Wie kann ich das unaussprechliche aussprechen?

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Draußen
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Wie kann ich das unaussprechliche aussprechen?

Beitrag So., 30.01.2011, 15:48

Ihr Lieben,

ich bin jetzt seit bald einem Jahr in Therapie. Meine allgegenwärtige Angst begleitet mich immer brav und hemmt mich, mich meiner Therapeutin zu öffnen. Nicht, dass ich gar nicht reden würde, aber eben nicht, was mich tatsächlich zerreißt. Einmal fragte sie, was mit mir "noch" sei, daraufhin habe ich ihr einen Brief geschrieben und von dem Missbrauch berichtet. Danach sagte sie, dass sie jetzt davon wüßte und dass wir darüber sprechen können, wenn ich das will.

Allein mir fehlen die Worte. Der Gedanke daran sprechen zu müssen, löst bei mir schon Panik aus. Obwohl ich doch reden WILL.

Was kann ich tun? Wie kann ich die Worte finden?

gX Draußen

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Xanny
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag So., 30.01.2011, 17:23

Hallo Draußen,

so ähnlich war es bei mir auch. Ich habe dem Therapeuten nach vielen versteckten Botschaften und Andeutungen auch etwas geschriebenes mitgebracht, was er in meiner Abwesenheit dann auch gelesen hat. Die Reaktion war in etwas so wie bei Dir. Er weiß es, wir reden darüber, wenn ich soweit bin. Bislang war das noch nicht wirklich der Fall, weil ich eben auch so Probleme habe, da ran zu gehen.

Ich möchte da auch zur Zeit gar nicht drüber reden. Er weiß es, und in manchen Situationen sagt mir der Therapeut einfach nur, das es Gründe hat, wie ich mich verhalte, oder wie es mir geht. Dabei müssen wir nicht unbedingt auf das Thema Mißbrauch kommen. Schon alleine die Nennung dieses Wortes löst bei mir Ängste aus. Das ist aber auch ok so.

Alles hat seine Zeit und die finde ich, sollten wir uns auch nehmen dürfen. Es gibt Sitzungen, da möchte ich am Liebsten alles rausposaunen und eben solche, wo ich nichts davon hören will. Und beides ist in Ordnung, wenn es von mir aus kommt, ist mein Therapeut bereit, das aufzunehmen, und wenn es halt nicht geht, dann drängt er mich auch nicht.

Natürlich wollen wir darüber reden, ich genauso wie Du. Aber wir haben vielleicht Angst davor, was andere dazu sagen, oder wie andere damit umgehen. Das ist ein sehr heikles Thema und erfordert ein gewisses Maß an Fingerspitzengefühl. Ich kenne Gespräche, wo man sich mal Luft machen will, und dann kommt von anderen eine Reaktion, die man so nicht hören möchte. Und dann tut es doppelt so weh.

Ich wünsche Dir ganz viel Kraft, wenn Deine Zeit gekommen ist, über das Erlebte zu sprechen. Aber setz Dich damit nicht unter Druck.

Alles Liebe
Xanny
*Ein Freund ist jemand, der Deine Vergangenheit versteht, an Deine Zukunft glaubt und Dich so akzeptiert, wie Du bist*

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honeymoon28
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Beitrag Mo., 31.01.2011, 16:15

hallo draußen,

mir ging es jahrelang so wie dir. das erste mal hab ich auf den mb nach ca einem jahr hingedeutet. aber ausgesprochen habe weder ich noch meine thera das wort mißbrauch.
dieses thema stand dann weitere 6jahre im raum. wurde immer irgendwie drum rum geredet.
das erste mal offen darüber berichtet habe ich meiner thera mittels brief. von da an hat sie mir immer wieder mal gesagt dass es gut wäre , wenn ich es mal aussprechen könnte.
nicht damit sie hört was mir angetan wurde, sondern nur deshalb, dass ich mal worte dafür finde und es mitteilen kann.
vor einer woche war es soweit. völlig unerwartet und gar nicht geplant konnte ich aufeinmal reden über den mb. es war schwer, aber meine angst die ich davor immer hatte, war völlig unbegründet und das obwohl es sehr ins detail ging.
jetzt im nachhinein bin ich froh, endlich ein ventil für mich gefunden zu haben.
ich wünsche dir, dass du irgendwann über deinen schatten springen kannst.
wirst sehen, wenn mal ein anfang gemacht ist, dann gehts ganz gut.

lg

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nordic
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Beitrag Mo., 31.01.2011, 16:59

du könntest doch damit beginnen, darüber zu reden, dass du nicht darüber reden kannst. genauer gesagt warum du nicht darüber reden kannst. was macht es so schwer bzw. unmöglich? wovor hast du denn solche angst? was glaubst du, könnte dir passieren?
Draußen hat geschrieben:Allein mir fehlen die Worte. Der Gedanke daran sprechen zu müssen, löst bei mir schon Panik aus. Obwohl ich doch reden WILL.
da seh ich einen widerspruch. also was jetzt - WILLST du reden oder MUSST du?

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Draußen
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Beitrag Di., 01.02.2011, 09:05

Ihr Lieben,

danke für eure aufbauenden Worte und Tipps.

Ich muss mich meiner Vergangenheit stellen, weil ich will, dass ich damit besser Leben kann. Wenn ich mein Befinden nachhaltig verbessern will, habe ich keine andere Wahl, als mich meiner Vergangenheit zu stellen (ich könnt mir zwar noch das Gehirn wegsaufen, aber die Option gefällt mir nicht).

Allein wenn ich daran denke, stockt mir schon der Atem. Dann falle ich wieder in die Bilder, starre dur das Zimmer und bin wie weggetreten.Nach einer Weile fange ich mich wieder und dann wende ich mich anderen Themen zu.

Ich habe jetzt einen Text verfasst, der beschreibt, wie ich in der Therapie fühle und ihn gestern meiner Therapeutin gegeben. Ich hoffe, dass sich meine Angst so auflösen lässt.

gX Draußen

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Aditi
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Beitrag Di., 01.02.2011, 11:39

Draußen hat geschrieben:Ich habe jetzt einen Text verfasst, der beschreibt,
liebe draußen,

step by step! womöglich wäre/ist das sprechen über das unaussprechliche noch zu schmerzvoll. sich da vorerst schreibend dem thema zu nähern ist doch eine gute wahl. erst wenn angst und der wunsch darüber zu sprechen sich die waage halten, wird es möglich sein.

lg
aditi

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nordic
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Beitrag Di., 01.02.2011, 22:05

liebe draußen,

du hast beschlossen zu kämpfen für ein besseres leben, ich bewundere dich dafür. ist kein honiglecken. wünsche dir viel kraft und die richtigen wegbegleiter. apropos: ich hab mich ein wenig mit den folgen von missbrauch beschäftigt und häufig davon gelesen, dass eine traumatherapie (EMDR, PITT) am wirkungsvollsten sein soll.

was mir noch einfällt:
wenn das reden schwer fällt - wie wärs mit zeichnen/malen/...

alles liebe

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münchnerkindl
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Beitrag Di., 01.02.2011, 22:13

Also ich finde, über etwas das man nicht aussprechen kann gemeinsam zu schweigen ist doch genauso gut.

Muss man denn immer alles in Worte fassen? Worte geben das doch mitunter ohnehin nicht wieder was WIRKLICH passiert ist.

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Draußen
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Beitrag Mi., 02.02.2011, 08:21

Ihr Lieben,

@nordic: zeichnen und malen sind nicht meins. Ich kann mich mit den Produkten meiner Malerei nicht anfreunden. Mit Worten ist das anders. Ich erzähle gerne und auch gut. Mit einer Geschichte fühle ich mich immer wohl.

@münchnerkindl: schweigen kann ich schon, alleine seit 30 Jahren und gemeinsam seit einem Jahr. Das reicht mir nicht. Es muss auch für mich Worte geben, mit denen ich ausdrücken kann, Worte, die mich befreien. Dir WIRKLICHKEIT quält mich nicht, sondern das was in dieser langen Zeit in meinem Kopf daraus geworden ist. Nur wenn ich Worte dafür finde kann ich dagegen kämpfen.

Ich danke für eure Aufmerksamkeit
gX Draußen

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Draußen
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Beitrag Di., 08.02.2011, 09:10

Sprechen geht tatsächlich. Ist gut gelaufen, glaube ich. Sie hat einzelne Passagen aus meinem Text vorgelesen und ich habe es ausgehalten. Sie sagt, ich hätte keine Schuld und ich hätte auch nichts machen können, mich nicht selbst schützen. Mein Kopf weiß das ja, aber mein Herz will glauben, dass ich doch Schuld habe, dass ich es selbst getan habe. Mein Wissen und mein Fühlen sind so weit auseinander, wie noch nie.

Irgendwie macht sich Traurigkeit in mir breit. Ich bin verwirrt.

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nordic
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Beitrag Do., 10.02.2011, 03:30

klingt vielleicht auf den ersten blick seltsam, aber für mich hört sich das sehr gut an, was du berichtest. du wirkst sowohl reflektiert als auch auf deine gefühle achtend. da wird das herz bald dem verstand folgen können

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Draußen
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Beitrag Do., 10.02.2011, 15:41

danke nordic

Meine Sicht auf die Dinge ändert sich jeden Tag ein kleines bisschen. Das Unaussprechliche verliert zur Zeit ein Wenig seiner Macht über mich (hoffentlich holt es nicht nur Schwung). Allein die Erkenntnis, dass ich darüber sprechen konnte, ohne dass ES mir wieder was tut. Ich hab es ausgehalten.

Das war wirr, kommt aber auf die Liste mit den tollen Gefühlen.

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honeymoon28
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Beitrag Fr., 11.02.2011, 13:12

ich freu mich mit dir

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Draußen
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Beitrag Di., 15.03.2011, 15:04

So, meine Therapeutin ist jetzt mal ne Woche weg, also hab ich 2 Wochen Zeit allein über mich nachzudenken. Wir hatten wahrscheinlich Fortschritte gemacht, auch wenn ich mich mit dem Sprechen, Vertrauen, Öffnen immer noch so schwer tue. Ich dachte, es würde mit jedem Wort leichter, aber das stimmt nicht. Es ist zwar besser mit dem schon angesprochenen umzugehen, gerade weil sie davon weiß, aber das was noch ausgesprochen werden möchte, will mir nicht über die Lippen. Die Dinge, über die ich schon geredet habe, von denen sie also weiß, sind für mich dann gar kein Problem mehr; ich kann dann ganz normal drüber reden.

Immer wieder kommen mir ihre Blicke in meine Gedanken, ich spüre sie auf meiner Haut, als würden mich die Blicke da wo sie mich treffen verbrennen. Dieses Gefühl nehme ich immer mit nach hause. Manchmal gelingt es mir sie anzuschauen, aber nie lange. Ich habe dieses Problem nur mit ihr, sonst kann ich jeden (sogut wie jeden) anschauen und auch die Blicke aushalten. Dafür fühle ich mich bei ihr wohl, sicher und geborgen, das habe ich sonst nur bei meinem Mann.

2 Wochen Zeit darüber nachzudenken...

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Tamila
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Beitrag Di., 15.03.2011, 19:47

Liebe Draußen,

ich sehe zum ersten Mal auch deinen Thread! Ich wollte dich fragen, ob deine Therapeutin in Traumatherapie speziell ausgebildet ist? Ich werd dir noch was dazu schreiben aus meiner Therapie-erfahrung.

LG Memory
लोकाः समस्ताः सुखिनो भवन्तु]

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