Mitleid

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Hamna
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Mitleid

Beitrag Mi., 09.12.2009, 03:33

Hallo, ich wusste nicht so recht, wohin mit dem Thema, darum habe ich es mal in der Plauderecke eröffnet.

Gerade habe ich es hier im Forum wieder an zwei Stellen (sinngemäß) gelesen:

- "ich will kein Mitleid"

- "Mitleid ist etwas, das immer von oben herab kommt"

Also, für mich ist Mitleid etwas, das ich ganz im Wortsinne verstehe und empfinde: das Mitleiden mit einem anderen! Das ist für mich weder "von oben herab" noch sonst irgendwie anmaßend gemeint oder empfunden, sondern wirklich als das Mitleiden mit einer anderen Person, und dummerweise habe ich eine ziemlich große Mit-Leidensfähigkeit.

Warum reagieren viele auf dieses einfache Wort Mitleid so empfindlich? Was ist so verwerflich an Mitleid?

Was bedeutet Mitleid für euch, aus der Perspektive des Empfangenden und des Empfindenden?

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Eve...
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 08:43

Hallo Rilke!

Zu dem Thema hab ich mir schon viele Gedanken gemacht.

Es gibt das Mitleid = tatsächlich negativ besetzt: impliziert Schwäche und ein tiefer Stehen des Empfangenden und Überlegenheit des Gebenden - wobei das fraglich ist, wird aber meist so empfunden.

Es ist aber für mich trotzdem ungut, da es ein Mit-Leiden anspricht, das einen selbst herunterziehen kann. Krankenschwestern z. B. können sich Mitleid nicht leisten, es würde sie überfordern, zuviel Kraft aufzehren.

Es gibt weiter das Mitgefühl, und ich denke, das ist es, was Du eigentlich meinst und für gut befindest; daran ist von beiden Seiten her nichts auszusetzen. "Tätiges Mitgefühl" ist etwas Schönes, also Mitfühlen und womöglich Helfen. Auch das ist allerdings mit Vorsicht anzugehen, damit sich der so Beschenkte damit noch wohl fühlt; es kratzt bei sensiblen Menschen leicht die Würde an.

Weiter wäre da noch die Emphatie, das ist das Sich-hinein-Versetzen in den anderen = eher wertfrei zu sehen.

LG Eve

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Caramel
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 10:18

Rilke hat geschrieben: "ich will kein Mitleid"

Dazu fallen mir zwei Dinge ein:

1. Man fühlt sich schwach, wenn man bemitleidet wird, und wehrt das deshalb ab. Denn wenn man schon Mitleid bekommt, muss man ja echt arm dran sein, so könnte man denken.

2. Ich habe als Kind manchmal gehört: "Du willst doch bloß Mitleid!". Dieser Vorwurf hat mich immer sehr getroffen, denn ich habe einfach nur ausgedrückt, wie ich mich fühle (oder ich konnte es einfach nicht gut genug verstecken), ich wollte aber nichts einfordern. Ich hab heute immer noch Angst vor diesem Vorwurf, versuche immer stark zu wirken, damit ich das bloß nicht mehr zu hören bekomme. Es ist einfach wahnsinnig verletzend, gesagt zu bekommen, dass das eigene Leiden gar nicht berechtigt ist. Das bedeutet eigentlich auch, dass man sich anders verhalten soll, Passivität unterstellt bekommt oder mangelnde Stärke.

LG
Caramel

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Schneekugel
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 12:14

Mitleid ist für jeden Einzelnen einfach das, was er in seiner Kindheit als Mitleid vermittelt bekam, also für jeden etwas anderes. Von daher sollte man einfach akzeptieren, wenn andere darunter etwas anderes verstehen als man selbst.

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(V)
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 17:01

Schließe mich da Eve völlig an: Die Unterscheidung von Mit-LEID und Mit-Gefühl.

Wenn man eine Erfahrung nicht kennt, kann man gar nicht wirklich "mit-leiden". Sprüche wie "Ich weiß wie du dich fühlst." oder "Ist ja schrecklich, ach du Arme!" usw. sind leere Worthülsen, wenn man nun mal in der Tat absolut null Ahnung von der Situation hat. Wieso also muss man dem, den es schlecht geht, so oberflächliche Floskeln noch reindrücken? Da kann man sich doch gar nicht ernst genommen fühlen. Nein, da geht es in Wahrheit meist eher um ein eigenes Bedürfnis: man möchte sich möglichst mitfühlend, empathisch, fürsorglich zeigen, und meist erwartet man sich auch etwas davon. Abgesehen davon hat es durchaus etwas Abwertendes. Man leidet ja eigentlich nur mit, weil man sich mit hinein projiiziert und übertragt a la "Also, wenn ich ich in DER Situation wäre... ich mags mir gar nicht vorstellen. Zum Glück ging der Kelch an mir vorbei."

Beim Mitgefühl hingegen geht es eher darum zu signalisieren, dass man entweder wirklich die gleiche Situation kennt, und man dann auch wirklich auf Verstehen stößt und eben nicht nur diesem Pseudo-Verständnis. Oder aber, dass man einräumt und versteht, dass es denn anderen schlecht geht OHNE zu behaupten, auf gleicher Stufe des Leidens zu stehen. Das Leid des anderen anerkennt, wahrnimmt, akzeptiert OHNE dass es zur Projektion, Floskeln, Heuchelei, Abwertung kommt...

Ach, schwer zu erklären. Ich glaub auch nicht, dass es so individuell subjektiv definiert ist. Prüf dich doch mal selbst, Rilke, wann du die Worte "Ich fühle mit dir." und "Ich habe Mitleid mit dir." verwendest. Ich bin sicher, es ist nicht zufällig... Mitgefühl ist definitiv etwas anders als Mitleid.

Vielleicht lässt es sich so auf einen Nenner bringen: In beiden Fällen tut einem der Gegenüber leid. In dem einen Fall um einen selbst willen ("Projektion": Wenn ICH in der Situation wäre, allein die Vorstellung, tut mir schon weh...), in dem anderen Fall geht es um den Gegenüber ("Ich verstehe und nehme wahr, dass es dir schlecht geht, auch wenn ich vielleicht deine Situation nicht wirklich aus eigener Erfahrung kenne").
"Wer das hier liest, ist selber doof."

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schmetterling.1983
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 17:59

von Gothika:
Vielleicht lässt es sich so auf einen Nenner bringen: In beiden Fällen tut einem der Gegenüber leid. In dem einen Fall um einen selbst willen ("Projektion": Wenn ICH in der Situation wäre, allein die Vorstellung, tut mir schon weh...), in dem anderen Fall geht es um den Gegenüber ("Ich verstehe und nehme wahr, dass es dir schlecht geht, auch wenn ich vielleicht deine Situation nicht wirklich aus eigener Erfahrung kenne").
Genauso sehe ich das auch.

Ich finde es für mich auch wichtig das zu geben und zu nehmen, gerade bei wichtigen Freunden. Ich habe mich schon manchmal sagen hören: Oh, das tut mir wirklich leid für dich x/y, das muss *so und so* sein.

Manchmal höre ich dann ja, aber du bist ja nicht Schuld daran. Ich erwiedere dann aber, dass es ja nichts damit zu tun hat ob man daran Schuld ist oder nicht, sondern ob man eben wie gesagt mitfühlt.

Mir persönlich tut es auch gut zu hören, wenn jmd mein Leiden in Fall x/y versteht, weil es tröstlich ist, dass sich mir jmd zuwendet und sich versucht vorzustellen wie es mir mit etwas geht, er/sie zu mir steht, eben auch, wenn ich schwach und verletzlich bin.

Ob wir es nun Mitleid oder Mitfühlen nennen kann ich nicht so festmachen.

LG Schmetterling
Schön ist eigentlich alles, wenn man es mit Liebe betrachtet.
Christian Morgenstern

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SamuelZ.
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Beitrag Mi., 09.12.2009, 18:34

"Ich will kein Mitleid....." ....sondern Taten sehen. Das fiel mir beim ersten Zitat ein.

Häufig wird "Mitleid" synonym mit "Trost" verwendet. Sagt da jemand "Ich will kein Mitleid" meint er dann nicht eigentlich "Ich brauch keinen Trost"? Also, dieser Schwäche-Aspekt, der dabei mitschwingt.

Mir persönlich ist es auch wichtig zu wissen, wer mir Mitleid entgegenbringt. Sind es Menschen, denen ich vertraue, die mir etwas bedeuten, oder sind es diejenigen, die im Grunde an meiner Schei*-Situation mit Schuld sind. Die können sich nämlich ihr Mitleid in ihren Allerwertesten stecken, denn ihre Mitleidsbekundungen sind nur der Versuch, die eigene Verantwortung nicht sehen zu müssen.

lg sandy

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Beitrag Mi., 09.12.2009, 19:10

Ich verwende "Mitleid" mal so, mal so. Auch im Sine von dem, was man gemeinhin mit Mitgefühl bezeichnet. Dann ist es aber stärker gemeint. Ohne dass irgend etwas "von oben herab" dabei wäre.

Gruß
A.

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Hamna
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Beitrag Do., 10.12.2009, 10:39

Ok, ich hab mir mal weitere Gedanken dazu gemacht.
Prüf dich doch mal selbst, Rilke, wann du die Worte "Ich fühle mit dir." und "Ich habe Mitleid mit dir." verwendest. Ich bin sicher, es ist nicht zufällig... Mitgefühl ist definitiv etwas anders als Mitleid.
Die Worte selbst verwende ich, glaub ich, niemals. Ich drücke das wörtlich dann irgendwie anders aus.

Gerade Mitfühlen impliziert für mich eigene Erfahrung oder große Nähe zu dem Menschen. Ich kann nur mit jemandem mit-fühlen, wenn ich dessen Gefühle selbst kenne oder ihn so gut kenne, dass ich mir annähernd vorstellen kann, was etwas für ihn bedeutet. Das Mit-leiden geschieht eher aus einem gewissen Abstand heraus, wenn ich das, was jemand anderer durchmacht, selbst noch nicht kennengelernt habe oder den Betroffenen nicht oder nicht gut kenne.

Ein Beispiel: Eine entfernte Bekannte von mir, die früher mal zu meinem weiteren Freundeskreis gehörte, ist schwer erkrankt, das hat mir ein Freund erzählt. Ich habe sie früher immer für ihre Schönheit bewundert und hätte fast meine Tochter nach ihr benannt. Jetzt liegt sie im Krankenhaus, sie kann nichts mehr hören, kaum noch was sehen und wird wohl bald sterben. Als ich das hörte, war ich total geschockt, und als ich mir vorstellte, wie sie ihren jetzigen Zustand wohl erlebt, habe ich ganz heftiges Mitleid empfunden. Ja, wörtlich habe ich wohl gedacht: oh mein Gott, sie tut mir so schrecklich leid!

Mit"fühlen" kann ich hier jedoch nicht so gut, weil ich einfach keine Vorstellung davon habe, wie es ist, so schwer krank zu sein. Außerdem stehen sie und ihre Familie mir nicht mehr so nah, wir hatten in den letzten 20 Jahren fast keinen Kontakt.

Das ist aber auch nur meine ganz subjektive Unterscheidung der beiden Begriffe.

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mitsuko
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Beitrag Do., 10.12.2009, 10:49

Hallo,

ich denke auch, dass man Mitleid haben kann mit völlig fremden Menschen wegen Dingen, die man nie erlebt hat. So kann ich eine Dokumentation sehen über Leute mit einer seltenen Krankheit zum Beispiel und Mitleid empfinden. Ich halte diese Fähigkeit sogar für eine der begrüßendwertesten menschlichen Fähigkeiten überhaupt.
Ich kenne das Gefühl, dass mir der Gedanke, dass jemand Mitleid mit mir hat, unangenehm ist. Aber das liegt dann imo wirklich eher daran, dass man selbst das eigene Leiden als Schwäche ansieht. Der andere, der Mitleid hat, sieht das wahrscheinlich gar nicht so, ansonsten würde er vielleicht eher (oder zumnindest auch) Verachtung oder Verständnislosigkeit o.ä. empfinden.

Lg
mitsuko

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Marja
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Beitrag Do., 10.12.2009, 13:43

1. Betrachtungsweise: Mitleiden ist doch eine Spezifikation von Mitfühlen, oder nicht?
Ich kann mich ja auch mit jemanden mitfreuen, genauso wie mit jemanden mitleiden. Finde das nicht unbedingt gleich abwertend. Gegen mitfreuen hat ja niemand etwas. Warum aber gegen mitleiden?
Abwertend kann ein Mitgefühl durch unqualifizierte Aussagen werden, mMn. Doch nicht durch ein authentisches Mitgefühl.

2. Betrachtungsweise: der Mitleidende leidet nicht wegen dem Anderen mit, sondern erlebt durch Resonanz seinen eigenen Weltschmerz, es laufen Projektionen. (Wurde hier eh schon gut erklärt)
Wie zB. ein mitleidiger Mensch mit einem Rollstuhlfahrer, dem es wirklich gut geht., besser sogar als demjenigen, der mitleidig ist.
Oder eine Frau, die aus Mitleid ihren Mann nicht verläßt, der, wenn er die Motive kennen würde, auf der Stelle freiwillig aus der Beziehung scheiden würde.

3. Ein guter Freund leidet mit mir mit, ohne mich mit gut gemeinten Ratschlägen zu überhäufen. Er akzeptiert mich und mein Leid in diesem Moment und sitzt es mit mir aus. Das geht mMn gut, nimmt mir nichts weg und läßt mich sein.

Ich glaube nicht, daß man Mitgefühle über einen Kamm scheren kann. Wird wohl auch damit zu tun haben in welcher Beziehung man zu einem mitleidendenen Menschen steht, und wie der damit umgeht. Leere Phloskeln helfen meistens nichts. Andererseits darf man in einer schlimmen Situation "Zuspruch" auch nicht unterschätzen. Zb in Schockmomenten können einem sogar Phloskeln gut tun.

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estelle
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Beitrag Fr., 11.12.2009, 10:29

Rilke hat geschrieben:Gerade Mitfühlen impliziert für mich eigene Erfahrung oder große Nähe zu dem Menschen. Ich kann nur mit jemandem mit-fühlen, wenn ich dessen Gefühle selbst kenne oder ihn so gut kenne, dass ich mir annähernd vorstellen kann, was etwas für ihn bedeutet.
In meinem Praktikum ist es derzeit so,dass ich mit gelähmten Patienten zu tun habe,wo ich ja sehe
was es für sie bedeutet: Sie müssen gewaschen werden, das Essen angereicht werden,gebettet
und gelagert werden,gewickelt werden,weil die Ausscheidungen auch nicht mehr normal funktionieren
und sie können sich nur ganz leise flüsternd noch verständigen,sie können also garnichts mehr
alleine und das sind teilweise Frauen in meinem Alter und jünger.
Das kann ich gut mitfühlen und mir vorstellen wie das sein muß,auch ohne diese Erfahrung selber
an mir gemacht zu haben und aufgrund der Kürze des Praktikums habe ich auch noch keine so große
Nähe zu den Patienten entwickelt.
Rilke hat geschrieben:Das Mit-leiden geschieht eher aus einem gewissen Abstand heraus, wenn ich das, was jemand anderer durchmacht, selbst noch nicht kennengelernt habe oder den Betroffenen nicht oder nicht gut kenne.
Das verhält sich bei mir genau andersherum,ich leide immer sehr mit, wenn ich jemanden gut
kenne,befreundet bin oder es sich um einen Familienangehörigen von mir handelt,der mir persönlich
sehr nahe steht.

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estelle
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Beiträge: 1767

Beitrag Fr., 11.12.2009, 10:48

Rilke hat geschrieben:Als ich das hörte, war ich total geschockt, und als ich mir vorstellte, wie sie ihren jetzigen Zustand wohl erlebt, habe ich ganz heftiges Mitleid empfunden. Ja, wörtlich habe ich wohl gedacht: oh mein Gott, sie tut mir so schrecklich leid!
Hab gerade alles noch mal durchgelesen:
Dein heftiges Mitleid beruht hier glaube ich auch darauf,dass du sie früher gut kanntest und sie dir
zumindest früher nahe gewesen sein mußte.
Im Grunde genommen meinst du eigentlich das selbe wie ich.

Grüße,
Violetta.

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cupa
Helferlein
Helferlein
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Beitrag Mo., 28.12.2009, 23:52

bin erst gerade auf diesen thread gestoßen.. und mal wieder am grübeln... wie ich das erklären soll. denn dass mitleid von oben herab kommt, stammt von mir. d.h. hier im forum. es ist nicht auf meinem mist gewachsen, aber ich habs hier so wiedergegeben.

wie ichs gemeint habe: mitleid (überspitzt) = oooch, du arme/r! *tätschelchen aufs köpfchen*
mitleid (so wie ich diesen begriff mittlerweile verstehe) schafft distanz und hierarchie. es kommt von menschen, die die situation nicht selbst erlebt haben, sich in einer besseren position fühlen (und es objektiv situationsbezogen wohl auch sind)... und von dieser eben runterschauen auf den armen, bedauernswerten (bemitleidenswerten) tropf.

das bemühen um begriffsgenauigkeit machts mir grad schwer. vielleicht schaffe ich schreibend eine annäherung.
so wie ich's meine hat es sehr wenig mit mit-leiden zu tun (soweit klar aus meiner vorherigen erklärung). ich leide oft sehr mit anderen mit. ganz profanes beispiel: wenn sich wer einen halben millimeter seiner fingerkuppe abtrennt, verspüren wohl nicht wenige eine art von schmerz allein bei der vorstellung. ... das beispiel deiner bekannten, rilke, ist da gar nicht profan, sondern sehr existentiell ... (und ich kann es dir nachempfinden) ... ich spreche dir die reinheit deines mitleids auf keinen fall ab.
--- nicht konstruiert: ich musste den satz gerade eben ausbessern, weil ich "mitgefühl" statt "mitleid" geschrieben hatte. diese unterscheidung wurde hier ja auch bereits mehrfach getroffen.

bei dem, was ich unter mitleid verstehe, findet dieses nachempfinden (schon wieder dieses auch schon wieder missverständliche wort) nicht wirklich statt. wenn sich jemand nicht zugleich mit mir in meiner situation befindet, kann er nicht im wahren sinn des wortes mit mir leiden. wenn ich mich in meinem selbstmitleid suhle, leide ich sehr mit mir (und an mir ), aber ein anderer kann in meinem begriffsverständnis nur mit mir fühlen. da rede ich jetzt gerade vom positiv besetzten ... hm(?)... diskussionsthema.

ein beispiel fürs negativ besetzte: ich fand den film slumdog millionaire schrecklich. ein film für leute, die sich gern märchen anschauen (mag ich auch manchmal), mit diesen wundervollen indischen farben (wirklich schön), das ganze unterlegt mit der schrecklichen wirklichkeit eines aufwachsens in indischen slums (aber bitte nur im zumutbaren maße und mit happy end; alles andere könnte ja tatsächlich betroffen machen). da ist mir dieses mitleid im schlimmsten wortsinn begegnet: so viele fanden den film toll! und diese armen, armen, armen indischen kinder! noch einen kaffee, bitte! ... ich will mich nicht über diese art des mitleids erheben (mal abgesehen von diesem beispiel ). mir passierts auch, auch im freundeskreis, aber seit ich diese von mir gemeinte unterscheidung zwischen mitleid und mitgefühl kennengelernt habe, schaffe ich es öfter, meine gefühle in dieser hinsicht bewusst anzuschauen und zu hinterfragen.

wird durch meine erklärungsversuche eigentlich irgendetwas klarer?
der vergangene herbst war für mich ein.. etwas schlechter scherz. eine draufgabe auf ein nicht ganz leichtes jahr (bald fertig!! ). der kommentar einer freundin: "du arme! du hast aber auch wirklich viel pech!" die aussage einer anderen freundin: "aber was rede ich von mir! du hast es ja 10 mal schlimmer!" mitleid. wenn ich es so erfahre, zieht es mich runter. mit diesen aussagen steht man mir nicht zur seite, auch wenn man es vielleicht will. sie ziehen mich rein ins selbstmitleid. es ist ein verhaften im besch..eidenen augenblick. natürlich - meine verantwortung, es nicht soweit kommen zu lassen. und zum glück gibts ja auch noch leut um mich herum, die mit mir fühlen und einfach da sind, wenns blöd läuft und wenns richtig blöd läuft.

das leid eines anderen ....zu teilen/nachempfinden zu können/... ich zensuriere grad alles, zu dem ich versuche anzusetzen... ... wenn man jemandem leid tut, unterstelle ich diesem nicht arroganz und ein sich-bewusst-über-den-anderen-erheben... auch nicht unbewusst... unbedingt. mitleid ist vom "sender" nicht negativ gemeint und in den meisten situationen wohl auch ein zeichen von hilflosigkeit. aber beim "empfänger" kommt dabei im besten fall nur die hilflosigkeit des anderen an. wenn meine situation schwierig ist, wende ich mich eher an menschen, die nicht in mein leid (um beim begriff zu bleiben) hineingesogen werden (und sich deshalb abgrenzen müssen), sondern an die, die bei sich bleiben können (das ist viel verlangt, ich weiß, aber ich versuche in meinem umfeld da hin zu kommen). sprachlosigkeit ist vielleicht in manchen situationen bei beiden die reaktion, aber sie kommt bei mir anders an.

hm... sprache ist wirklich was kompliziertes... ich glaube ich schaffe keine nähere annäherung mehr an das, was ich meine... aber ich hab mich von eve und gothika auch recht gut verstanden gefühlt.

lg cupa

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