Muss man seinen Eltern alles verzeihen? wo ist Schluss?

Alle Themen, die in keines der Partnerschafts-Foren passen, bei denen es aber in weitestem Sinne um Beziehungen, soziale Kontakte usw. geht, Adoption, Pflege usw.
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Bumpam
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Beitrag Sa., 28.02.2015, 10:09

ubeda hat geschrieben:
Meine Mutter jedoch weiß genau wer ich bin! Sie ist sehr einfühlsam (im Normalfall)
Und genau deshalb bin ich so ENTSETZT über ihr Verhalten!
Das schmerzt mich viel mehr als die fiese Art meines Vaters, auf den ich gut gerne verzichten kann.
Aber eine Mutter, die ihr Mitgefühl komplett "ABSCHALTET" wenns um die eigenen Kinder geht, nur weil sie abhängig ist von so einem Sch**kerl - das ist etwas FURCHTBARES.
Ja, das kann ich mir vorstellen, dass das grauenhaft sein muss - ich kenne zwar diese konkrete Enttäuschung nicht, aber es ist, nehm ich an, eh verwandt mit anderen Gefühlen von "Warum ist mein Bedürfnis nicht relevant? Warum ist was anderes/wer anderer wichtiger?"
Ich kenn auch das Gefühl nicht, also ÜBERHAUPT nicht liebenswert zu sein - und meine einzige ernst gemeinte Beziehung ist in einem Fiasko geendet, mit dem ich jetzt noch kämpfe
Seltsamerweise habe ich gar keine Gefühle zu den Dingen die meine Therapeutin am schlimmsten findet. Die sitzt dann da, starrt mich an, und sagt, Aber dieses Ausmass von Vernachlässigung ist ja vital bedrohlich - was löst diese Erinnerung bei Ihnen aus, und ich sitz dann da wie ein Schaf und denke nur "aber das war ja doch einfach so", und obwohl mein Verstand durchaus der Ansicht ist, dass es angebracht wäre entsetzt zu sein bringe ich das nicht fertig. Das fühlt sich sehr sehr merkwürdig an, und alles andere als gut.
Also, wahrscheinlich bin ich einfach zu feig, um das, was Du so schmerzhaft fühlen kannst, auch zuzulassen

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futurenow71
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Beitrag Sa., 28.02.2015, 11:21

Meine Mutter ist auch von meinem Vater total (finanziell) abhängig. Darauf hat er jahrelang ganz gezielt hingearbeitet, indem er alles Geld bei sich gesammelt hat und meine Mutter jetzt quasi nackt dasteht. Er nutzt das auch als Druckmittel.

Zum Thema Schuldgefühle: man kann sich wegen allem Möglichen schuldig fühlen. Die Schuldgefühle werden von den Eltern im Zuge der Manipulation des Kindes nicht nur ausgelöst, sondern fleißig gegossen und gepflegt, damit sie schön wachsen.
Hat man das Kind in der Schuldigen-Ecke ist es noch weiter manipulierbar und dressierbar. Bis es zur Marionette wird.

Ich z. B. musste mich immer schuldig fühlen, weil ich überhaupt existiere. Mein Vater verlangte von mir, dass ich mich dafür schämen muss.

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futurenow71
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Beitrag Sa., 28.02.2015, 11:24

Ich möchte an dieser Stelle auf eine Webseite hinweisen, die sehr gut ist (dort gibt es auch ein angegliedertes Forum für Betroffene).
Dabei geht es um Gewalt in der Familie, insbesondere um Frauen, die von Gewalt (auch narzisstischer Gewalt) betroffen sind.
http://www.re-empowerment.de/

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Montana
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Beitrag Sa., 28.02.2015, 18:55

Ich sollte mich auch dafür schämen, dass ich existiere. Mir wurde vorgerechnet, wie viel Geld ich doch koste und Wohnraum brauche. Ich wollte alles recht machen, aber dieses Problem war für mich unlösbar. Nachdem ich das bei meiner Mutter erlebt hatte, hat es sich mit meiner Stiefmutter wiederholt.

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futurenow71
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Beitrag So., 01.03.2015, 08:12

Genau das gleiche war bei mir.
Jeden Monat, am Monatsende, wurde Kassensturz der Haushaltskasse gemacht. Und dann kam das Thema wieder aufs Tapet: was ich koste, dass ich zuviel koste und dass ich keinerlei Rechte habe.
Auch für mich war das Problem unlösbar. Ich versuchte, mich so "unsichtbar" wie möglich zu machen, mich immer im Hintergrund zu halten. Ich hielt mich meistens in meinem Zimmer auf, ohne Lärm zu machen.
Eigentlich musste ich meine gesamte Jugend in diesem Zimmer verbringen. Es war für mich wie Isolations-Haft.

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blade
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Beitrag So., 01.03.2015, 10:37

Danke an alle, welche hier über ihre Erlebnisse und ihre Empfindungen schreiben.
Danke an alle welche, ohne es zu ahnen, über mich schreiben.
Zum Teil ist es gespenstisch für mich zu sehen, wie vielen Menschen es anscheinend ganz genau so geht/gegangen ist wie mir ("das kann doch gar nicht sein", wurde mir doch immer versichert, von außen und von innen, "es läge alles nur an mir und ich sei der Dümmste, Unfähigste und Schuldigste und der der sich zu schämen hätte und....").

Ob es gut ist zu erkennen, mit einer solchen Biographie und den damit verbundenen Problemen nicht alleine zu sein?
Einerseits schon.
Doch es steckt auch darin eine gewisse Bitterkeit.
Denn wenn es mich auch freut in Wirklichkeit nicht alleine zu sein, wenn es mich auch erleichtert von anderen in gewissen Überlegungen und Umgängen mit bestimmten Problemen bestätigt zu werden (Dinge die mir in dunkleren Stunden heftige Selbstzweifel bescheren).

Sowohl Freude als auch Erleichterung basieren in dem Fall darauf, daß auch andere erlitten haben was man selbst erlitten hat.


Auch wenn es etwas ist was ich nicht beweisen kann (weil es eine Erfahrung war, die wissenschaftlich nicht ins Weltbild passt), will ich versuchen meine Dankbarkeit auszudrücken:

Vor einiger Zeit habe ich mich an jemanden um Hilfe gewandt.
Ich erhielt Hilfe, völlig ohne geforderte Gegenleistung (die betreffende Person hat nicht mal von mir verlangt irgendwelche Bedingungen zu erfüllen, gar nichts, hat mir geholfen, vermutlich in höherem Maße als sonst jemand zuvor, einfach so).

Eines meiner wesentlichen Probleme aus dem Chaos aus quälenden widerstreitenden Gedanken, Wertungen und Emotionen, welches ich lange Zeit mein Leben nannte rauszukommen war die substantielle Orientierungslosigkeit.
(wie andere schon treffend schilderten: die Unterdrückung des Gefühls unter anderem des eigenen Wertes öffnete der Willkür in den übertriebenen Wertungen anderer Tür und Tor)

Die Hilfe bestand darin:

Es wurde mir der Zustand, wie man sich als Mensch fühlen sollte in Form eines Klartraums übermittelt.


Und ich kann Euch sagen: Das war echt groovy (viel besser als alles was ich kannte)

Es ist richtig sich gut zu fühlen.
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futurenow71
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Beitrag So., 01.03.2015, 13:24

Auch ich bin froh, dass es andere gibt, die ähnlich gelitten haben wie ich.
Allerdings ist das keine wirklich erfreuliche Freude, weil wir ja alle schrecklich gelitten haben.
Wir haben immer gedacht, wir seien Einzelfälle.

Manchmal frage ich mich, ob ich mich doch mehr hätte wehren sollen. Nicht immer nur stillhalten und alles runterschlucken. Aber ich befürchte, das hätte alles noch viel schlimmer gemacht. Insbesondere die Gewalt wäre eskaliert ...

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blade
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Beitrag So., 01.03.2015, 13:38

als Kind hatte ich einmal, nachdem ich runter gemacht worden war und dann alleine zu Hause gelassen worden war (vor Kindergartenalter) gemerkt, daß ich schweren Schaden nehme (damals hatte ich keine Begriffe dafür, aber ich merkte es, es war mir plötzlich Sonnen-klar).

Es war Herbst. Draußen war es kalt und es regnete.
Also zog ich meine Gummistiefel an um wegzugehen. Ich hatte keine Ahnung wohin ich gehen sollte, aber ich merkte nur ich müsste eigentlich von da wo ich war weg. Ich war voller Angst und zögerte.
Meine Mutter kam zurück und fand mich versteckt hinter der Tür meines Zimmers.
Sie versohlte mir den Hintern und schimpfte mich gleich noch mal aus ("undankbar", "mit Dir stimmt doch was nicht", "immer muss man sich wegen Dir Sorgen machen",....).

Damals hörte ich sie glaube ich zum ersten Mal, die anklagende Stimme in meinen Gedanken: "Feigling! Schwächling!"
raunte Sie mir ins Ohr meines verstörten Bewusstseins.

Ich glaube nicht, daß man sich als Kind erfolgreich wehren kann.
Völlig unmöglich.
Das Einzige was vielleicht möglich sein kann, ist die Erwachsenen durch Gegenwehr zu einer Art Umkehr zu bewegen.
Aber wenn das nicht erfolgt, was dann?
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futurenow71
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Beitrag So., 01.03.2015, 14:35

Kennt ihr den Film von Erika Fehse?
http://www.daserste.de/information/repo ... e-100.html

Darin kommt auch der Schriftsteller Tilman Röhrig vor. Er berichtet davon, wie er sich einmal gegen seinen Vater gewehrt hat und zurück geschlagen hat. Seither hat ihn sein Vater nie wieder angefasst ...

Als Kleinkind kann man sich nicht wehren. Später, wenn man größer ist, ist man auch immer noch abhängig von den Eltern. Oft ist es ja so, wenn man sich z. B. selbst ans Jugendamt wendet, dass einem nicht geglaubt wird.

Heute ist das vermutlich besser als früher aber trotzdem gibt es keine Sicherheit, dass man nicht wieder zurück muss. Solche Kinder werden dann oft grün und blau geprügelt. Ihnen wird vorgeworfen, sie würden "fantasieren" ...

Erst als Erwachsener hat man die Möglichkeit, sich zu wehren. Viele wählen dann den Kontaktabbruch. Körperliche Gewalt wäre ja auf der gleichen primitiven Ebene wie jene der Eltern ...

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blade
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Beitrag So., 01.03.2015, 18:44

Hab mir den Film angesehen.

Ob es besser gewesen wäre, wenn man sich mehr gewehrt hätte?
Wird man nicht mehr feststellen können. Vielleicht, eher aber nicht als Kind.

Gewalt gegen Gewalt?
Ja, wenn es sein muss.
Aus dem zeitlichen Zusammenhang gerissen aber nicht mehr.
Denn dann ensteht das Bedürfnis nach Vergeltung.
Auch das ist prinzipiell keineswegs verkehrt.
Nur, an wem soll man nach Jahren noch Vergeltung üben?
Man bräuchte ein Objekt, nachdem das eigentliche Ereignis schon lange vorbei ist.

Ich vermute, genau das ist dem Dachdecker in dem Film passiert.
Ich bin keineswegs für bedingungslose Vergebung, aber ich bin ganz klar gegen die Fortsetzung des Teufelskreis.

Sich schuldig fühlen, weil man sich nicht genug gewehrt hätte?
Nein. Ein klares Nein.
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Bumpam
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Beitrag So., 01.03.2015, 20:14

Ich glaube ehrlich nicht, dass es besser gewesen wäre durch das (erfolglose, das wäre es ja wohl gewesen) Wehren. Ich glaube nicht dass das hilft den Teufelskreis zu durchbrechen. Ob ich das BEDÜRFNIS nach Vergeltung "richtig" im Sinne von "zielführend" halte, kann ich nicht sagen, "angebracht" ist es wohl... aber ehrlich gesagt, glaube ich auch nicht, dass es besser werden würde (für mich zumindest) wenn ich TATSÄCHLICH in irgendeiner Form Vergeltung ausüben würde. Das sagt allerdings eine, die im Moment nicht das leiseste Bedürfnis verspürt. Aber trotzdem, es käme mir persönlich einfach wie eine Niederlage vor. Das ich, egal wem, was Schlechtes mit Absicht tun würde.

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futurenow71
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Beitrag So., 01.03.2015, 20:43

Ich möchte auch nicht Gleiches mit Gleichem vergelten.
Ich versuche es auf anderen Wegen.
Mir geht es nicht mehr um Vergeltung sondern mehr um das Verstehen, das Durchschauen der Mechanismen, und dass ich meinen inneren Frieden finde.


Feenya
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Beitrag Mo., 02.03.2015, 00:41

blade hat geschrieben:Hab mir den Film angesehen.

Ob es besser gewesen wäre, wenn man sich mehr gewehrt hätte?
Wird man nicht mehr feststellen können. Vielleicht, eher aber nicht als Kind.
Ich glaube als Kind schafft man das nicht. Sich wehren brächte noch mehr Ärger und Schläge.

Außerdem haben es viele Kinder als normal angesehen. Die Erwachsenen, die uns eigentlich vorleben sollten, was richtig ist, haben das doch ALLE gedeckt.
Ich erinnere mich da an die Sequenz, wo die Eltern die Entschuldigung in die Schule mitgeben, dass der Schüler nicht mehr sitzen kann. Der ganze Po ist aufgeplatzt. Und der Lehrer nimmt es so zur Kenntnis, wie ein "Mein Sohn hat heute Schnupfen", und sorgt nur dafür, dass der Schüler eben nicht sitzt, sondern die gesamte Stunde steht.

Im Film hat einer der Männer gesagt, dass er als Kind gedacht hat, dass das seine Richtigkeit hat. Dieses Denken hat sich sogar noch ins Erwachsenenalter hineingezogen.
Meine Schwester hat das ebenso von sich berichtet. Als Schülerin hat sie immer gedacht, dass alle Kinder verprügelt werden. In der Schule gab es ja auch Gewalt vom Lehrer. Und so sind wir in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass Gewalt eben zur Erziehung dazugehört.
"Ich mache das ja auch nicht gerne, aber ich muss es tun.", dieser Satz war im Film auch zu hören. - Eltern müssen das tun, das ist ihre Pflicht! Mit diesem "Wissen" sind wir aufgewachsen.
Und warum sollte man sich dann wehren, wenn es doch richtig ist?

Für mich war der Film teilweise bedrückend. Weil ich viele Sätze gehört habe, die bei uns genauso waren. (Es scheint so, als ob alle Eltern den selben Erziehungsratgeber gelesen haben. So wortgleich waren die Aussagen, die auch ich noch viel zu deutlich im inneren Ohr höre.) Oder, dass diese Männer die gleichen Gedankengänge haben, wie mein Bruder.
Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null - und das nennen sie ihren Standpunkt.

*Albert Einstein*

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futurenow71
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Beitrag Mo., 02.03.2015, 06:38

Kinder, die sich wehrten, gab es ja auch. Sie galten als "schwierig" und "schwererziehbar" und landeten oft in Heimen, wo es noch brutaler zu ging und man meinte, man müsse das "Böse" aus ihnen austreiben ...

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Montana
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Beitrag Mo., 02.03.2015, 09:59

futurenow71 hat geschrieben:Später, wenn man größer ist, ist man auch immer noch abhängig von den Eltern. Oft ist es ja so, wenn man sich z. B. selbst ans Jugendamt wendet, dass einem nicht geglaubt wird.
Da hatte ich Glück. Mir wurde beim Jugendamt und beim Gericht geglaubt und ich musste nie wieder zurück. Ich habe aber auch Rotz und Wasser geheult und beteuert, dass ich lieber ins Heim will als zurück zur Mutter. Meine Mutter hat sich durch zwei Instanzen geklagt um das Sorgerecht zurückzubekommen, aber zweimal verloren.

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