Halbtagspraxis auf Kosten psychisch Kranker?

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stern
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Beitrag Di., 29.07.2014, 13:53

"Wartezeit" finde ich immer einen sehr beschönigenden Begriff für das, was eigentlich dahinter zu stecken scheint: Ein Mangel in der (ambulanten) psychotherapeutischen Versorgung (bzw. meinetwegen auch: nicht in jedem Fall patienten- bzw. bedarfsgerechter Vorsorgung... starre Kontigente z.B). Bzw. Zuviele psychisch erkrankte Menschen.

Wenn man daran spart, weiß ich nicht ob man am richtigen Ende einspart.
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pandas
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Beitrag Di., 29.07.2014, 13:59

stern hat geschrieben:Also Mindestanzahl an verpflichtender SPRECHSTUNDEN/Woche scheinen 20h zu sein (also effektive Versorgung am Patienten), vgl. Link oben. Dass je nach Arzt/PT auch noch mehr oder weniger backoffice dazu kommt, ist klar. Nacharbeitung für PT ist aber über den Satz abgegolten... Berichte werden extra vergütet, soweit ich weiß.
Es kann ziemlich jeder Pups mit ein paar weiteren Euronen abgerechnet werden; ich habe eine rechnung zu sehen bekommen, indem eine KE-therapeutin, bei der ich ein Erstgespräch hatte, noch dies und jenes mit gelistet hat und so das Sümmchen schön in die Höhe bekommen hat.
Z.b. wird da Diagnostik, Email-Kontakt zur Terminabsprache alles nochmal extra berechnet.

Sooo, und wenn also die Therapeuten in ihrer Zeit auch backoffice machen, nun gut, richtig.
Aber da dürften sie mal ein bisschen nachdenken und dann würde ihnen auffallen, dass ihre Kollegen Ärzte, die ja gemeinerweise etwas mehr Honorar bekommen, eine Schar an Arzthelferinnen etc. beschäftigen und mit diesen ihr höheres Honorar teilen.
Ich habe aber so die Ahnung, dass die Therapeuten mit der gewünschten Honorarerhöhung nicht beabsichtigen, eine Arzthelferin einzustellen, damit sie telefonisch besser erreichbar sind etc.
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pandas
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Beitrag Di., 29.07.2014, 14:03

Feenya hat geschrieben: Wäre es vielleicht möglich, dass man den Begriff "Suizid" verwendet?
Ich teile Deine Gedanken zu der Begrifflichkeit, mit Mord ist das falsch bezeichnet.

Leider ist beim Begriff Suizid auch der Begriff Mord gemeint.

Homizid - Mord, Genozid - Völkermord, Suizid - Selbstmord.

So bleibt eher Freitod als Begrifflichkeit.
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pandas
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Beitrag Di., 29.07.2014, 14:12

Madja hat geschrieben: Man könnte Deiner Therapeutin auch vorwerfen, dass sie ein Zulassungsteil "bunkert". So wie du das aufgelistet hast, kommt sie max. nur auf 29 Stunden (Konstellation: Sessel-Couch, also die, die KK in der Abrechnung hat). Und wo sind die weitere 7 zugelassene Stunden? Böse, böse Therapeutin.
Es ist hier eindeutig ein Zusammenhang zu sehen, wenn man nicht kindlich-regressiv denkt.

Es geht darum, dass für
Madja hat geschrieben: Das ganze Zulassungsgedünst ist ein Unding. Das man das verkaufen, übertragen, teilen, mieten usw. kann, ist ein Beweis dafür, dass das schnellsten überarbeitet werden müsste.
die Therapeuten als Akteure Verantwortung mittragen.

Es zwingt sie ja keiner dazu, hohe Verkaufssummen zu nehmen etc.

Es scheint schon so, dass viele kassenzugelassene Therapeuten das Zulassungsbeschränkungssystem billigen.
Es gibt sogar einige Therapeuten, die dagegen monieren, dass es sich immer mehr durchsetzt, dass Patienten und nicht kassenzugelassene, aber approbierte und bestens ausgebildete Therapeuten auf das Kostenerstattungssystem ausweichen können. Wie z.B. in dem Artikel, wo behauptet wird, die Patienten sollten lieber mal kurz alle anderen Pflichten ausser Acht lassen und Vormittagstermine bei einem kassenzugelassenen Therapeuten nehmen.
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pandas
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Beitrag Di., 29.07.2014, 14:21

chaosfee hat geschrieben: Was für eine blödsinnige Überlegung, die vorhandene Arbeit einfach den Leuten zu übertragen, die eine gleich gute Ausbildung haben und es gerne machen würden. Nee, lieber denen, die keine Kapazitäten oder meinetwegen auch keine Lust haben, aufhalsen.
Es scheint hier wirklich die Annahme umzugehen, es gebe ein System, welches ohne Akteure anderen Gemeinheiten aufhalst.

Hier wird ausser Acht gelassen, dass es sich hier um eine Arbeit handelt, die nicht direkt vom Leistungsnehmer bezahlt wird, sondern aus dritter Stelle. Anderseits sollte die Arbeit am besten noch besser bezahlt werden.
Aber wie und von wem?
Dass muss schon alles durchdacht werden, sonst funktioniert es nimmermehr und es gibt gar nichts mehr.

Wenn wirklich einfach jedem jede Therapie bezahlt werden würde, wären die Krankenkassenbeiträge bald über 50 % des Arbeitnehmerbruttos und die Freiberuflerversicherungen sind schon gar nicht mehr bezahlbar, für den Freiberufler mir Durchschnittseinnahmen.
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chaosfee
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Beitrag Di., 29.07.2014, 15:50

pandas, du scheinst ein Faible dafür zu haben, mich falsch zu verstehen.Wo schreibe ich, dass jedem eine Therapie bezahlt werden soll (abgesehen davon bin ich tatsächlich der Meinung, das jedem, der es nötig hat, eine Therapie bezahlt werden sollte), dass irgendjemand mehr Geld bekommen soll? Es ging darum, dass die Krankenkassen ihr Kontingent mit Zahlen begründen, die nicht der Realität entsprechen. Nicht mehr und nicht weniger.

Freiberufler sind meist privat versichert. Das ist eine ganz andere Baustelle. Aber wenn wir schon dabei sind: Wenn jeder in die Gesetzliche einzahlen würde, dann wären die Kassen auch voller. Oder auch: Wenn die Kosten explodieren, kann man auch überlegen, wie man gegenfinanziert.

Im Übrigen glaube ich nicht, dass Psychotherapien einen derart großen Anteil am Gesamtausgabevolumen der Krankenkassen haben, dass eine Erhöhung der PT-Sitze den Kassenbeitrag "bald auf über 50%" ansteigen lassen würde, da gibt es weitaus teurere medizinische Behandlungen. Und an dieser Stelle könnte man wieder den volkswirtschaftlichen Schaden durch psychiatrisch bedingte Ausfalltage von Arbeitnehmern gegenrechnen, die seit Jahren steigen, die höheren Kosten durch mehr Behandlungen in Kliniken usw. usw. usf., was hier aber meilenweit ins OT führen würde.
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stern
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Beitrag Di., 29.07.2014, 16:50

pandas hat geschrieben:Wenn wirklich einfach jedem jede Therapie bezahlt werden würde, wären die Krankenkassenbeiträge bald über 50 % des Arbeitnehmerbruttos und die Freiberuflerversicherungen sind schon gar nicht mehr bezahlbar, für den Freiberufler mir Durchschnittseinnahmen.
Ich glaube der Anteil ambulanter PT an den Gesamtausgaben für Gesundheitkosten ist in der Tat nicht sooo hoch, wie Chaos sagt... aber natürlich kenne ich keine Statistiken auswendig . Meine aber mal eine gesichtet zu haben.

Schon seit Jahren ist es ja so, dass die Kosten für Kostenerstattung sehr stark ansteigen (angeblich sind sie von 2003 bis 2013 um das Achtfache gestiegen). Das belegt (für mich) wie die Wartezeiten, dass es zu wenige amb. Plätze gibt (und/oder auch manche Ineffizienz vorhanden ist, die aber vermutlich nicht den Hauptteil ausmacht).

Das Gesundheitsministerium fährt eine Strategie der Intransparenz - nach dem Motto: Was nicht in einer Statistik geführt wird, gibt es nicht bzw. fällt manchen dann vielleicht nicht auf:
Seit dem 1. Januar 2014 wird in den sogenannten KV 45-Zahlen des Bundesministeriums für Gesundheit nicht mehr aufgeführt, wie hoch die Kosten für Psychotherapie außerhalb des Budgets sind. Die Zahlen zur Kostenerstattung in der Psychotherapie wurden per Erlass ersatzlos aus der aktuell veröffentlichten Statistik zur Finanzgrundlage der gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen. Grund dafür sei nach Angaben des Bundesgesundheitsministerium die fehlende Nachfrage seitens der Krankenkassen.

(...) Die Versorgung im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens bildet so ein Art „Überlaufventil“ angesichts einer realen Unterversorgung. Entsprechend sind die Ausgaben in der Kostenerstattung zwischen den Jahren 2003 und 2013 nach Angaben der BPtK um das Achtfache gestiegen. Allein vom ersten Halbjahr 2012 auf das erste Halbjahr 2013 stiegen sie um fast 50 Prozent.
Derartige Entwicklungen – und damit die akute und zunehmende Unterversorgung – lassen sich allerdings nur mit Hilfe entsprechender veröffentlichter Zahlen belegen. Fehlen diese in der neuen Darstellung der KV 45-Statistik, fehlt der Darstellung gleichzeitig die nötige Transparenz.
http://www.vpp.org/meldungen/14/140315_transparent.html
alternativ: http://www.aerztezeitung.de/politik_ges ... arenz.html
Zuletzt geändert von stern am Di., 29.07.2014, 17:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Wandelröschen
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Beitrag Di., 29.07.2014, 16:57

hab jetzt die letzten drei Seiten noch nicht gelesen, werde ich baldmöglich machen, bin gerade mal wieder im Urlaub und hab nicht immer I-Net-Zugang.

Möchte aber trotzdem meinen Senf zu diesem Thema abgeben und hoffe, auch wenn er sehr lang ist, ihr lest ihn trotzdem. Hab ihn schon mal gestern geschrieben, in der Hoffnung, einen Hotspot zum Abschicken zu finden.

Das, was die KK bzw. diese Meldung betreibt, ist nichts anderes, als die Schuld für die Unterversorgung den Therapeuten anzulasten, zur eigenen Kostenreduzierung und Gewinnmaximierung. Nix anderes ist es.

Alles, was eine KK nicht zahlen muss, spart Kosten, ist ja im medizinischen Bereich genauso. Alles Mögliche, was nur auf Antrag bezahlt wird, wird meistens erst einmal abgelehnt (Kuren, medizinische Hilfsmittel, …), in der Hoffnung, dass der Patient Mürbe wird, nicht Widerspruch einlegt, … Hauptsache, die KK muss nicht zahlen.

Fein da steht die KK, wenn Sachen über einen Gutachter laufen. Dann kann sie immer schön sagen, wir würden ja zahlen, wenn der Gutachter es für notwendig erachtet. Somit ist dann der Gutachter der Buhmann. Der Gutachter ist zwar nicht von der KK angestellt, also eigentlich unabhängig und selbstständig. Aber: Wenn er zu oft zum „finanziellen Nachteil“ der KK entscheidet, wird er keine Aufträge von der KK mehr bekommen, also es wird ihm selber zum Nachteil gereichen.
(genau das habe ich auch bei der Beantragung der Verlängerung über die 80 Std VT erfahren und wortwörtlich von dem Gutachter am Telefon gehört, als mein Thera ihn in meiner Anwesenheit (Lautsprecher) anrief, weil er noch Fragen zu dem Ablehnungsbescheid hatte. Die KK hatte vorher noch laut getönt, dass sie selbstverständlich auch über die 80 Std bezahlt, wenn der Gutachter es für notwendig erachtet! Also Augenwischerei. Und die KKn geben die Info, welcher Gutachter oft zu Ungunsten der KK entscheidet auch untereinander weiter, so dass es für selbstständige Gutachter schwer wird, überhaupt Aufträge von den KKs zu bekommen)

Also bei allem (medizinisch oder psychotherapeutisch, egal), was über einen Gutachter läuft, besteht die Gefahr der Ablehnung, d.h. Kostenersparnis der KK.

Hat ein Therapeut eine Kassenzulassung, ist er nach zwei Jahren von der Gutachterpflicht für Kurzzeittherapie befreit (vorher, also wenn die KK-Zulassung neu ist, muss er für jede Therapie ins Gutachterverfahren!). Erst dann wird es für ihn angenehm, da er dann wirklich ohne großen Zeit- und Arbeitsaufwand einfach mit Formblatt eine Therapie beantragen kann.
Daher ist es, wie in einem früheren Posting hier im Thread mit dem Kostenerstattungsverfahren nur Augenwischerei, dass das als Alternative genauso gut geht und sich da in einigen Städten die Theras gut mit arangiert hätten. Kostenerstattungsverfahren heißt nämlich grundsätzlich Gutachterverfahren, auch für den Erstantrag, ist also immer mit einem erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden und wird oft im ersten Durchgang von der KK abgelehnt!! Also Widerspruch einlegen etc pp.
Dadurch, dass lange Wartezeiten für Therapiewillige vorhanden sind, z.B. durch zu wenige Kassenzulassungen und das Gutachtergedöns, werden durchaus auch Patenten abgehalten, eine notwendige Therapie zu machen (hat ja eh keinen Sinn, bekomme ja eh keinen Platz), sie bezahlen selbst oder sie lösen das Problem, indem sie sich einen Strick kaufen, um sich damit hinter den nächstbesten Zug zu werfen. Spart alles der KK Kosten, macht sich aber nicht gut in der Öffentlichkeit, mindert das Ansehen der KK. Also muss ein anderer Buhmann her und das ist der Therapeut selbst, der mit diesem Instrument der KK-Zulassung nicht richtig (aus Sicht der KK) umgeht.

Zur Kassenzulassung.
Wo ich mir jetzt nicht sicher bin (und auch jetzt keinen Nerv habe, das zu recherchieren) ist, ob es offiziell überhaupt „halbe Kassenzulassungen“ gibt oder diese nur durch Teilung unter zwei Therapeuten entstehen. Aber das tut bei meiner Argumentation auch nichts zur sache.
Die KKs sagen, eine volle Kassenzulassung beinhalte 36 Std. Wenn die Theras die auch ausschöpfen würden, gäbe es keine Unterversorgung! -> der Thera ist also der Buhmann.

Bloß wie realistisch ist das denn?
Jeder Thera hat irgendwann mehr oder weniger viele Privatpatienten. Und damit meine ich nicht die Gutbetuchten, von denen hier schon die Rede war, die dem Thera deutlich mehr zahlen als den KK-Satz, oder die (auch von denen war schon die Rede) die bei einer PKV versichert sind und nicht bei der GKV, denn auch denen bei der PKV versicherten wird ja nur ein bestimmtes Quantum an Stunden bezahlt. Nein, ich meine das Heer der Selbstzahler, die bislang noch nicht erwähnt wurden: zum einen die, für die die KK nicht mehr bezahlt, z.B. in dieser Zweijahresfrist, sie aber die Therapie fortsetzen. Da verlangt der Thera nicht schlagartig eine horrende Summe mehr, weil privat, sondern bleibt bei dem KK-Satz, oder geht manchmal sogar darunter, wenn er die finanzielle Lage kennt. Und dann gibt es noch die Selbstzahler, die es sich nicht leisten können, das irgendwo vermerkt ist, dass sie eine Psychotherapie gemacht haben, weil es ihnen beruflich oder Versicherungstechnisch zum Nachteil gereicht (oder mindestens kann, den Weg erschwert), z.B. Beamtenanwärter.
Und dann gibt es noch die Patienten, für dessen Leiden die KK grundsätzlich die Kosten nicht übernimmt (ich denke da z.B. an Sexualtherapie, Krang kann ein Lied davon singen), auch die brauchen eine Platz.
Allein für diese (hausgemachten, aber ignorierten) Patienten muss die KK schon mal einige der 36 Std canceln, tut sie aber in ihrer Berechnungsgrundlage nicht.
Dann ist es weiterhin unrealistisch, dass ein Thera, wenn er die KK-Zulassung hat, von dem Zeitpunkt bis zur Rente diese immer und jeder Zeit voll ausschöpft, auch wenn er so idealistisch ist und es wollte. Denn Thera ist kein Job wie der eines Kochs, eines Schreiners, eines Ingenieurs, einer Sekretärin, …, die nach Feierabend alles stehen und liegen lassen können. Sich mit dem menschlichen Leid zu beschäftigen geht gehörig selbst an die eigene Substanz, und wenn das jahrelang Vollzeit gemacht wird, ohne entsprechende Pausen zur Regeneration, droht der eigen Burn-Out, das heißt dann auch erstmal Ausfall des Theras (mit Kassenzulassung).

Der Thera ist selbstständig, dürfen wir bei der ganzen Betrachtung auch nicht vergessen. Viele haben keine Sekretärinnen, vor allen von den alleine (also nicht in Gemeinschaftspraxen) arbeitenden Psychologischen Psychotherapeuten, müssen also alles Organisatorische selber machen. Und das Schreiben von Berichten ist auch nicht innerhalb von 0,5 Stunden gemacht. Weiterbildung kostet Zeit (und Geld). Also ist es eigentlich ganz normal, dass viel Theras sich einen Büro-Tag freihalten, also ohne Patienten.

Eine KK-Zulassung erhält man nicht von jetzt auf gleich. Dauert oft Jahre, meiner hatte knapp drei Jahre drauf gewartet. Als Selbstständiger muss man in der Lage sein, recht schnell und flexibel auf neue Umstände reagieren zu können. Allein deswegen wäre es schon unvernünftig, nur eine Halbzeit-KK-Zulassung (falls es die denn gibt) zu beantragen, wenn man weiß, dass man dann, wenn man seine Arbeitszeit ausdehnen kann (z.B. nach einer Kinderpause, wo man nur ein paar Stunden arbeiten möchte/kann), wieder 2-3 Jahre auf eine ganze KK-Zulassung warten muss. So kann man als Selbstständiger nicht flexibel reagieren, sich dem Arbeitsmarkt anpassen.

Also, dienlich wäre es für den Patient, wenn die KK die Zulassungen an der Realität bemisst. Die Zahlen hat sie ja (also die von den Theras abgerechnete Stunden). Sie sollte also nicht eine Zahl von (unrealistischen) 36 Stunden pro Kassenzulassung ansetzen, sondern vielleicht nur 22-25 Std, also entsprechend die Zulassungen erhöhen. Dann wird ein Schuh draus.
Aber dann müsste ja die KK mehr bezahlen, höhere Ausgaben, hatten wir doch zum Anfang, …
Gruß
Wandelröschen

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Widow
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Beitrag Di., 29.07.2014, 21:20

Noch ein bisschen Zahlenfutter (merke: Nur auf der Basis soliden Wissens oder fundierter Kenntnisse lässt sich "diskutieren", alles andere ist Geplauder - und nichts gegen Geplauder!):
http://www.dptv-rlp.de/Download_Dokumen ... on_PT_.pdf

Beste Grüße
w

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Peonia
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Beitrag Mi., 30.07.2014, 09:11

Widow hat geschrieben: http://www.dptv-rlp.de/Download_Dokumen ... on_PT_.pdf
Danke für den Artikel.
Auch wenn er von einem Therapeuten geschrieben ist, halte ich die Einschätzung für glaubwürdig, dass 36 Therapiestunden pro Woche eine Grenze darstellen, die der überwiegende Teil der Psychotherapeuten langfristig und dauerhaft nicht leisten kann. Ist eben doch eine andere Arbeit als Zahnfüllungen zu machen oder Rückenbeschwerden zu behandeln (damit will ich nicht in Abrede stellen, dass auch ein Haus- oder Facharzt psychisch gefordert ist und ein hohes Arbeitspensum hat).

Somit sind wir wieder beim Budget. Mehr Zulassungen bedingen mehr Therapiestunden und die verursachen dann mehr Kosten, die momentan nicht gewollt sind. Also wird es kaum mehr Zulasssungen geben.

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stern
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Beitrag Mi., 30.07.2014, 11:55

Vielleicht hat der Journalist ja wirklich schlichtweg nicht gut recherchiert... bzw. wie Spahn folgende Aussage meinte, müsste evtl. näher erläutert sein:
Doch auch das alleine reiche nicht. Spahn will verhindern, dass Praxen zwar für 100 Prozent Behandlungszeit für Kassenpatienten zugelassen werden, dann aber nur einen Bruchteil davon zur Verfügung stehen. „Bei den Hobbypraxen, die ihrem Versorgungsauftrag von 36 Stunden die Woche für Kassenpatienten nicht nachkommen, muss es möglich sein, konsequent die Zulassung entsprechend zu kürzen. Dann werden mehr Sitze frei für Psychotherapeuten, die wirklich wollen.“
Denn der Versorgungsauftrag sind MIND. 20h/Woche (Vollzulassung). SO stimmt die Aussage also in der Tat nicht.

Theeeeeeoooorethisch denkbar wääääre jedoch durchaus, die Belastungsgrenze (die man ja auch unter 36h ansetzen kann) als 100%-Marke zu definieren, womit sich als Präsenzpflicht eine Spannbreite von 20h/Woche (Minimum) und 36h/Woche (Obergrenze=Belastungsgrenze) ergibt. Und 38h/Woche wäre sozusagen Übererfüllung der Versorgungsauftrages (über 100% hinaus also). Und daran passt man dann die Zulassungsgröße an (man könnte ja weiter abstufen... dann gibt es neben vollen und halben noch ein paar weitere).

Allerdings muss man mMn auch genauer hinschauen, mit welchen kalkulatorischen Größen hantiert wird... also dass wirklich eine solide und nachvollziehbare Basis zugrunde gelegt, z.B. was für eine Sitzung von 50 Min. durchschnittlich noch an "backoffice-Tätigkeiten" effektiv anfällt... also welche kalkulatorischen Größen (!) zur Anwendungen kommen, um manche Zeitvolumina zu veranschlagen (und wie diese ermittelt sind). So ist zwar zum Bleistift die Rede von einem Produktivitätsfaktor (Link) widow, der dann halt zugrunde gelegt wird: Aber wie berechnet der sich genau, usw. Rechnerische Größen können (je nach dem wie man sie bemißt) nämlich auch in die eine oder andere Richtung beeinflussen. Sog. Kalkulation eben, auf die sich dann manches stützt. .

Oder was ist die durchschnittliche Belastungsgrenze von Psychotherapeuten... ist jedenfalls ebenfalls nichts, was man nicht hinterfragen könnte, wie man Werte ansetzt, die man für eine ach so tolle Statistik/Reform als gegeben voraussetzt.

Und dass man in Statistiken auch manche Daten einfach wegfallen lassen kann, macht das Gesundheitsministerium ja mit Bravour vor
Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, nennt es "völlig unverständlich", dass auf die Erfassung der Daten verzichtet wird. "Offensichtlich ist auch die neue Bundesregierung nicht an der Erfassung der tatsächlichen Lage bei der psychotherapeutischen Versorgung nicht interessiert", sagt sie.

Tatsächlich ist die Datenlage eher dürftig: Dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung lägen "einzelne Beschwerden" von Patienten vor, die mit ihrer Kasse über die Kostenübernahme für die Psychotherapie streiten. Und auch der GKV-Spitzenverband hat keine "belastbaren Erkenntnisse", wie häufig eine Kostenübernahme abgelehnt wird.

Klein-Schmeink verweist darauf, für psychisch erkrankte Menschen stellten die Suche nach einem Therapeutenplatz und die Kostenerstattung hohe Hürden dar. "Das Systemversagen trifft gerade die schwer kranken Menschen, die eine Psychotherapie am dringendsten brauchen".
http://www.aerztezeitung.de/politik_ges ... ttung.html
Siehe auch oben die Links zur KV-45 Statistik bzw.:
Warum und in welchem Umfang gesetzlich Versicherte auf die Kostenerstattung ausweichen, vermag die Bundesregierung nicht zu sagen. Denn im August 2013 hat das Bundesgesundheitsministerium per Erlass die statistischen Vorgaben geändert.
Quelle: siehe Link
:

Wie heißt es sinngem.: Man traue als nur den Statistiken, die man selbst gefälscht hat.
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Beitrag Mi., 30.07.2014, 12:29

Peonia hat geschrieben:Auch wenn er von einem Therapeuten geschrieben ist, halte ich die Einschätzung für glaubwürdig, dass 36 Therapiestunden pro Woche eine Grenze darstellen, die der überwiegende Teil der Psychotherapeuten langfristig und dauerhaft nicht leisten kann. Ist eben doch eine andere Arbeit als Zahnfüllungen zu machen oder Rückenbeschwerden zu behandeln (damit will ich nicht in Abrede stellen, dass auch ein Haus- oder Facharzt psychisch gefordert ist und ein hohes Arbeitspensum hat).
Kann man ja so sehen, wenn man will ... die offizielle Begründung des BSG auf das Bezug genommen wurde, ist das jedoch nicht, sondern:
In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob diese Belastungsgrenze eher mit 35 Stunden, wie der Senat in seinem Urteil vom 20. Januar 1999 unterstellt hat (BSGE 83, 205, 213 = SozR 3-2500 § 85 Nr 29 S 220), oder etwas höher zu veranschlagen ist, wie das vom Kläger und von Seiten einzelner KÄVen mit Hinweis auf die zeitliche Belastung anderer Vertragsärzte für möglich gehalten wird. In jedem Fall muß berücksichtigt werden, daß mit 35, 36 bzw 38 Stunden reiner Behandlungszeit pro Woche nicht die Arbeitszeit des einzelnen Psychotherapeuten im Rahmen seiner vertragsärztlichen Praxis beschrieben wird, sondern daß diese im Hinblick auf die notwendigen begleitenden Tätigkeiten wie das Abfassen von Berichten, das Erstellen von Anträgen und die Durchführung probatorischer Sitzungen erheblich darüber liegt, wie das im übrigen bei anderen Arztgruppen auch der Fall sein dürfte.
Az: B 6 KA 46/98 R
http://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/t ... &xid=79986
Es geht also nicht darum festzustellen, das PT (psychisch oder aufgrund ihrer abweichenden Tätigkeit) belasteter sind als (andere) Ärzte... sondern dass wegen bürokratischer Arbeiten (wie bei anderen Arztgruppen => entspricht eher Gleichseitung) bzgl. der Auslastung zu beachten ist, dass die Arbeitszeit regelmäßig höher ist als die reine Behandlungszeit. Also es geht eher um zeitliche Belastungen.
Zuletzt geändert von stern am Mi., 30.07.2014, 12:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag Mi., 30.07.2014, 12:34

meine therapeutin macht deutlich weniger stunden als hier und auch da zum standard erhoben wird. ich profitiere davon ungemein. 36 stunden analyse die woche - da will ich nicht patientin sein.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Beitrag Mi., 30.07.2014, 13:19

Solche Fragen rund umd die Belastungsgrenze/Auslastung dienen leider nicht nur (primär) der Frage, wie man Patienten besser versorgen könnte... sondern bei Diskussionen um die Belastungsgrenze/Auslastung geht es oft ja auch um dem EBM (=> Honorierung... auch im Vergleich zu Ärzten mit Begründung auf andere Strukturen), vgl. z.B. auch Link von widow (inkl. Überschrift: Warum die Psychotherapeuten eine bessere Honorierung fordern
und sie verdienen!)
Selbst bei maximalem persönlichen
Einsatz von 36 Sitzungen pro Woche und optimaler Praxisauslastung
– was aus weiter unten stehenden Gründen nur eine kleine Anzahl von
psychotherapeutischen Praxen erreichen kann – könnte ein „fiktiver“
Psychotherapeut mit dem jetzt festgelegten Punktwert nur einen Jahres-
überschuss (Umsatz minus Kosten)
von 80.000 bis 85.000 €
erzielen.
Dies ist erheblich weniger als der
sogenannte kalkulatorische Arztlohn,
den der Bewertungsausschuss mit
105.571,43 €
festgelegt hat.
Man beachte den "kalkulatorische Arztlohn" und den "fiktiven Psychotherapeuten"... gerade auch was den EBM angeht, wird viel mit betriebswirtschaftlichen Kalkulationen/Größen hantiert, die auch einfließen. Modellberechnungen sind also mit (individuellen) realen Gegegebenheit nicht unbedingt identisch und können hinterfragt werden.

Und im Zuge solcher Diskussionen führt man dann Argumente an wie: Aber ein PT kann sich kurzfristig nicht vertreten lassen, sondern muss dann schließen, so dass Umsätze schlechter stabilisiert werden können als evtl. bei einem Arzt, der eine Vertretung einstellen kann. Usw.

Mag alles nachvollziehbar sein (oder auch nicht)... als Patient ist für mich jedoch die Versorgung beachtlicher (und eher noch, wie es meiner PT ergeht) als irgendwelche Honorarfragen. Für Honorarinteressen und wer wie benachteiligt ist haben sowohl Ärzte als auch PT ihre Lobbys.

Der Patient, der wegen schlechter Versorgungslage schwer einen Therapieplatz findet und sich einen Thera/Arzt wünscht, der patientenorientiert arbeiten kann, jedoch nicht in gleichem Maße.
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Beitrag Mi., 30.07.2014, 14:37

Solange ein Arzt/PT Spielraum hat, wieviel er arbeitet, kann und muss er mMn schlichtweg individuell einschätzen, was seine Belastungsgrenze ist.. wer sonst sollte das festlegen. Gibt auch Job-Sharing-Modelle, halbe Zulassungen, Festanstellungen (falls man keine eigene Praxis will), evtl. Delegationsmöglichkeiten, usw.

Dass PT verdonnert werden sollen, mehr zu arbeiten sehe ich nicht unmittelbar (sondern im Gespräch ist, sofern nicht schlecht recherchiert, eeeeeeventuell von Zulassungabstockung, wenn jemand seinen Versorgungsauftrag nicht gut erfüllt).

Das tendiert eher in Richtung weiterer KÜRZUNG, soweit keine Kompensation erfolgen würde. Wer keine Vollzulassung mehr hat, kann dann evtl. auch nicht mehr "voll" arbeiten (über die Kassenfinanzierung zumindest).

Ich lese auch wirklich nicht direkt heraus, dass es bereits konkrete Vorschläge gibt, wonach das, was als angemessene Versorgungsleistung anzusehen, hochgeschraubt werden sollte, so dass Behandler länger arbeiten müssen.

Der FAZ-Artikel ist halt insgesamt etwas unklar, da 36h Behandlungszeit, die der Belastungsgrenze entspricht als Normalerfüllung des Versorgungsauftrages angenommen werden. Und somit entsteht der Eindruck, dass PT ihren Versorgungsauftrag nicht erfüllen (das würden jedoch nur diejenigen tun, die weniger als 20h/10h behandeln). Schlecht recherchiert? Will man suggerieren, dass PT bestimmte Kalküle verfolgen?

Ginge Verpflichtung zur Mehrarbeit überhaupt? Hm, eher nicht, würde ich sagen.

Sinniger wäre meiner Ansicht nach, mehr PT zu Kassenfinanzierung zuzulassen.

In jedem Fall kann man den Artikel so verstehen, dass Systemmängel auf die PT abgewälzt werden. Alter Hut.
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