verschachtelter Schutzmechanismus

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neko
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verschachtelter Schutzmechanismus

Beitrag Mo., 04.07.2011, 16:52

ich hab grad eine wichtige stunde hinter mir und das gefühl, etwas fast greifen zu können, das mir dann doch wieder entfleucht.

aus aktuellem anlass ging es um meine schutzmechanismen, die mich immer mal wieder in eine negative übertragung treiben. der einfachheit halber stell ich das ganze mal recht schematisch da.

1. ich habe im rl einen konflikt, in dem alte verletzungen getriggert werden.
2. ich hab ambivalente gefühle zu dem konflikt: a. ich bin unheimlich verletzt und b. ich begreife, der andere kann um meine triggerpunkte nicht wissen, also bin ich bereit zu verstehen und zu verzeihen.
3. in der therapie thematisiere ich die erwachsene, die verstehende seite.
4. meine therapeutin geht auf diese seite ein.
5. ich fühle mich allein gelassen, werde wütend und trete vehement für die andere, die verletzte kinder-seite ein. das kann ich offensichtlich erst und nur dann, wenn ich die erwachsene seite meiner therapeutin zugeschoben habe.

ganz manchmal funktioniert das spiel auch umgekehrt. meine therapeutin "spricht" die verletzte kinderseite und ich werde wütend, weil ich das gefühl hab, meine erwachsene seite wird ignoriert.

so richtig klar hab ich die mechanik heute erst gesehen und mit meiner therapeutin zusammen rekonstruiert. kennt ihr das auch? wisst ihr, waum man das macht?

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Waldschratin
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 17:15

Ich weiß,warum ich das gemacht hab.
Solange ich Erwachsene (das Multiple laß ich jetzt mal außer Acht dabei) von der Kleinen mehr oder weniger komplett erwartet hatte,daß sie "spurt" und mir nicht im Wege ist beim Verarbeiten,konnte ich die Kleine mit ihren ganzen schrecklichen Gefühlen nicht ertragen - und hab "zwei Seiten" aufgemacht.Da war anfangs gar nix mit "liebevoll" oder "verständnisvoll" die Kleine abholen...Sie war mir lästig und dabei im Wege zu funktionieren und das Alte loslassen zu können.

Da das aber einfach nicht machbar ist,hab ich da auch im Außen jemanden gebraucht für die jeweilige Seite...

Die Lösung kam in Sicht,als ich Große mich "verstandesmäßig" dranmachte,die Kleine abzuholen,einfach aus dem Wissen raus,ohne das werden wir es nicht schaffen und gehen alle miteinander drauf...Bei mir war das damals reichlich existenziell im Erleben.

Ich hab dann oft mir als Beispiel ein "Außenkind" gedacht und wie ich mit dem umgehen würde,wenn es das erlebt hätte,was die jeweilige innere Kleine erleben mußte.Über diesen "Umweg" fings dann an mit Verständnis etc. auch für innen.
Meine Thera hat da auch jede Menge dazu getan,hat zum einen die jeweilige Seite recht "liebevoll-anwaltlich" vertreten und war mir zum anderen ein gutes Vorbild,wie es auch gehen kann...

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metropolis
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 17:22

Hallo neko,

eine (wie ich finde) wichtige Frage: passiert es auch mal, dass DU zuerst die Kinderseite einnimmst, die Therapeutin Verständnis dafür zeigt und ihr dann auf die Erwachsenenebene wechselt? Wenn nicht, wäre das nicht viel adäquater?

Und kannst aktiv in den Ablauf dieser Prozesse eingreifen? Oder bist du ihnen eher ausgeliefert?

LG

metro
"Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!"

Theodor Storm

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*candle*
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 17:25

Hallo neko!

Wenn Du es mir persönlich verständlicher machen könntest, würde ich mich freuen.

Es gibt also einen Trigger, der Dich unbewußt in Alarmbereitschaft versetzt? Kennst Du den Trigger? Kannst Du Dich davor schützen?

Sind Deine Verletzungen grundsätzlich bei Dir in der Kinderebene manifestiert?

Für mich gibt es dann auch noch die Unerscheidung was ein anderer wirklich verletzendes tut, was ja auch den Erwachsenen ärgerlich stimmen darf.

Insofern gut gewählt mit dem "Verschachtelt".

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montagne
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 17:43

Ja ich kenne das auch. Bezieht sich bei mir aber nicht nur auf regressives vs. Erwachsenen-ich, auch auf sowas wie die zornige Seite vs. die traurige, hilflose, bedürftige Seite oder die gesunde vs. die gestörte Seite. Wie das ein Schutzmechanismus sein soll ist mir auch nicht ganz klar. Sicher das kindliche, bedürftige, gestörte zu verstecken schützt. Oder sagen wir hat mal geschützt. Jetzt wird es mehr und mehr zum Hemmschuh.

Ich erlebe es eifnach als Desintegration. Ich fühle mich in der Therapie auch oft nicht ganz. Sondern eben so, dass nur ein Teil von mir dort ist und der andere ganz tief, gang, ganz tief in mir, dass ich ihn selbst manchmal nicht mehr spüre. Jedenfalls tief genug, dass ich ihn nicht zeigen kann, sozusagen nicht der Bearbeitung zuführen kann.

Und das widerum führt dazu, dass ich mich oft nicht gesehen, missverstanden fühle und das ist einfach nur eine schnöde Wiederholung, die es gilt zu durchbrechen.... irgendwie so.
amor fati

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neko
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 17:49

metro: ja, seltener kommt es auch vor, dass ich von der kinderseite auf die erwachsenenseite wechsele. meine therapeutin hat mir heute gesagt, dass sie oft das gefühl hat, die erwachsenenseite vertreten zu müssen, um platz für die kinderseite zu schaffen. sie sagt, das sei im moment der einzige weg, wie die verletzte seite überhaupt zu wort kommt. wenn sie die kinderseite vertritt, halte ich das gar nicht aus. ich finde es selber irre, aber irgendwe stimmt es. wir wollen dran arbeiten, das zu ändern. aber erst möchte/muss ich kapieren, was und warum das so läuft.

wenn ich da erst mal drin bin, dann kann ich nicht mehr viel steuern. am anfang denk ich manchmal noch, ich kapier, was da läuft, aber dann rollt es über mich hinweg.

waldschrätin: das rezept mit dem liebevoll-anwaltlichen vertreten der kinderseite funktioniert bei mir ganz offensichtlich nicht. das treibt mich sofort in gegenteil. keine ahnung warum.

candle, die trigger kenne ich mittlerweile sehr gut. das mag ich aber hier nicht ausbreiten. ist mir grad zu heftig.

grundsätzlich geht es auch darum, dass ich ganz schwer entscheiden kann, ob ich verletzt sein darf. ich weiß, ich weiß, das sollte keine entscheidung sein, sondern ein klares gefühl. aber genau das hab ich nicht, oder vielmehr da sind dann gleich zwei gegensätzliche gefühle, die sich lustig blockieren.

montagne: ja, das nicht gesehen werden ist ein zentraler aspekt. aber: offensichtlich brauch ich das unbewusste herstellen einer situation des nicht-gesehen-werdens, um das bedürfnis nach gesehen-werden artikulieren zu können. damit würde ich gerne aufhören. und ich denke, der erste schritt ist besser zu verstehen, was da passiert. aber ich grübele noch.

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*candle*
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 17:53

Schade, kann ich aber verstehen.


montagne
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 18:00

ja, das nicht gesehen werden ist ein zentraler aspekt. aber: offensichtlich brauch ich das unbewusste herstellen einer situation des nicht-gesehen-werdens, um das bedürfnis nach gesehen-werden artikulieren zu können. damit würde ich gerne aufhören. und ich denke, der erste schritt ist besser zu verstehen, was da passiert. aber ich grübele noch.
Mir geht grad ne Lichterkette auf, danke dafür. (Auch wenn dir das grad wohl nicht so weiterhilft.)

dDa ist zwar noch was anderes, aber hm.. ich warte erstmal ab.
amor fati

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neko
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 18:05

montagne, ist ja wie üblich schon mal schön zu hören, dass man damit nicht die einzige ist.

der ausdruck des verschachtelten schutzmechanismus kommt von meiner therapeutin. sie meint, sie hat es noch nicht ganz kapiert, sie ist sich aber sicher, dass das alles dem schutz vor heftigen gefühlen dient. weiter sind wir heute nicht gekommen. war aber auch irgendwie sternstunig. mir hat selten so der kopf geraucht. ich hab aber das gefühl, dass das meine goldene nuss ist. ich kann grad nicht warte. ich wills sie irgendwie geknackt kriegen...


Waldschratin
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 18:05

neko hat geschrieben: ja, das nicht gesehen werden ist ein zentraler aspekt. aber: offensichtlich brauch ich das unbewusste herstellen einer situation des nicht-gesehen-werdens, um das bedürfnis nach gesehen-werden artikulieren zu können
Was spricht dagegen,sich auf diesem Weg erstmal das Artikulieren zu erarbeiten?
Das klingt nach nem sehr sensiblen,verletzlichen Bereich,der sich zwar "zeigen" möchte,aber eben das Vertrauen dazu erstmal noch aufbauen muß.
Und um das "Terrain" zu erkunden und zu "sichern",versteckt er sich erstmal noch und "läßt reden".

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neko
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 18:11

nee, waldschrätin. ich lasse ja nicht reden. ich locke meine therapeutin mit meinem eigenen souveränen reden auf die erwachsenen seite, wenn sie da ist, konstruiere ich sie als diejenige, die mich wieder nicht sieht und wechsele auf die kinderseite, von der aus ich ein gaanz bisschen selber rede. wenn sie mir hinter her wechselt, geh ich schwupps schnell wieder in die erwacsenenseite. ich merk grad: das hat was von hase und igel. ich bin immer schon weg, egal, wo sie grad hingeht...dabei möchte ich so gerne mal länger mit ihr auf einer seite sein. auf der erwachsenen-seite, auf der man u.a. auch analysieren kann wie heute, klappt das schon manchmal/immer öfter. da sitzen wir schon mal ganz gemütlich und produtiv zusammen. aber auf der anderen seite - nee, klappt nicht. auf die kann ich eh nur, scheint mir, wenn ich wütend bin.


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Beitrag Mo., 04.07.2011, 18:16

Ach,dann bist du auch jemand,der statt verletzt,traurig,betroffen,schutzbedürftig,ängstlich etc. etc. etc. auf der Kindseite schlichtweg alles über die Wut macht?
Kenn ich irgendwoher...

Stimmt,wie du das schreibst,hat es was von Hase und Igel.Dient also der "Flucht".Flüchten tut man vor etwas Lebensbedrohlichem.
Also wieder: was sehr Verletzliches,was schon "voll" ist mit Angst und Schmerz und "alleine" ist...

Ist jetzt einfach "frei nachgedacht",kann also auch alles schlichtweg "meins" sein...

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neko
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 18:20

nee, Waldschrätin, das trifft ins schwarze. ich merke nur grad, wie die sehnsucht größer wird, mit dem verletzten nicht mehr so gotterbärmlich allein zu sein. das konntich immerhin schon einmal formulieren. jetzt muss ich nur die schutzmechanismen, die ich mir so nett ausgedacht habe, auhebeln.

ja, das mit dem weg über die wut war lange zeit die einzige möglichkeit, überhaupt was zu sagen. und das war, finde ich, auch in orung so. aber ich würd so gern anders jetzt, wenn ich nur könnt....


Waldschratin
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 18:28

Is nicht so einfach,weiß ich ja selber...
Gaaaanz viel Schutz in der Stunde selber war da immens wichtig bei mir.Mich unter ner Decke verkriechen z.B.Oder bloß ja keinen Mucks von außerhalb,keinen Lärm,keine Störung.
Z.B. daß kein Telefon klingelt oder so.
Und der "richtige" Abstand zum Thera war dann wichtig.Den räumlichen mein ich.Weil "Mensch" für dieses innere "Kleine" ja per se "lebensbedrohlich" bedeutete...Da reichte dann schon ne etwas schnellere Bewegung von ihm - und schwupps! war die Kleine weg...

Da hat mein Thera sogar mal für mich kurz vor meiner Stunde bei ihm den Arbeitern auf dem Nachbargrundstück (Die waren da am ausgraben und Weg neu teeren etc.,also riesen Krach!) nen Kasten Bier spendiert mit der Bitte,doch die nächste Stunde mal Pause zu machen.Könnt ich ihn heut noch für knuddeln...

Aber das nur nebenbei...

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neko
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Beitrag Mo., 04.07.2011, 18:37

das ist wirklich berührend, das mit dem bierkasten.

ruhig ist es bei mir. telefon klingelt nie, doppeltüren und dicke altbauwände.
ich bin mir nicht sicher - aber ich hab grad das gefühl, ich muss auf der erwachsenenseite noch mehr kapieren. immerhin - ich hab noch nie so offen und ungeschützt über die therapeutische beziehungreden können, konnte auch heroisch den anflug von scham ob meiner manöver überwinden. hat sie mir aber auch einfach gemacht. irgendwie hatt ich den eindruck, sie findet meine in sich verschachtelten mechanismen architektonisch ganz schön, das hat es mir viel einfacher gemacht, mir diese konstruktionen anzuschauen...

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