Wie viel arbeiten Psychotherapeuten?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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stern
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Beitrag Do., 02.06.2016, 20:22

In der Vortherapie haben sich die Patienten oft die Klinke in die Hand gedrückt... na gut, nicht ganz: Manchmal ging es geringfügig später los und dafür war die Sitzung länger. Ich habe zwar nie kontrolliert, aber sie hat sicherlich (jedem) Patienten Zeit geschenkt, indem sie länger machte als nötig. Die jetzige schreibt nie mit. Keine Ahnung, wann sie das nachholt. Entweder in der 10 Min. Pause oder nach den Patienten, was dann in dem Sinn auch keine Pause wäre.

Ich denke, für manche ist es Beruf, für andere Berufung, die auch gerne Therapeut sind. Wenn man nur Belastung sieht, kann ich mir auch nicht vorstellen, dass man lange dabei bleibt.

Und was die sozialen und emotionale Fähigkeiten angeht: Eigentlich sollten diese von vornherein höher sein als bei durchschnittlich bekloppten Patienten, die u.U. erst lernen müssen sich abgrenzen und berühren lassen zu können, etc. Der Therapeut braucht halt noch zusätzlich Ausbildung, wie man etwas professionell handhabt. Wenn man aber auch noch viele grundlegende menschliche Fähigkeiten von Grund auf neu erlernen muss (wie ein Patient), dann weiß ich nicht, ob man wirklich sonderlich gut geeignet ist. Also ich halte es für keine passenden Vergleichsmaßstab, wenn man sich als Patient mit einem Therapeuten vergleicht, was dieser zu leisten hat. Der Bekloppte ist dafür oft mit dem gestraft, was er mitbringt... auch das kann erheblich belastend sein, insbes. für die Patienten selbst.
Zuletzt geändert von stern am Do., 02.06.2016, 20:27, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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(alte Weisheit)

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ENA
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Beitrag Do., 02.06.2016, 20:22

mio hat geschrieben: So ist es. Meine Thera macht das ja so. Ich halte es trotzdem für das insgesamt "bessere Konzept", rein fürs eigene Gefühl. Was daran liegen mag, dass ich es auch hasse, wenn man mich hetzt. Lieber mache ich ne Stunde länger und dafür in einem für mich gutem Tempo, da bin ich am Ende des Tages zufriedener...ganz schlimm wird es allerdings, wenn sowohl das eine als auch das andere verlangt und erwartet wird. Tempo, Perfektion und länger arbeiten. Leider keine Seltenheit heutzutage...
Es kommt halt auch drauf an, wieviele Klienten man hat. Ich "lebe" in der Therapie zwar auch in diesem 50-Minuten-Konzept (was ich nicht gut finde, aber bei ihr nun mal so ist!...(...und wohl auch von der KK vorgebegeben, weil es so berechnet wird? Ich glaube schon), würde es selber aber nicht gerne machen wollen. Dann lieber diese 25 Minuten Pause, wo man mal den Raum lüften, was notieren, sich die nächste Akte rausziehen, ins Brot beißen, aus dem Fenster gucken, was trinken, auf Toilette gehen, den AB abhören, einen Brief öffnen, etc. kann. Ich versuche es meist zu verdrängen, aber irgendwo da unten drin denke ich manchmal, wieviel bei so einer kurzen Pause (die eigentlich keine ist,...bis der Vorklient mal ganz aus der Praxis ist, der neue schon da sitzt,...) noch vor dem Vorklienten mitschwingt, wie sehr die Therapeutin wirklich bei einem sein kann. Manchmal habe ich den Eindruck, das auch so zu spüren und bin immer froh, wenn ich das Gefühl habe, dass sie wirklich bei mir ist!!!!! (Zugeben, das es anders ist, werden viele wohl nicht.)
In meinen letzten Jobs habe ich auch versucht meine Beratungstermine mit einer "Pause" dazwischen zu legen, weil ich gerne aufgeschrieben habe, was war und das habe ich meist viel mehr, als meine anderen Kollegen. Hatte ich es aufgeschrieben, war es aus meinem Kopf raus und hatte ich Zeit bis zum nächsten Termin, konnte ich schon mal Sachen abheften, schon mal in die Akte der kommenden Person reinschauen, etwas kopieren, etc. . Mir ist es damit gut gegangen und ich bin froh, dass man mir das auch so gelassen hat und darin vertraut hat, dass ich mir meine Arbeit schon gut so organisieren kann!!!


mio
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Beitrag Do., 02.06.2016, 20:34

Ich glaube der "Stundensatz" berechnet sich schon über 60 Minuten und die 10 Minuten sind halt als bezahlte "Vor-/Nachbereitung" gedacht. Nur dass 10 Minuten da nicht immer ausreichen dürften. Die "Pausen" hingegen sind völlig unbezahlt. Das ist dann sozusagen der "Luxus" den sich der Thera (und den Patienten, die einen erholteren Thera vorfinden) selbst gönnen muss. Und unter Umständen ist es tatsächlich vielleicht auch ein wenig von der Therapieform abhängig. In einer Analyse wo vielleicht viel geschwiegen wird bisweilen hat der Thera ja auch ein wenig "Erholungszeit"...zumindest rein theoretisch...

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candle.
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Beitrag Do., 02.06.2016, 20:36

zombie78 hat geschrieben:@candle: ja und vor allem macht man nicht jede Stunde 10 Minuten Pause. Ich kenne es sogar durchaus so, dass man 8 Stunden OHNE Pause arbeitet. Aber vermutlich ist das ein Grund warum ich mich hier überhaupt aufhalte...
Ich denke mal, dass hier von freiberuflich tätigen Psychotherapeuten die Rede ist. Freiberufler haben da wohl immer mehr "zu tun" als ein angestellter Psychotherapeut, der vermutlich auch die Löffel fallen läßt, wenn die Feierabenduhr schlägt.

Wünsche sind ja menschlich, dass man sich gesehen fühlen will und auch, dass man meint, der Therapeut müsse sich nun an jedes Details erinnern, aber das ist auch nicht bei "normalen" Arbeitnehmern so. Es kommt natürlich auch auf den Job an. Mit kranken Menschen zu arbeiten ist immer schwierig.

candle
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Lockenkopf
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Beitrag Do., 02.06.2016, 21:21

Alyssa hat geschrieben:
isabe hat geschrieben: Ein Therapeut kann seine Seele nicht ausschalten, mit der er die Dinge auf sich wirken lässt.
Doch, ein guter professioneller Therapeut kann das, und muss das können, sonst geht er nämlich selber drauf. Das will man als Patient nur nicht so gerne hören, dass der gerade noch so engagierte Therapeut evtl. 10min nach dem Ende deiner Stunde gut gelaunt Feierabend macht, und dich sozusagen "vergessen" hat. Aber genau so funktioniert Professionalität.
Absolut richtig. Und wer das nicht kann, wird den Beruf nicht lange ausüben können.
Liebe Grüße
Lockenkopf


mio
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Beitrag Do., 02.06.2016, 21:26

Lockenkopf hat geschrieben:Absolut richtig. Und wer das nicht kann, wird den Beruf nicht lange ausüben können.
Ich glaube die Wahrheit - und Realtiät - liegt wie immer irgendwo dazwischen. Ein guter Therapeut sollte das grundsätzlich können - so wie ein Chirurg ja auch einfach den Schnitt sehen muss und nicht den potentiellen (empathischen) Schmerz oder das Verletzungsrisiko - aber manchmal dürfte das auch bare Theorie sein.

Der Grund, warum Patienten sich diese "Illusion" wünschen steht für mich auf einem anderen Blatt das sich (unreflektierte) "Übertragung" nennt.

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zombie78
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Beitrag Do., 02.06.2016, 21:34

mio hat geschrieben:...zumindest rein theoretisch...
du meinst sicher praktisch praktisch sitzt er nur rum, theoretisch muss er mitdenken


Alyssa
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Beitrag Do., 02.06.2016, 21:34

isabe hat geschrieben:Alyssa:
Die Arbeitszeit eines Therapeuten ist nicht gleichzusetzen mit der Zeit, in der er die Patienten behandelt. Es gibt also keine "reguläre Arbeitszeit" in diesem Beruf. Was soll das sein? Ein Therapeut, der sich nur x mal am Tag die Storys seiner Patienten anhört und sonst nichts für die Therapien tut, ist kein Therapeut, sondern ein Trottel
Reguläre Arbeitszeit bedeutet nicht, dass jemand immer und jeden Tag zu einer bestimmten Zeit seinem Job nach geht und pünktlich zur selben Uhrzeit Feierabend macht. Reguläre Arbeitszeit bedeutet die Zeit, die jemand aufwendet, um seiner Arbeit nachzugehen, ohne sich in Überstunden zu verlieren, oder ständig abends/am Wochenende und privat zu Hause nachzuarbeiten. So gesehen haben auch Therapeuten reguläre Arbeitszeiten. Der eine kann die anfallenden Arbeiten dann gut in dieser Zeit unterbringen, der andere weniger gut.
isabe hat geschrieben:Abschalten tut man NACH der Arbeit, und die dauert länger als die tatsächlichen Gespräche.
Nun ja, mein Therapeut hat schon mal mit mir das Zimmer verlassen, sich die Jacke angezogen, fröhlichen Smalltalk gemacht, mir die Hand zum Abschied gereicht, und war dann direkt im Feierabend-Modus. Ist wohl die Frage, wann "nach der Arbeit" anfängt

Mio:
Ausnahmen gibt es bekanntlicherweise immer und überall.

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Lockenkopf
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Beitrag Do., 02.06.2016, 21:38

Liebe Mio

das hat nichts mit Übertragungen zutun. Ich arbeite auch therapeutisch, 10 Std/tägl. habe max. 20 Pat. am Tag, bis zu 90 die Woche. Ich bin sehr emphatisch und immer aufmerksam, mein Gedächtnis muss genau so gut funktionieren wie das der Psychotherapeuten.
Um das Pensum durchzuhalten, muss man nach Feierabend abschalten können.
Besondere Pat. z.B. schwerst Kranke, schwierige Verläufe, Sterbende oder Pat. mit seltenen Krankheitsbildern hat man natürlich öfter länger im Kopf und refaktiert die Therapie und/oder schaut nach Feierabend noch was nach. Aber, auch das darf nicht zu oft vorkommen, den es geht zu lasten der eignen Psyche/Erholung/Beziehung usw.
Liebe Grüße
Lockenkopf


mio
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Beitrag Do., 02.06.2016, 21:46

zombie78 hat geschrieben:
mio hat geschrieben:...zumindest rein theoretisch...
du meinst sicher praktisch praktisch sitzt er nur rum, theoretisch muss er mitdenken
Vielleicht ... Ich denke mir halt nur, dass in dem Moment wo ein Patient da liegt und schweigt ja auch "Denkpause" ist. Wer nix sagt, dem muss man ja auch nicht zuhören... Ist aber vielleicht auch echt nur meins...


mio
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Beitrag Do., 02.06.2016, 21:51

Lockenkopf hat geschrieben:das hat nichts mit Übertragungen zutun.
Verstehst Du mich gerade falsch? Ich meinte das mit der Übertragung so, dass der Patient glaubt, dass nur ein "einzig für ihn da seiender" Therapeut hilfreich sein kann. Oder einer, der immer an einen denkt etc. Das halte ich persönlich für Käse.

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Lockenkopf
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Beitrag Do., 02.06.2016, 22:00

Das sehe ich auch so, liebe Mio.
Liebe Grüße
Lockenkopf


mio
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Beitrag Do., 02.06.2016, 22:30

zombie78 hat geschrieben:
mio hat geschrieben:...zumindest rein theoretisch...
du meinst sicher praktisch praktisch sitzt er nur rum, theoretisch muss er mitdenken
So. Hab jetzt noch mal nachgedacht und denke dass Du Dich täuschst.

Der muss nicht nachdenken, worüber auch? Darüber WARUM der Patient nix sagt? Das wäre sehr sehr müssig...und wohl auch nicht im Sinne des Erfinders. Zumindest solange nicht, wie da kein Feedback gewünscht wird. Was anderes ist es in "anders" strukturierten Therapien in denen es wichtig ist, dass was "mitgeteilt" wird um zu einem Ergebnis zu kommen. Wo also nicht einfach "gewartet" wird was kommt, sondern das "kommen" unterstützt wird im/über den Kontakt.

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ENA
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Beitrag Do., 02.06.2016, 22:38

Lockenkopf hat geschrieben: Ich arbeite auch therapeutisch, 10 Std/tägl. habe max. 20 Pat. am Tag, bis zu 90 die Woche.
Welche Therapieform machst Du denn? Ich frage mich das, weil Du ja sonst (bei 50 Minutensitzungen) niemals 20 Klienten in 10 Std. durchbekommen würdest. D.h. eine Sitzung dürfte nie länger als 30 Minuten sein, wobei selbst das schwierig sein würde, weil es dann ja gar keine Pausen und keine Zeit zur Dokumentation geben würde.

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Lockenkopf
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Beitrag Do., 02.06.2016, 22:53

Ich therapiere vorwiegend den Körper der Pat., die Physis. Es werden 15-17 min. Einzeltherapiezeit von den KK bezahlt. In der Praxis in der Ich arbeite findet ein 30 min. Rhythmus statt. Das heißt 19 Pat. in Einzeltherapie + Mittagspause = 10 Std. Arbeitszeit (inkl.Pause).

Und als Pause habe ich tatsächlich nur die Mittagspause. Die andere Zeit geht für Dokumentation, Terminvergabe drauf. Den Kalender mit festen Terminen fortführen, Berichte schreiben usw findet bei Ausfällen statt, oder ich muss eine weitere Überstunde schieben.
Zuletzt geändert von Lockenkopf am Do., 02.06.2016, 22:58, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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