Normales Leben mit Trauma?

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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Kimmi
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Normales Leben mit Trauma?

Beitrag Sa., 16.01.2010, 22:09

Hallo,
ich habe grad von meinem Hausarzt gesagt bekommen, dass ich wahrscheinlich mein Leben lang, wie eine chronische Krankheit, immer wieder mal „Tiefs“ haben werde, in denen mein Trauma in Form von Gefühlen, Gedanken, Schmerzen (Flashbacks) eine Rolle spielen wird.
Ich fand das eher niederschmetternd, weil ich mich mit diesen Tiefs sehr schwer tue. Ich möchte in die Zukunft blicken und auf keinen Fall, dass diese so negativ durch meine Vergangenheit beeinflusst wird.
Ich habe so gekämft, Therapien gemacht und lebe mittlerweile in einem sozialen stabilen Umfeld, so dass eigentlich der Rahmen für mich, bzw. mein neues Leben gegeben ist. Und dennoch kommen diese Tiefs und reißen mich aus dem „Hier und Heute“ in das „Damals“.
Kann mich jemand irgendwie verstehen und wenn ja, wie geht ihr mit solchen Tiefs um??
Viele Grüße
Kimmi
"Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer"
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candle
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Beitrag Sa., 16.01.2010, 22:23

Hallo Kimmi!

Also was der Hausarzt sagt, würde ich nicht ganz unterschreiben.
Eher frage ich mich warum Dir die vielen Therapien nicht geholfen haben? man kann ja umgehen lernen mit diesen Flashbacks.

candle
Es ist besser ein Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
Sommer-Stumpenhorst

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Kimmi
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Beitrag Sa., 16.01.2010, 22:27

Hallo candle,
ich dachte auch, ich hätte gelernt, damit umzugehen und plötzlich aus heiteren Himmel kommt son Flashback und zwar so heftig,dass ich nicht mehr wusste, wie ich damit umgehen soll.
kimmi
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candle
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Beitrag Sa., 16.01.2010, 22:28

War es denn etwas anderes als sonst?

candle
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Sommer-Stumpenhorst

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Kimmi
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Beitrag Sa., 16.01.2010, 22:30

Hi Candle,
Ja, es war schon anders und zuvor hatte ich ganz lange keinen mehr.
Es war auch so überraschend.
kimmi
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candle
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Beitrag Sa., 16.01.2010, 22:34

Dann solltest Du vielleicht nochmal einen Therapeuten aufsuchen.

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Kimmi
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Beitrag Sa., 16.01.2010, 22:36

Daran habe ich auch schon gedacht. Jedoch kann ich frühestens nächstes Jahr im Sommer wieder eine Thera machen. Meine letzte Thera war letzten Sommer zu Ende, ich habe keine Stunden mehr und mein Thera sagte, dass ich frühestens im Sommer 2011 weiter machen kann.
kimmi
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candle
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Beitrag Sa., 16.01.2010, 22:38

Du kannst doch eine andere Therapieform wählen oder bei Deiner Therapeutin Krisensitzungen in Anspruch nehmen. Ich meine, da gibt es eine pro Quartal, bin aber nicht ganz sicher. Frage mal nach.

candle
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Sommer-Stumpenhorst

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Kimmi
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Beitrag Sa., 16.01.2010, 22:42

Das ist lieb von Dir. Von solchen Krisensitzungen habe ich noch nichts gehört.
Viele Grüße
kimmi
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eisblume1974
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Beitrag Do., 28.01.2010, 11:17

Hey Kimmi,
ich weiß ja nicht, aus welcher Stadt du kommst, aber bei uns gibt es auch "Krisenzentren". Dort bekommt man immer Zeitnah Termine.

Evtl solltest du auch über einen Wechsel der Therapeutin nachdenken, wenn sie dich, wie ich das verstehe, schon länger kennt und dir doch nicht so recht weiterhilft, obwohl du ihr klarmachst, dass du gerade in Schwierigkeiten bist.

Ich selbst war bis zum letzten Donnerstag auf einer Akutstation für Traumatologie. Dort haben wir auch den Umgang mit Flashbacks gelernt. Meist in Form von Ablenkungsmanövern, um wieder auf andere Gedanken zu kommen.

Ich bin natürlich nicht in der Position dir irgendetwas zu raten, aber vielleicht versuchst du es mal mit der sog. "5-4-3-2-1-Maßnahme".

Dabei achtest du genau auf 5 Dinge die du hörst, danach auf 5 Dinge die du siehst, und dann auf 5 Dinge die du fühlst. Zähl dir diese Dinge am besten laut (wenn die Situation es nicht zulässt auch in Gedanken) auf. Dann versuchst du das mit 4 Dingen die du hörst, siehst und fühlst usw. Es klappt nicht immer aus einem Tief damit rauszukommen, aber einen Versuch ist es evtl wert?

Oder etwas ganz banales wie Rechnen. Wenn du wieder von Flashbacks eingeholt wirst, versuche mal zu rechnen, zB 1000 -17 = ... -17=... -17=...

Mich lenkt sowas oft ganz gut ab...

Ganz liebe Grüße
Eisblume
Tränen trocknen, doch das Herz weint weiter...

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Carry
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Beiträge: 346

Beitrag Do., 28.01.2010, 16:13

Liebe Kimmi,
Kann mich jemand irgendwie verstehen und wenn ja, wie geht ihr mit solchen Tiefs um??
Ich kann dich sehr gut verstehen.
Ich habe über viele Jahre hinweg unter diesen Tiefs und Flashbacks gelitten. Ich habe mich dann zu einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie entschlossen. Meine Therapeutin(Traumatherapeutin) sagte nachdem sie die Diagnose PTBS gestellt hat, daß sie ein gute und eine weniger gute Nachricht für mich hätte. Die weniger Gute war, daß das Ereignis, daß mich so sehr aus der Bahn geworfen hat nicht wieder ungeschehen zu machen ist. Die gute Nachricht aber ist, daß wir daran arbeiten können, daß dieses Ereignis irgendwann einmal für mich nur noch eine Erinnerung ist ohne das ich direkt hineingleite.
Und ich kann dir jetzt, nach einem guten Jahr Therapie, sagen, daß es wirklich schon fast "nur" noch eine Erinnerung ist.
Es gibt also ein Licht am Ende des Tunnels. Aber es gehört eine Portion schwere Arbeit dazu, es auch zu erreichen. Puuh:schwitz:
Vllt. hattest du tatsächlich die nicht ganz optimale Therapieform?! Welche Art von Therapie hast du gemacht ?
Also gib nicht auf
LG Carry
Es gibt Leute, deren Geist immer Ferien hat.
Peter Sirius

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visual_quicksteps
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Beitrag Do., 28.01.2010, 16:35

Hi Kimmi,

ich kann mich meinen Vorrednerinnen nur anschliessen: eine gute Therapie macht das Geschehene nicht ungeschehen, aber der Umgang damit und die Art und Weise darauf zu blicken, läßt sich ändern und das Leben sehr lebenswert machen:-)

Alles Gute,
visual_quicksteps

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Pippi Langstrumpf
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Beiträge: 320

Beitrag Do., 28.01.2010, 19:48

Hallo Kimmi!

Ich kann aus eigener Erfahrung berichten.
Ich hatte jahrelang alle möglichen Symptome, die man sich vorstellen kann. Habe viele stationäre Aufenthalte hinter mir (eben aufgrund der Auswirkungen der Traumata).

Mittlerweile geht es mir sehr gut.
Ich bin symptomfrei(was ich nie für möglich hielt). Ich leide nicht mehr unter Flashbacks und auch ansonsten sind die Missbrauchserfahrungen eigentlich kein Thema mehr in meinem Leben.
Ich habe viel, viel Psychotherapie hinter mir, aber wirklich ausschlaggebend für meine "Heilung" war dies nicht.
Wirklich wesentlich ist, dass ich einen Menschen gefunden habe, den ich sehr liebe und der mich liebt- ehrlich gemeinte Liebe heilt; Dies hat mir ermöglicht, unglaubliche Schritte zu tun. Ich bin nun liebes- und dadurch auch leidensfähig.
Gerade diese Leidensfähigkeit ist (in meinen Augen) ein Zeichen psychischer Gesundheit. Alle Symptome kann man ja auch als Versuch sehen, das Leid abzuwehren.

Ich brauche die dissoziativen Symptome nicht mehr, denn mittlerweile kann ich über mich belastende, verletzende Geschehnisse weinen oder wütend sein.

JA!
Es ist also möglich und realistisch, das Trauma zu integrieren und sich zu befreien, d.h. ein glückliches/zufriedenes Leben zu leben! Also: wirklich das Leben zu leben und nicht bloß "es aushalten"!
Davon bin ich überzeugt.
Obwohl ich das NIE NIE NIE für möglich gehalten habe!



Liebste Grüße und Zuversicht für dich!


Pippi
(...)und bräche nicht aus allen seinen Rändern
aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,
die dich nicht sieht. Du musst dein Leben ändern.

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ENA
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Beitrag Do., 28.01.2010, 21:43

Das freut mich jetzt irgendwie total für Dich!!!

Herzlichen Glückwunsch!!!

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Jesusechse
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Beitrag Do., 28.01.2010, 22:23

Auch von mir herzlichen Glückwunsch an Pippi Langstrumpf!

Es ist bei jedem anders. Aber wirklich verdammt ist man selbst mit der schlimmsten Vorgeschichte nicht.

Das, was Pippi geschrieben hat, hab' ich auch schon erlebt und es ist tatsächlich so, dass das eine unglaubliche Wirkung entfaltet.

Letztlich gibt's eine Menge Faktoren, die machen können, dass aus dem Schlechtgehen ein Gutgehen wird. Und viele Menschen, die traumatisiert wurden, überstehen es auch ohne professionelle Hilfe. Das zeigt ja schon, dass das Leben selbst und auch die eigene Person Faktoren aufbieten können, die helfen beim Gesundwerden.

Du solltest wirklich offen sein für Deine Zukunft und nicht denken, dass alles verloren und verdorben ist. Das ist es nicht. Die Zeit arbeitet auch für Dich. Das hab' ich schon in einem anderen Thread hier geschrieben. Das Gehirn aktiviert nach jeder psychischen Verletzung seine Selbstheilungskräfte, es lernt, wie es mit diesen ganzen Emotionen und miesen Dingen, die erlebt wurden, klar kommt. Die Symptome sind auch Lösungsversuche des Gehirns, aber halt noch keine sehr guten.

Therapie beschleunigt - sofern sie richtig und vom richtigen Therapeuten (Chemie muss stimmen, sonst klappt nie was) durchgeführt wird - diese Selbstheilungskräfte. Gute Traumatherapie unterstützt das Gehirn bei diesen Reperaturarbeiten.

Grundsätzlich ist es so: Das Trauma selbst bleibt immer, das ist wie eine Narbe, die kann man nicht mehr loswerden, die Verletzung kann man nicht rückgängig machen. Aber die Traumafolgen sind gut behandelbar und können generell komplett abklingen, dh: Grundsätzlich kannst Du genauso glücklich, gesund und zufrieden leben, wie das andere auch können. Wie lange das dauert, bis Du da bist, ob es bei Dir so ein guter Verlauf wird?

Das weiß man erst hinterher. Aber je positiver und offener Du für das Leben danach (nach dem Trauma) bist, desto besser wird das klappen mit dem Gesundwerden.

Einen Grund zur Hoffnunglosigkeit gibt's jedenfalls nicht, weil es automatisch schon mit jedem Tag ein klein wenig besser wird. Und mit der richtigen Therapie und privat den richtigen Menschen (die Du vielleicht auch erst noch triffst), hast Du eine ganz große Chance für die Zukunft.

Gruß

ausgefuchst

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