Hallo,
ich bin vor ein paar Tagen nach 8 Wochen stationärer Therapie aus der Klinik entlassen worden und muss nun langsam versuchen, wieder in den Alltag zurückzufinden. Dabei beschäftigt mich im Moment die Frage, wie ich vor anderen Leuten mit meiner Klinikerfahrung umgehen soll. Im Vorfeld habe ich nur einigen guten Freundinnen davon erzählt, und auf der Arbeit (Nebenjob) wissen es die Kollegen, mit denen ich am meisten zu tun habe. (Leider ein paar mehr als ich wollte, aber ich konnte nicht verhindern, dass sich das herumspricht.)
Da die Klinik an meinem Wohnort ist (und dadurch, dass sie eine große Psychiatrieabteilung hat, auch einen "gewissen Ruf" hat ) und die Patienten größtenteils aus der Region kommen, versuche ich, den Kontakt zu einigen ehemaligen Mitpatienten aufrecht zu erhalten. Und hier fängt die erste Schwierigkeit an: Wie reagiere ich, wenn Freunde und Bekannte, die nichts von meiner Therapie wissen, mich fragen, woher ich die Leute kenne? Erfinde ich plausible Ausreden, oder soll ich Farbe bekennen? Ich tendiere zu ersterem, aber ich habe Angst, mich in ein Netz von Lügen zu verstricken, aus dem ich irgendwann nicht mehr herauskomme.
Zweites Problem: Ich gehe demnächst in eine Tagesklinik, um dort eine Arbeitstherapie zu beginnen, die ein paar Monate dauern wird. Im Anschluss werde ich vielleicht noch an einer beruflichen Rehamaßnahme für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen teilnehmen. Auch hier frage ich mich, wie ich in meinem erweiterten Freundes- bzw. Bekanntenkreis damit umgehen soll. Soll ich weiterhin so tun, als arbeite ich bei meiner bisherigen Arbeitsstelle weiter, tarne ich es als Praktikum bzw. als Umschulung von der Arbeitsagentur oder sage ich die Wahrheit?
Ich befürchte gar nicht mal so sehr die soziale Ächtung, da ich vermute, dass die meisten Leute in meinem Umfeld recht tolerant reagieren würden. Aber ich möchte nicht immer und überall als "die mit den Problemen" angesehen werden und von allen Seiten unaufgeforderte Ratschläge und Hilfsangebote bekommen, bzw. ständig gefragt werden, ob die ganzen Maßnahmen mir denn etwas bringen und ob ich Fortschritte mache. Es ist für mich ein großes Problem, dass ich nicht "normal" funktionieren kann wie die meisten anderen, sondern für längere Zeit auf solche Hilfsmaßnahmen angewiesen bin. Ich genüge meinen eigenen Ansprüchen an mich selber nicht, und das kann ich schwer akzeptieren. Und wenn ich allzu offen damit umgehe, befürchte ich außerdem, dass meine Freunde es dann einfach weitererzählen, "weil es ja etwas ist, worüber man offen reden kann".
Wie geht Ihr mit Euren Klinikerfahrungen um?
Klinikerfahrung - dazu stehen oder verschweigen?
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Hi,
also ich würde recht offen in Deinem Bekanntenkreis damit umgehen das Du in einer Klinik warst.
Ist doch besser als die ganze Zeit Sachen erfinden zu müssen.
Ich war auch mal für 3 Monate in einer Psychosozialen Klinik und bei mir weiß das jeder.
Ich finde da auch nix schlimmes dran ... weil die helfen einen ja auch nur.
also ich würde recht offen in Deinem Bekanntenkreis damit umgehen das Du in einer Klinik warst.
Ist doch besser als die ganze Zeit Sachen erfinden zu müssen.
Ich war auch mal für 3 Monate in einer Psychosozialen Klinik und bei mir weiß das jeder.
Ich finde da auch nix schlimmes dran ... weil die helfen einen ja auch nur.
Hi Beryl,
Ich bin immer komplett offen damit umgegangen. Ich hab mich nie dafür geschämt bzw. mir war es nie unangenehm und deshalb kann ich das wohl auch so offen handhaben. Mir ist egal was andere davon halten. Mir sind die Meinungen der anderen nicht prinzipiell egal aber in dieser Beziehung schon. Ich war (bin) krank. Mit 'nem Herzinfarkt wäre ich schliesslich auch ins KH gegangen.
Für mich persönlich hat sich das bewährt. Mich hat niemand geschnitten. Mich hat niemand bemitleidet. Man hat das einfach so akzeptiert. Das macht Dinge auch einfach. Ich brauch nicht lügen!!! Ich erfinde keine Geschichten und wenn's bei mir trotz aller Besserung mal nicht gut geht, dann kann ich das offen sagen. Letztendlich finde ich auch das die Menschen die auf mich "komisch" reagieren würden mir gestohlen bleiben können. Auf die hab ich 'eh keine Lust.
Ach ja, ich geh jetzt nicht damit hausieren aber wenn die Sprache mal auf das Thema kommt, dann bin ich manchmal überrascht wie viele Menschen mit psychischen Problemen kämpfen. Jeder kennt einen. Einige haben das selbst schon erlebt und selbst im Job bin ich schon auf Menschen gestossen die das am eigenen Leib erfahren haben. Mag sein das das nur hier in der Großstadt so ist aber für mich war es die richtige Entscheidung ehrlich zu sein.
EDIT:
So wie sich das für mich anhört ist Dein problem nicht das die anderen etwas davon erfahren könnten, sondern (sozusagen) das Du selbst etwas davon erfährst. Das ist aber kein Problem. Du weisst es ja schon. Du warst ja dabei. Das musst Du Dir nur mal bewusst machen.
Ich bin immer komplett offen damit umgegangen. Ich hab mich nie dafür geschämt bzw. mir war es nie unangenehm und deshalb kann ich das wohl auch so offen handhaben. Mir ist egal was andere davon halten. Mir sind die Meinungen der anderen nicht prinzipiell egal aber in dieser Beziehung schon. Ich war (bin) krank. Mit 'nem Herzinfarkt wäre ich schliesslich auch ins KH gegangen.
Für mich persönlich hat sich das bewährt. Mich hat niemand geschnitten. Mich hat niemand bemitleidet. Man hat das einfach so akzeptiert. Das macht Dinge auch einfach. Ich brauch nicht lügen!!! Ich erfinde keine Geschichten und wenn's bei mir trotz aller Besserung mal nicht gut geht, dann kann ich das offen sagen. Letztendlich finde ich auch das die Menschen die auf mich "komisch" reagieren würden mir gestohlen bleiben können. Auf die hab ich 'eh keine Lust.
Ach ja, ich geh jetzt nicht damit hausieren aber wenn die Sprache mal auf das Thema kommt, dann bin ich manchmal überrascht wie viele Menschen mit psychischen Problemen kämpfen. Jeder kennt einen. Einige haben das selbst schon erlebt und selbst im Job bin ich schon auf Menschen gestossen die das am eigenen Leib erfahren haben. Mag sein das das nur hier in der Großstadt so ist aber für mich war es die richtige Entscheidung ehrlich zu sein.
EDIT:
Und wenn Du Dir ein Bein brichst, dann bricht für Dich eine Welt zusammen weil Du an Krücken gehst? Du bist Mensch, nicht Maschine! Akzeptiere Dich selbst als Mensch und der Rest erledigt sich von allein.Beryl hat geschrieben: Es ist für mich ein großes Problem, dass ich nicht "normal" funktionieren kann wie die meisten anderen, sondern für längere Zeit auf solche Hilfsmaßnahmen angewiesen bin.
So wie sich das für mich anhört ist Dein problem nicht das die anderen etwas davon erfahren könnten, sondern (sozusagen) das Du selbst etwas davon erfährst. Das ist aber kein Problem. Du weisst es ja schon. Du warst ja dabei. Das musst Du Dir nur mal bewusst machen.
Das Leben ist ein Sack voll Spaß und ich darf ihn aufmachen!
Hallo Ihr beiden!
Danke für Eure Antworten. Einerseits gebe ich Euch recht - Offenheit ist sicher der unkomplizierteste Weg, und es gefällt mir selber nicht, dass ich mir im Kopf schon glaubwürdige "Erklärungen" zurechtgelegt habe, woher ich Person X und Person Y (ehemalige Mitpatienten) kenne. Nur andererseits - in meinem Freundeskreis liegt für mich seit längerem einiges im Argen. Es hat sich in den letzten Jahren ein Klüngel gebildet, der teils aus sehr guten Freunden besteht, die ich schon seit Jahr(-zehnt-)en kenne, teils aber auch aus Menschen, die ich lieber nicht allzu nahe an mich heranlassen möchte (z. B. weil sie selber nichts über sich und ihr Gefühlsleben preisgeben und ich den Eindruck habe, sie "benutzen" meine Probleme, um sich nicht allzu intensiv mit ihren eigenen auseinandersetzen zu müssen). Deshalb habe ich es in meinem Freundeskreis bisher so gehandhabt, dass ich nur die wichtigsten Freunde über meinen Klinikaufethalt informiert habe und die anderen nicht. (Was auch, glaube ich, nicht groß auffiel, weil ich an den Wochenenden zu Hause war und mich ganz normal mit den Leuten treffen konnte.) Wenn andere Leute sich selber gerne als sauber, makel- und fehlerlos darstellen, will ich ihnen nicht als problembehaftetes "Gegenstück" zur Verfügung stehen. (Keine Ahnung, ob das verständlich ausgedrückt ist. )
Wobei es natürlich ziemlich problematisch ist, dass einige aus meiner "Clique" über meinen Klinikaufenthalt Bescheid wissen und andere nicht. Zumal es ja demnächst mit der Tagesklinik weitergeht.
Ich denke, wenn man seinen Weg bzw. seine Krankheit innerlich akzeptieren/bejahen kann, ist es wohl tatsächlich einfacher, auch vor anderen offen zu sein. Aber bis dahin ist es bei mir noch ein weiter Weg, scheint es mir.
Danke für Eure Antworten. Einerseits gebe ich Euch recht - Offenheit ist sicher der unkomplizierteste Weg, und es gefällt mir selber nicht, dass ich mir im Kopf schon glaubwürdige "Erklärungen" zurechtgelegt habe, woher ich Person X und Person Y (ehemalige Mitpatienten) kenne. Nur andererseits - in meinem Freundeskreis liegt für mich seit längerem einiges im Argen. Es hat sich in den letzten Jahren ein Klüngel gebildet, der teils aus sehr guten Freunden besteht, die ich schon seit Jahr(-zehnt-)en kenne, teils aber auch aus Menschen, die ich lieber nicht allzu nahe an mich heranlassen möchte (z. B. weil sie selber nichts über sich und ihr Gefühlsleben preisgeben und ich den Eindruck habe, sie "benutzen" meine Probleme, um sich nicht allzu intensiv mit ihren eigenen auseinandersetzen zu müssen). Deshalb habe ich es in meinem Freundeskreis bisher so gehandhabt, dass ich nur die wichtigsten Freunde über meinen Klinikaufethalt informiert habe und die anderen nicht. (Was auch, glaube ich, nicht groß auffiel, weil ich an den Wochenenden zu Hause war und mich ganz normal mit den Leuten treffen konnte.) Wenn andere Leute sich selber gerne als sauber, makel- und fehlerlos darstellen, will ich ihnen nicht als problembehaftetes "Gegenstück" zur Verfügung stehen. (Keine Ahnung, ob das verständlich ausgedrückt ist. )
Wobei es natürlich ziemlich problematisch ist, dass einige aus meiner "Clique" über meinen Klinikaufenthalt Bescheid wissen und andere nicht. Zumal es ja demnächst mit der Tagesklinik weitergeht.
Nein, aber mit einem Beinbruch kann man eine psychische Erkrankung auch nicht so ganz vergleichen. Wäre schön, wenn ich nach ein paar Wochen Gips (bzw. Klinik) und ein paar Wochen Muskelaufbau wieder vollständig geheilt wäre. (Obwohl es wohl tatsächlich Leute gibt, die das glauben. )foobar hat geschrieben:Und wenn Du Dir ein Bein brichst, dann bricht für Dich eine Welt zusammen weil Du an Krücken gehst?
Ich denke, wenn man seinen Weg bzw. seine Krankheit innerlich akzeptieren/bejahen kann, ist es wohl tatsächlich einfacher, auch vor anderen offen zu sein. Aber bis dahin ist es bei mir noch ein weiter Weg, scheint es mir.
Grüße,
Beryl
Beryl
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