Trauma nach Not-OP?!

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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eleonore
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Trauma nach Not-OP?!

Beitrag Mo., 20.12.2010, 10:19

Hallo liebes Forum,

vor drei Jahren hatte ich eine lebensbedrohliche Not-OP, quasi über Nacht änderte sich mein Leben. Ich lag zwei Wochen im künstlichen Koma, konnte als ich aufwachte nicht richtig reden, schreiben und laufen, insegsamt lag ich über einen Monat im Klinikum. Durch verschiedene Umstände sah ich danach meine Wohnung nie mehr wieder ausser später zur Wohnungsübergabe. Ich zog zu meinen Eltern in ein kleines Gästezimmer, vorher habe ich seit Jahren ein eigenständiges Leben geführt, 500 km weit weg von dem kleinen Dorf meiner Eltern. Ich müsste eigentlich meinen Eltern dankbar sein aber ich kann es immernoch nicht.
Ich habe mich gefühlt wie obdachlos und ich habe es nicht ausgehalten dass meine Mutter meine Finanzen regelt und mir Anweisungen gab wie ich mich wann wo zu melden habe. Sie schrieb mir ellenlange Zettel, was ich wo zu regeln hatte und legte mir das Telefon daneben. Irgendwann hatte ich die Nase voll und habe mich selber wieder um alles gekümmert, woraufhin wir uns extrem stritten weil sie sehr verletzt war.
Ich zog da aus und in die nächstglegene kleine Stadt in der Nähe meiner Eltern in eine ganz kleine Wohnung (entsprechend meinen finanziellen Mitteln)
Auch da rief sie dauernd an um mir Anweisungen zu geben, ob und wieivel Geld ich d und da hin überwiesen hätte etc.
Ich kam mir irgendwie vor wie geistig behindert, dabei war der Zusatnd schon in der Rehaklinik besser geworden und ich versuchte meiner Mutter zu erklären, dass ich einen Schock zu überwinden hatte und ausserdem die Schmerzmittel im Krankenhaus für die Verwirrungszustände (langsames Reden, sich matt fühlen, weit weg von der eigentlichen "Realität") zuständig waren.
Sie war aber der Meinung, ich würde alleine - ohne ihre Hilfe- nicht klar kommen. :((( Naja nun sind drei Jahre vergangen und ich bin aus der Gegend meiner Eltern gänzlich weggezogen. Ich habe einen neuen Lebenspartner, wir haben zusammen ein kleines Baby, eine schöne Wohnung...
Aber trotzdem hängt mir das alles noch sehr nach, was ich da so erlebt habe. Meine Mutter redet sehr oft davon, was "damals" war und das sie sich Sorgen gemacht hätte, weil ich wie ein kleines Kind gewesen wäre und so hat sie es auch allen erzählt - der Verwandtschaft, Versicherungstante, dem damaligen Vermieter, der Bank usw. usw. Sodass jeder mich so behandlet hat, als hätte ich sie nicht alle. Aber an und für sich habe ich die OP wegen einer Krankheit an den inneren Organen bekommen, was mir auch erst da diagnostiziert wurde.
Ich fühle mich seitdem extrem minderwertig, mich schüchtern sämtliche dominante Menschen ein, was vor dem Geschehnis nie so war, ich war taff, selbstbewusst, ne starke und erfolgreiche Frau, auch sehr lebenslustig. Jetzt können mir sogar extrem jüngere Menschen in mein Leben reinreden und ich bekomme keinen Ton raus und ziehe mich zurück.
Ich weiss einfach nicht, was mit mir los ist! Ich leide so sehr darunter und hätte gern mein altes Leben zurück--- bzw. ich hätte gern einfach MICH zurück.
Hat jemand einen Rat für mich?

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Gast
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag Mo., 20.12.2010, 10:51

Hallo Eleonore

ich habe etwas nicht unähnliches erlebt.

Irgendwann war ich so weit unten mit meinem Selbstwert, dass ich eine Therapie anfing. Die ging schief, der Therapeut fing nicht nur an mich zu bevormunden, er drehte sämtliche (meiner) Wahrheiten um.

Erst jetzt, 6 Jahre nach dem Ereignis bin ich seit einem Jahr in der richtigen Therapie gewesen.
Ich habe mich in weitere Operationen reinquatschen lassen, war von einer aktiven, selbstbestimmten Frau zur Dauerpatientin geworden.

Mein altes Leben kriege ich nicht zurück, aber ein neues, wenn ich mich abgrenzen lerne. Vom Leid, von der Kontrolle durch andere. Jahrelang war ich nur 'Krankheit' in der Wahrnehmung anderer, ddas Leid auf zwei Beinen, keine Frau Rosenrot nur in Verbände gewickelter Körper, den man bedauert....

Machst du eine Therapie? Wenn nicht, würde ich dir raten, es zu versuchen.

Du warst durch die Hilflosigkeit einer permanenten Überforderung ausgesetzt, diew Menschen um dich herum waren ebenso hilflos, nur dass diese Hilflosigkeit in KOntrolle ausgeartet ist während du dein Leben in den Griff zu bekommen versucht hast (und es zu großen Teilen ja sehr gut gelungen ist). Die anderen, die 'Helfer' sind offensichtlich noch in dieser Situation verhaftet, da denke ich, wäre es für dich gut, deinen (jetzigen) Anteil, dich dem weiter auszuliefern, zu beleuchten.

Rosenrot

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eleonore
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Beitrag Mi., 22.12.2010, 15:25

Liebe Rosenrot,

vielen Dank für deine tröstenden und gleichzeitig aufmunternden Worte. Eine Therapie mache ich zur Zeit noch nicht, obwohl ich letztes Jahr wieder komplett zusammengebrochen bin, nämlich, als mich die Rentenversicherung in einen Kurs gesteckt hatte, der mir Möglichkeiten geben sollte, mich beruflich neu zu orientieren. Das gab mir zuerst so viel Mut, aber dann waren dort jegliche Art Rehabilitanten, auch geistig Geschädigte und auch psychisch Erkrankte z.B. hatte eine in meinem Alter Verfolgungswahn,..ich will niemanden abwerten, aber es zog mich noch weiter runter.

Aber eine Therapie traue ich mir nicht zu, weil ich nicht weiss, ob ich meine Kindheit aufarbeiten soll oder lieber im Hier und Jetzt beginnen. Seit der Not-OP habe ich ne Art Rückblicke in meine Kindheit, die ich lange vergessen hatte. Ich weiss nicht, was das bedeutet.

Es hat mir sehr geholfen, zu lesen, dass ich nicht allein bin, mit dem "Problem".
Ich wünsch dir auch viel Kraft auf deinem Weg, ich muss meinen (neuen) jetzt irgendwie gehen, aber es ist demütigend, wie man als "kranker" Mensch behandelt wird und auch wie man allgemein von der Gesellschaft behandelt wird, wenn man nicht arbeiten geht.

Danke für deine Zeilen!

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beitingon
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Beiträge: 71

Beitrag Mi., 22.12.2010, 20:11

Liebe Eleonore,
welch eine Geschichte. Ich fuehle mit Dir und denke, dass eine Therapie helfen duerfte. Und es muss nicht Kindheit ODER Hier/Jetzt sein, es kann beides zugleich sein. Ich war in einer aehnlichen Situation - keine OP aber ueber 30 Jahre haeufige Angstzustaende. Meine Therapeutin hat mit Verhaltenstherapie (einschl. Meditieren, mehr um Hilfe von der Familie bitten usw., also ganz praktisch) angefangen. Ganz langsam und behutsam und ueber 1 1/2 Jahre hat sie mich in die Kindheit zurueckgebracht, wo mein fruehes Trauma herkam (zeitweise verlassen von der kranken Mutter, die mich auch regelmaessig geschlagen hat). Wenn Du Dir eine Therapeutin/einen Therapeuten suchst, waere es vielleicht gut, wenn sie/er als Kind auch Traumata hatten. Alles Gute.

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Anne1997
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Beiträge: 625

Beitrag Mo., 27.12.2010, 08:55

[quote="Rosenrot"]Mein altes Leben kriege ich nicht zurück, aber ein neues, wenn ich mich abgrenzen lerne. Vom Leid, von der Kontrolle durch andere. (...) Machst du eine Therapie? Wenn nicht, würde ich dir raten, es zu versuchen.[/quote]

Hallo Eleonore (eleonore),

dem, was Rosenrot und beitingon schrieben, ist eigentlich nichts hinzuzufügen, nur vielleicht - deshalb poste ich wohl - ein nachträgliches Unterstützen des Anratens, es mit einer Therapie zu versuchen. Bei einer Therapie - gleich welcher Schule - geht es nicht in erster Linie um (verkürzt ausgedrückt) Vergangenheit bzw. "Hier und Jetzt", sondern in erster Linie um Dich, mit dem was Jetzt (gerade) ist, was anliegt, ganz gleich womit dies zusammenhängt.

Auch ich meine durch Deine Zeilen das, was man am besten mit Überforderung beschreibt, wahrzunehmen: Überforderung Deiner Umgebung, die Kontrollmechanismen (in) derselben ausgelöst haben.

Was ich wunderschön in Deinem Beitrag finde, ist auch die Kraft, die durch das, was Du alles erreicht hast, zu spüren ist: Du bist immer wieder weggezogen, Du hast einen Partner und ein Kind; da sind Menschen für Dich da und Du für sie.

[quote="eleonore"]Seit der Not-OP habe ich ne Art Rückblicke in meine Kindheit, die ich lange vergessen hatte. Ich weiss nicht, was das bedeutet.[/quote]
Dies könnte man als Signal sehen, Dich damit auseinanderzusetzen und hierfür ist Dir eine spürbare (aktive, tatkräftige, wohlwollende und behutsame) Unterstützung unbedingt zu wünschen. Denn sonst ist es wohl eher schwer aus diesen alten Situationen, die einen dann oft auch im "Jetzt" einschränken, herauszukommen.

Bezüglich Ausbildung / Beruf / Kurse: könntest Du dir einen Gesprächstermin bei einem(r) Sachverständigen Deiner Rentenversicherung geben lassen, um Deine Möglichkeiten und Wünsche darzulegen? Eventuell könntest Du diese untermauern mit den somatischen Ursachen etc. die zu Deinem Zustand geführt haben (o.Ä.) und dem, was Du bisher erreicht hast (denn da ist ja viel!).

Pflegst Du ein Hobby bzw. hast Du vor der Geburt Deines Kindes / früher welche gehabt, die Dich begeistert haben und die Du - zumindest partiell - wieder ausüben könntest? Auch dies kann viel Kraft geben / weitere Ressourcen freilegen / Dir und euch Freiräume ermöglichen.

Wünsche Dir alles Gute für das neue Jahr 2011,
Anne

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