Psychoanalyse: Freies Assoziieren?!

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Widow
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Psychoanalyse: Freies Assoziieren?!

Beitrag So., 26.06.2011, 21:27

Guten Abend, liebes Forum!

Angeregt von Orchidees Thread über die Vorbereitung der Sitzung in einer VT (danke dafür!), möchte ich Analyse-Novizin die Frage modifizierend aufgreifen und für das psychoanalytische Setting stellen.
Mein Analytiker hat mir den PA-Regeln gemäß eingangs erklärt, dass ich in der Sitzung alle Gedanken, die mir spontan durch den Kopf gingen, äußern solle.
Nun habe ich in den vier Sitzungen, die wir jetzt im zweiten Anlauf „absolviert“ haben (ist irgendwie ziemlich stressig, derzeit noch), mir wacker Mühe gegeben, dieses „freie Assoziieren“ auch zu praktizieren – und gemerkt, dass ich das eigentlich überhaupt nicht kann ...
Mein langjähriges Training in systematischem Denken kommt mir da offenbar immer in die Quere. Entweder ich filtere Gedanken heraus (Zensur, Zensur!), weil sie mir z.B. zu banal, zu wenig am „Thema“ (welchem?!), zu wirr, zu dumm und/oder zu peinlich (wir sind ja noch ganz am Anfang) oder was weiß ich wie unpassend sind. Oder ich versuche, einen roten Faden mitlaufen zu lassen und spreche über Themen, die ich „vorbereitet“, also mir vor der Sitzung überlegt habe, weil sie mir Ansatzpunkte für meinen Analyse-Beginn zu sein scheinen bzw. weil sie mir prinzipiell wichtig sind. Doch damit sind sie natürlich auch alles andere als „spontan“.

Auf der Meta-Ebene war ich in Ansätzen auch schon und habe darüber gesprochen, wie schwierig dieses „einfach-Losreden“ ist, oder habe auch gefragt, ob denn so riesige Gedankensprünge wie gerade eben von d zu x akzeptabel seien (worauf er natürlich und geduldig bestätigte, dass genau das nicht nur akzeptabel, sondern wünschenswert sei, wenn es mir gerade so durch den Kopf ginge – um dann übrigens einen hübschen Zusammenhang zwischen Gedanke d und Gedanke x herzustellen …).
Aber insgesamt habe ich den Eindruck, dass es immer schwieriger wird mit diesem „einfach-Drauf-Losreden“. (Vielleicht liegt es auch an der nach den nächsten 2 Sitzungen anstehenden 6-Wochen-Sommerpause, dass ich mich in den Sitzungen zunehmend frage, WAS ich jetzt eigentlich erzählen soll. Denn die Zäsur macht ja doch wieder einen Neueinstieg erforderlich.)

Wie erlebt Ihr das „freie Assoziieren“, haltet Ihr Euch überwiegend daran oder bereitet Ihr doch im wesentlichen Eure Themen vor der Sitzung vor? Geht es um eine Mischung? (Meine grundsätzlichen Themen gehen mir ja immer wieder durch den Kopf, wenn auch vielleicht nicht jede Minute und vielleicht mal auch nicht in den ersten fünf Minuten der Sitzung. – Wie aber komme ich dann darauf zu sprechen? Eigentlich soll ich das ja so forciert nicht tun.) Wenn ja, wie bekommt man eine solche Mischung hin?
Diejenigen hier, deren Analyse beendet ist, möchte ich im Perfekt genau das Gleiche fragen: Wie habt Ihr das „freie Assoziieren“ erlebt …?

Über Antworten sich freuend grüßt alle hier herzlich
Widow

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Tentatives
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Beitrag So., 26.06.2011, 22:38

Liebe Widow,
spannender Thread war beim Lesen meine erste Assoziation

Was Du schreibst kann ich so gut nachvollziehen, da es mir auch schwer fällt spontan meine Gedanken u. Gefühle in der Therapiesitzung zu äussern. Ich mache zwar keine Analyse sonder TFP aber freies Assoziieren ist bei meiner Thera auch ein großer Bestandteil.

Ich merke, dass ich mir bei vielen Themen erst genau überlege, was ich sage u. auch eine "Grundstruktur" für den Stundenbeginn im Kopf habe, mir also vorher Gedanken mache, womit ich einsteige. In der letzten Stunde hatte ich zu Beginn allerdings eine ziemlich heftige situationsbedingte negative Übertragung, die ich dann auch spontan äusserte. Im Nachhinein hat mir diese Stunde sehr viel gebracht, währenddessen fühlte ich mich allerdings sehr unsicher u. hatte das Gefühl, die Kontrolle verlieren zu können.
Meine Thera hat das natürlich alles schon lange gemerkt u. bestärkt mich immer darin, ruhig alles ohne viel Nachdenken loszuwerden ohne zu denken, dass es "dumm" oder "banal" wirken könnte.
Da ich im Studium i.S. von Leistungsbewertungen oder Wissenschaftlichkeit ständig darauf achte, möglichst intelligente Beiträge zu liefern ist mir irgendwie diese Leichtigkeit einer spontanen Äusserung abhanden gekommen u. braucht wohl einige Übung.
Ich denke, Du solltest Dir da einfach noch ein bißchen Zeit lassen u. die Aufgabe eines Thera könnte ja auch durchaus sein, eine Atmosphäre zu schaffen oder Dir Fragen zu stellen, die freies Assoziieren fördern.

LG
Tentatives

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metropolis
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Beitrag Mo., 27.06.2011, 20:55

Hallo Widow,

wie schön, ein Thema, das mich während meiner 4 1/2 jährigen Analyse immer wieder beschäftigt hat.

Wie erlebt Ihr das „freie Assoziieren“, haltet Ihr Euch überwiegend daran oder bereitet Ihr doch im wesentlichen Eure Themen vor der Sitzung vor? Geht es um eine Mischung? (Meine grundsätzlichen Themen gehen mir ja immer wieder durch den Kopf, wenn auch vielleicht nicht jede Minute und vielleicht mal auch nicht in den ersten fünf Minuten der Sitzung. – Wie aber komme ich dann darauf zu sprechen? Eigentlich soll ich das ja so forciert nicht tun.) Wenn ja, wie bekommt man eine solche Mischung hin?
Diejenigen hier, deren Analyse beendet ist, möchte ich im Perfekt genau das Gleiche fragen: Wie habt Ihr das „freie Assoziieren“ erlebt …?
Folgt man dem Prinzip des Freien Assoziierens, sollte ja jede Form von Zensur und Forcieren eliminiert werden. Gefühle wie Scham, aber auch andere Überlegungen (wie unpassend erscheinende Gedankensprünge) verhindern die Freie Assoziation. Aber ich denke, dass all die bremsenden Elemente ein Ausdruck von Selbstschutz sind. Sie schützen das Selbst vor imaginären Gefahren und vor Veränderungen, zumindest ist dies bei der Zensur, die ich kenne der Fall. Es ist aber völlig normal, dass sich unsere Psyche so verhält. Wir wurden auch gewissermaßen zur Selbstzensur erzogen.
Aus diesem Grund finde ich es gar nicht verwunderlich, dass dir das Freie Assoziieren nach ein paar Sitzungen nicht gelingen mag. An sowas muss man sich erst herantasten, man muss es erlernen. Bei mir sah es so aus, dass ich im Verlauf der Analyse lernte, wie man darauf hört, was in einem vorgeht. Diese vielen kleinen Stimmchen, die zweifelnden, die wütenden, die frechen, aber auch die Fantasien und Vorstellungen, die Worst-Case-Szenarien, die angenommenen Gedanken meines Analytikers. Alles ist in mir drin, ich muss nur zuhören. Und das ist gar nicht so einfach. Die Psyche wehrt sich dagegen, genauer hinzusehen. Die Analytiker nennen diese Abwehrhaltung Widerstand. Diese Widerstände verschwinden nicht einfach.
Die Freie Assoziation ist für mich eine Methode der Selbstbetrachtung, die nicht von heute auf morgen da war, sondern für die ich die vollen vier Jahre gebraucht habe um sie erlernen. Obwohl ich auch jetzt am Ende meiner Analyse nicht behaupten mag, dass ich sie perfekt beherrsche. Es ist eher ein Annäherungsprozess an die ideale Freie Assoziation, der nie aufhört.

Also bleib entspannt, wenn es noch nicht sofort klappt. Du hast noch viel Zeit dich weiterzuentwickeln. Aber halt die Augen offen, was das mit dir macht. Achte auf deine inneren Vorgänge und arbeite weiter an deiner Offenheit. Und außerdem wird dir deine Analytikerin dabei helfen.

Das Vorbereiten von Themen war bei mir am Anfang ganz stark. Ich habe richtig darüber nachgegrübelt, was ich ihm erzählen könnte. Ein eigenes Bedürfnis dazu hatte ich noch nicht. Ich versuchte eher ihm Material zu liefern, damit er mir helfen kann. Was will er wohl von mir hören um einen Lösungsansatz zu finden. Irgendwann habe ich begriffen, dass Analyse so nicht funktioniert. Das intensive Vorbereiten wandelte sich dann in Beobachtungen meiner inneren Vorgänge zwischen den Sitzungen, die ich das nächste Mal dann berichten wollte. Das war schon besser, aber auch nicht wirklich psychoanalytisch. Im Prinzip sollte man anstreben unvorbereitet in die Stunde zu kommen. Am besten ist es eigentlich, wenn du dasitzt und keine Ahnung hast, was du erzählen sollst. In so einem Fall ist Platz für Freies Assoziieren und in sich Hineinhorchen, was da raus mag. Auch hier gilt das gleiche wie oben. Es ist nie ganz zu verhindern, dass man Themen vorbereitet bzw. dass man sich zwischen den Stunden denkt "Das würde ich ihm/ihr jetzt aber gern erzählen." Aber man sollte zumindest die Spontanität anstreben und die Stunden offen angehen. Auch hier entwickelt sich das erst im Laufe der Therapie.

Liebe Grüße

metropolis
"Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!"

Theodor Storm


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Widow
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Beitrag Mo., 27.06.2011, 22:12

Liebes Tentatives, liebe Metro,

seid bedankt für Eure hilfreichen Antworten!

Wenn es offensichtlich auch nicht so zu sein scheint, dass außer uns noch andere diesen Thread "spannend" finden (wie Tentatives ihn nannte), jedenfalls wenn ich nach den bislang eingegangenen Antworten gehe (aber vielleicht kommen ja noch ein paar), so ist doch das, was Ihr hier geschrieben habt, hochspannend! Im Einzelnen:

@ Tentatives
Wenn Du, offenbar ähnlich wie ich, durch ein Leben im akademischen Sektor anders denken gelernt hast, als es für das "freie Assoziieren" förderlich ist, und wenn Du offenbar eine Thera hast, die
Tentatives hat geschrieben: eine Atmosphäre zu schaffen oder Dir Fragen zu stellen [vermag], die freies Assoziieren fördern
,
wie sieht denn dann diese Atmosphäre aus oder welcher Art sind solche Fragen? (Irgendwie beschleicht mich gerade der Verdacht, dass Widow auch hier wieder eine wissenschaftliche Hausarbeit machen will, aber keine Analyse ... )

@ Metro
Deine 3 Phasen (erst das lösungsorientierte Sitzungsvorbereiten, dann die in der Sitzung erzählten Ergebnisse der Selbstbeobachtung seit der letzten Sitzung, und schließlich der Schritt hin zur freien Assoziation - diese innere Seltsamkeit der
metropolis hat geschrieben: vielen kleinen Stimmchen, die zweifelnden, die wütenden, die frechen, aber auch die Fantasien und Vorstellungen, die Worst-Case-Szenarien, die angenommenen Gedanken meines Analytikers
,
das hast Du wunderschön beschrieben. Irgendwie kann ich mir jetzt ein bisschen mehr unter Analyse und freiem Assoziieren vorstellen.

Dass Ihr beide Geduld bei mir anmahnt, weil dieses "seltsam' Ding" PA und erst recht das freie Assoziieren nicht vom Himmel fallen, sondern erfahren ("geübt", wollte ich schreiben ...) werden müssen, finde ich ebenfalls bedenkenswert! Ich dachte nämlich schon, da wir "thematisch" bereits jetzt, nach 5 Sitzungen, an ziemlich heftigen Punkten angekommen sind, die ich vorbereitet mitbrachte und diskursiv-intellektuell angegangen bin, dass ich dann in einem halben Jahr ja "durchanalysiert" sei (was mich z.T. freuen würde, denn dann wäre eine der noch verbleibenden Aufgaben erledigt).

Doch mit dem "Erfahren", "Erleben", "Erspüren" auf der Couch (falls es wirklich darum geht, bei einer PA) habe ich wohl genau das gleiche Problem wie mit dem "freien Assoziieren": Ich "versteh's" nicht. Und möchte es "üben", am besten in Form einer wissenschaftlichen Abhandlung . (Wissend, dass das eine Art Kategorien-Fehler ist.)

Vielleicht bin ich ja doch PA-ungeeignet. Naja. Man wird sehen.

Euch beiden, Tentatives und Metropolis, nochmal einen lieben Dank für die Mitteilung Eurer Erfahrungen mit dem freien Assoziieren (und Eures Erlebens des selbigen),
und an Euch und alle hier einen sehr herzlichen Gruß von
Widow

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Bina
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Beitrag Mo., 27.06.2011, 22:27

Halli hallo ihr 3,

nun schließe ich mich hier doch mal an. Bislang dachte ich, der Thread sei v.a. an alle gerichtet, die ihre PA schon beendet haben. Ich selbst bin seit einem Jahr in PA (ca. 60 Stunden)...mit dem freien Assoziieren habe ich genauso meine Probleme und bin mittlerweile auch an dem Punkt angekommen, dass ich in der jeweils nächsten Stunde das anspreche, was zwischen der letzten Stunde und der nächsten Stunde so in mir vorgegangen ist. Zuhause kann ich wesentlich besser in mich rein hören, als wenn mir da jemand gegenüber sitzt und mich mit Blicken dazu nötigt, jetzt möglichst irgendwas brauchbares und analysierbares von mir zu geben (so erlebe ich es, auch wenn meine Analytikerin immer wieder betont, wie wichtig doch Schweigen sei, dass man in sich horchen sollte, ich alle Zeit der Welt habe, etc.). Häufig genug versuchte sie mich auch auf die Couch zu bekommen. Für ein paar Stunden hatte ich es auch mal so gemacht, dann kam ein Zwischenfall zwischen meiner Analytikerin und mir und seitdem bringen mich erstrecht keine 10 Pferde mehr auf die Couch...auch wenn sie immer wieder betont, dass ich das ja wieder mal versuchen könnte (Jaja und wenn ich dann wieder mal da bin, komm' ich da so schnell auch nicht mehr runter von!). Ich erlebe das Liegen auf der Couch immer so, dass mir deswegen auch nicht mehr Gedanken oder Gefühle kommen. Nach der Stunde habe ich nur das Gefühl, gar nicht bei ihr gewesen zu sein. Ich kann diese Verbindung zu ihr irgendwie nicht halten, sobald ich sie nicht sehe. Es fühlt sich für mich an, als wenn ich da völlig alleine und verlassen auf der Couch bin, alleine kämpfen muss...und nicht zuletzt löst es in mir auch das Gefühl aus, dass ich schutzlos und wehrlos bin. Sie sitzt, ich muss liegen, ich sehe sie nicht, sehe nicht, was sie macht, sehe nicht, ob sie mich anstarrt...selbst wenn sie was machen würde, was ich nicht wollte, wäre sie aus dem Sitzen viel schneller oben als ich aus dem Liegen...zumal sie ja hinter einem sitzt...Vielleicht liegt es in meiner Erfahrung mit anderen Ärzten begründet, dass ich da so das Gefühl von Wehrlosigkeit, Ausgeliefertsein habe.

Bezüglich Freiem Assoziieren kann ich nur sagen, dass ich schon auch immernoch sehr genau abwäge, was ich sage und was nicht...möchte sie ja auch nicht vor den Kopf stoßen. Sie ist ja auch nur ein Mensch und bei der einen oder anderen (kritischen) Äußerung meinerseits ihr gegenüber habe ich schon auch bemerkt, dass sie das gerade gar nicht gut findet und hatte das Gefühl, sie ist böse auf mich...insofern habe ich immer Angst, ihr auf die Füße zu treten, in Ungnade zu fallen und dass sie mich aus diesem grund irgendwann 'rauswirft, mich fallen lässt, etc.
Davon abgesehen hat unsereins natürlich auch seine Schamgrenze und ich glaube, vielen von uns wurde sehr disziplinarischer, strenger Gehorsam beigebracht...was sich alles gehört und was nicht. Auch mir ist sehr vieles sehr, sehr peinlich, sodass es erst nach Wochen, Monaten oder gar nicht angesprochen wird...Manchmal hilft es mir, wenn ich merke, sie spürt/ahnt ein bisschen, was in mir los ist und reicht mir die Hand ein Stück, indem sie etwas in die Richtung äußert, was in mir vorgeht...sagt, dass es absolut nicht schlimm, normal, etc. ist und jeder so fühle/fühlen dürfe...das bricht manchmal das Eis, etwas/ein Gefühl zuzugeben.

Gruß

Bina


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Widow
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Beitrag Mo., 27.06.2011, 23:11

Liebe Bina,

Deine Angst vor der Couch kann ich sehr gut nachvollziehen!
Es ist ja auch völlig abgefreakt, da in jemandes Arbeitszimmer (!) auf einem Meuble rumzuliegen (!), wissend, dass der/die dort Arbeitende hinter (!) einem sitzt und
1. einen ungestraft anstarren kann (weil man selber es nicht sieht),
2. jederzeit viel schneller hochkommen kann aus dem Sitz als man selbst aus dem Liegen (und das ist ja bei fallenden Bomben, z.B. aus unserem Mund, nicht ganz unwichtig), und
3. dass man selber auf dieser Couch, dem Meuble, das meist ja verschlingend groß ist (so in meinem Fall jedenfalls), schutz- und wehrlos und ausgeliefert ist.

Ja. So fühlt sich das erstmal an.

Aber, ja - wie immer, auch hier eine andere Seite:
Zu Deinem 1. Punkt:
Auch so ein/e Analytikerin ist ja ein Mensch. Meiner dreht seinen Sessel so, dass er quasi Kopf an Kopf mit mir liegesitzt (ich liege, er sitzt): Er starrt mich nicht an (jedenfalls nicht die ganze Zeit. Und eigentlich gibt's da auch nichts anzustarren mangels "star"-Faktor). Das habe ich heute gesehen, als ich ihm dann doch mal in die Augen gucken wollte, weil eine Bemerkung total abgedreht war. Und da dämmerte mir: Auch für die "hinter der Couch" ist es hilfreich und angenehmer, sich mimisch und gestisch nicht immer unter Kontrolle haben zu müssen, wenn sie arbeiten. Im physischen "Lümmeln" ist gut Konzentrieren! (So jedenfalls meine Erfahrungen aus dem ersten Leben.) Soll er, darf er!
(Er hat mein Blick-Bedürfnis übrigens sofort registriert. So ist es halt bei Analytikers.)

Zu Deinem 2. Punkt:
Der scheint mir sehr mit dem 3. zusammenzuhängen ("warum haben wir Angst davor, dass der Mensch hinter der Couch im Sitzen viel schneller hochkommt als wir auf der Couch im Liegen?"), deshalb springe ich

zu Deinem 3. Punkt:
Ja.
Diese Couch ist verschlingend. Da liegste klein und wehrlos, und kommst dir auch noch dumm vor.
Liebe Bina, in den folgenden Zeilen Deines Postings hast Du von weiteren (ähnlichen) Ängsten geschrieben: Der Angst, Deiner Thera
Bina hat geschrieben: auf die Füße zu treten, in Ungnade zu fallen und dass sie mich aus diesem grund irgendwann 'rauswirft, mich fallen lässt, etc.
Davon abgesehen hat unsereins natürlich auch seine Schamgrenze und ich glaube, vielen von uns wurde sehr disziplinarischer, strenger Gehorsam beigebracht...was sich alles gehört und was nicht. Auch mir ist sehr vieles sehr, sehr peinlich, sodass es erst nach Wochen, Monaten oder gar nicht angesprochen wird...Manchmal hilft es mir, wenn ich merke, sie spürt/ahnt ein bisschen, was in mir los ist und reicht mir die Hand ein Stück, indem sie etwas in die Richtung äußert, was in mir vorgeht...sagt, dass es absolut nicht schlimm, normal, etc. ist und jeder so fühle/fühlen dürfe...das bricht manchmal das Eis, etwas/ein Gefühl zuzugeben.
Diese Couch - soweit ich es bislang sehe - kann auch, manchmal, die gereichte Hand sein, das, was einen frei macht, vom "disziplinarischen, strengen Gehorsam", von aller Unterdrückung, von der Eisschicht.
Diese Couch kann das vielleicht besser sein als alles Gegenübersitzen. Irgendwann.
Zwei freie Menschen, in einem Raum, einander zugewandt, Kopf an Kopf.
Sich ergründend, bei sich seiend (den andern nicht sehend) - und beim andern.

Ein/e AnalytikerIn möchte auch immer - und das ist ihr/sein gutes Recht! - über sich selbst etwas erfahren, wenn sie mit uns eine Sitzung machen.

Zwei freie Menschen in einem Raum. Bina, vielleicht testest Du sie ja doch nochmal aus, diese Couch, nicht einmal: fünfmal, zehnmal?
Und dann assoziieren wir zwei so richtig frei darauflos, ja?!

Einen ganz, ganz lieben Gruß an Dich, die ich so gut versteh mit unser beider Ängsten, sich zu "öffnen", oder wie das heißt (und einen herzlichen Gruß an alle hier),
Widow

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Tentatives
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Beitrag Mo., 27.06.2011, 23:26

Liebe Widow,

ich musste gerade richtig schmunzeln über Deine Bezeichnung der "wissenschaftlichen Abhandlung" - so geht es mir auch nur zu oft, guter Vergleich!

Du fragtest nach der besonderen Atmosphäre, die im therapeutischen Prozess das freie Assoziieren fördern könnten. Ich möchte gerne versuchen das anhand meiner Wahrnehmung in meinen bisherigen Sitzungen zu beantworten (sind allerdings auch erst 10).

Meine Therapeutin geht offen mit ihren eigenen Unzulänglichkeiten um, zeigt sich mir also sehr menschlich und gibt mir durchweg das Gefühl, dass das, was als schockierende Einsichten (hauptsächlich in der Beziehung zu meiner Mutter) zwischen den Sitzungen für mich bewusst wurde auch erwünscht ist in dem Sinne, dass diese Gefühle und Affekte legitim sind. Das macht sie durch Gestik u. Mimik aber eben auch durch eine bestimmte Art zu Fragen. Sie fragt mich Dinge, die ich mir eben nicht schon vorher zurecht gelegt habe u. die ich dann spontan, ohne darüber nachzugrübeln, ob das jetzt besonders intelligent oder erwünscht ist, auch äussere. In diesen Momenten kann ich durch ihre Impulse Dinge in mir wahrnehmen, die mir sonst nicht so einfach zugänglich sind u. diese auch aussprechen, was auch soviel bedeutet wie alles zulassen, nichts mehr unterdrücken. Meine Gefühle, Wünsche und Phantasien fliessen dann einfach frei u. unzensiert u. hinterher bin ich erleichtert u. schäme mich nicht nachträglich dafür.

Das gelingt mir oder uns aber nur in kurzen Phasen u. "guten" Momenten, bei Weitem nicht über eine ganze Stunde, dafür habe ich noch viel zuviel Angst die Kontrolle zu verlieren oder etwas Blödes zu sagen.

Bin mir jetzt allerdings nicht sicher, ob sich dieses Setting in meiner tiefenpsychologischen PT überhaupt auf eine Analyse übertragen lässt, da wir uns ja gegenüber sitzen u. meine Thera verhältnismässig stark involviert ist. Ich glaube Analytiker sind da eher passiv, kann mich aber auch täuschen.
Dass Ihr beide Geduld bei mir anmahnt, weil dieses "seltsam' Ding" PA und erst recht das freie Assoziieren nicht vom Himmel fallen, sondern erfahren ("geübt", wollte ich schreiben ...) werden müssen, finde ich ebenfalls bedenkenswert! Ich dachte nämlich schon, da wir "thematisch" bereits jetzt, nach 5 Sitzungen, an ziemlich heftigen Punkten angekommen sind, die ich vorbereitet mitbrachte und diskursiv-intellektuell angegangen bin, dass ich dann in einem halben Jahr ja "durchanalysiert" sei (was mich z.T. freuen würde, denn dann wäre eine der noch verbleibenden Aufgaben erledigt).
Ich finde es toll, wie gut es Dir in der kurzen Zeit gelungen ist diese, für Dich heftigen Punkte anzugehen u. wünsche Dir, dass Du diesbezüglich weiter so gut voran kommst! Für mich signalisiert das eigentlich, dass Du Deinem Therapeuten doch sehr vertraust u. auch bereits zu Beginn der THerapie heikle Themen ansprechen kannst. Falls dem wirklich so ist, denke ich, dass Dir mit ein wenig Geduld dieses neue und in der akademischen Welt eher unerwünschte u. unterentwickelte freie Assoziieren leichter fallen wird.

LG
Tentatives

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metropolis
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Beitrag Di., 28.06.2011, 07:26

Widow hat geschrieben: Doch mit dem "Erfahren", "Erleben", "Erspüren" auf der Couch (falls es wirklich darum geht, bei einer PA) habe ich wohl genau das gleiche Problem wie mit dem "freien Assoziieren": Ich "versteh's" nicht. Und möchte es "üben", am besten in Form einer wissenschaftlichen Abhandlung . (Wissend, dass das eine Art Kategorien-Fehler ist.)
wissenschaftliche Abhandlung - erinnert mich daran, dass ich damals als ich unbedingt eine bessere Analysandin werden wollte, aber nicht wusste wie, begann Bücher über die psychoanalytische Therapie und Freud zu lesen. Diese Tendenz haben viele Analysanden. Nicht dass ich dir das empfehlen würde. Dahinter versteckt sich nämlich auch ein Abwehrmechanismus bzw. Widerstand.
(*flüster* in Freuds Psychopathologie des Alltags werden einige Beispiele für freie Assoziationen und deren Deutung angeführt)
Vielleicht bin ich ja doch PA-ungeeignet. Naja. Man wird sehen.
Das würde ich nun nicht gleich behaupten. Alle Analysanden hier, die ich kenne haben/hatten mit dem Freien Assoziieren mächtig zu kämpfen. Am Anfang meiner Therapie war ich auch sehr kontrolliert, emotionsarm und rational denkend. Ich habe mich viel und oft zensiert. Und so ganz hoffnungslos war mein Fall auch nicht (na gut, ob mein Analytiker das genauso sähe, ihm assoziiere ich nie frei genug)

LG

metro
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Theodor Storm

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Bina
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Beitrag Di., 28.06.2011, 12:46

Hallo Widow,
Widow hat geschrieben: Zwei freie Menschen in einem Raum. Bina, vielleicht testest Du sie ja doch nochmal aus, diese Couch, nicht einmal: fünfmal, zehnmal?
Und dann assoziieren wir zwei so richtig frei darauflos, ja?!
Ich hatte es insgesamt irgendwas zwischen 10-15 Stunden versucht und sympathischer wurde mir diese Couch deswegen nie...links eine Seite zum Runterpurzeln, rechts eine Seite zum Runterpurzeln...also möglichst drauf balancieren, obwohl das Ding ja eigentlich groß genug ist...wenn auch kein bisschen schön oder wirklich kuschelig oder gemütlich. Vielleicht muss ich dazu sagen, dass ich meine Leichen im Keller habe bezüglich anderen Arztbesuchen in der Kindheit, wo mir nicht gesagt wurde, was gleich passiert, dann tauchte hinter mir plötzlich jemand auf, der irgendein Instrumentarium in seinen Pfoten hatte, das Schmerzen verursachte oder ich schlichtweg nicht kannte...und es folgt das obligatorische Festgehalten werden...vielleicht daher die große Angst davor, zu spät zu sehen/merken, was hinter mir vorgeht.
Davon abgesehen geht es mir persönlich dabei auch so, dass ich danach das Gefühl habe, nicht bei der Stunde gewesen zu sein. Ich habe normalerweise montags und mittwochs je eine Stunde und der Abstand Mi --> Mo macht mir ohnehin Probleme (was sie auch weiß)...und dann noch auf der Couch...dann wird der Abstand gefühlt noch größer...und wenn beide Termine auf der Couch...wann war ich denn dann das letzte Mal gefühlt da? Im Moment kommt in mir der Gedanke auf, dass ich mich vielleicht wieder auf diese Couch einlassen könnte, wenn da mal 3 Termine pro Woche wären und nicht alle im Liegen sein müssen...aber den Wunsch nach 3 Terminen traue ich mich wiederum nicht anzusprechen...

Gruß

Bina

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Rabe
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Beitrag Di., 28.06.2011, 16:57

Liebe Widow,

ob ich wirklich geübt - äh, erfahren bin im freien Assoziiern könnte wahrscheinlich nur mein Analytiker sagen, ich will trotzdem beitragen, was mir beim Lesen Deines und der anderen Beiträge eingefallen ist.

Zum einen höre ich oft ein bißchen schlechtes Gewissen heraus, wenn jemand sagt, dass es mit dem freien Reden nicht so recht klappt ('Ich versage sogar in der Analysestunde!'), aber der Zweck einer Analyse ist ja nicht, eine gute Analysandin zu sein, sondern sich für sich selbst gut zu entwickeln. Wenn man das Assoziieren erst lernen muss, dann ist das eben so. Wenn ständige Selbstzensur stört, vielleicht sogar ein Teil der Störung ist, deretwegen man in Therapie gegangen ist, muss die therapeutische Arbeit das eben berücksichtigen. Das Sprechen auf der Metaebene (man könnte das auch "den Widerstand bearbeiten" nennen) hat mir immer wieder geholfen.

Diejenigen, die in ihrer Kindheit und auch später nicht die Erfahrung gemacht haben, dass einfach reden einfach gut ist, sondern irgendwelche negativen Sanktionen erfahren haben, müssen wohl sehr viele Stunden lang immer wieder erleben, dass sie tatsächlich alles sagen dürfen, ohne dass etwas Schlimmes geschieht, bis sie es wirklich glauben. Das gehört zur korrigierenden emotionalen Erfahrung. (Meine Eltern haben seit meinem ersten Wort permanent Zensuren gegeben und Grammatik, Wortwahl, Syntax, Aussprache korrigiert, so habe ich mir die Fähigkeit, unperfekte Sätze von mir zu geben, hart erarbeiten müssen. Allerdings schon vor der Analyse, sonst hätte weiterhin ich mit niemandem und niemand mit mir geredet.)

Eigentlich kann ich gut drauflosreden, manchmal sogar etwas zu spontan, und hatte in der Probesitzungen keine Probleme, etwas zu sagen; als ich aber auf der Couch lag, bin ich erst einmal verstummt, musste nicht das freie Assoziieren lernen, sondern erst einmal überhaupt das Sprechen.

Ich bereite die Stunden nicht vor, aber ich laufe mit einem Leuchtstift durch mein Leben und streiche an, was mir wichtig, bemerkenswert vorkommt und worüber ich nachdenken will. Manches davon fällt mir in der Analysestunde ein, manches nicht. Ich dehne damit die Analyse auf die restlichen Stunden aus - zur Not könnte das unter "Durcharbeiten" fallen und wäre dann sogar seit Freud erwünscht.

Einige wenige Dinge schreibe ich dann doch auf einen imaginären Spickzettel. Etwa wenn ich mich über den Analytiker geärgert habe und das zur Beziehungsklärung in der kommenden Stunde erzählen will. Mir ist es so unangenehm, ihn zu kritisieren, dass ich ohne Notizblatt in ein erstarrtes Schweigen verfalle oder über irgendein anderes auch nicht unwichtiges Thema spreche.

Außerdem ist mir aufgefallen, dass das Warten auf Inspiration ('Themen müssen sich spontan melden, sonst gilt es nicht') auch Selbstzensur sein kann. Dann halten mir meine Eltern den Mund zu. Es gibt Dinge, die mir auf der Couch noch nie eingefallen sind, obwohl ich daheim ziemlich ausgiebig auf ihnen herumgekaut habe. Deswegen weiß mein Analytiker nicht, dass ich mich lange wegen der Stundenfrequenz gegrämt habe.

Wissenschaftliche Hausabeit? Ich glaube, Analyse findet auf Schmierpapier statt, nicht in Bleisatz.

Ich wünsche Dir guten Mut beim Erleben der unerhörten Tatsache, dass nicht alles ausgegoren, wohlgeordnet und druckreif sein muss, um Sinn zu ergeben und kreative Arbeit zu sein.

Besten Gruß
Rabe


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Widow
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Beitrag Di., 28.06.2011, 19:48

Liebe Antwortende,

einen großen Dank an Euch! Eure Beiträge sind für mich sehr hilfreich! Ich greife jetzt ein paar Einzelheiten heraus, auf die ich antworten möchte, was nicht heißt, dass der Rest weniger wichtig sei!
Tentatives hat geschrieben: Sie fragt mich Dinge, die ich mir eben nicht schon vorher zurecht gelegt habe u. die ich dann spontan, ohne darüber nachzugrübeln, ob das jetzt besonders intelligent oder erwünscht ist, auch äussere.
[...]
Bin mir jetzt allerdings nicht sicher, ob sich dieses Setting in meiner tiefenpsychologischen PT überhaupt auf eine Analyse übertragen lässt, da wir uns ja gegenüber sitzen u. meine Thera verhältnismässig stark involviert ist. Ich glaube Analytiker sind da eher passiv, kann mich aber auch täuschen.
Es ist schön zu lesen, wie behutsam Deine Thera Dich "auf die Spur" setzt! Ich wünsche Dir, dass es für Dich so weitergeht und Du immer "freier" werden mögest (auch mit den Assoziationen)!
Mein Analytiker scheint übrigens gar nicht so knallhart analytisch zu sein, zwar "muss" schon immer ich den Anfang machen, doch dann schaltet er sich oft recht bald ein und stellt auch Fragen, auch wenn ich nicht "weiterkomme".
Tentatives hat geschrieben: Ich finde es toll, wie gut es Dir in der kurzen Zeit gelungen ist diese, für Dich heftigen Punkte anzugehen u. wünsche Dir, dass Du diesbezüglich weiter so gut voran kommst! Für mich signalisiert das eigentlich, dass Du Deinem Therapeuten doch sehr vertraust u. auch bereits zu Beginn der THerapie heikle Themen ansprechen kannst.
Ja: Die Witwe ist ehrlich geworden und unverstellt (versucht es zumindest!). Und: Ja, ich habe mir vorgenommen, ihm zu vertrauen (wenngleich mir seine Profession reichlich unheimlich ist). Und: Hm, langsam ist mir nicht mehr klar, worüber wir in einem halben Jahr eigentlich noch reden sollen (und dann 3x die Woche!), wenn es mit dem Tempo so weitergeht. Diese heiklen Themen sind mir, nebenbei bemerkt, keineswegs neu. Der Unterschied zwischen laienhafter Selbst-Analyse und professioneller PA besteht für mich momentan also darin, dass er anlässlich meiner heiklen Themen z.T. auf ziemlich irrwitzige (und mithin durchaus auch interessante) Ideen kommt. Meine "Wahrheit" könnte vielleicht irgendwo zwischen unseren beiden Einschätzungen liegen. - Aber auch dann wäre sie bald erreicht, wenn wir in dieser Geschwindigkeit weitermachen. Nur, was wäre damit eigentlich "erreicht"?! Irgendwie schwant mir, dass ich wieder einen Denkfehler mache, wenn ich glaube, dass mit den ersten thematischen Wiederholungen die Analyse "fertig" ist.
Puh ...
metropolis hat geschrieben: begann, Bücher über die psychoanalytische Therapie und Freud zu lesen. Diese Tendenz haben viele Analysanden. Nicht dass ich dir das empfehlen würde. Dahinter versteckt sich nämlich auch ein Abwehrmechanismus bzw. Widerstand.
(*flüster* in Freuds Psychopathologie des Alltags werden einige Beispiele für freie Assoziationen und deren Deutung angeführt)
Es gibt ein neues Regalbrett für die einschlägige Fachliteratur, das sich beängstigend rasant füllt
Pst, habe die Ohren gespitzt ...
Bina hat geschrieben:aber den Wunsch nach 3 Terminen traue ich mich wiederum nicht anzusprechen...
Das ist sehr schade, warum mangelt es denn an Mut? (Eigentlich sind 3 Stunden wöchentlich doch ganz normal bei einer PA, es wäre also keine Extrawurst. Und dass mit Deiner medizingeschädigten Couch-Vorgeschichte ein Wechsel von Couch- und Sessel-Sitzungen möglich wäre, jedenfalls anfangs, scheint mir nicht ganz unwahrscheinlich zu sein.)

Fortsetzung folgt gleich


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Widow
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Beitrag Di., 28.06.2011, 19:48

Fortsetzung:
Rabe hat geschrieben: Zum einen höre ich oft ein bißchen schlechtes Gewissen heraus, wenn jemand sagt, dass es mit dem freien Reden nicht so recht klappt ('Ich versage sogar in der Analysestunde!'), aber der Zweck einer Analyse ist ja nicht, eine gute Analysandin zu sein
Ja, diese Musterschülerin-Gedanken kamen mir durch meinen Thread auch schon. - Interessant, dass selbst die Witwe noch "durch Leistung gefallen" möchte (altbekanntes Muster aus Leben Nr. 1, das doch hinter mir liegt).
Rabe hat geschrieben: Das Sprechen auf der Metaebene (man könnte das auch "den Widerstand bearbeiten" nennen) hat mir immer wieder geholfen.
Das ist für mich ein wichtiger Hinweis! Ich dachte, dass das "Rationalisieren" sei und somit selbst ein Widerstand / Abwehrmechanismus. Ich werde es öfter ausprobieren. (Mal gucken, was er dazu meint.)
Rabe hat geschrieben: Diejenigen, die in ihrer Kindheit und auch später nicht die Erfahrung gemacht haben, dass einfach reden einfach gut ist, sondern irgendwelche negativen Sanktionen erfahren haben, müssen wohl sehr viele Stunden lang immer wieder erleben, dass sie tatsächlich alles sagen dürfen, ohne dass etwas Schlimmes geschieht, bis sie es wirklich glauben.

Guter Punkt!!!
Rabe hat geschrieben: als ich aber auf der Couch lag, bin ich erst einmal verstummt, musste nicht das freie Assoziieren lernen, sondern erst einmal überhaupt das Sprechen.

Davor hat mich bislang mein Wille bewahrt, dieses "Verdammt, Du hast Dir das jetzt noch vorgenommen! Also mach's auch!" Der Fluchtinstinkt ins Schweigen (oder nicht zur Sitzung zu gehen) ist aber nach wie vor groß. Wobei: Wenn ich mal länger schweige, dann werde ich ganz hibbelig.
Rabe hat geschrieben: Mir ist es so unangenehm, ihn zu kritisieren
Das wundert mich bei mir auch (aktive und passive Kritikfähigkeit waren eigentlich hinreichend ausgebildet) - man schnurrt wohl zurück in den Zustand einer Erstklässlerin, die voller Ehrfurcht vorm Lehrer steht. Aber dann gibt es Hoffnung: Auf die Pubertierende!
Rabe hat geschrieben: Deswegen weiß mein Analytiker nicht, dass ich mich lange wegen der Stundenfrequenz gegrämt habe.
Darf ich fragen, inwiefern Du Dich ob der Stundenfrequenz gegrämt hast?

Und danke für Deine lieben Wünsche! Dir auch weiterhin einen guten Weg durch den Seelendschungel (was die Spontaneität der Äußerung anbelangt, bist Du dort ja offenbar schon weit gewandert)!

Und diesen guten Weg wünsche ich allen hier!
Herzliche Grüße
Widow

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Bina
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Beitrag Mi., 29.06.2011, 00:07

Hallo Widow,
Widow hat geschrieben:Das ist sehr schade, warum mangelt es denn an Mut? (Eigentlich sind 3 Stunden wöchentlich doch ganz normal bei einer PA, es wäre also keine Extrawurst. Und dass mit Deiner medizingeschädigten Couch-Vorgeschichte ein Wechsel von Couch- und Sessel-Sitzungen möglich wäre, jedenfalls anfangs, scheint mir nicht ganz unwahrscheinlich zu sein.)
Warum es an Mut mangelt ist schlichtweg die Angst davor, dass es ein Nein gibt, was für mich eine Zurückweisung bedeuten würde á la "Sei froh, dass du überhaupt 2h/Woche bekommst..." Ich hätte Angst davor, als Hypochonder abgestempelt zu werden, völlig sinn- und zwecklos ihr und anderen viel beeinträchtigteren Patienten, die es viel nötiger hätten als ich, Zeit zu rauben. Leider habe ich schon häufig genug die Erfahrung gemacht, von anderen nicht ernst genommen und belächelt zu werden (auch von Ärzten), sodass es mir schwerfällt, zu glauben, dass sie eine Behandlung oder in diesem Fall die 3h/Woche befürwortet, wenn der Impuls nicht von ihr ausgeht, sondern ich den Wunsch/das Bedürfnis äußere.

Gruß

Bina

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Rabe
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Beitrag Mi., 29.06.2011, 12:09

Liebe Widow,
Ich dachte, dass das "Rationalisieren" sei und somit selbst ein Widerstand / Abwehrmechanismus.
Auf die Idee wäre ich nie gekommen. "Rationalisieren" heißt doch, ein Verhalten oder ein Gefühl mir einer total logischen Begründung zu erklären, die aber die eigentliche Ursache oder Motivation verfehlt.
Ich habe in der Analyse nicht den Eindruck gewonnen, dass alle kognitiven Vorgänge Rationalisierung seien oder dass ich auf der Couch nicht denken dürfe, und ich musste noch nie meinen Verstand wie einen nassen Regenschirm vor der Praxistür abstellen. Es scheint eher darauf anzukommen, ob sich das Denkenkönnen mit der analytischen Arbeit verbündet oder sich zu den Saboteuren schlägt.
man schnurrt wohl zurück in den Zustand einer Erstklässlerin, die voller Ehrfurcht vorm Lehrer steht. Aber dann gibt es Hoffnung: Auf die Pubertierende!
Kann ich gut nachvollziehen. Viel Spaß beim Pubertieren, wenn es dann soweit ist.
Bei mir liegt es aber weniger an Ehrfurcht, sondern daran, dass ich den Analytiker schonen will, er meint es doch gut und macht sich soviel Mühe, da muss ich mit allem zufrieden sein, was kommt. Aber auch das ist ein Zurückschnurren.
Wenn ich mal länger schweige, dann werde ich ganz hibbelig.
Kannst Du erkennen, warum Du hibbelig wirst?
Darf ich fragen, inwiefern Du Dich ob der Stundenfrequenz gegrämt hast?
Klar darfst Du fragen, wenn ich es schon erwähne. Als der Analytiker auf die Frage der Wochenstunden zu sprechen kam, habe ich mich spontan und gegen meinen Vorsatz für zwei Stunden entschieden. Eigentlich wollte ich mir erst einmal erklären lassen, worin die Unterschiede liegen. Ich war ärgerlich über mich selbst wegen meiner Voreiligkeit und habe mich so gefühlt, als würde mir etwas vorenthalten (ich sage ja nicht, dass das rational sei). Binas Befürchtungen gelten auch für mich:
die Angst davor, dass es ein Nein gibt, was für mich eine Zurückweisung bedeuten würde á la "Sei froh, dass du überhaupt 2h/Woche bekommst..." Ich hätte Angst davor, als Hypochonder abgestempelt zu werden, völlig sinn- und zwecklos ihr und anderen viel beeinträchtigteren Patienten, die es viel nötiger hätten als ich, Zeit zu rauben
Außerdem: maßlos zu sein, zu viel von jemandem zu wollen, man nimmt nicht alles, was man kriegen kann, sondern lässt einen höflichen Rest ...
Der Vorteil liegt aber darin, dass ich nun selbst dafür verantwortlich bin, dass es mir zu wenig Wochenstunden sind, also irgendwie meine Autonomie wahre.

Seit mir aufgefallen ist, dass bei drei Wochenstunden das Kontingent bereits aufgebraucht wäre, habe ich mich mit der sparsamen Variante einigermaßen ausgesöhnt.
Es gibt ein neues Regalbrett für die einschlägige Fachliteratur, das sich beängstigend rasant füllt
Geht mir ähnlich. Allerdings habe ich schon psychoanalytische Literatur gelesen, als ich von der Couch noch nicht einmal geträumt habe, zum Teil liegt das an einem geisteswissenschaftlichen Studium. Freud zu lesen hat mir einfach Spaß gemacht. Als ich das in einer der Probesitzungen erzählt habe, hat sich der Analytiker gefreut. Mit jemandem, der mir das Lesen/Wissen verbietet hätte ich nicht arbeiten wollen.

Ich habe nicht den Eindruck, dass ich das Gelesene gegen die Analyse verwende. Ganz frei von Widerstand ist mein theoretisches Interesse an dem, was ich da erlebe, trotzdem nicht: Die Lektüre befriedigt mein Autonomiebedürfnis. Das würde sich aber andere Ausdrucksformen suchen, verzichtete ich auf die einschlägige Fachliteratur. Manchmal war das Lesen auch eine Schmusedecke, um Urlaube des Analytikers, überhaupt seine Nicht-Anwesenheit wärend der restlichen 166 Wochenstunden besser zu überstehen.

"Seelendschungel" ist schön - und ich merke, dass ich diesen Urwald mag. Ich wünsche uns erfolgreiche Expeditionen.

Besten Gruß
Rabe


Thread-EröffnerIn
Widow
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Beitrag Mi., 29.06.2011, 21:54

Liebe Bina, liebe Rabe, und natürlich liebe alle, die Ihr das hier lest,

Euer Problem, nach einer Stunden-Aufstockung zu fragen, kann ich gut verstehen. Doch: Letztlich steckt die Vertrauensfrage dahinter, oder?
Binas Angst, für einen Hypochonder gehalten zu werden, Rabes Angst, maßlos zu sein, nicht höflich genug --- gut nachvollziehbar. Doch es geht um eine Therapie, eine Analyse, eine Behandlung obendrein, in der Ihr schon länger seid. Eure Theras kennen Euch. Also, wenn sie einen Hypochondrie-Verdacht hegten, wäret Ihr wohl kaum noch dort. Und: Eure Theras sind keine FreundInnen, denen gegenüber man fürchten muss, evtl. maßlos zu werden, grenzüberschreitend, weil sie sich vielleicht (zunächst) nicht wehren können aufgrund der Freundschaft; und sie sind keine NachbarInnen oder KollegInnen, bei denen man befürchten muss, die Gebote der Höflichkeit vielleicht zu übertreten, wenn man etwas wünscht.
TherapeutInnen klären die Grenzen, ohne uns - selbst, wenn wir sie überschritten haben - das zu entziehen, was sie uns gegenüber, wenn sie uns "angenommen" haben, aufbringen: Sympathie und Interesse. Und ich wette, dass gerade AnalytikerInnen sich ins Fäustchen lachen, wenn lebensweltliche "Benimmregeln" (um es mal ein wenig grob zu formulieren) auf ihrer Couch ignoriert werden (manche dieser Regeln jedenfalls, und wohl auch in Abhängigkeit zu der/dem auf der Couch ...).
Und schließlich - ganz pragmatisch - die "reguläre" Analyse findet in der BRD mit 3 wöchentlichen Sitzungen statt. Das kann aber jederzeit phasenweise geändert werden (hoch oder runter). Wenn Euch nach einer Sitzung mehr ist (und bei Rabe wohl eher nicht wegen der Gesamtstundenzahl), dann fragt danach! DAS ist völlig "normal" .

Zu Rabe noch:
Warum ich hibbelig werde, wenn ich lange schweige:
Weil ich immer noch Splitter aus Leben Nr. 1 in mir trage, in dem ich unter anderem auch auf Input und Outcome und "publish or perish" und "Höflichkeit"/Regeleinhalten getrimmt war, auch auf "Leistung zeigen". Und eine PA ist ja eine "Redekur" ... - dass das so nicht ganz stimmt, dämmert mir langsam. - Ziel der dann Pubertierenden also: Eine Schweige-Liegung!
Zum Rationalisieren: Ja, heute hatte ich meinen nassen Regenschirm unterm Rückgrat, sprich: mein zerfasertes Verstandesrestlein bei mir auf der Couch - und es war gut!!! (Nur ein wenig schlagfertiger muss ich noch werden: Jetzt schleppe ich 1/3 der Einwände, und natürlich die schlagkräftigeren!, sechs Wochen mit mir durch die Sommerpause, grimpf!).
Zum Thema "psychoanalytische Lektüre und Autonomie" - ich lese jetzt Proust! Endlich und mit Widerwillen, aber da mein herranalytiker jetzt schon zum 5 x Proust zitiert hat (und der für mich eine neuralgische Leerstelle seit Studienzeiten ist), lese ich den jetzt! Und kann dann mit Zitaten zurückschlagen oder auch zurückraunen! Auf 4000 Seiten wirds ja wohl ein bissl dialektisch zugehen!

Einen herzlichen Gruß an Euch und alle hier,
Widow (nunmehr auch noch in anderem Sinne auf der Suche nach der verlorenen Zeit - wär' schön, wenn das endlich mal wirklich zum Totlachen wäre!)

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