Autonomie versus autark

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

isabe
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Beitrag Mo., 17.04.2017, 18:50

Schneerose:
Aber jeder, der Kinder hat, weiß doch, dass zwischen "Zuschlagen" und "alles richtig machen" wirklich tausende von Welten liegen. Der Mensch ist nicht entweder ein Schläger oder ein Heiliger.

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mio
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Beitrag Mo., 17.04.2017, 18:51

Lockenkopf hat geschrieben: Mo., 17.04.2017, 18:42 Sicherlich ist nahezu jeder Mensch zu gutem wie bösen fähig.
Nun, diese Fähigkeit spreche ich dem Menschen sicher nicht ab.

Aber ein: "Weil ich es kann." sollte nicht die Antwort auf die Frage sein, warum handelst Du böse gegen andere? Das ist es, was Religion bzw. Moral etc. erreichen möchte, eine Einhegung des "Bösen" (gegen den anderen) eben. Wobei das in der Tat vorher einer Definition bedarf.

Ich habe als Kind gelernt: Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Simpel, leicht verständlich, ohne großes Brimborium.

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Beitrag Mo., 17.04.2017, 18:51

Ich bin auch Katholikin, praktiziere aber z.B. auch Yoga...
auch hier ist die Bandbreite sehr vielfältig.
Und das göttliche Licht wird bei jeder Firmung erbeten. Das ist überhaupt Sinn der Firmung.
Der heilige Geist = das göttliche Licht im Sinne des katholischen Glaubens.
"Der Einzige, der sich wirklich vernünftig benimmt ist mein Schneider, er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich sieht" :->

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Beitrag Mo., 17.04.2017, 18:54

isabe hat geschrieben: Mo., 17.04.2017, 18:50 Schneerose:
Aber jeder, der Kinder hat, weiß doch, dass zwischen "Zuschlagen" und "alles richtig machen" wirklich tausende von Welten liegen. Der Mensch ist nicht entweder ein Schläger oder ein Heiliger.
Das stimmt!
Aber wir hatten gerade heute Nachmittag im Verwandtenkreis die erzählenden Storys von früher.
Wie viele Watschen haben wir noch bekommen, weil es normal war,
und heute überlegt man schon 100 mal bevor einem die Hand ausrutscht, und ich muss sagen, ich habe meine Kinder noch nie ins Gesicht geschlagen, was meinen Eltern völlig egal war.
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Beitrag Mo., 17.04.2017, 18:57

isabe hat geschrieben: Mo., 17.04.2017, 18:43 Ich weiß nicht, wie genau die Seele aussieht; aber ich denke, sie hat nichts mit Gott zu tun. Ich krieg das nicht zusammen, den Holocaust und Gott. Ich finde die Ideen des Christentums gut (wenn's denn gelebt wird); deshalb bin ich der evangelischen Kirche auch durchaus verbunden; ich mag auch geistliche Musik, weil sie Trost spenden möchte. Aber was hatte ein Baby, das brennend und lebendig in einen Graben in Auschwitz geworfen wurde, von seinem göttlichen Licht?

Meine Auffassung von Philosophie ist übrigens anders als deine: Ich denke, wenn man philosophiert, darf man keine Überzeugungen haben von den Dingen, über die man nachdenkt.
Ich beschrieb schon Viktor Frankl der das KZ überlebte und aus diesem Grund heraus die Logotherapie entwickelte.
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Beitrag Mo., 17.04.2017, 18:59

Davon wird aber kein totes Baby lebendig.


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Beitrag Mo., 17.04.2017, 19:01

isabe hat geschrieben: Mo., 17.04.2017, 18:59 Davon wird aber kein totes Baby lebendig.
Davon dass Du eine "Klagegesang" anstimmst aber auch nicht. Wenn Du "logisch" an eine Vergangenheit herangehst, dann kannst Du analysieren, wie es überhaupt zu den Verbrechen kommen konnte. Wenn Du hingegen im "Vorwurf" oder "Ungläubigkeit" verharrst, dann findet ein Stillstand statt. Es "friert" etwas ein. Und diese Etwas ist weit entfernt von Gegenwart und Zukunft.

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Beitrag Mo., 17.04.2017, 19:02

ich selber befasse mich sehr viel mit den Wolfskindern und mit den Hexenkindern,
ich denke nicht, dass "Gott" oder wer auch immer das ist, für jede Religon anders... das Leid auf Erden will...

das Leid macht der Mensch, der Mensch entscheidet frei, dass er Leid zufügt... bestes Beispiel aktuelles Weltgeschehen:
Hitlers Zeit war eine der grausamsten Zeiten die es gab,
aber haben die Menschen davon gelernt?
Es ist doch Wahnsinn was weltweit gerade passiert - und das alles macht der Mensch aus freiem Willen, er entscheidet sich für das Böse, was kann da "Gott dafür"?
Der Mensch macht es sich schon einfach, alles auf "Gott" zu schieben.
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Beitrag Mo., 17.04.2017, 19:06

Der Mensch schiebt nicht alles auf Gott, wenn er nicht an ihn glaubt. Gott ist doch zunächst mal nur die Antwort auf die Angst vor der eigenen Endlichkeit. Wenn alles nur von den Menschen gemacht wird, braucht es keinen Gott. Der hat dann nur noch die Funktion, die Illusion von der Unendlichkeit aufrechtzuerhalten.

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Beitrag Mo., 17.04.2017, 19:07

isabe hat geschrieben: Mo., 17.04.2017, 18:59 Davon wird aber kein totes Baby lebendig.
Weißt du isabe,
ich als Österreicherin musste oft damit Leben, im Land HItlers geboren zu sein, aber ganz ehrlich, ich habe nichts getan,
ich schäme mich dafür was Hitler getan hat, und hätte ich zu der Zeit gelebt, hätte ich Juden aufgenommen und versteckt, ich als Katholikin, als Österreicherin...

ich finde es auch nicht so schön, dass man nur für sein Heimatland einfach in einen Topf geworfen wird, wo doch andere Länder auch mittaten,

und was den Menshen angetan wurde, GERADE AUCH BEHINDERTEN MENSCHEN,
oh ja, unfassbar grausam,
ich befasse mich als Mutter meiner Tochter viel mit dieser Thematik, glaube mir,
aber keiner von uns kann es ungeschehen machen,
keiner trägt die Verantwortung dafür was geschah,

aber ich kann heute lernen anders zu denken und anders zu handeln.
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Beitrag Mo., 17.04.2017, 19:09

isabe hat geschrieben: Mo., 17.04.2017, 19:06 Der Mensch schiebt nicht alles auf Gott, wenn er nicht an ihn glaubt. Gott ist doch zunächst mal nur die Antwort auf die Angst vor der eigenen Endlichkeit. Wenn alles nur von den Menschen gemacht wird, braucht es keinen Gott. Der hat dann nur noch die Funktion, die Illusion von der Unendlichkeit aufrechtzuerhalten.
ich habe mal eine zeitlang in der Sterbebegleitung gearbeitet und die Erfahrung gemacht, dass in der letzten Stunde JEDER nach etwas sucht, wo er sich im Sterben festhalten kann.
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Lockenkopf
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Beitrag Mo., 17.04.2017, 19:10

Schneerose hat geschrieben: Mo., 17.04.2017, 18:49 Ich denke schon, sofern man geistig fähig ist, also nicht durch Behinderung oder schwerer psychischer Erkrankung eingeschränkt ist,
ist man absolut frei fähig zu entscheiden was man tut.
Das sehe ich auch so, wer krank, oder behindert ist, oder große Not leidet, bei dem ist der freie Wille eingeschränkt.



Ich denke, es ist gerade auch Aufgabe der Psychotherapie Menschen wieder so handlungsfähig zu machen, dass sie sich eben selbst im Griff haben - eben so autonom zu sein, dass ich mein inneres Gleichgewicht halten kann, ob gut oder böse.
Unabhängig davon, was im Umfeld geschieht.
Ja, das ist die Aufgabe von Psychotherapeuten, dem Menschen zu verhelfen, ein selbstbestimmtes leben zu führen.

Natürlich gibt es unglaublich viel Ungerechtigkeit und Leid, und es gibt Notwehr, Notlügen und was weiß ich,
aber wenn wir nochmals auf das Beispiel zurückkommen zu Zeiten des 2. Weltkrieges,

es gab auch da Menschen die sich für das mitmachen entschieden und Menschen die sich bewusst dagegen entschieden, viele die sich gegen das NS Regime stellten, mussten ihr Leben dafür lassen,
aber dafür hat in ihnen selbst das Gute gesiegt - in deren persönlicher Sicht.

Oder ein kleineres Beispiel aber mit nicht weniger Trageweite,
Kinder fordern enorm heraus, tagtäglich,
aber ich selbst habe im Griff ob ich zuschlage oder nicht...

ich denke die Liste von gut und böse kann man unendlich fortsetzen, und da hat man sehr wohl viel selber in der Hand, welchen Wolf ich persönlich füttere.
Dem kann ich nur zustimmen.
Zuletzt geändert von Lockenkopf am Mo., 17.04.2017, 19:51, insgesamt 2-mal geändert.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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candle.
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Beitrag Mo., 17.04.2017, 19:10

Schneerose hat geschrieben: Mo., 17.04.2017, 19:02 das Leid macht der Mensch,...
Der Mensch macht es sich schon einfach, alles auf "Gott" zu schieben.
Das ist aber die Krux, die mir seit Kindheit zu denken gibt. Hiernach ist Gott für nichts oder nur für das Glück verantwortlich oder wie oder was? Das ist etwas lachs gefragt, aber letztlich gibt es darauf wohl auch keine Antwort.

Ob Gott oder das Bodenpersonal haben mich zumindest mehrfach enttäuscht, deshalb bin ich vom Glauben abgefallen, wobei das bei mir eh nie sehr ausgeprägt war. Ich habe dort immer die naturwissenschaftlichen Fragen gestellt, was dann auch erzürnt hat.

Ich meine, den Weihnachtsmann gibt es ja auch nicht und wird Kindern mehr oder weniger früh als "Figur" entzogen, aber dann soll es Gott geben?

Ich bin kein Philosoph möchte ich noch anmerken. Das langweilt mich auch, weil man letztlich nie etwas in Händen hält.

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Beitrag Mo., 17.04.2017, 19:13

candle. hat geschrieben: Mo., 17.04.2017, 19:10
Schneerose hat geschrieben: Mo., 17.04.2017, 19:02 das Leid macht der Mensch,...
Der Mensch macht es sich schon einfach, alles auf "Gott" zu schieben.
Das ist aber die Krux, die mir seit Kindheit zu denken gibt. Hiernach ist Gott für nichts oder nur für das Glück verantwortlich oder wie oder was? Das ist etwas lachs gefragt, aber letztlich gibt es darauf wohl auch keine Antwort.

Ob Gott oder das Bodenpersonal haben mich zumindest mehrfach enttäuscht, deshalb bin ich vom Glauben abgefallen, wobei das bei mir eh nie sehr ausgeprägt war. Ich habe dort immer die naturwissenschaftlichen Fragen gestellt, was dann auch erzürnt hat.

Ich meine, den Weihnachtsmann gibt es ja auch nicht und wird Kindern mehr oder weniger früh als "Figur" entzogen, aber dann soll es Gott geben?

Ich bin kein Philosoph möchte ich noch anmerken. Das langweilt mich auch, weil man letztlich nie etwas in Händen hält.

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ich nenne es auch mal "Gott" weil es einfacher ist einen Namen zu nennen, für mich ist es eher das universelle Licht...
aber eines denke ich mir schon auch immer,
was feiern eigetnlich die Menschen an Weihnachten, Ostern... ect.
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Beitrag Mo., 17.04.2017, 19:17

Du kannst aber nicht wirklich wissen, ob du Juden aufgenommen hättest - das kann niemand wissen. Du kannst es dir lediglich vorstellen. Denn du weißt nicht, ob du, wenn du Angst vor dem eigenen Tod hättest haben müssen, tatsächlich den Mut gehabt hättest, dein Leben und das deiner Lieben zu riskieren. Du wünschst es dir. Aber wenn du sagst, dass du das getan hättest, dann stellst du dich ja moralisch über alle, die das nicht gemacht haben.

Das ist das, was mich an Threads wie diesem ehrlich gesagt erschreckt: dass so gespalten wird in "Wir sind die Guten und die Anderen sind die Bösen" - jeder Mensch tut mal was Böses, aber das wird irgendwie nicht gesehen. Und selbst jemand nicht zuschlägt, so wird er doch mal Aggressionen verspüren und sadistische Impulse haben usw. Das gibt es nicht, dass Menschen davon frei sind. Schon immer wurden Menschen gequält, schon immer gab es Krieg, aber nicht jeder Italiener, der einen Libyer abgeschlachtet hat, war deshalb ein "nur böses Monster" - der hatte auch Kinder, die er geliebt hat. Und "Hitler" und seine Leute waren auch nicht die einzigen Menschen, die Millionen von anderen Menschen getötet haben; aber nicht jeder Deutsche, der keinen Juden versteckt hat, war ein böser Mensch - das sind alles so hohe Kategorien, und es werden ständig Ideale entworfen - aber niemand ist ideal.

Und was noch viel, viel wichtiger ist: Darum geht es eigentlich gar nicht. Wir Menschen würden viel mehr von einander und vor allem über uns selbst lernen, wenn wir unsere eigenen dunklen Seiten ansehen würden.

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