Körperkontakt in der Therapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
soraya
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 40
Beiträge: 19

Körperkontakt in der Therapie

Beitrag Do., 14.04.2011, 12:00

Hallo,

gibt es zwischen Euch und Eurem Therapeuten Körperkontakt, der über den Händedruck hinaus geht?

Ich bin seit knapp vier Jahren bei ein und demselben Therapeuten, echtes Vertrauen zu entwickeln ist für mich extrem schwer und wenn dann Ansätze da sind, dann genügt ein klitzekleiner Anlass um das ganze wieder verschwinden zu lassen.

Ich habe aber in den letzten Jahren bei ihm grosse Fortschritte gemacht, nachdem ich bei anderen Therapeuten und einem Klinikaufenthalt eher vom Regen in die Traufe gekommen bin. Er kennt mich, für meine Verhältnisse, sehr gut. Er geht sehr gut intuitiv auf mich ein und trotz aller Schwierigkeiten hat er mich nie aufgegeben.

Nun hat es sich in meinem letzten Tief ergeben, das er sich grosse Sorgen um mich gemacht hat. Ich bekam kurfristigst einen Notfalltermin. Ich war tief depressiv und wusste nicht wirklich weiter.

Ich bin in solchen Situtionen immer sehr sprachlos, es fällt mir schwer mich verbal auszudrücken, so dass ich noch nichtmal auf die Frage: "Wie geht es Ihnen?" oder "Was brauchen Sie" antworten kann. Ich erstarre innerlich völlig.

Mein Therapeut arbeitet viel damit innere Bilder entstehen zu lassen. Ich liess mich drauf ein, und es entstand das Bild meines früheren sehr jungen "Ichs" das in der Ecke kauerte und weinte. Auf seine Frage hin, was dieses Mädchen brauchen würde, antwortete ich ganz spontan "Das ist ganz einfach, sie will einfach nur in den Arm genommen werden" Auf seinen Vorschlag hin setzte ich mich dann auf den Boden und nahm, stellvertretend für das kleine Mädchen, ein Kissen in den Arm.

Er fragte, was ich davon halten würde, wenn er sich daneben setzten würde, um das kleine Mädchen mit zu trösten. Ich war völlig verblüfft ob der Frage, willigte ein, da ich wissen wollte, was dann passieren würde, mit mir.

Er legte leicht den Arm um mich und so sassen wir dann da. Beide still. Und ich habe noch nie in meinem Leben eine so tiefe innere Ruhe gespürt. Ich war völlig entspannt.

Der perfekte sicher Ort. Den ich mit nach Hause genommen habe, der noch immer in meiner ERinnerung existiert. Ich war das erste Mal ohne Angst, ohne Anspannung seit...schon immer?

Kennt ihr sowas?

Ist das eine Ausnahmen?

Oder redet nur keiner drüber, weil es ja "verboten" ist Körperkontakt in der Therapie herzustellen, wenn es keine körperorientierte Therapie ist? (wobei mein Thera, von Hause aus eigentlich Analytiker) eh alle möglichen Therapiearten durcheinander schmeisst. Ob nur bei mir, weiss ich nicht.

Ich hab nachher meine nächste Stunde, freu mich drauf und würde gerne eine solche Situation wieder herstellen, diesmal um, vielleicht ohne Angst, über meine Missbrauchserfahrungen zu sprechen. Es fühlt sich richtig für mich an. Ich hoffe, er geht darauf ein.

Werbung

Benutzeravatar

saffiatou
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 51
Beiträge: 3633

Beitrag Do., 14.04.2011, 12:07

Hallo Soraya,

ich habe mich gefreut zu lesen, wie sehr Du Deinem Therapeuten vertraust und wie er es
versteht auf Deine Bedrüfnisse einzugehen und ich finde da absolut nichts negatives dabei,
er hat in dem Moment das Kind gesehen, daß es dringend nötig hat in den Arm genommen
zu werden und endlich einmal Wärme, Gebrogenheit und Sicherheit zu spüren.

Ich habe zu meinem Therapeuten auch ein sehr gutes Verhältnis, habe endlos Vertrauen,
aber genau das würde ich mir so manches mal wünschen, einfach nur in den Arm genommen
zu werden, da hält sich meiner sehr zurück. Ich weiß nicht, vielleicht hat er seine Gründe
und meint, ich verstehe es falsch, was auch immer. Vielleicht muß ich einfach nur den Mut
haben es anzusprechen...

Liebe Grüße, Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
soraya
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 40
Beiträge: 19

Beitrag Do., 14.04.2011, 12:28

Hallo Saffia,

danke für deine Antwort.

Ich hab mir in meinen künsten Träumen das nicht ausgemalt. Er hat mich völlig überrascht damit.
Ich hätte also auch nie darum gebeten. Den Mut hätte ich nicht gehabt. Denke mir jetzt aber, dass schade gewesen ist. Also...vielleicht hast du den Mut. Allerdings denke ich auch, das es mehr Theras gibt, die das ausschlagen, als solche, die sich drauf einlassen. Ist ja auch ein Risiko.

Benutzeravatar

chandelle
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 42
Beiträge: 1747

Beitrag Do., 14.04.2011, 22:29

Hallo soraya!

Nein, es ist keine Ausnahme. Ich freue mich, dass es Dir damit so gut ging! Weiterhin viel Erfolg mit Deiner Therapie!

Werbung

Benutzeravatar

Schwan
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 40
Beiträge: 11

Beitrag Fr., 15.04.2011, 09:52

Hallo alle zusammen!

Es tat richtig gut zu lesen, daß es auch Therapeuten gibt, die jemanden in den Arm nehmen.
Am Anfang der Therapie habe ich es mir auch gewünscht.
Jetzt nach 50 Stunden könnte ich es mir nicht mehr vorstellen.
Außerdem würde er es nie tun.

Wir haben ein super Verhältnis, er ist bisher de einzigste Mensch, bei dem ich offen über Dinge sprechen kann und dem ich total vertraue.
Ich tue mich da ziemlich schwer und habe am Anfang auch nicht viel geredet. Er ist ein wundervoller Mensch und hat mich wirklich wieder zu jemanden gemacht, der wieder Spaß am Leben hat.
Neulich benötigte ich ein Taschentuch, wobei ich immer welche in der Hosentasche habe.
Als es ihm wohl zu heftig mit den Tränen wurde, sagte er zu mir, "hinter ihnen im Regal hat es Taschentücher". Er ist da sehr auf Distanz, ist aber auch verständlich, denke er hat in über 30 Therapeutenjahre schon einiges erlebt. Er ist nicht verheiratet, hat eine Lebensabschnittsgefährtin (wie es neudeutsch so schöne heißt), ist schon etwas älter, sehr nett und einfühlsam.
Für mich ist er der allerbeste "Freund auf Zeit" und ich nehme ihm das auch nicht übel, daß er auf Distanz ist.
Ich suchte ja niemand für eine Liebesbeziehung, sondern jemand, der mit mir mein Leben aufarbeitet und es wieder lebenswert macht - und das ist ihm bisher gelungen - o.k. harte Arbeit von meiner Seite war auch dabei.


Wenn Euer Thera das macht, bewahrt es Euch - das sind "indirekte" Streicheleinheiten für die Seele und für den Moment unbezahlbar! Es kommt immer darauf an, mit was für einer Absicht man das selber annimmt und was man selber dahinter sieht.

Es grüßt Euch ganz herzlich

der Schwan



Ein Mensch fühlt sich oft wie verwandelt, wenn man ihn als Mensch behandelt (Eugen Roth)

Benutzeravatar

Darkday
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 30
Beiträge: 28

Beitrag Fr., 15.04.2011, 12:07

Hallo Sprays,
Habe mich selbst vor einigen Tagen hier angemeldet um über das Thema Körperkontakt in der Psychotherapie zu sprechen. Kenne die Situation so wie Du sie beschreibst, mein Thera arbeitet auch mit Körperkontakt und ich war beim ersten Mal auch ähnlich überrascht wie Du, weil ich glaubte dies sei in einer tiefenpsychologischen Therapie verboten. Mir hat der Körperkontakt unglaublich viel gebracht und als ich Deine Zeilen gelesen habe, hat es gleich ein positives Gefühl in mir wach gerufen! Erzähl doch mal von Deiner nächsten Stunde, wenn Du magst..

Benutzeravatar

saffiatou
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 51
Beiträge: 3633

Beitrag Fr., 15.04.2011, 12:17

Hallo Darkday,

wie ist es bei Dir zu Körperkontakt gekommen, hast Du darum gebeten, in den Arm genommen zu werden,
oder hat er erkannt, daß Du dringen Geborgenheit benötigst? Ich mache auch eine TfP und bisher
hat er sich da sehr zurück gehalten. Ich habe mal angesprochen, daß ich es schmerzlich vermisse, daß
mich mal jemand in den Arm nimmt und tröstet.

Liebe Grüße, Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

Benutzeravatar

debussy
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
männlich/male, 50
Beiträge: 1855

Beitrag Fr., 15.04.2011, 13:41

saffiatou hat geschrieben:Ich mache auch eine TfP und bisher
hat er sich da sehr zurück gehalten. Ich habe mal angesprochen, daß ich es schmerzlich vermisse, daß
mich mal jemand in den Arm nimmt und tröstet.
ich als dein therapeut würde dir antworten, dass ich dazu da bin, dass du jemanden findest, der das tut.

Benutzeravatar

chandelle
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 42
Beiträge: 1747

Beitrag Fr., 15.04.2011, 13:44

debussy hat geschrieben: ich als dein therapeut würde dir antworten, dass ich dazu da bin, dass du jemanden findest, der das tut.
Das ist die eine Seite und der akute Bedarf und das Erlernen die andere.

Warum hast Du hier so eine Antihaltung, deb?

Benutzeravatar

debussy
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
männlich/male, 50
Beiträge: 1855

Beitrag Fr., 15.04.2011, 13:54

lies hier doch ein bisschen, wieviele sich in ihren thera verlieben.

für mich wäre das ein nogo. ganz wenige situationen ausgenommen. (z.b. krisenintervention akuter natur)

Benutzeravatar

chandelle
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 42
Beiträge: 1747

Beitrag Fr., 15.04.2011, 14:00

Ich habe mich auch nicht verliebt. Das sind zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe. Ich denke auch, wenn das Angebot gemacht wird, der Therapeut weiß was er tut und wem er das anbieten kann.

"Verlieben" in den Therapeut stellt keinesfalls die Masse dar.

Benutzeravatar

saffiatou
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 51
Beiträge: 3633

Beitrag Fr., 15.04.2011, 15:07

Hallo,

es ist mir klar, daß genau das verlieben in den Therapeuten diese von Körperkontakt, damit meine ich nur mal über
den Rücken streichen, eventuell in den Arm nehmen, abhält.

Aber, ich bin auch der Meinung, daß es in einigen Fällen sehr zum Fortschritt der Therapie beiträgt, wenn der Klient
Geborgenheit spüren lernen soll, wen er getröstet werden muß. Sicher ist es sehr schwierig für einen Therapeuten
einzuschätzen, ob damit eventuell eine Übertragung ausgelöst wird.

Trotzdem gab es mal eine Sitatuion, da brauchte ich dringend etwas mehr Trost....

Liebe Grüße, Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

Benutzeravatar

turbulent2
Helferlein
Helferlein
anderes/other, 31
Beiträge: 63

Beitrag Fr., 15.04.2011, 15:22

Ich finde debussis antwort garnicht so falsch. und auch garnicht "anti".
Genau das, könnte meine Therapeutin auch sagen
Hilfe zur Selbsthilfe.

Akuter Bedarf nach umarmungen?
Wieso `? stirbt man andernfalls?

Tut mir leid, für diese Ausdrucksweise, aber ich sehe keinen "akuten Bedarf" bei sowas.
Vorallem, wenn man sich mal vor Augen hält, was Umarmungen auslösen können.

Benutzeravatar

chandelle
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 42
Beiträge: 1747

Beitrag Fr., 15.04.2011, 15:28

Man stirbst nicht, aber es ist heilsam. Was habt Ihr bloß dagegen?

Benutzeravatar

turbulent2
Helferlein
Helferlein
anderes/other, 31
Beiträge: 63

Beitrag Fr., 15.04.2011, 15:31

Na, ich hab nichts dagegen ^^

Ich finde bloß, man kann es nicht ausnahmslos gut heißen.
Ich sehe dabei auch viele negativaspekte, die auftauchen können.
Meinetwegen können sich alle soviel umarmen, wie sie wollen.
Wenn sie später auch mit den eventuellen Konsequenzen leben können.

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag