Hinter der Familien-Fassade - Missbrauch

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Füchsin
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Hinter der Familien-Fassade - Missbrauch

Beitrag Mi., 20.07.2011, 18:23

Hey Ihr!

Es ist das erste Mal, dass ich so offen darüber schreibe... Vielleicht geht es auch deshalb, weil so viele hier sind und man anonym sein kann.

Ich habe mich unheimlich schwer damit getan, für mich selbst anzuerkennen, dass mein Vater mich missbraucht hat. Dazu muss ich sagen, dass ich auch immer dazu neige, die Vorfälle, die seit meiner frühen Kindheit auf die eine oder andere Art fortdauerten, herunterzuspielen. Das geht mir auch jetzt wieder so, da ich lese, was andere hier so erleben und ertragen mussten. Und natürlich sät meine Herkunftsfamilie immer wieder Zweifel, indem sie alles bagatellisiert oder leugnet. Also vorweg: Mein Vater hat mich nicht vergewaltigt oder anderweitig zum Sex gezwungen. Lange Zeit bin ich mit der Auffassung durch die Welt gelaufen, dass also alles ganz normal gewesen ist und das, was mir geschehen ist, nicht als Missbrauch zu zählen ist. Inzwischen weiß ich es besser, aber es ist schwer, angemessen damit umzugehen.

Ich habe den Kontakt zu meinem Vater abgebrochen, als er mir an Weihnachten 2008 an meine Brust gefasst hatte - vor den Augen meines Mannes und denen meiner Mutter. Da war für mich endgültig klar, von dem kann ich mich nicht länger demütigen lassen. 32 Jahre hab ich gebraucht, dahin zu kommen und mich von diesem Menschen endlich abzugrenzen.

Übergriffig war er schon immer. Als wir klein waren, küsste er uns auf eine Weise, wie man Kinder nicht küsst. Ich habe mich immer davor geekelt, aber ausweichen konnte ich ihm nicht. Ich bin noch heute heilfroh, dass mein Mann kein Bartträger ist, denn diesen Schnauzbart verabscheue ich und werde es immer tun. Als ich dann irgendwann weiblicher wurde, wurde es mehr. Ich hatte in diesem Haus keinerlei Privatsphäre. Ich musste das Bad mit ihm teilen und mich vor ihm nackt ausziehen (wenn ich nicht zu spät in die Schule kommen wollte, war das unumgänglich). Er machte immer wieder Kommentare über meinen Körper - insgesamt ist mein Vater extrem sexfixiert und kennt keine Grenzen, und er zieht alles in den Schmutz mit seinen fiesen Kommentaren. Irgendwann, ich weiß nicht mehr wann, hat er sich dann angewöhnt, sich morgens zu mir ins Bett zu legen und unter meinen Schlafanzug zu greifen, mir an die Brüste zu gehen, an den Hintern, sich an mich zu drängen. Ich habe nur die Wand angestarrt und gehofft, dass er bald wieder abhaut. Ich habe mich teilweise auch schlafend gestellt. Hauptsache nur, er geht bald wieder.

Was er aber nicht tat. Statt dessen warf er mir noch vor, dass ich morgens immer so unglaublich unfreundlich sei. Einmal sprach ich meine Mutter an, dass ich nicht möchte, dass er morgens ins Bett kommt, aber sie sagte nur zu mir, ich solle ihm das selber sagen. Sie hat nie ein Wort darüber verloren, sich nicht auf meine Seite gestellt.

Das ging ganz lange so, bis ich ausgezogen bin zum Studieren. Aber auch danach hat er mich teilweise ziemlich ungeniert angefasst, hat mich angestarrt, mit Blicken ausgezogen, anzügliche Kommentare über die Beziehung zwischen mir und meinem Jetzt-Mann gemacht, alles verdorben. Dazu kam, dass sich mein Vater bei mir über seine Affären auskotzte und darüber, wie wenig lebendig und offen meine Mutter sei und wie wenig sie sexuell auf ihn eingehe. Er schilderte mir in allen Details, was er mit seinen jeweils aktuellen Geliebten machte. Und ich habe das aufgesogen wie ein Schwamm, weil er mich wie eine Verbündete behandelte, und ich wünschte mir doch nichts mehr als seine Liebe (was für eine tragische Verwechslung - ich sollte nur sein Ego streicheln, sonst nichts). Meine Mutter kam ihrerseits zu mir und beschwerte sich, wie wenig gefühlvoll mein Vater mit ihr umging, dass er immer nur über sie "drüberrutschte"...

Die Dimension dieses Missbrauchs wurde mir erst in den letzten Jahren klar, in meiner Therapie und auch in langen Gesprächen mit meinem Mann. Jetzt sehe ich klar, und alles fällt zusammen wie Puzzleteile. Dass ich immer ein Gefühl von knochentiefer Angst bekommen hatte, wenn mir jemand über die Brustwarzen streichelte, und dass ich dieses Gefühl nicht einordnen konnte. Dass mich sämtliche Kontakte zu männlichen Wesen zu Eis gefrieren ließen, sobald es körperlich wurde, und ich mich fürchtete, darauf einzugehen. Aber andererseits hatte ich das Gefühl, es zu müssen - keine Wahl zu haben, mich fügen zu müssen, "weil es nun einmal dazu gehört". So war das auch mit dem 30jährigen, mit dem ich als 16jährige zusammen war. Irgendwann wurde es körperlich, aber ich habe mich nur schreckhaft da hineingefügt, genossen habe ich es nicht. Ich schätze, ich habe wohl dissoziiert.
Zuletzt geändert von Füchsin am Mi., 20.07.2011, 18:27, insgesamt 1-mal geändert.

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Füchsin
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Beitrag Mi., 20.07.2011, 18:25

Einmal wäre es fast dazu gekommen, dass ich mit einem Jungen aus meiner Clique geschlafen hätte, so im Alter von ca. 17 Jahren, aber dazu kam es nicht, weil ich mich vor seinem Penis so dermaßen erschreckt habe... Ich kann diesen Schrecken noch immer nicht einordnen, weil ich nicht weiß, ob es Dinge gibt, an die ich mich nicht erinnern kann. Aber ich weiß, dass der Schrecken unverhältnismäßig war. Damals ließ ich in meinem Tagebuch einige Seiten leer, nachdem ich einen einzigen Satz über dieses Beinahe-Ereignis geschrieben hatte - ich hatte zu viel Angst und konnte das alles nicht benennen. Mit einem anderen Freund machte ich nach kurzer Zeit Schluss, weil er mich, wie ich damals schrieb, dauernd nur küssen wollte. Das Knutschen wäre vielleicht für mein Alter durchaus angemessen gewesen, aber ich konnte damit nicht umgehen. Vor allem nicht mit seinen Zungenküssen.

Ich schreibe das alles mit großer Mühe, es fällt mir echt schwer, darüber zu schreiben. Ich habe mir schon oft anhören müssen, ich hätte nur Selbstmitleid, das alles sei kein Missbrauch. Als ich vor knapp zwei Jahren meiner Mutter davon berichtete (in einer letzten Hoffnung, Verständnis von ihr zu erfahren), blieb sie eiskalt und stumm und ließ das alles an sich vorbeigehen. Seitdem habe ich jegliche Illusion darüber verloren, dass meine Mutter auf meiner Seite stehen könnte.

Allein, wenn ich an die körperliche Nähe denke, die mein Vater sich immer erzwungen hat, wird mir fast schlecht. Dieser letzte Vorfall zu Weihnachten 2008 war der Schlusspunkt, aber er lief genau so ab wie alle anderen Begegnungen zwischen uns. Eine erzwungene Umarmung, in der er mich länger festhielt, als ich es wollte. Der Versuch, mich auf den Mund zu küssen. Dauernde Streicheleien an den Knien (worauf ich irgendwann den Sitzplatz wechselte), und zur Krönung des Abends dieser Griff an meine Brust... Das war zu viel. Ich wusste, dass ich mir das nicht länger antun wollte, auch wenn das bedeutete, meinen Vater zu verlieren (der er ohnehin nie war).

Nach außen hin war immer alles toll, wir waren gut angezogen, adrett, gut in der Schule, mein Vater verdiente gut, meine Mutter konnte repräsentieren, alles happy. Mein Vater gilt noch immer im Ort als totaler Charmeur, als jovialer und witziger Sangesbruder, Kollege und Freund. Aber hinter dieser Fassade ist er ein Dreckschwein, und meine Mutter war zu feige, sich für ihr eigenes Kind einzusetzen.

Mein Vater hat mir mein Sexualleben völlig versaut. Ich konnte nur entweder die Mimosen-Variante ("Fass mich bloß nicht an!") oder die wilde, ungehemmte Variante, die mit keinerlei Gefühl verbunden war. Ich verwechselte in meiner Studentenzeit oft sexuelles Interesse mit Anerkennung, was in manchem One-Night-Stand endete, der mich nur noch gefühlloser zurückließ. Mein Mann hat später unter all dem ganz schön gelitten, aber langsam wird es besser mit uns beiden, auch wenn eine Menge Tränen fließen, wenn ich "Nein!" sage und direkt im Anschluss an meinen Schuldgefühlen nage, weil ich denke, er hat doch ein Anrecht "darauf". Er sieht es selbst nicht so, er sagt immer, ich solle nur tun, was ich selbst wirklich will. Er hat eine Menge Geduld und Verständnis in dieser Sache. Aber natürlich ist da auch immer die Angst, er sucht sich mal eine andere - wie mein Vater es tat - wenn er von mir nicht bekommt, was er will. Und damit tue ich meinem Mann schon wieder Unrecht, denn ich weiß, er ist mir treu und liebt mich, und es verletzt ihn, wenn ich sowas mutmaße.

Ich will nicht länger mit dieser scheußlichen Hypothek leben. Ich will irgendwann mal mein Menschenrecht auf eine unbefangene, lustvolle, freie Sexualität leben können. Mit meinem Therapeuten konnte ich über diese Ereignisse in den zweieinhalb Jahren Therapie, die hinter mir liegen, nur ansatzweise reden. Ich spürte immer, dass da noch ein Hindernis ist. Vielleicht geht es irgendwann einmal, aber in der jetzt abgeschlossenen Therapie war es wohl einfach noch nicht so weit. Ich habe immer nur unpersönlich berichtet, keine Spur von dem Ekel und den Tränen und der Hilflosigkeit - so, als ob ich über jemand anderen sprechen würde. Dabei hatte ich großes Vertrauen zu ihm... Aber da sollte ich wohl geduldiger mit mir sein, der Zeitpunkt kommt vielleicht noch.

Die Füchsin

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Ilios
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Beitrag Mi., 20.07.2011, 19:10

Du bist sehr muetig, all das hier so aufzuschreiben, liebe Fuechsin. Meinen Respekt hierfuer.

Ich denke, die Geschichte spricht fuer sich und muss nicht grossartig kommentiert werden.

Ich moechte dir nur sagen, dass auch ich nie vergewaltigt wurde und dennoch liegt bei uns beiden eindeutiger sexueller Missbrauch vor. Ich moechte das mal klarstellen, an all die anderen Maedels und Frauen da draussen, dass KEINE Vergewaltigung vorliegen muss und es dennoch sexueller Missbrauch ist.

Liebe Gruesse.
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Füchsin
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Beitrag Do., 21.07.2011, 11:18

Danke, Ilios.

Nach allem, was ich mir schon anhören durfte (unter anderem, ich hätte bestimmt nur die Gutenacht-Küsschen meines Vaters missverstanden und würde aus Bequemlichkeit jetzt rückwirkend meine Eltern für alles verantwortlich machen, das in meinem Leben schief liefe...) ist es echt wohltuend, wenn man das Bild gerade gerückt bekommt.

Ich habe immer Schwierigkeiten, weil man nunmal diese inneren Verletzungen nicht "beweisen" kann. Ich habe früh genug beigebracht bekommen, dass meine Gefühle nicht zählen, dass nicht wichtig ist, was ich empfinde, und so haben sich meine Eltern auch immer verhalten. Meine Mutter kühl-gleichgültig, mein Vater grenzüberschreitend. Ist ja egal, dass ich morgens mit Herzklopfen im Bett lag aus Angst, er kommt... Dass ich wie unter Strom oft früher aufgestanden bin, damit ich ihm zuvorkomme. Dass er meine Haut berührt hat, ohne dass ich es wollte. Dass er sich an mir aufgegeilt hat. Sind ja alles nur Gefühle, die ich da habe - so wurde es immer behandelt.

Vor ein paar Jahren starb meine alte Nachbarin, und weil mein Vater sie gut gekannt hatte, sind wir zusammen auf die Beerdigung gegangen. Als er mich abholen kam, fragte er scheinheilig "Hast Du 'ne neue Hose?" und starrte mir so unverschämt auf den Hintern, und mit der Hose hatte das wenig zu tun. Immer hat er mich zum Objekt gemacht, und ich hasse ihn dafür. Es ist, als ob alles dreckig wird, was er anfasst und ansieht. Und ich hab's so lange mitgemacht, ohne mich zu wehren. Dachte immer, das wäre normal und habe mich sogar geschmeichelt gefühlt, weil er mich zumindest endlich einmal sah... Ein Teil von mir verachtet mich noch heute dafür.

Die Füchsin

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Ilios
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Beitrag Do., 21.07.2011, 11:33

Oh, ich weiss so gut, wie du dich fuehlst, liebe Fuechsin.

Ich habe 36 Jahre lang an meinen Gefuehlen und Wahrnehmungen aus meine Kindheit und Jugend gezweifelt. Und warum? Weil es mir 19 Jahre lang eingehaemmert wurde, dass das, was ich fuehle, falsch sei.

Wenn ich mich beklagte, oder weigerte weil ich irgendwas als "nicht richtig" empfand (also ein von mir wahrgenommenes Gefuehl aeusserte), dann wurde es sofort heruntergespielt, als ein "das bildest du dir ein", "da ist doch nichts dabei", "spinn dir doch nichts zusammen" oder "stell dich nicht so an". 19 Jahre lang musste ich das anhoeren, Tag fuer Tag, bei ALLEM, was ich sagte oder tat. Da ist es doch kein Wunder, dass ich dies alles uebernahm und irgendwann meinen Wahrnehmungen nicht mehr traute. 19 Jahre Gehirnwaesche (und nichts anderes ist es!) verlangen ihren Preis. Ich war dieser Preis.

Ich empfand den emotionalen und psychischen Missbrauch als viel schlimmer, als den sexuellen Missbrauch meines Erzeugers (was nun naterlich nicht bedeutet, dass sexueller Missbrauch nicht schlimm ist!).
Es ist wahr, meine Eltern haben mich nie geliebt!

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Füchsin
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Beitrag Do., 21.07.2011, 11:41

Nein, beides geht ja zwangsläufig zusammen. Sexueller Missbrauch geht nicht ohne psychischen. Denn wenn einer Dich missbraucht, kommt automatisch ein Gefühl des Ekels, der Abwehr - und das muss dann unterminiert werden, der natürliche Widerstand dagegen muss gebrochen werden, sonst funktioniert es nicht. Ich habe niemals aufbegehrt gegen meinen Vater, also hatte er es auch nicht nötig, mir zu drohen. Es war immer unumstößlich so, dass er die Macht in unserem Hause hatte. Das hat er früh genug verdeutlicht, teilweise auch mit Schlägen. Ich habe immer, so lange ich denken kann, Angst vor ihm gehabt. Als es so weit war, dass er mich missbrauchte, hatte er es nicht mehr nötig, irgend ein Kontrollgerüst aufzubauen.

"Stell Dich nicht so an!", dieser Satz war auch bei uns Gang und Gäbe. Er hat sich tief und schmerzhaft eingeschnitten.

Es tut gut, sich mit Dir auszutauschen, Ilios. Danke dafür.

Die Füchsin


Waldschratin
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Beitrag Do., 21.07.2011, 11:45

Ilios hat geschrieben:Ich empfand den emotionalen und psychischen Missbrauch als viel schlimmer, als den sexuellen Missbrauch meines Erzeugers (was nun naterlich nicht bedeutet, dass sexueller Missbrauch nicht schlimm ist!).
Mir geht es da genauso!
Den körperlichen/sexuellen Mb und auch den rituellen,den kann ich an bestimmten Erlebnissen "festmachen",da hab ich greifbare Bilder dazu - damit konnte ich gezielter dran arbeiten.

Den emotionalen Mb,der um das Ganze rundrum stattfand,an dem knuser ich noch immer rum,obwohl ich die Traumatisierungen inzwischen integrieren konnte.

Aber das "verwebt" sich dermaßen mit dem eigenen Innenleben,grade,wenn es durch die eigenen Eltern geschehen ist,also "von Anfang an" sozusagen - daß es ne verd*** Fitzeles-Arbeit ist,diese alten Muster aufzuspüren und "geknackt" zu bekommen.

Liebe Füchsin,
ich hab übrigens auch jede Menge in die Richtung mir anhören dürfen,von wegen "Stell dich nicht so an!",neben manchem Mal,wo es hieß "Wird schon nicht so schlimm gewesen sein".
Diese "Abwehr- und Schutzhaltungen" begegnen einem also nicht nur,wenn man "nur" Übergriffe erlebt hat - Ich hab in der Beziehung bis hin zur F*lter so ziemlich alles erleben "dürfen",und als ich die ersten Male mich getraut hab,davon zu berichten (Thera),wurde mir nicht geglaubt,sondern "Partei ergriffen" für meine Eltern...

Weil es halt nicht geben "kann",was es nicht geben darf!

Da stellen sich manchmal ganze Dorfgemeinschaften fast geschlossen hinter die Täter und greifen lieber die Opfer an,schieben ihnen die Verantwortung zu,als daß mal anerkannt wird,daß Übergriffe Verbrechen sind,und nicht "Kavaliersdelikte".

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Ilios
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Beitrag Do., 21.07.2011, 11:52

@ Fuechsin: Ja, sicher gehoert beides zwangslaeufig zusammen, ich habe nur versucht, fuer mich zu differenzieren. Zur Erklaerung: Ich wurde 19 lang tyrannisiert und psychisch missbraucht; der sexuelle Missbrauch fand "nur" waehrend meiner Pubertaet statt, also ueber einen wesentlich kuerzeren Zeitraum. Deshalb empfinde ich noch heute die psychischen Demuetigungen, Qualen und Folter als wesentlich schlimmer. Die Auswirkungen davon spuere ich noch heute - sexuell habe ich keine Schwierigkeiten.

"Stell dich nicht so an!" Jeder Buchstabe davon war wie ein Peitschenhieb. Wenn ich heute ein "spinnst du" hoere, haut es mich regelrecht aus den Schuhen.

Ja, es tut mir auch gut, mich mit dir auszutauschen. Danke .
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Füchsin
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Beitrag Do., 21.07.2011, 12:08

@Waldschratin:

Dass Dir dann auch in der Therapie die Unterstützung versagt wurde, ist entsetzlich. Ich kann mir nur ansatzweise vorstellen, was Du hast durchmachen müssen.

Ich glaube, dass sich heute noch immer nicht wirklich getraut wird, die Machtstrukturen in Familien zu hinterfragen. Kinder stehen in der Hierarchie ganz unten, und mit denen kann man halt machen, was man will. Geglaubt wird ihnen auch nicht. Deswegen regt es mich auch immer noch so auf, dass keiner den Missbrauch in der Familie wirklich mal zum Thema macht. Immer ist es der böse Triebtäter hinterm Gebüsch, der Kinder mit Süßigkeiten lockt, oder neuerdings katholische Priester (wobei ich das nicht kleinreden will). Aber was sich hinter den Türen "ganz normaler" Familien abspielt, das will keiner wissen.

@Ilios:

Ja, die Gewichtungen sind da sehr unterschiedlich, aber psychischer Missbrauch ist keinen Deut weniger schlimm als körperlicher. Anerkannt wird das aber leider immer noch nicht. Vor allem auch deshalb, weil sich Eltern (und auch andere) immer rausreden können, es sei ja nichts gewesen. Seelische Narben sieht man nicht. Die sieht man nur dann, wenn mal wieder jemand vor einen Zug getreten ist, weil er das Leben nicht ausgehalten hat. Aber da ist dann die Fassungsloigkeit immer groß, und alle wundern sich, woher es wohl kommen mag...

Meine Mutter kam mit "Sooo oft seid Ihr nicht geschlagen worden!" und "Soo schlimm war das alles nicht!", aber den Gipfel hat sie allem aufgesetzt mit "Ich hatte es auch ganz schön schwer!". Es ging ihr aber immer nur um die eigene Haut, nicht um uns.

Die Füchsin

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Ilios
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Beitrag Do., 21.07.2011, 12:19

Oh man. Diese Parallelen sind unglaublich.

Ich kann gerade nur entsetzt den Kopf schuetteln.

Es tut so gut, wenn man merkt, dass man seinen Empfindungen trauen kann und wenn man merkt, dass es noch andere gibt, denen es genauso ging. Man fuehlt sich nicht mhr allein. So fuehlte ich mich naemlich frueher immer. Beide Elternteile hielten wie Pech und Schwefel zusammen, nie gab es Gerechtigkeit, ich wurde einfach bei allem zwei zu eins ueberstimmt. Diskussion nicht erwuenscht, du hast zu tun, was wir sagen. Ich hatte keine Chance. Null. Man fuehlt sich von seinen eigenen Eltern verraten und verkauft und vollkommen alleine auf dieser Welt.

Es war schrecklich.
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Beitrag Do., 21.07.2011, 12:21

Dass Dir dann auch in der Therapie die Unterstützung versagt wurde, ist entsetzlich. Ich kann mir nur ansatzweise vorstellen, was Du hast durchmachen müssen.
Es war damals meine erste Therapie,mir war noch gar nicht klar,was eigentlich los ist mit mir - von daher war es "vertraut",für mich auch nicht anders als erwartet.
Heute würde mich sowas beiweitem mehr verletzen.
Mein Thera hat allerdings später noch "eingesehen",mit wem er es da zu tun hatte mit meiner Mutter...

Ich weiß auch nicht,warum es den Leuten so oft ein Bedürfnis ist,die Täter zu "schützen" - oder dieses "Hab doch Verständnis!Der "Arme" hatte doch auch ne schwere Kindheit!"
Nö,da hab ich kein Verständnis!
Ich verstehe vielleicht den einen oder anderen Mechanismus,warum etwas geschieht - aber solange ein Täter erwachsen und voll geschäftsfähig ist,nehm ich ihn auch "voll" in die Verantwortung!
Jeder hat die Wahl,sich zu entscheiden,ob er Unrecht tut oder nicht.
Zur Not kann man sich noch "aufräumen" in irgendeiner Psychiatrie oder bei der Polizei,wenn man die Kontrolle über sich verliert.
Aber bestimmt gibt es einem nicht das Recht,sich an Kindern oder anderen "Unterlegenen" auszulassen!

Was den emotionalen Mb angeht: Bisher hab ich da in meiner Therapie gute Erfahrungen gemacht.Das wurde weder bei meinem Traumatherapeuten,und schon gar nicht bei meiner VT "bagatellisiert".
Und jetzt bin ich grade dabei (morgen Vorgespräch),mich wieder um ne Therapie zu bemühen - und da wird das auch wieder reichlich Thema werden.
"Alte Muster" aufspüren und "knacken".
Ich finds wichtig - Ich möcht nämlich auch innerlich mal "frei" sein können von meiner Mutter.Den äußeren Kontakt hab ich längst abgebrochen,aber das reicht längst nicht gegen die "Tyrannei",die im Inneren bleibt.

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Beitrag Do., 21.07.2011, 16:48

Waldschratin hat geschrieben:Jeder hat die Wahl,sich zu entscheiden,ob er Unrecht tut oder nicht.
Stimmt, genau so ist es. Und ich finde, es ist glasklar, dass man die Verantwortung hat, seinen Kindern keinen Schaden zuzufügen. Diese Entscheidung kann jeder treffen, und jeder weiß, dass sexueller Kontakt zu den eigenen Kindern ein absolutes No-Go ist. Auch mein narzisstischer Vater hätt's wissen müssen, aber seine Bedürfnisse waren ihm wichtiger.
Waldschratin hat geschrieben:Ich finds wichtig - Ich möcht nämlich auch innerlich mal "frei" sein können von meiner Mutter.Den äußeren Kontakt hab ich längst abgebrochen,aber das reicht längst nicht gegen die "Tyrannei",die im Inneren bleibt.
Da sprichst Du ein wahres Wort. Innerlich frei sein, das ist das große Ziel. Der Kontaktabbruch war für mich nötig, um mir einen Schutzraum zu schaffen und diejenigen Personen aus meinem Leben zu räumen, die mir Schaden zufügen - und sei es allein nur dadurch, dass sie meine Hoffnung auf elterliche Liebe immer wieder enttäuschen. Aber das Innere, sich darum gut zu kümmern, ist noch mal ein eigenes Etappenziel. Wenn ich das geschafft habe (und Du hoffentlich auch), kommen wir ja vielleicht mal an den Punkt, dass uns das Verhalten unserer Eltern gleichgültig ist, weil sie nicht mehr die Macht haben, uns zu verletzen. Weil wir dann stark für uns und weich und milde zu uns selbst sein können.

Berichte, wie es weiter läuft mit der Therapie, wenn Du magst. Ich denke auch daran, in anderthalb Jahren noch mal neu zu starten. Vieles ist noch ungesagt, vieles quält noch, und trotzdem wäre ich dann stark genug, es anzufassen. Auch mit meinem alten Therapeuten noch mal...

Grüße,
die Füchsin


Waldschratin
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Beitrag Fr., 22.07.2011, 05:24

Hallo Füchsin,
ich hab inzwischen das Gefühl,daß ich erst jetzt "wirklich" Therapie machen kann - jetzt,wo ich aus der ständigen Todesangst und dem ewigen Angetrigger von Flashbacks und Wiedererleben draußen bin.Weil es bisher in der Therapie vordergründig ums reine (seelische) Überleben ging bei mir...
Jetzt hab ich endlich genug "Stand" und Festigkeit in mir und kann mich an die "Feinarbeit" machen,was die ganzen verletzten Gefühle angeht...
Ich werde berichten. Ich schreib hier ja auch nen Blog - spätestens da wirds drinstehen.
Wenn ich das geschafft habe (und Du hoffentlich auch), kommen wir ja vielleicht mal an den Punkt, dass uns das Verhalten unserer Eltern gleichgültig ist, weil sie nicht mehr die Macht haben, uns zu verletzen. Weil wir dann stark für uns und weich und milde zu uns selbst sein können.
Gleichgültig ist mir das "Hier und Jetzt"-Verhalten meiner Mutter schon recht überwiegend inzwischen.Ich kann mich jetzt ohne "Anlaß" durch sie auf mein Inneres und die "Dogmen" kümmern,die sie in mir hinterlassen hat.
Wie weit "weg" ich von ihr bin,hab ich gestern gemerkt.Mein Bruder hat mich angerufen,weil Muttern sich "seltsam" benommen hat,sie hat kaum noch Worte "finden" können,wollte immer was sagen,aber selbst die gängisten bekam sie nicht zu "fassen".
Mein Bruder war reichlich schockiert,als ich ihm sagte,er solle mal gar nicht lange zögern und sie zu nem Arzt oder ins KH schleifen - könnte was Richtung Schlaganfall etc. sein oder TIA.
Er hat sofort weitergedacht und gemeint,was denn wäre,wenn sie jetzt stirbt...Mein Bruder ist da beiweitem hilfloser als ich.Ich hab ihn erstmal beruhigt,er ist schließlich "vor Ort" und sollte halbwegs handlungs- und entscheidungsfähig bleiben.
Aber ich für mich hab hinterher nachgedacht,was wird sein,wenn...Und mir war sehr schnell klar,daß ich nicht mal auf ihre Beerdigung gehen werde.Weil ich mich inzwischen längst "verabschiedet" habe von ihr...Und schon gesundheitstechnisch wäre so ne Reise und das Dortsein kaum machbar für mich.
Wobei das für mich jetzt keine "Rache" wäre - sondern das war gestern einfach ne Feststellung von "ist nicht nötig und wird dem Aufwand und Risiko nicht gerecht".
Klingt sehr kalt - aber genau das ist es: Unser Verhältnis,Mutter hin,Kind her,hat sich deutlich "abgekühlt"...

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Füchsin
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Beitrag Mi., 03.08.2011, 19:16

Hey, jetzt melde ich mich hier auch mal wieder zu Wort.

Ich kämpfe zur Zeit sehr mit mir, was meinen Vater betrifft. Ich möchte den Kontakt auf keinen Fall wieder aufnehmen und so tun, als wäre alles eitel Sonnenschein. Nichts läge mir ferner. Aber ich frage mich, ob es nicht sinnvoll sein kann, meinen Vater einmal zu treffen und ihm deutlich zu sagen, was er mir angetan hat. Nicht als Rechtfertigung, sondern um das "Paket" an ihn abzugeben. Ich hatte über diesen Gedanken auch schon in meiner Therapie gesprochen und mein Therapeut hat mir versichert, dass ich trotz Therapieende jederzeit anrufen kann, wenn ich in dieser Hinsicht irgendwie seine Hilfe bräuchte. Auch mein Mann steht in dieser Sache sehr hinter mir, ebenso meine liebe Cousine, die die einzige war, die sich in der Familie klar zu mir bekannt und sich für mich eingesetzt hat.

Dieser Gedanke reift nun mehr und mehr, und das einzige, wovor ich echt Angst habe ist, dass es mir im Umgang mit meinem Vater so geht wie früher: Dass ich mich wieder wie ein hilfloses kleines Kind fühlen werde, ihm gegenüber sprachlos, von ihm an die Wand diskutiert werde und möglicherweise sogar vor ihm weine. Das ist mir früher immer passiert. Ich konnte noch so wütend auf ihn sein, am Ende kamen mir immer nur die Tränen. Und mich von ihm demütigen zu lassen, darauf habe ich nun wirklich keine Lust. Auf der anderen Seite habe ich so eine Ahnung, dass da in mir inzwischen auch so eine gewisse Stärke ist, die mich da hindurch führen könnte, und ich habe trotz allem noch genug Wut im Bauch, dass ich sagen kann: "Er soll diesen Berg nach hause schleppen, nicht ich!"

Ich bin ja gern vorbereitet, deshalb habe ich mich letzte Woche an den Computer gesetzt und ihm einen Brief geschrieben, in dem ich klipp und klar die Hintergründe für meinen Kontaktabbruch aufschreibe und ihm auch deutlich mache, dass ich das nicht zur Rechtfertigung tue, sondern weil er die Pflicht dazu hat, sich das einmal in seinem Leben so klar von mir anzuhören. Ich habe einige Seiten zusammenbekommen in dem Brief, und jetzt kämpfe ich mit mir. Soll ich ihn abschicken und mir damit das Treffen ersparen, oder soll ich ihn einfach nur als Vorbereitung auf so ein Gespräch nutzen, wie es ursprünglich ja auch gedacht war? Ich bin eigentlich schon sehr klar mit meinen Gedanken, was das betrifft.

Die Kehrseite: Nach dem Verfassen dieses Briefes und nachdem ich auch mit meinem Mann darüber sehr viel gesprochen habe, jagte mal wieder ein vaterlastiger Albtraum den anderen. Ich wachte morgens auf und fühlte noch seine Berührungen, als seien sie real gewesen. Auf der anderen Seite habe ich ihn im Traum zum Teil auch wüst beschimpft und ihn einen "Hurensohn" genannt, und damit etwas ausgedrückt, was auch in mir schlummert - neben all den "rationalen Argumenten", die gegen einen Missbrauch der eigenen Tochter sprechen (bitte dies nicht zu wörtlich nehmen, es ist meiner Neigung geschuldet, Distanz zwischen mich und die Gefühle zu bringen). Diese Träume verunsichern mich nun wieder, und ich frage mich, ob ich ein Treffen wohl aushielte, wenn mich das Briefeschreiben schon so aus der Spur schubst.

Hat jemand einen Rat für mich in diesem Kuddelmuddel? Natürlich kann mir keiner sagen, was ich tun soll, aber Meinungen sind willkommen.

Die Füchsin (ratlos)

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Ilios
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Beitrag Do., 04.08.2011, 14:46

Machs dir nicht so schwer und schick ihm einen Brief. Damit kannst du das "Paket" an ihn zurueckgeben und musst keine Bedenken haben, dass er dich wieder "einlullt".

Viel Erfolg .
Es ist wahr, meine Eltern haben mich nie geliebt!

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