Missbrauch, Orgasmen, Schuldgefühle

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Katzentier
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Missbrauch, Orgasmen, Schuldgefühle

Beitrag Di., 07.06.2011, 21:18

Bin ich froh, dieses Forum gefunden zu haben! Nachdem ich nun einiges gelesen habe, hier eine Frage.
Ich bin mit 12 Jahren missbraucht worden von einem Freund meines Bruders. Der Täter war damals 19 und ich sehr verliebt in ihn. Schwärmerisch wie es so ist in dem Alter. Als er dann auch Interesse für mich zeigte, fühlte ich mich sehr geschmeichelt und erwachsen. Wir wurden ein Paar eine Woche nach meinem 12. Geburtstag. Meine Eltern waren damals mitten im Trennungskrieg und haben sich eigentlich gar nicht um meine Gefühle und Bedürfnisse groß gekümmert. Nach Kurzen Zögern, hatten mein „Freund“ und ich freie Bahn. Meine Mutter ging einmal ein Bier mit ihm trinken, wohl um ihn zu ermahnen, dass er mich zu nichts zwingen soll etc. Dann durfte er auch bei mir schlafen. Ich hatte alle möglichen Arten des Sexes mit ihm außer GV. Das hat wiederum meine Mutter mir nicht geglaubt, sie wollte ständig, dass ich die Pille nehme, glaubte mir einfach nicht – das hat mich sehr verletzt. Nun war ich also 12 und hatte Sex mit einem erwachsenen Mann. Eine völlige Überforderung. Ich dachte aber, ich muss mitmachen, um mich nicht lächerlich zu machen. Vor allem wollte ich auf keinen Fall mehr ein Kind sein müssen, da meine familiäre Situation so schrecklich war und ich mit Abstand das jüngste Kind. Es ging damals sogar soweit, dass wir BDSM-Spiele gemacht haben. Ich erinnere mich nur noch verschwommen. Jahrelang habe ich die ganze Geschichte schöngeredet. Seit einigen (Theraphie-)jahren gestehe ich mir nun mehr oder weniger den Missbrauch ein. Womit ich aber nach wie vor nicht klarkomme: Ich habe ja freiwillig mitgemacht, der Altersunterschied war ja nicht sooo groß und bin auch oft zum Orgasmus gekommen. Ich habe deswegen üble Schuldgefühle. Kennt dieses Problem jemand von Euch?

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jennyfer
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Beitrag Di., 07.06.2011, 21:35

Katzentier hat geschrieben:Ich habe ja freiwillig mitgemacht, der Altersunterschied war ja nicht sooo groß und bin auch oft zum Orgasmus gekommen. Ich habe deswegen üble Schuldgefühle. Kennt dieses Problem jemand von Euch?
Hallo Katzentier,

für mich gilt es da klar zu unterscheiden. Mache ich mit, weil ich noch nicht reif bin um zu erkennen das ich einen Ersatz für manches suche, und somit nicht anders kann? (Trennung der Eltern) Oder mache ich mit, weil ich wirklich schon an Sex interessiert bin, wofür eine 12 jährige in meinen Augen höchstens Neugierde haben kann, und dann mit dem Resultat völlig überfordert ist.
Warst du wirklich schon so reif um schreiben zu können, du warst schon soweit? Ich glaube nicht das du gerade bei BDSM Spielen wusstest, um was es wirklich gehen sollte. (meine Einschätzung)
12 Jahre ist schon wahnsinnig früh um mit einem `Mann`Sex zu haben. Vom Gesetzt her mal ganz zu schweigen. In dieses Alter gehört meines Erachtens mehr ein Experimentieren (wenn man schon so reif ist) mit annähernd gleichaltrigen.

Von Ihm und von deiner Mutter finde ich das unverantwortlich dies `über dich`zu dulden. Ich schreiben bewusst `über dich`da du mit Sicherheit völlig überfordert warst. In meinen Augen klarer sexueller Missbrauch auch schwerwiegend Emotional. Das ist Ausbeutung einer Kinderpsyche, auch wenn du vllt körperlich schon weit warst. Das heisst noch lange nicht das deine Psyche da mithalten konnte. Deine Schuldgefühle sind ein klares Zeichen, und wundern mich in keinster Weise.

Ich wünsche dir alles Gute
und schau gut auf dich



Liebe Grüße
jennyfer
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Innere_Freiheit
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Beitrag Di., 07.06.2011, 21:39

Hallo Katzentier,

aus welchen Gründen machst du eine Therapie?
Wie geht es dir heute, wenn du an ihn denkst?
Hast du das Gefühl, das was damals zwischen euch geschehen ist, hat dir geschadet?

Einen lieben Gruß

Innere Freiheit

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Katzentier
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Beitrag Di., 07.06.2011, 21:46

Hallo jennyfer, vielen Dank für Deine Antwort. Es bedeutet viel für mich, so bestätigt zu werden in meiner heutigen erwachsenen Wahrnehmung. Vom Kopf her bin ich inzwischen meistens so weit, dass auch so zu sehen. Aber durch diese halbe "Freiwilligkeit" ist es wirklich immer wieder vertrackt.

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jennyfer
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Beitrag Di., 07.06.2011, 22:03

Katzentier hat geschrieben: Aber durch diese halbe "Freiwilligkeit" ist es wirklich immer wieder vertrackt.
Das ist es ja. Eine 12 jährige kann natürlich völlig verliebt sein auch erregt, usw. Das ist mir klar. Doch eben die Psyche ist in meinen Augen nicht so weit, dann mit einem Mann solche `Spiele`eingehen zu können. Ich sehe darin eine Überforderung mit Folgen.

Mich würde deine Antwort auf `Innere Freiheit`interessieren (wenn du antworten magst)...


lg
jennyfer
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Katzentier
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Beitrag Di., 07.06.2011, 22:05

Hallo Innere Freiheit,

danke für die schnelle Antwort!

"aus welchen Gründen machst du eine Therapie?"
Ich mache gerade meine zweite Therapie... Panikatacken, Depressionen. Die erste hatte mir zunächst sehr geholfen, aber es ging damals noch nicht wirklich in die Tiefe. So konnte ich das Missbrauchsthema da noch kaum besprechen. Zwei Jahre nach der ersten Therapie ging esmir dann wieder ziemlich schlecht.

"Wie geht es dir heute, wenn du an ihn denkst?"
Zunehmend bin ich wütend. Ich google ihn gelegentlich und hege dann meinen Hass. Ich ärgere mich sehr, dass es bereits juristisch "verjährt" ist. Weiß aber auch nicht, ob ich wirklich den Mut hätte, ihn anzuzeigen ... Als noch belastender empfinde ich meine Wut auf meine Mutter. Wir standen uns sehr nahe (äußerlich) lange Jahre und ich habe mich inzwschen weitgehend zurückgezogen. Ich habe sie einmal mit Vorwürfen konfrontiert, dass sie mich nicht beschützt hat. Sie konnte das gar nicht begreifen, wies alles von sich und meinte, meine Theapeutin solle mir mal erklären, dass viele Leute mit 12 Sex haben. Sie hat auch bis heute noch Kontakt zum Täter und nimmt regen Anteil an seinem Leben. Ich habe seit 15 Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm.

"Hast du das Gefühl, das was damals zwischen euch geschehen ist, hat dir geschadet?"
Allerdings. Ich fühle mich oft ohnmächtig, muss mühsam lernen, dass ich eigene Entscheidungen treffen darf, dass meine Empfindungen wertvoll sind und beachtenswert... Außerdem ist das Thema Sex für mich bleischwer und mit Ekel und Angst besetzt. In letzer Zeit bin ich oft traurig darüber, dass ich unwiederholbar die Zeit verpasst habe, in der man Sexualtät auf schöne und gesunde Weise für sich entdecken kann. Und Liebe ist immer wieder etwas, dass ich mir "kaufen" muss durch Selbstaufgabe. Wenn ich darüber nachdenke, was mir dieser Typ und meine Eltern alles geraubt haben, das ist schon wirklich bitter. Und traurig. Und mies.

Liebe Grüße
Katzentier

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jennyfer
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Beitrag Di., 07.06.2011, 23:38

Hallo Katzentier,
Katzentier hat geschrieben:(...) Sie konnte das gar nicht begreifen, wies alles von sich und meinte, meine Theapeutin solle mir mal erklären, dass viele Leute mit 12 Sex haben.
Deine Mutter sollte sich mal fachlich informieren. Als 12 jährige sich an Sex heran tasten zu wollen oder als 12 jährige Sex mit einem Mann zu haben sind zwei völlig verschiedene Themen. Wenn zwei junge Menschen experimentieren ist das was anderes, als wenn eine erwachsene Seite bereits Sex Spiele an einer kindlichen Psyche `ausübt`. (egal wie reif der Körper bereits ist)

Hast du mit deiner Mutter bereits abgeschlossen? Oder ist es dir ein Bedürfnis, dass sie dich verstehen kann? `Wo`stehst du momentan? Ein `Verstehen`kann helfen, doch wenn sie auf dieser Seite taub ist (oder bleibt), gar nicht genauer hinschauen möchte, dann wirst du das auch ohne ihrem Verständnis schaffen müssen. Dazu müsstest du es jedoch `los lassen`, also Ihres bei Ihr belassen, so schwer das auch sein kann.

Liebe Grüße
jennyfer
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Innere_Freiheit
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Beitrag Di., 07.06.2011, 23:47

Liebe Katzentier,

danke für deine Antwort.
Tut mir Leid für dich, was du erlebt hast..... und was das Erlebte in dir für Spuren hinterließ. Beim Lesen deines Beitrags merkt man, wie sehr überfordert du damals in dieser Situation warst! - Das ist schlimm für dich, das merkt man!

Dennoch teile ich nicht das in Psychotherapiekreisen weit verbreitete Vorgehen, sich selbst stets als Opfer von was- oder wem-auch-immer zu sehen.

Du hast damals mitgemacht, warum auch immer.
Deine Mutter hat mitgemacht (indem sie es laufen ließ), warum auch immer.
Und er hat mitgemacht, warum auch immer.

Deine Mutter hätte eigentlich wissen müssen, dass es nicht gut für dich sein kann.....
Er hätte eigentlich wissen müssen, dass es nicht gut für dich sein kann....
Ich denke, du warst damals noch nicht in der Lage, dies einzuschätzen!
Und ihr habt alle drei mitgemacht.
Katzentier hat geschrieben:Und Liebe ist immer wieder etwas, dass ich mir "kaufen" muss durch Selbstaufgabe.
Das geht meiner Ansicht nach sehr Vielen so - sehr vielen Frauen, aber auch vielen Männern.
Du hast da ja damals mit 12 schon so gemacht - und machst es heute noch immer.
Katzentier hat geschrieben:In letzer Zeit bin ich oft traurig darüber, dass ich unwiederholbar die Zeit verpasst habe, in der man Sexualtät auf schöne und gesunde Weise für sich entdecken kann.
Auch dies ist etwas, das viele Leute aus den verschiedensten Gründen mit dir teilen.
Ich hatte beispielsweise in meiner Jugend viel zu viele soziale Ängste, um mich überhaupt irgendwie einem Mädchen zu nähern. Die ersten Annäherung zum anderen Geschlecht gab es erst mit 37(!), der erste richtige Sex erst mit 39..... Also hier die "Sexualtät auf schöne und gesunde Weise für sich entdecken" doch erst ziemlich verspätet.

Ein Grund für meine Ängste war bei mir sicher auch, dass meine Eltern übervorsichtig und ängstlich waren.... und ich als Kind auf dem Spielplatz nicht mal die Klettergerüste hinaufklettern durfte, weil sei Angst hatten, ich würde herunterfallen. (Dies hat dann natürlich auch dazu geführt, dass ich in der Schule nie besonders sportlich und immer eher ängstlich war.)

Warum ich dir das hier schreibe?
Ich denke, Eltern haben echt die Ar*ch-Karte gezogen:
Egal ob sie zu vorsichtig oder zu frei-lassend sind - wenn am Ende irgendetwas 'Unerwünschtes' herauskommen sollte, dann sind sie an Allem schuld.....

Ich will mit dem was ich hier schreibe meinen ersten Absatz in diesem Beitrag auf keinen Fall abschwächen.
Aber was hier meiner Meinung nach passiert ist ist, dass hier 3 Menschen zusammentrafen.... die aus verschiedenen Motiven.... und mit verschiedenem Wissen etwas fabriziert haben...... was sich am Ende recht schlimm für dich herausstellte.

Meiner Ansicht nach trägt das Festhalten an 'Schuld' und 'Unschuld', an 'Täter' und 'Opfer' nur dazu bei, die Folgen des Geschehen dauerhaft festzuschreiben!
Dir wird dir jedoch so oder so nichts anderes übrigbleiben, als das Geschehene zu verarbeiten und zu integrieren..... auch wenn du grollst, weil du das Ganze am liebsten nie erlebt hättest..... und du so etwas nie verarbeiten oder integrieren wolltest......

Ich wünsche dir die Kraft, wie auch immer und soweit wie möglich frei zu werden!

Einen lieben Gruß

Innere Freiheit

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Beitrag Di., 07.06.2011, 23:55

Hallo Katzentier,
Katzentier hat geschrieben:Ich ärgere mich sehr, dass es bereits juristisch "verjährt" ist. Weiß aber auch nicht, ob ich wirklich den Mut hätte, ihn anzuzeigen ...
Das eine wäre der Mut und die Beweislage. Bist du dir aber in der Sache so sicher? Meines Wissens gilt in D: Sofern es sich um schweren Mißbrauch an Kindern handelt, und danach hört es sich an, beläuft sich die Verjährung auf 20 Jahre, gerechnet ab derm 18. Geburtstag. Vielleicht hast du ja aber auch schon einen entsprechenden Fachanwalt gefragt.

Gruß
Anastasius

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