Eltern-Sohn-Beziehung - Angst vor Kontaktabbruch

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extranjero
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Eltern-Sohn-Beziehung - Angst vor Kontaktabbruch

Beitrag Fr., 23.07.2010, 18:17

Hallo liebe Forumsgemeinde!

Bin Einzelkind, der einzige Sohn meiner Eltern mittlerweile 32 Jahre alt, und hab den Absprung und die Abnabelung noch nicht geschafft, die ich mir selber sehr wünsche.

Die Gründe dafür, das wird mir immer klarer, liegen auf beiden Seiten. Bei mir sind es Schuldgefühle, dazu noch eine kleine Vorgeschichte:

Vor mittlerweile zehn Jahren hatte meine Mutter einen Unfall, verschuldet durch meinen Vater (Sekundenschlaf), bei dem sie eine heftige Verletzung an ihrem Arm davon trug. Die Folgezeit war nicht ganz einfach, da meine Mum auch kein einfacher Charakter ist. Die Physiotherapie machte sie widerwillig mit, hörte dann aber irgendwann damit auf. Zudem hat sie Probleme beim Gehen, die aber nicht von dem Unfall herrühren. Auch dafür tut sie nichts.

Da wir ein kleines Geschäft haben und dieses für meine Mutter so etwas wie ihre Motivation bzw. Lebensinhalt ist, habe ich die ganzen Jahre mitgearbeitet. Während meines Studiums war ich zweimal, mehr besser gesagt weniger von zu Hause weg. Dass ich das Wochenende zu Hause verbringe wurde erwartet.

Meine Eltern sind beide schon älter (Vater 75, Mutter 65) und klammern sich regelrecht an mich. Muss gestehen, mir fehlt manchmal die Luft zum Atmen. Meine Mutter ist eine sehr dominante Person. Läuft etwas nicht nach ihrem Willen, wird sie oft cholerisch bzw. wütend. Mein Vater steht zwischen den Stühlen, fühlt er sich doch verantwortlich für das Leiden meiner Mutter durch den Unfall. Der Kontakt zu unserer Verwandtschaft im Dorf ist durch meine Mutter abgerissen, da sie sich ungerecht behandelt fühlt.

Und ich? Tja ich fühle mich in einem Dilemma. Einerseits habe ich meine Eltern gern und möchte sie nicht unbedingt in einem Altersheim "verrotten" sehen, andererseits fühle ich den Stillstand in meinem derzeitigen Leben. Damit meine ich vor allem das Private und die persönliche Entwicklung, beruflich läuft's gut, aber auch da spüre ich Defizite in gewissen Persönlichkeitsbereichen.

Diesen Winter habe ich wieder mal das Thema "eigene Wohnung" angesprochen. Mein Vorschlag zur Güte: Ich suche mir was in unserem kleinen Dorf, sozusagen in Luftlinie. Da ist meine Mutter wieder ausgerastet, vor allem aus dem Grund, welche Optik das wohl im Dorf geben würde, wenn der einzige Sohn auszieht. Zudem drohte sie, sich selbst eine Wohnung zu nehmen und mein Vater wäre dann ganz allein im Haus. Ob ich denn das wolle?? Mein Vater weinte wieder einmal. Er hatte selber keine leichte Kindheit als Flüchtlingskind. Sein Vater war verschollen im II: Weltkrieg und er wohnte dann zusammen mit seiner Mutter bis hoch über 30 (Befürchte das sich die Geschichte wiederholt und das gleiche Schicksal auch mir droht).

Im Zuge des Streits (Diskussion kann man das nicht nennen mit meiner Mutter) kamen wieder die üblichen Drohungen (Erb- und Liebesentzug), wobei mir ein Kontaktabbruch mehr weh tun würde, als die entgangene Erbschaft. Geld ist nicht alles und Besitz belastet bekanntlich.

Seit einigen Monaten habe ich wieder eine Freundin, die leider einige hundert Kilometer von mir entfernt wohnt. So sehen wir uns nur alle paar Wochen. Meinen Eltern gehen wir aus dem Weg, da meine Mutter in meiner Freundin eine Konkurrentin sieht und das Ganze nur ausartet.

Am Sonntag heb ich mit meiner Freundin für zweieinhalb Wochen in den Urlaub ab. Meinen Eltern hab ich dazu bislang nichts gesagt, denn das hätte nur wieder zu sinnlosen Streitereien geführt. Fühle mich einerseits feig, dass ich meine Eltern so vor vollendete Tatsachen stelle, hätte aber neben meinem Beruf die private Belastung jeden Abend nicht ausgehalten. Außerdem hätten sie neben dem Urlaub auch die Wahl des Reiseziels ins Lächerliche gezogen.

Früher hab ich meinen Vater noch als Vertrauensperson erachtet, mit der ich normal und gesittet reden konnte. Seitdem ich mitbekommen habe, dass er die Sachen brühwarm meiner Mutter serviert, ist auch das vorbei.

In Momenten wie diesen, kann ich die beiden oft nicht verstehen. Sie wünschen sich von mir jemand zu sein, der ich nicht bin. Ich weiß, dass ich die Zügel in die Hand nehmen muss in Richtung "eigenes Leben". Dabei möchte ich meine Eltern nicht verlieren, wohl aber den nötigen Respektabstand einziehen. Derzeit bin ich immer noch in der Rolle des Kindes.

Wollte meine Eltern jetzt nicht als "Monster" hinstellen, sie fallen in die Kategorie der zu sehr liebenden bzw. emotional erpressenden.

Danke für das Durchlesen meines langen Beitrags und freu mich auf eure Meinungen.

gruß

extranjero

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Nico
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Beitrag Fr., 23.07.2010, 18:27

Also ich kann dir nur raten dich von deinen Eltern schnellstens abzunabeln. Such dir diese Wohnung in eurem Dorf und mach es dir dort gemütlich. Ziehe aber von der ersten Sekunde an klare Grenzen und gib die Regeln, ob und wann sie in deiner Wohnung auftauchen dürfen, klipp und klar vor !
Du kannst und sollst natürlich den Kontakt zu ihnen weiterhin aufrecht halten und kannst auch ruhig weiter im Geschäft helfen etc.etc.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich deine Eltern, nach einigen Störversuchen und Drohungen, bei denen du halt unbedingt konsequent bei deiner Linie bleiben musst,mit der Situation abfinden werden und froh sind dass du nicht völlig abgehauen bist.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Milly1
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Beitrag Fr., 23.07.2010, 19:59

Also,

Eltern sollten ja immer das tun, was das Beste für ihr Kind ist.
In deinem Fall ist es aber umgekehrt, du tust, was für sie das Beste ist.

Genauso sind Eltern verantwortlich für ihr Kind.
Das Kind aber nicht für seine Eltern.

O.K. bis zu einem bestimmten Maße ist bzw. fühlt man sich auch als Kind für seine Eltern verantwortlich und das ist auch gut so. Aber nur soweit, dass man nicht sein eigenes Leben (komplett) unterordnet.

Du schreibst auch sehr liebevoll von deinen Eltern, du solltest also so schnell wie möglich -wie Nico schon schrieb - da raus, denn womöglich könnten deine Eltern ja je älter sie werden auch viel schwieriger werden, du immer unglücklicher, die ganze Situation also viel schlimmer. Fange mal an, dein Leben zu leben, nicht weiterhin ihres.
Ich denke, je eher du den Absprung schaffst desto besser.

Wird wohl eine ganze Weile dicke Luft, Vorwürfe, etc. geben, aber ich bin auch sicher, das gibt sich. Klare Grenzen setzen, Stellung beziehen, Konsequent bleiben.

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ENA
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Beitrag Fr., 23.07.2010, 20:06

Manchmal ist Abstand ganz gut, um sich über Dinge klarer zu werden, um einem Neu-Anfang eine Chance zu geben. Er macht hier quasi unweigerlich klar, dass das Alte zu Ende geht, aber etwas Neues kommen kann.
...und manchmal, in ganz eingefahrenen Dingen, muss es auch ein Kontaktabbruch sein. ...und manchmal nähert man sich nach einer gewissen Zeit wieder an und kann die Beziehung gemeinsam neu definieren. Dazu hat man dann Zeit... . Manchmal tut Abstand gut... .

Nachtrag: ...und man kann die Dinge auch erklären, warum man sie tut. Ohne jemanden einen Vorwurf zu machen. Man erklärt sie und geht nicht einfach...und dennoch ist dem Anderen klar, dass nun eine Veränderung passiert...und im besten Fall ist sie für beide Parteien ein Reifungsprozess und die Chance auf ein neues Miteinander!
Es geht ja auch nicht unbedingt darum, dem anderen zu sagen, was er alles falsch macht...aber das zu sagen, was man selber braucht und das dann auch durchziehen. Nicht unbedingt um jeden Preis,...aber ein bisschen Eigenverantwortung für sein Leben braucht jeder.

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extranjero
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Beitrag So., 15.08.2010, 21:58

Herzlichen Dank für eure Beiträge, Anregungen und Gedanken. Nun bin ich zurück aus dem Urlaub mit meiner Freundin. Was soll ich sagen - es waren wunderbare Tage, die wir beide miteinander er- und verlebten.

Zu meinen Eltern hatte ich während des Urlaubs keinen Kontakt. Hatte deswegen zwar Gewissensbisse, aber andererseits tat diese erstmalige längere "Funkstille" auch mal gut. Seit wenigen Tagen bin ich wieder zu Hause und sehe mich jetzt vor der nächsten Zerreißprobe.

Da es zwischen mir und meiner Freundin im Urlaub so gut lief, steigt der Wunsch zusammen zu ziehen. Das Problem dabei sind die bereits erwähnten mehreren hundert Kilometer Distanz zwischen uns und die einzige Option, dass ich zu meiner Freundin ziehe, da sie aus beruflichen Gründen einen Umzug ausschließt.

Aufgrund dieser Situation schwirren mir derzeit tausend Gedanken durch den Kopf, die letztendlich immer mit der Frage enden "Was will ich nun?"

Mich beschäftigt dabei die Situation meiner Eltern (Lass ich sie damit im Stich?) aber auch tu ich mich schwer beim Gedanken meinen Traumjob zu verlieren sowie mein gewohntes Umfeld und viele Freunde zurück zu lassen.

Ich hab meine Freundin extrem lieb und hätte sie gerne nahe bei mir. Sie möchte gerne, dass ich in ihre Stadt ziehe und wir uns gleich zusammen eine Wohnung nehmen. So schön die Vorstellung auch ist, bereitet diese mir andererseits auch etwas Angst und viele Fragen

- Was ist wenn's dann nicht funktioniert? Ich kenne dort außer ihrer Freunde niemanden.
- Welche Arbeit kriege ich dort? Derzeit habe ich einen, der in die Kategorie "Traumjob" fällt.
- Wie würden meine Eltern reagieren (Wie erwähnt: Mögen meine Freundin nicht)?
- Ich bin ein ziemliches Landei und liebe die Natur. Kann ich mich in der Großstadt wohlfühlen?

Das alles schwirrt mir derzeit durchs Hirn und belastet mich. Was mir klar ist, dass ich jetzt nach den Ferien das Thema "Ausziehen" angehen muss. Nur hab ich mir vorgestellt, dass dies innerhalb meines Heimatortes passiert und nicht über mehrere hundert Kilometer.

Verzeiht, wenn ich diesmal etwas wirr klinge, aber ich tu mich etwas schwer mich klar zu fassen.

gruß

extranjero

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