Ein Extrembeispiel ist, einen schwerkranken Partner (Demenz, Alzheimer, bettlägerig, Wachkoma etc.pp) zu pflegen, wäre das auch eine seelische Krankheit? Aber okay, dies ist ein Extrembeispiel, nicht die Norm. Davon also abgesehen:Menschen die sich für die Liebe aufgeben oder aufopfern sind nicht uneigennützig.
Welche verdrehte seelische Schleife auch immer dahintersteht, sich selbst wegzumachen ist kein Akt der Liebe, sondern selbstzerstörerisch oder aus seelischer Krankheit bedingt.
Ich schrieb ja: klug ist es sicherlich nicht sich aus Liebe aufzuopfern. Gesund auch nicht, ES SEI DENN, es wäre eine temporäre, situationsbedingte Aufopferung, eine Investion, die sich irgendwann lohne. Im Gegensatz dazu der Fall, wenn man sich aufopfert ohne die Chance, dass das Problem sich jemals wirklich löse, also ein Fass ohne Boden. DAS wäre in der Tat fatal.
Aber trotzdem ist es eine ANBINDUNG im Gefühl, fühlt es sich nach Liebe an! Egal aus welchen Motiven!
Liebe ist etwas, was eigentlich immer IN EINEM SELBST entsteht und nur in der Subjektivität bestehen kann. Denn wenn man Liebe objektiv (so gut eben möglich) und rational betrachtet, dann ist daran überhaupt gar nichts Tolles mehr, außer ein evolutionärer Trick, der einen an anderen Menschen anhaften lässt, manchmal sogar gegen jedwede Vernunft.
Liebe kann nur in der Subjektivität entstehen. Es muss noch nicht mal IRGENDWAS mit dem "geliebten Gegenüber" zu tun haben.
Ich war früher, ehrlich gesagt, sehr arrogant und schaute auf andere Beziehungen herab, z.b. wenn jemand aus falschen Motiven (z.B. Angst vor dem Allein-Sein, Brauchen, Abhängigkeit) liebte. Dies sei keine "echte Liebe". Heute sehe ich das anders: Das Gefühl der Liebe dient dem Selbstzweck, ist immer subjektiv, und als solches immer gleichbedeutend und gleich real, echt wie auch unecht. Es gibt kein falsch und kein richtig. Selbst wenn man aus falschen Motiven geliebt hat, tut der Liebeskummer hinterher nicht weniger weh.
Natürlich KANN es eine gute Konfrontation sein, aber wer sagt, dass dies der einzige oder gar der beste Weg ist? Er fühlt sich, zumindest am Anfang, lediglich subjektiv besser an als andere Wege. Subjektiv! Meist zahlt man dann aber hinterher den Preis dafür. Und das muss man so nüchtern sagen: Manchmal wäre es sinnvoller, sich zu "entfalten", reifen und zu lernen, OHNE dabei einen anderen Menschen mit reinzuziehen!Natürlich hat Liebe Schattenseiten. Aber diese Schattenseiten können ihrerseits eine gute Konfroontation mit der eigenen Seele sein.
Entwicklung ist nie leicht, aber durch Liebe ist die Entwicklungsmöglichkeit gut. Oder Entfaltung.
Liebe bringt einen dazu, Situationen und Dinge auszuhalten und sich dadurch zu entwickeln, wo man ohne Liebe längst schon weggelaufen wäre oder sich achselzuckend fragen würde, wozu man diese und jene Erfahrung denn brauche? Sie hält einem bei der Stange. Sozusagen psychischer Kleber. (*schmunzel* oder wie das Betäubungsgift mancher Insekten während der Begattung). WIE lernt man dann am ehsten? Durch Reibung. Wie schleift man Diamanten? Durch Reibung.
Je größer die Liebe, desto größer das seelische Entwicklungspotenzial. Und das Potenzial will sich entfalten MIT seinen Schattenseiten. Zumindest in dem Fall sind wir uns einig: Es IST ein dynamischer Prozess. Stillstand ist der Todesstoß jedweder Liebe. Je mehr Potenzial eine Liebe im Guten hat, um so mehr Potenzial hat sie auch im Negativen. Ich glaube, da gibt es kein Begrenzungen nach oben. Die Schattenseiten machen sich immer bemerkbar, kontinuirlich steigernd. Je nachdem wie große die Liebe ist ("der Kleber") ist, steigt man früher oder später aus. Steigt man nicht aus, dann wird die Intensivität der Schattenseite, mit der man konfrontiert, noch mal gesteigert. Und noch mal und nochmal. Die Beziehung und/oder Liebe dauert so lange an, bis man genug hat und die eigene Leidenskapazität überschritten wurde.
Du sprichst von "seelischen Entwicklungspotenzial". Man entwickelt sich nicht, wenn eine Beziehung/Liebe auf Friede, Freude, Eierkuchen oder Stillstand selektiert.
Eigentlich ist das ganze System der partnerschaftlichen Liebe darauf angelegt zu scheitern. Ähnlich wie bei Kindern: vom Tag der Geburt geht es nur noch darum, loszulassen. Und so auch in Beziehungen: vom ersten gemeinsamen Kuss an, geht es darum, ein Scheitern zu verhindern und standzuhalten. Weil die Schattenseiten IMMER "dagegen" arbeiten.
PS: Was erklärt, warum ich immer diejenigen am meisten liebe, mit denen ich die größte Reibung (= Entwicklungspotenzial) habe. Dumme Angewohnheit von mir.