wenn dann ganz ok) und ich traute mich erst nicht, die geschenke zurückzuweisen, obwohl ich bei jeder aufmerksamkeit, die zu der zeit kam, dachte "oh ne, nicht noch was". Aber der gedanke, jetzt wieder meine eltern zurückzuweisen, tat mir zu sehr weh. Ich ahnte halt, dass die situation eintritt, die nun da ist (da ich dann ja doch irgendwann mal sagte, dass es zu viel ist): Mein vater bricht den kontakt ab und meine mutter ist tief gekränkt und vorwürflich.
Da muß ich jetzt irgendwie mit klarkommen. Ich bereue es trotzdem natürltich kein stück, meine grenze gezogen zu haben. Denke ja, dass ich es nächstes mal noch viel früher tun muß. Vielleicht wirklich nach dem motto: GAR keine geschenke mehr. Keine ahnung, echt schwierig. Ich will ja auch nicht härter als nötig sein!
saffiatou hat geschrieben:Meine Mutter hatte gestern Geburtstag und ich habe ihr eine Karte geschrieben, erst wollte ich gar nicht reagieren,
aber dann dachte ich ein Kärtchen ist ok. Ich bin noch nicht sicher, ob das eine gute Entscheidung war.

Meine Psychiaterin hat mir klar gemacht, daß ich mich von meiner Familie lösen muß, weil sie einfach destruktiv ist.
Ich hatte auch hin und her überlegt. Eigentlich wollte ich ihr auch eine karte schreiben, aber nach meinem letzten besuch bei meinen eltern vor etwa 2 wochen war ich so angenervt und fertig, dass ich dachte: Lieber weniger. Telefonieren hatte ich sogar auch erst in erwägung gezogen, dachte dann aber: Da entsteht sowieso nur streit, weil mich schon ihre stimme gerade aufregt.
Also hab ich eine kurze mail geschrieben, ihr glückwünsche überbracht, aber auch geschrieben, dass eigentlich noch konflikte von meinem letzten besuch offen sind, wir dies aber besser ein andernmal besprechen. Ich bin auch nur so halb zufrieden mit dieser mail. Das liegt aber daran, dass ich mir nicht sicher bin, wieviel kontakt ich noch will: Wenig (aber noch probleme ansprechen) oder sehr wenig (und probleme nicht mehr ansprechen).
Hat deine mutter auf das kärtchen reagiert? Meine auf die mail nicht.

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kornblumen
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Beitrag Di., 04.10.2011, 00:17

Fortsetzung....

Was genau meinst du eigentlich mit destruktiv? Klar, unsere eltern tun uns nicht gut. Aber kannst du es noch etwas genau erklären? Gibt es da bei dir einen ganz speziellen destruktiven mechanismus? Ich würde in meinem fall sagen, dass die aggressiven anmerkungen meiner mutter auf jeden fall destruktiv sind. Und auch ihre ansprüche an mich. Mein vater, denk ich, verhält sich destruktiv, weil er sich abweisend verhält (der kontaktabbruch ist an sich auch schonmal destruktiv), dies aber gleichzeitig leugnet.

Und noch eine Frage: Was machst du denn derzeit, wenn deine mutter dir zb auf den AB spricht? Sagst du ihr, dass du dies nicht magst oder sagst du lieber nichts und machst den frust nur mit dir selbst aus?

Lieben Gruß und eine gute Nacht !

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saffiatou
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Beitrag Di., 04.10.2011, 15:50

Liebe Kornblumen,
kornblumen hat geschrieben:Was genau meinst du eigentlich mit destruktiv?
damit meine ich, daß meine Eltern alles, was ich mache schlecht reden, und abwerten. Sowie
ich es wage eine andere Meinung zu äußern, bin ich dumm, trotzig. Nichts was ich bisher gemacht
habe ist gut genug. Auch meine Gefühle und Emfindungen werden von ihnen als falsch bezeichnet,
so daß ich, selbst jetzt noch immer auf jemand (meinen Therapeuten, Freunde) angewiesen bin,
die mir sagen ich fühle richtig, ich selbst kann es überhaupt nicht einschätzen. Auch sagen sie
mir immer wieder, wie erstaunt sie sind, daß ich überhaupt Freunde habe, weil ich ihrer Meinung
nach viel zu bestimmend bin. Letztes Jahr hat meine Mutter mir gesagt, daß sie hofft, daß meine
Beziehung zerbricht, damit ich nicht nach England gehe (mein Partner wohnt in der Nähe von
London), ich habe sie gefragt, ob das ernst gemeint ist und sie sagte, das sie nicht will, daß ich
sie alleine lasse. Ich bin seit drei Jahren mit ihm zusammen und sie kennen noch nicht einmal seinen
Namen, weil er sie nicht interessiert.

Meine Mutter hat sich auf die Geburtstagskarte hin noch nicht gemeldet, ich glaube auch nicht, daß
da noch etwas kommt. Der letzte Anruf ist jetzt mehr als 2 Monate her. In dem Brief an sie habe
ich ihr gesagt, daß sie anrufen darf, ich aber kein Gespräch annehme, sondern auf Band aufzeichne,
weil ich nicht mit ihnen reden möchte. Allein als ich das Band dann abgehört habe, ging es mir wieder
schlecht. Ich brauche einfach für eine Weile eine große Distanz. Vielleicht haben sie das nun erkannt
und melden sich deshalb nicht.

Den Frust und die Enttäuschung lasse ich in der Therapie heraus. Außerdem habe ich einen wunder-
baren väterlichen Freund, der sich seit dem um mich kümmert. Er kennt mich viel besser als meine
Eltern.
kornblumen hat geschrieben:Schon erstaunlich, wie eltern, obwohl sie ja ganz klar lange zeit der haupteinflußfaktor auf ihr kind waren, sich so aus der verantwortung ziehen. Schon krass.
dieser Weg ist der einfachste, wenn sie die Verantwortung auf den Partner oder andere schieben können.
Ansonsten müßten sie bei sich suchen und in dem Weltbild meiner Eltern, machen sie nie Fehler.
kornblumen hat geschrieben: Ich hatte damals am anfang meiner therapie meinen eltern eigentlich alles gesagt, was mich aufregte.
Ich habe lange gebraucht, bis ich bereit war wirklich über meine Familie zu reden, ich hatte große Scham und Schuld-
gefühle, wegen der Mißhandlungen. Irgendwann brach es aus mir heraus. Selbst jetzt fällt es mir schwer darüber zu
reden, schon gar nicht mit meinen Eltern. Ich habe in dem Brief zwar davon gesprochen, aber die vorwürfe auch
da sehr allgemein gehalten. Sie haben mich noch immer im Griff.
kornblumen hat geschrieben: Meine Mutter versucht wirklich IMMER, so zu tun als wäre alles harmonisch. Und, genau wie bei dir, wenn ich drauf beharre, dann wird sie sauer und macht mir vorwürfe, dass ich alles kaputtmache.
auch bei uns wurde alles unter den Teppich gekehrt, ich denke meine Eltern nehmen es mir am meisten übel, daß
ich mit anderen (Therapeuten) darüber rede, es nicht mehr verheimliche.

ICh finde es immer wieder intressant, wie sehr sich diese Familiensysteme gleichen.

Liebe Grüße, Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

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Annah
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Beitrag Fr., 07.10.2011, 23:37

Liebe kornblumen und liebe saffiatou,

nun hake ich mich hier auch ein.
Aktuell befinde ich mich in derselben Situation wie ihr. Ich feile an der Distanz zu der deutlich destruktiven Bindung zu meinen Eltern. Ich wurde körperlich, sexuell und emotional missbraucht und habe nun so gut wie kein Grundvertrauen und eine verzerrte Wahrnehmung, mit der ich kämpfe. Natürlich sehen meine Eltern nichts, nur eine widerborstige Tochter mit zu viel Energie und Launen und regelmäßig verrückten Ideen. Die Therapie bringt deutlich erste Früchte, da ich mich sozial völlig verwandelt habe, diese Verzerrungen allmählich erkenne und nun endlich ein Ultimatuum an meine Eltern gestellt habe (keine Anwesenheit des Vaters, in keiner Form, sonst absoluter Kontaktabbruch - es tat so gut und scheint zu fruchten!).

Es ist faszinierend wie ähnlich sich die Sachlage darstellt.
Doch warum ist es nur so schwer?
Auch ich mache mir Vorwürfe, meine Mutter alleine zu lassen (obwohl sie dies mit mir ja stets zu Genüge getan hat), ihrem Mann den Todesstoß zu versetzen und der Familie somit den Lebenswillen zu nehmen. Aber warum stets diese Schuld?
Es ist konditioniert, es ist uns eingetrichtert worden und einfach so schwer aufzulösen.
Mir macht es Mut, von euch Beiden zu lesen, wie ihr stets nach vorne schaut (auch einen Kompromiss versucht, um völlig altruistisch ein mögliches Level zu halten - aber das ist eben sehr gefährlich und sicher nicht auf Dauer die Lösung, das wissen wir ja auch...)!
Wie steht es um euren Selbstwert? Könnt ihr ihn trotz Reaktionen konstant halten?

Oh, ich kenne dieses Totschweigen und beschwingte darüber-hinweg-Sehen so gut, kornblumen!
Ich glaube aber, dass es dafür einfach kene Änderung gibt. Das ist ja fast schon eine Lebenseinstellung...
Hast du denn auf irgendeine Art einmal Erfolg erzielen können, als sie abblockten? Funktioniert etwas denn besonders gut bei ihnen?

Es ist schön, euch zu lesen, ihr macht Mut! Ich danke euch!

MfG,

Annah

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saffiatou
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Beitrag So., 09.10.2011, 17:39

Liebe Annah,

lange habe ich genauso überlegt, mit meinem Therapeuten und einem guten Freund diskutiert, warum es trotzdem so schwer ist, sich von der Familie zu lösen. Einmal sind wir nun allein, alle anderen haben eine Familie, die sie liebt, aufnimmt und denen sie vertrauen können (sollten). Es ist niemand mehr da, und Freunde ersetzen meiner Meinung nach keine Familie, auch wenn es wunderbare Freunde sind.

Es gibt ja noch immer das Bild der Ideal Familie, das wir alle im Kopf haben. Wir sollen unseren Eltern dankbar sein, sie ehren und lieben. Und wenn wir uns entschließen zu gehen ist niemand mehr da. Noch immer ist es ein Tabu über die Mißhandlungen und den Mißbrauch in der Familie zu reden, oft wird den Kindern nicht geglaubt. Kinder sind selbst heute noch der Besitz der Eltern. Merkwürdigerweise steht nirgends geschrieben, daß Eltern ihre Kinder lieben sollen, auch in anderen Kulturen nicht.

Ich habe manchmal das Gefühl ich bin Schuld, weil die Familie wie ich sie mir immer gewünscht habe nun kaputt ist, meine Eltern sind
alleine, niemand kümmert sich. Ich muß Dankbarkeit zeigen, weil sie mir soviel geschenkt haben. Daß ich Schuld bin, weil sie mich
mißhandelt haben, weil ich mit "Fremden" darüber rede.

Gerade letzte Woche habe ich mit einem Freund darüber gesprochen, wie schwer es mir fällt, daß meine Eltern mich nach dem zweiten
Brief nicht reagieren. Anfangs war ich sicher, daß es besser ist, sie melden sich nie wieder. Aber im Moment vermisse ich sie, wobei ich
eigentlich die Eltern vermisse, die ich mir in meinen Phantasien immer erträumt habe. Ich fühle mich nun zurückgewiesen und glaube sie
wollen mich jetzt bestrafen. Es tut einfach sehr weh, auch sich darüber klar zu werden, daß man eigentlich nie wirklich geliebt wurde.

Mein Selbstwert ist schon immer sehr sehr gering. Manchmal habe ich das Gefühl, daß ich die ganzen Strafen verdient habe, daß
meine Eltern keine andere Möglichkeit hatten.

Liebe Grüße, Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

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Ragneda
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Beitrag So., 09.10.2011, 17:57

Hallo kornblumen,
Ich habe ein Problem damit, mich von meinen Eltern abzugrenzen. Wir haben ein Nähe/Distanz-Problem. Meine Mutter hängt sehr an mir und wird aggressiv oder weinerlich, wenn ihre völlig übersteigerten Erwartungen an mich nicht von mir erfüllt werden
Hallo? Deine Mutter ist eine erwachsene Frau. Es liegt in deinen Händen ihr die Grenzen zu zeigen. Lasse Dich nicht emotional von ihr manipulieren, Eltern können es leider, ganz genau spüren. Und je mehr Du Dich auf solche Spielchen eingehst, umso mehr werden sie es nutzen, den Blick "eines Unschuldslammes" dabei nicht ausgeschlossen.
Ich möchte mich oft am liebsten befreien, den kontakt abbrechen. Aber ich weiß, dass mir dies auch nicht gut tun würde.
Woher willst Du es wissen, wenn Du es noch nicht getan hast. Du musst ja nicht auf immer und ewig den Kontakt abbrechen, aber zeigen, dass es Dir einfach zu viel geworden ist. Entweder tun sie was an ihrem Verhalten, oder Du, bleibst stark, und lebst dein eigenes Lenen.

Ich habe es geschafft von meinen Eltern komplett zu distanzieren, indem ich den Kontakt ganz abbrach. Aber bei mir ist die Situation ganz anderes. Und es hat mir gut getan. Sehr gut sogar.
http://liebesforum.forumieren.de/

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münchnerkindl
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Beitrag So., 09.10.2011, 18:44

kornblumen hat geschrieben: Meine Psychiaterin hat mir klar gemacht, daß ich mich von meiner Familie lösen muß, weil sie einfach destruktiv ist.
Sag mal, deine Eltern nahmen und nehmen doch NULL Rücksicht auf deine Gefühle. Warum meinst du dann so viel Rücksicht auf ihre Gefühle nehmen zu müssen.

Wenn du das Gefühl hast an dem ganzen zu ersticken, dann schrei es halt einfach mal raus wenn du bei ihnen bist und dir mal wieder zum Platzen zumute ist. Wirf ihnen alles so an den Kopf wie es dir in den Sinn kommt ohne auf Höflichkeiten oder Empfindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. Lass all deinen Frust so raus wie er ist, dann dreh dich wutschäumend um und schlag die Türen hinter dir zu daß die Bude wackelt und geh ohne jedes Schuldgefühl nach hause und sei stolz auf dich, weil du endlich geschafft hast was du schon lange hättest tun sollen. Und dann blocke erst mal für die nächsten 6 Monate, oder wie lange ich immer du willst jeden Kontakt ab den sie suchen.

Diese Leute benutzen dich doch wie den letzen Fussabstreifer. Sie verhöhnen dich und misbrauchen dich als Opfer für ihre neurotischen Trips. Was schuldest du diesen Leuten? Absolut garnichts. Das ist doch wonach du dich schjon seit langer langer Zeit fühlst, oder? Warum tust du es dann nicht und schaffst klare Fronten und einen ehrlichen Umgang (ja, ehrlich, weil du nicht mehr lügst und rumheuchelst über deine wahre psychische Verfassung. Du erstickst doch an dieser Heuchelei schon seit Jahr und Tag)?

Distanz gewinnen kannst du bei solchen Leuten nicht auf "friedliche" und sozialverträgliche Weise. Du wirst massiv auf Konfrontation gehen müssen und den Konflikt aushalten der daraus resultiert. Nur so kriegst du deine Freiheit.

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Annah
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Beitrag Mi., 19.10.2011, 11:13

Liebe saffiatou,

wichtig ist, dass du dir immer bewusst bist, dass du nicht Schuld sein KANNST. Als Kind bist du den Eltern ausgeliefert und wenn sie dich missbrauchen, so KANN dies einfach nicht deine Schuld sein, denn als Kind übernimmst du KEINE Verantwortung.
Ich kenne diese Phasen, in denen ich mich auch durch diese Verzerrungen frage, ob nicht eigentlich alle ganz normal sind und ich allein die Wurzel allen Übels... aber dies passiert eigentlich immer nur nach Kontakt mit meiner Familie - so sehe ich welchen Einfluss sie trotz allem noch haben. Deshalb habe ich so gut wie keinen Kontakt... d.h. ich sehe sie nicht mehr, sende ihnen nur ab und an ein paar Photos (Lebenszeichen, nützt der Distanz, da sie dann seltener anrufen) und überlege nun, mich an Weihnachten komplett auszuklinken. Und mal ehrlich: Es geht mir verdammt gut.
Ich denke, du kennst diese Schieflagen auch... ein Grund mehr, radikaler zu werden, oder? ; )

Und natürlich verdienst du keine Strafen, du hast immer brav reagiert und bekommst nun Schuldgefühle, wenn du für dich allein agieren möchtest. Sieh dir doch an, wie verquer das ist!
Aber ich habe das Gefühl, du siehst das alles sehr genau, so wie du schreibst... du brauchst wohl nur noch ein bisschen Zeit...
Die Traumfamilie... ja, ich hättte sie auch gerne. Solange ich daheim wohnte, dachte ich, ich könne sie formen und machte mich dafür verantwortlich. Ganz falsch, meine Mutter tat schließlich nichts mehr - so etwas funktioniert nie.
Du hast absolut recht: Insgeheim werden wir uns wohl immer eine liebevolle, ehrliche Familie wünschen - aber das bleibt Traum. Aber: Es gibt auch viele andere Träume, Träume, die erfüllbar sind. Ich versuche, soweit möglich, eher diesen nachzuhängen. ; )

Liebe münchnerkindl,
du zeigst den besten Weg auf! Aber leider stehen eine ganze WEile eine ganze Menge psychischer Blockaden im Weg. Dauert eine Weile, das aufzuräumen, erst dann kann man durchpreschen. Aber schon bald. ; )


LG

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saffiatou
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Beitrag Mi., 19.10.2011, 19:31

Liebe Annah,

ja, ich fühle mich ihnen ausgeliefert und muß immer die Verantwortung für sie tragen. Selbst heute noch
spielen sie mit mir. Letzte Woche rief mich meine Mutter an, es ist jetzt zwei Monate her, daß ich den
Brief abgeschickt habe und von ihr so lange keine Reaktion bekam. Nun hat sie auf meinen AB gesprochen,
daß mein Vater krank ist, er hatte einen Schlaganfall. Sie wollte gerne mit mir reden, aber ich war durch
den Anruf und ihre Stimme zu hören so erstarrt, daß es nicht möglich war zurückzurufen.

Ich habe ihr einen erneuten Brief geschrieben, daß ich nicht mit ihr telefonieren kann. Ich kämpfe mit mir,
die richtige Entscheidung zu treffen, meinen Vater zu besuchen oder nicht. Kann ich damit leben, wenn er
stirbt und ich ihn nicht noch einmal gesehen und mit ihm gesprochen habe? Ich weiß nicht, wie ernst der
Zustand ist, weil meine Mutter noch nicht wieder geantwortet hat.

Wenn ich hinfahre, dann werde ich nicht in der Lage sein, meine Vorwürfe gegen sie erneut zu erheben,
weil ich Rücksicht nehmen muß und meine Mutter wird das als Signal nehmen, daß alles wieder ok ist,
das ist es für mich eben nicht.

ICh kämpfe jetzt so lange, mich aus den Fallstricken zu befreien, wenn ich denke, ich habe es geschafft, dann
kommen sie wieder mit neuen Spinnenfäden. Sie schaffen es immer wieder mich einzufangen mir ein
schlechtes GEwissen einzureden.

EIgentlich habe ich ja seit Anfang des Jahres keinen Kontakt mehr zu ihnen, ab und zu hat meine Mutter an-
gerufen, aber sie erzählte mir dann immer wie schlecht es ihr geht, weil ich krank bin und eine Therapie
mache. Irgendwann bin ich dann auch nicht mehr ans Telefon gegangen, habe alle GEspräche auf den
AB auflaufen lassen. ICh versuche es, aber manchmal denke ich dann, sie sind alt, alleine, krank...

Aber dann wieder, ist mir schon bewußt, daß es nicht meine Verantwortung ist, sie haben es sich aus-
gesucht.

Weihnachten?? ich habe das letzte Weihnachten schon alleine ohne Familie verbracht, hätte das Falsche
"wir sind eine tolle Familie" nicht ertragen. Dieses werde ich ebenfalls alleine sein, hoffe, daß ich es schaffe
ihnen klarzumachen.

Ich habe einen väterlichen Freund, der sich unglaublich lieb um mich kümmert, das tut gut, ist mein Wunsch-
Papa.

@Münschnerkindl

ja sicher nehmen sie keine Rücksicht auf mich, aber ich habe lange gebraucht um das System zu durchschauen.
Immer traten sie als die Super Eltern auf, nach außen. Mich haben sie mit Unmengen von teuren Geschenken
gehalten, gekauft.

Weißt Du, ich würde so gerne mal wütend werden, kann es aber nicht (noch nicht). Mein Leben lang mußte ich
meine Gefühle so beherrschen, durfte sie nicht zeigen, weil es dann nur Mißhandlungen gab, wenn ich wütend
wurde, oder später wurde ich dann psychisch mißhandelt. Jetzt habe ich manchmal Angst, meine Kontrolle zu ver-
lieren, wenn ich meine Gefühle herauslasse, habe auch Angst, daß da dann Gefühle hochkommen, die ich nicht
ertrage.

Ich weiß genau, daß meine Eltern sehr enttäuscht von mir sind, weil ich den Brief geschrieben habe, daß ich
meine Familie nun in einem anderen Licht sehe, nicht mehr strahlend leuchtend, daß ich mit anderen darüber
gesprochen habe, ich denke, daß ich für sie das Schlimmste, daß ich es nicht mehr geheimgehalten habe.

Ich muß nun mal überlegen, wie ich meinen Vater vielleicht im Krankenhaus besuche, am besten, ohne daß
meine Mutter es mitbekommt.

Liebe Grüße, Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

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Thread-EröffnerIn
kornblumen
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Beitrag So., 30.10.2011, 00:16

Hallo! Ich war so lange nicht auf dieser Seite und habe gar nicht gesehen, dass ihr noch weiter über das thema geschrieben habt!
Ich bin mir eigentlich sicher, dass ich diese weihnachten, wie ihr, nicht zu meinen eltern fahren werde. Manchmal beschleicht mich wieder ein gefühl von "ach, ist es nicht doch zu traurig, so alleine fern von der familie an weihnachten zu sein?". Genau wie bei dir saffiatou: Da kommt dann wieder mein wunsch nach einer heilen familie durch, nach geborgenheit usw. Aber wenn ich dann wieder an meinen letzten besuch denke: Wie ich im wohnzimmer mit meinen eltern saß....ich fühlte mich da plötzlich so alleine, weil ich merkte, wie verkorkst unsere beziehung ist. Ja, Annah: Mein selbstwertgefühl leidete unter dieser situation noch tage später. Ich war plötzlich demotiviert, antriebslos, lustlos und einfach wütend. Und ich hatte mir geschworen, das nächste mal meinem vater (der sich unmöglich verhielt) in der situation zu sagen, dass ich mir sein verhalten nicht gefallen lasse.

Münchnerkindl: Ich hatte so einen ausbruch meinen eltern gegenüber schon, bei dem ich ihnen alles sagte, auch schon sehr ausführlich und nicht nur ein mal. Das problem ist nur: Meine eltern ignorieren dies. Sie ziehen sich zurück und tun ein paar tage später so, als hätte ich nie was gesagt. Das ist ja das frustrierende!
Ich möchte meinem vater auch gerne noch sagen, dass ich sein aktuelles verhalten so nicht akzeptiere, hab aber im moment noch nicht den richtigen weg gefunden. Aber spätestens, wenn ich meinen eltern sage, dass ich weihnachten nicht komme, werde ich darüber mit ihnen sprechen. Das problem ist ja: Ändern kann ich sie sowieso nicht. Wenn ich noch mit ihnen zu tun haben möchte, dann muß ich lernen, sie mit ihren macken zu akzeptieren. Ist halt die frage: Wie viel laß ich mir gefallen? Was schadet mir? Ich bin mir da noch nicht so sicher.
Saffiatou: Wie ging es mit deinem vater weiter? Ich kann verstehen, dass die situation sehr schwierig für dich ist. In meiner familie gab es in den letzten monaten auch krankheitsfälle (Tante, Großvater) und ich fühlte mich immer erst überfordert, darauf zu reagieren. Aber ich war nicht im krankenhaus, hab nur mit ihnen telefoniert. Meine therapeutin bestärkte mich damals sehr und unterstützte mich, auf mein gefühl zu hören und mich nicht von einem pflichtgefühl leiten zu lassen.

Was ich übrigens schwierig finde: Da meine mutter ja immer so harmonisch tut und so unendlich gerne eine ganz innige beziehung zu mir hätte, hab ich oft die fantasie, ich bräuchte nur mit offenen armen auf sie zugehen und dann wäre alles gut. Dass meine mutter null auf mich eingehen kann und es ihr ja letztlich nur um sich selbst geht, also darum, dass ich sie glücklich mache, das übersehe ich dann so oft. Meine mutter ist irgendwie wie ein kleines mädchen, das liebe braucht und anfängt zu treten oder zu weinen, wenn ich mal meine grenze ziehe.

Mir geht es inzwischen jedenfalls wieder besser. Mein letzter besuch ist jetzt ein paar wochen her...aber so richtig aufgearbeitet ist er noch nicht. Und ich schleppe schuldgefühle mit mir herum (merke ich vorallem an meinen nackenschmerzen ), obwohl ich "weiß", dass ich sie nicht haben brauche.

Kennt ihr eigentlich dieses gefühl "ach herje, ich bin ja manchmal wie meine mutter"? Ich bin manchmal freunden gegenüber auch so fordernd, versuche dann allerdings, meine erwartungen zu überdenken und die bedürfnisse meiner freunden zu sehen. Also, ich würde sagen, ich bin da schon viel weiter als meine mutter, aber trotzdem merke ich manchmal, dass ich doch auch ähnlichkeiten mit ihr habe....unangenehm .

Gute Nacht !

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saffiatou
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Beiträge: 3633

Beitrag So., 30.10.2011, 12:09

Liebe Kornblumen,

ich habe beschlossen Weihnachten keinesfalls mit meiner Familie zu verbringen. Ja! ich will eine heile
Familie, und es tut so weh sich darüber im klaren zu werden, daß man nie geliebt wurde. Aber ich habe
in den letzten Tage festgestellt, daß es einfach nicht mehr geht.

Ich werde auf einer sachlichen Ebene ab und zu Kontakt zu meinen Eltern haben, sie wollen! nicht verstehen.

Letzten Samstag hatte meine Mutter angerufen, da ich wissen wollte, wie es meinem Vater jetzt geht,
habe ich das Gespräch angenommen, was ich in den letzten Monaten nie genmacht habe. Es geht ihm zum
Glück wieder gut und er ist zu Hause.

Dann hat meine Mutter mich gefragt, wann ich denn nun umziehe, und ob ich ihr vorher noch die neue Adresse
gebe. Ich habe nicht vor umzuziehen und war ratlos, bis mir im weiteren Gespräch klar wurde, sie meint die
Klinik, in die ich nächste Woche gehe. Bevor sie zugibt, daß ihre Tochter hat psychische Probleme und deshalb
in eine Klinik muß, fallen Weihnachten und alle anderen Feiertage auf einen Tag. Also verdrängt sie und bezeichnet
es als Umzug!

Dann hat sie meine Alträume, die ich als Kind immer hatte angesprochen, ich bin Nachts dann immer zu ihr gelaufen,
weil ich Angst hatte. Sie war genervt, und nach ein paar Nächten hat sie mir gedroht, daß sie in Zukunft Heftzwecken
streut. Heute behauptet sie, daß sie ja nie wußte, daß ich Alpträume hatte und sie nur Angst hatte, daß ich Nachts
die Treppe herunterfalle. Danach hat sie mir von ihren viel viel schlimmeren Aplträumen berichtet.

Die ganzen anderen Mißhandlungen und Übergriffe hat sie schon wieder zur Seite geschoben, sie existieren nicht. Meine
Mutter ist der Meinung, daß nun alles wichtige aus meinem Brief angesprochen wurde und alles ok ist. Sie fragte mich
auch, gleich im Anschluß, ob sie mich nicht endlich mal wieder besuchen können.

Ich weiß nun ganz klar, daß es einfach nicht geht, sie werden mich niemals verstehen, werden niemals zugeben, was
sie mir angetan haben.

Sicher habe ich Freunde, ganz wunderbare, aber sie sind keine Familie und ich denke, genau deshalb fällt es mir auch
so schwer, wenn ich mich jetzt ganz löse, dann habe ich keine Familie mehr, niemanden. Und auch das ist gerade in
dieser Weihanchtszeit so schwierig, wenn alle Familien zusammen feiern. Ich ertrage es aber auch nicht, daß ich bei
Freunden bin, und eine heile Familie erlebe.

Genau wie Deine Mutter macht meine auch immer auf Harmonie, und glaubt noch immer, daß wir eine wunderbare Beziehung
haben. das hatten wir auch, solange sie mich wie ein Kleines Kind behandlen konnten und ich mich absolut untergeordnet
habe.

Liebe Grüße, Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

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