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Mo., 06.09.2010, 12:41
Ich bin schon so oft gegangen, in Gedanken, war so knapp davor.
Ich kann nur von mir erzählen, das was in mir vorgeht, wenn es wieder so weit ist.
Es sind Gedanken, die schon lange in mir sind, sehr lange, die mich trösten, sie sind eine Lösung für mich, für einen Zeitpunkt der vielleicht einmal kommt, für einen Zeitpunkt wo ich mir sagen darf, jetzt ist es soweit, jetzt muss ich nicht mehr hier sein, jetzt habt ihr meiner kleinen verletzten Seele zuviel angetan, jetzt versteht auch Gott meine Entscheidung, jetzt darf ich.
Es ist ein langer, sehr schwerer, sehr einsamer Weg, begleitet von tiefster Traurigkeit, von Versagen und von Angst. So viele Hürden sind dabei zu nehmen.
Eine davon ist, wie gehen die anderen mit meinem Tod um. Wie sehr ist einem doch bewusst, was man den anderen damit antut. Noch ein weiterer bedrückender Gedanke fügt sich zu dem ohnehin schon im Übermaß vorhandenen Leidensdruck hinzu.
Darf ich das den anderen überhaupt antun? Wie erklärt man, dass man nicht mehr kann, dass es eine Entscheidung ist, die nur das Ich, dieses kümmerliche Rest-Ich trifft, ganz allein, ohne irgend jemanden damit belasten zu wollen. Es ist eine endgültige und sehr einsame, sehr traurige, sehr verzweifelte Entscheidung.
Es geht nicht anders, um sich selber zu befreien, muss anderen Leid zugefügt werden, noch mehr Schuld damit auf sich genommen werden. Es bleibt nur die Hoffnung, dass die anderen stärker sind als man selber, und dass sie verzeihen und annehmen und verstehen.
Ein liebevoller um Entschuldigung bittender Brief ist das Einzige, das dieses unlösbare Problem erträglicher erscheinen lässt. Die anderen zurücklassen mit Worten die sie von Schuld befreien und die Ausweglosigkeit des eigenen Daseins erklären.
Doch letztlich gilt: „Den anderen gehen lassen müssen“ ist ein Schmerz der nicht aufzuwiegen ist, gegen das gefühlte Leid das in einem ist, wenn absolut nichts mehr geht.
Wahrscheinlich nicht zu verstehen für jemanden der nicht weiß, wie groß der Leidensdruck werden kann, in welch schrecklich gottlose Tiefen eine gepeinigte Seele stürzt, die keine Hoffnung mehr hat jemals wieder Licht zu sehen.
Es ist die letzte Hoffnung, die allerletzte Hoffnung die einem bleibt, dass durch den Tod die gequälte Seele endlich zu Gott darf, endlich wieder Luft bekommen darf, endlich wieder das Licht sehen darf, endlich wieder sein darf, ohne Angst, ohne Trauer, ohne Schmerz, einfach nur sein dürfen. Sein dürfen mit all dem was man nicht kann, wo man so sehr versagt, so sehr verzweifelt, dass man anders ist, es einfach nicht wert ist hier zu sein.
Und die letzte Hürde, die, die am schwersten zu nehmen ist jene, vor Gott treten zu müssen und ihm eingestehen zu müssen, dass man sein Geschenk, das Leben, nicht ertragen kann.
Sein Geschenk, das keines ist, es ist nur eine Last, nur ein Spiegel der eigenen Unfähigkeit, so unerträglich, so nicht aushaltbar, dass es nur eine Möglichkeit gibt diesem Spiegel zu entkommen. Er muss zerspringen, muss zerbersten in tausend kleine Teilchen, jedes Teilchen steht für eine in ihrem schmerzlichen Ausmaß nicht mehr zu ertragende tiefe Verwundung.
Ein Scherbenmeer aus nicht in Erfüllung gegangenen Träumen, Hoffnungen und Wünschen, diese so unerreichbar durch das eigene Versagen, die eigene Unfähigkeit.
Das sind die Gedanken die ich habe, wenn ich auf der Brücke stehe.
Die Sehnsucht nach Befreiung von etwas das eigentlich nicht mehr in Worten ausgedrückt werden kann, es gibt keine mehr dafür, sie müssten erst erfunden werden.
Doch wozu, keiner würde diese Worte verstehen, darum zeigt ein Mensch auch nur die fröhliche Seite, es ist eine sehr verletzliche Seite, es ist der letzte Schutz um zu verhindern, dass zerredet wird, was nicht mehr erklärt werden kann. Da gibt es einfach keine Brücke mehr zu anderen Menschen.
Da gibt es nur noch die Brücke zu Gott. Eine Regenbogenbrücke zu einer Welt, die diese nicht mehr zu ertragende endgültig auslöscht und den Weg zu einer neuen Welt ermöglicht, eine in der die Sehnsucht nach dem „es ist alles gut“ endlich, endlich gestillt wird. Wie soll ein Mensch die Rufe der anderen noch hören wenn er bereits auf dem Regenbogen unterwegs ist.
Vielleicht helfen diese, meine Gedanken etwas Gefühle zu verstehen,
eine Gedankenwelt zu erhellen, die oft nicht mehr erreicht werden kann.
Einen tröstenden Gruß,
leise