Phantasien über die Lebensumstände eures Therapeuten

[SamuelZ.]

Hallo zusammen,

mein Therapeut ist für drei Wochen im Urlaub, und wie jedes Mal in einer solchen Zeit, ertappe ich mich dabei, wie ich mir versuche auszumalen, wie sein Leben wohl gestaltet sein könnte. (Dies läuft alles nur in meinem Kopf ab, ich habe keinerlei Interesse daran, ihn auszuspionieren.)

Ich weiß eigentlich gar nichts von ihm. Nur eine Tatsache, nämlich, dass er im Sommer gerne nach Italien fährt, weil es dort "ganz sicher warm" ist.

Alles andere ist nur Vermutung: Ein Tennisball auf seinem Regal (spielt er Tennis?), sein Urlaub liegt immer regelmäßig in den Schulferien (ist es wegen eines Kindes?), ein Ehering am Finger (ist er verheiratet? alles nur Show?)

Wie ihr sehen könnt, führen diese Vermutungen schon fast zwangsläufig dazu, dass meine Phantasie auf Hochtouren läuft, um Erklärungen zu kreieren und Geschichtchen zu erfinden. Mir ist dabei klar, dass es nur meine Phantasie ist, nicht die Wahrheit.

Bestimmt stellen diese Phantasien auch einen Versuch dar, ihn in den Zeiten der Abwesenheit "am Leben zu erhalten".

Mich würde mal interessieren, ob ihr auch solche Phantasien kennt? Wie geht ihr damit um? Wie "bunt" sind sie? Oder wisst ihr schon so viel über eure Theras, dass ihr eure Phantasie gar nicht mehr einschalten braucht?

Heute morgen z.B. bin ich mit der Phantasie aufgewacht, dass er mit seinem Kind (?) in seiner Großraumküche (?) steht und Plätzchen aussticht (?).

Liebe Grüße
Sandy

[Werbung]

[kiyoko]

Hallo Sandy!

Warum interessiert es dich wie er lebt?

Ich könnte mir vorstellen, dass es um einiges vorteilhafter ist dieses extreme Interesse ins reale Leben umzulenken und auf eine greifbarere Person zu konzentrieren. Jedenfalls wäre es für mich sinnvoller.
Ich kenne das (leider) nur zu gut! Ich merke mir wahnsinnig schnell Kleinigkeiten, Details die diese Person betreffen (in meinem Fall nicht die Thera) und stelle mir dementsprechend seine Lebensumstände vor. Es sind schon relativ viele Rückschlüsse möglich. Auch aus kleinen eingeworfenen privaten Sätzen seinerseits gewinne ich ein weiteres Puzzlestück. Im Endeffekt ist das vergeudete Zeit, ich fröhne meiner Leidenschaft aber es wird nichts bringen, nicht so wie ich es mir wünsche.

Bei meiner Thera ist es mir lange auch so ergangen, aber als wir uns auf der Straße begegnet sind und im Fahrstuhl gestanden sind, ist mir schlagartig klar geworden: Ich komm gut mit ihr als Thera klar, aber privat möchte ich nichts von ihr. Das war meine Heilung.

liebe grüße!

[~silence~]

Liebe Sandy

Ich kenne solche Gedanken und Phantasien nur zu gut! -
sie können sogar sehr aufdringlich sein.

Auch mein Therapeut ist für fast vier Wochen in Urlaub
und natürlich mache ich mir so meine Gedanken.

Zumindest weiß ich definitiv, dass er verheiratet ist -
er trägt zu seinem Ring auch einen Doppelnamen.
Ansonsten weiß ich so gut wie Nichts über ihn;
deshalb ist in meiner Phantasie prinzipiell auch alles möglich.

In seinem Sprechzimmer gibt es keinen einzigen privaten Gegenstand.
Das ist ganz sicher kein Zufall, sondern soll so sein.
Schließlich geht es ja um mich. Schade ist es dennoch.

Er sieht sehr sportlich aus - ich gehe auf jeden Fall davon aus,
dass er in seinem Urlaub ein absolutes KontrastProgramm fährt.
Aber das ist alles nur Spekulation.

Abschalten lassen sich diese Gedanken nicht, obwohl ich mir immer
sage, dass mich das Privatleben meines Analytikers nichts angeht.

Ich denke aber auch, dass es kein Wunder ist, dass man sich über
so etwas Gedanken macht, wenn man ein so einseitiges intimes Verhältnis
aufbaut. Eigentlich nur logisch, dass man auch mehr über den anderen erfahren möchte.

Allerdings kann ich noch nicht abschätzen, ob ich in der 1. Sitzung
im neuen Jahr über meine Phantasien reden werde....

Viele Grüße
~silence~

[SamuelZ.]

Hallo kiyoko,

danke für die schnelle Antwort.

Warum interessiert es dich wie er lebt?

Bestimmt stellen diese Phantasien auch einen Versuch dar, ihn in den Zeiten der Abwesenheit "am Leben zu erhalten".

Ich sehe meine Gedanken und Phantasieprodukte als Ausdruck einer lebendigen Innenwelt an, nicht als krankhaften Ausdruck. Ich leide auch nicht darunter. Freue mich, dass ich sie immer deutlicher wahrnehme.

Welche Phantasien hast / hattest du konkret??

lg
sandy

[Werbung]

[SamuelZ.]

Hallo Silence,

Er sieht sehr sportlich aus - ich gehe auf jeden Fall davon aus,
dass er in seinem Urlaub ein absolutes KontrastProgramm fährt.

*kicher*

So geht es mir auch! Meiner gehört zum drahtig-sportlichen Typus Mann. Ich stelle mir vor, wie er im Sommerurlaub Tennis spielt (er hat starke, männliche Arme), im Meer herumplantscht (dabei sehr sexy in seiner Badehose aussieht), im Winter Abfahrtski fährt (die Skibrille steht ihm super!)

Abschalten lassen sich diese Gedanken nicht, obwohl ich mir immer
sage, dass mich das Privatleben meines Analytikers nichts angeht.

Ich sehe hier durchaus einen Unterschied zwischen "gedanklicher Ausmalung" und "Eindringen ins reale Privatleben". Stalking-Bedürfnisse empfinde ich überhaupt nicht.

[~silence~]

Hallo Sandy

*kicher*

So geht es mir auch! Meiner gehört zum drahtig-sportlichen Typus Mann. Ich stelle mir vor, wie er im Sommerurlaub Tennis spielt (er hat starke, männliche Arme), im Meer herumplantscht (dabei sehr sexy in seiner Badehose aussieht), im Winter Abfahrtski fährt (die Skibrille steht ihm super!)

Vielleicht hat er aber auch ein kleines Kind, kann deshalb nicht verreisen
und plantscht nur mit GummiEntchen in seiner Badewanne.

Wer weiß das schon.

LG
~silence~

[~silence~]

Ich sehe hier durchaus einen Unterschied zwischen "gedanklicher Ausmalung" und "Eindringen ins reale Privatleben". Stalking-Bedürfnisse empfinde ich überhaupt nicht.

Das sehe ich genauso; in der Phantasie ist ja bekanntlich alles erlaubt.

[SamuelZ.]

Ich finde es auch sehr interessant "herauszuanalysieren" welche ureigensten Bedürfnisse in diesen Phantasien stecken...
Es kommt ja nicht von ungefähr, wenn man sich vorstellt, der Thera beschäftige sich mit seinem kleinen Kind, das er ja mehr liebt als alle anderen Kinder dieser Welt, oder?

[Tara]

Hey liebe Sandy*hug*

Ich kenne das nur allzugut und kralle mich an jedem kleinsten Hinweis fest, der nur ein Klitzekleinesbisschen über den Mensch & Mann in ihm verraten könnte, um daraus für mich mögliche Schlüsse ziehen zu können und Bilder zu zeichnen die sicher nur entferntest mit der "Realität" konform gehen. *seufz*
Für den Thera ist es sicher interessant, was man sich da alles zusammenspinnt- schliesslich sagen die Phantasien sehr viel über die eigene Psychostruktur aus- also sicher nicht unwesentlich für den therapeutischen Prozess.
Ich wünschte mir oft eine umfassende Korrektur meiner Phantasiekonstrukte- um endlich der "Wahrheit" näher zu kommen, um ihn damit greifbarer und verständlicher für mich zu machen und ihn dadurch auch gewissermassen vom Podest des Götterthrons herunterkommen zu lassen...
Ich möchte ihn erfassen, begreifen und glaube dies über alle möglichen Indizien seiner Gewohnheiten zu erfahren- dennoch ist es auch nur eine Illusion, durch Wissensanhäufung von profanen Fakten zu dem wahren Wesenskern eines Menschen vordringen zu können.

Heute morgen z.B. bin ich mit der Phantasie aufgewacht, dass er mit seinem Kind (?) in seiner Großraumküche (?) steht und Plätzchen aussticht (?)

Was vermutest Du denn dahinter?

[metropolis]

Hallo Sandy,

auch ich mache mir ja regelmäßig ausgiebige Gedanken über die privaten Lebensumstände meines Theras, hänge meinen Phantasien nach. Ich halte diese Gedanken für einen guten Gradmesser für das Verhältnis zu ihm. Wenn ich ihn mir mit seinen Kindern vorstelle, wie er mit ihnen eine schöne Zeit verbringt, ist er für mich ein liebevoller Vater, und so im übertragenen Sinne auch in der Therapie. D.h. was man privat über den Thera denkt ist eine Spiegelung der therapeutischen Beziehung.

Mich quälte es lange Zeit, dass es immer so ungewiss war, ob das, was ich über ihn fantasierte, der Realität entspricht. Auf private Fragen antwortet meiner ja auf keinen Fall. Um meine Qual zu lindern bin ich dazu übergegangen, meine Vermutungen als Realitäten zu sehen. Ich rede mir also ein, dass sich alles so verhält wie ich es phantasiere.
Ich weiß nicht, wie man mein Vorgehen bewerten kann, aber mir scheint es zu helfen. Denn auch in der Therapie spreche über diese Phantasien wie über reale Gegebenheiten, denn er hat sie ja nie korrigiert. Sie könnten also stimmen. Und falls ich vollkommen daneben liegen würde, wäre seine Irritation wahrscheinlich spürbarer für mich. Für ihn scheint meine kleine Scheinwelt auch ok zu sein, er steigt mit in diese Welt.

Ich habe mir meine künstlichen Gewissheiten geschaffen und warte trotzdem, dass sie irgendwann eine Korrektur erfahren.

LG

metro

[~silence~]

Hallo metro

Für ihn scheint meine kleine Scheinwelt auch ok zu sein, er steigt mit in diese Welt.

Ich finde es total mutig, dass Du Deine kleine Scheinwelt vor Deinem Therapeuten offenbarst!

Ich habe mich mal eine Sitzung lang über das Auto meines Analytikers ausgelassen;
er frug auch interessiert nach, was ich denn über das Auto denken würde etc.
Allerdings ließ er schlussendlich offen, ob es überhaupt sein Auto ist -
auch, wenn das Kennzeichen signifikant scheint.

Vielleicht also habe ich eine ganze Stunde lang über ein total fremdes Auto gelabert.
Auch er ist bedingungslos auf das Thema eingestiegen.

An anderes - was ihn direkt betrifft - habe ich mich noch nicht rangetraut.

LG
~silence~

[Tröte]

Hallo Sandy,
auch mir geht es ähnlich wie Dir.
Ich stelle mir immer vor, wie meine Therapeutin wohnt. Das sie eine gemütliche und schön eingerichtete Wohnung hat und stelle mir vor, wie sie was leckeres kocht.
In der Therapie achte ich sehr genau auf die wenigen Dinge, die sie privat von sich gibt, oder auf kleine Veränderungen....

Ich würde gerne mal eine Fragestunde machen à la Tröte befragt Ihre Thera mal nach ihrem Leben...aber abgesehen davon, dass ich wahrscheinlich viele meiner Fragen nicht beantwortet bekäme, wäre das für mein Übertragungs-Abhängigkeits-Thema glaub ich auch gar nicht so förderlich.

Liebe Grüße
Tröte

[SamuelZ.]

Huhu, liebe tara

um ihn damit greifbarer und verständlicher für mich zu machen und ihn dadurch auch gewissermassen vom Podest des Götterthrons herunterkommen zu lassen...

Phantasierst du ihn als Gott? Wie kann ich mir das vorstellen? Ein begehrenswerter und begehrender Sex-Gott mit nie enden wollender Potenz? *malaus* *erregungspür*

Was vermutest Du denn dahinter?

vermutlich mein Bedürfnis nach dem liebevollen, fürsorglichen, aufmerksamen, auch mal in der Küche helfenden, sich mütterlich gebenden Vater...?

[SamuelZ.]

Liebe Metropolis! *drückfest*

bin ich dazu übergegangen, meine Vermutungen als Realitäten zu sehen. Ich rede mir also ein, dass sich alles so verhält wie ich es phantasiere.

Das kenne ich auch. Ich trage meine Phantasien über meinen Thera wie kugelsichere, feste, in Stein gemeißelte Wahrheiten mit mir herum.

Aber, das muss auch gesagt werden, sobald neue Fakten das Bild erweitern, dann sind diese Phantasien überaus flexibel, passen sich sofort an.

Es ist so, als würde man in eine unbekannte Stadt reisen. Vorher hat man im Kopf ein Bild von dem, was man dort zu sehen bekommt. Kaum ist man dort, ist dieses Bild verschwunden und komplett von den neuen Eindrücken ersetzt worden. Häufig erinnert man sich ja gar nicht mehr an diese ersten Phantasieprodukte, die schon lange korrigiert worden sind.

Ja, mein Thera ist auch immer SEHR neugierig zu erfahren, was ich so über ihn denke, was ich mir da zusammenspinne. Das bringt ihn häufig zum Grinsen, so amüsiert ihn das...

Hast du deinen Thera mal darauf angesprochen, dass du dir irgendwann eine Korrektur wünschst?

[SamuelZ.]

Liebe Silence danke für deine pm! ich bin voll bei dir!
konntest du damals herausfinden, weshalb das Auto so wichtig für dich war?

[Werbung]