Psychotherapeutische Versorgung in der BRD

Gibt es demnächst themenbezogene TV- oder Radio-Sendungen? Kinofilme? Fanden Sie interessante Artikel oder Pressemeldungen in Zeitschriften oder im Internet, Bücher oder DVD's? Hier können Sie die anderen davon informieren...

pandas
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Beitrag Mi., 09.04.2014, 11:50

leberblümchen hat geschrieben:
...wobei einige schrieben, dass die Diagnosen offensichtlich eher aufgrund der Wahrscheinlichkeit für den Therapeuten getroffen wurden, seine Empfehlung beim Gutachter durchzubekommen als an der tatsächlichen Symptomatik und am Leiden des Patienten. DAS ist offensichtlich ein Mangel am System.
Worin genau liegt da der Mangel?
Dass das System in sich auf einer Unwahrheit aufgebaut ist? Dass somit nicht gesagt wird, JEDER hat ein Anrecht auf eine ihn angemessene Therapie und dann kann auch die Diagnose anhand der tatsächlichen Symptomatik und am Leiden des Patienten beschrieben werden und der Patient würde seine Therapie vom Gutachter bewilligt bekommen.
Hier zeigt sich doch aber in der Realität, dass ein Mangel besteht, der darin liegt, dass bestimmte Diagnosen offiziell als nicht wirtschaftlich erachtet werden und somit Therapeuten, die mit diesen Menschen arbeiten möchten, auf andere Diagnosen umschreiben müssen. Das ist Betrug und ein Rechts-Mangel und wenn man daran nicht eine dringende Reformbedürftigkeit erkennen daran, sehe ich auch in diesem Nicht-Erkennen ein Mangel.
leberblümchen hat geschrieben:Der Therapeut kann sagen: "Der Patient hat folgende Ressourcen..." oder er kann sagen: "Der Patient hat folgende gravierende Mängel..." - idealerweise, und das wird in guten Anträgen auch so sein, findet sich beides. Nur weil die Diagnose lauten könnte: "Borderline" versus "Angststörung", heißt das ja nicht, dass nicht auch der 'offizielle' Borderliner kooperativ ist, während der Ängstliche überhaupt keine Beziehung zum Therapeuten aufbauen kann.
Was hat denn das jetzt mit den Themen DIESES Threads zu tuen, abgesehen davon, dass das blosse Annahmen von Dir sind oder wo hast Du das erlebt? Und warum sollten Ängstliche keine Beziehung zum Therapeuten aufbauen können? Bei Phobien geht es doch nicht um Therapeuten-Phobie.
Das Leiden des Patienten hat doch erstmal nichts, aber auch gar nichts mit der Beziehung zum Therapeuten zu tuen.
In Bezug auf das Threadthema könnte man hieraus vielleicht lediglich ableiten, dass allgemein Therapieformen erweitert werden sollten, in denen es nicht nur um die Beziehung zum Therapeuten geht und diese ein höheres Kontigent zugesprochen werden könnten.
Wobei eine gute Beziehung zum Therapeuten sicher für alle Therapieformen wichtig ist, nur ist es in der Tat die Frage, ob es sinnreich ist, etliche Stunden KK zu finanzieren, wo DIREKT über die Beziehung zum Therapeuten gesprochen wird.
Ich habe gerade auch durch das Forum nicht den Eindruck, dass das so sinnreich ist. Meist sind das doch die Therapien, die dann selbst in einer neuen Therapie aufgearbeitet werden müssen.
leberblümchen hat geschrieben:Also, wo genau liegt das Problem? Es ist doch bekannt, dass Therapeuten sinnvollerweise eine gemischte Klientel haben, um sich nicht zu über- (oder unter-...) fordern.
Das Problem liegt darin, dass Du Allgemeinplätze als allgemein bekannt postulierst, die eben nicht erwiesen sind und der Realität entsprechen und vollkommen ignorierst, dass es eben auch anders sein kann und hier nunmehr dafür viele Beispiele angeführt worden sind. Du benennst wie es idealerweise für Dich ist und behauptest dann auch im gleichen Zug, dass es so ist.
Ich habe aber angeführt, dass es in der Realität keinesfalls so ist und es z.b. auch gerade von der PA nicht so empfohlen wird, sondern einige psychische Konstellationen und Problematiken auch offiziell ausgeschlossen werden. Dazu kommt, dass offensichtlich viele Therapeuten bestimmte Diagnosen präferieren.
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leberblümchen
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Beitrag Mi., 09.04.2014, 12:03

Pandas, ich stehe hier nicht mehr für dich zur Verfügung als Abladeplatz. Vielleicht findest du noch jemand anders.

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stern
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Beitrag Mi., 09.04.2014, 13:05

sandrin hat geschrieben:Ja, eben. Laut Diagnosekatalog ist eine Dysthimie noch nicht einmal eine "volle" Depression. Das ist doch alles ein Hohn.
Wieso soll das ein Hohn sein. Es SOLL sie doch auch NICHT sein... denn wäre es eine "Volldepression", hätte man eine Depression und keine Dysthymie. Sie zeichnet sich definitiongemäß geringer ausgeprägte Symptomatik aus, dafür von umso längerer Dauer aus (bis dahin, dass die Schwermütigkeit von Patienten bereits als Teil der Persönlichkeit angesehen wird, weil man es nicht/kaum anders kennt).

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Ein rein "neurotische" Depression kann innerhalb von Monaten wieder abgeklungen sein... und dann ist man (von der Symptomatik her) sozusagen wieder so gesund wie man es vorher war. Also in dem Fall würde ich (sofern einmalig und nicht rezidivierend und nicht chronifiziert) Symptomreduktion anstreben (und nicht eine großartige Umstrukturierung meiner selbst), weil es das ist, worunter (vorübergehend) leide. Persönliche Sicht.

Bei einer schweren Depression ist die Ansprechbarkeit für ambulante Psychotherapie eh fraglich... Arbeitsfähigkeit und Lebensbewältigung (wie Haushalt, Körperpflege, etc.) sind in der Regel nicht mehr möglich... und damit wäre die Aufnahme für eine stationäre Therapie schon hochgradig fraglich, wenn manches nicht mehr gewährleistet ist. Und insofern:
Im Übrigen: Auch Aufenthalte in der Psychiatrie sind eine Unverschämtheit. Da passiert nämlich so gut wie nix in Sachen Therapie.
Ich will nicht sagen, dass in der Psychiatrie alles bestens läuft, wahrlich nicht... aber je nach Störungsbild ist bei einer stärker ausgeprägten Symptomatik PT ja auch nicht unbedingt möglich... sondern dann geht es erstmal darum, wieder aufgepäppelt zu werden. Und wenn das wieder gewährleistet ist, schaut man nach einer ambulanten Betreuung. Psychiatrie und stationäre Psychotherapie sind jedenfalls nicht unbedingt deckungsgleich (und SOLLEN es auch NICHT). Aber sicher haben psychiatrische Kliniken unterschiedliche Bereiche (auch psychotherapeutische Stationen), wo man je nach Indikation untergebracht ist (und bei Besserung dann sozusagen weitergeleitet wird... z.B. stationäre PT oder ambulante). So war es auch bei mir in der Klinik. Manche landeten nach der Psychiatrie in der stationären PT... oder es stellt sich heraus, dass die Therapie nicht bewältigbar ist und dann wird eher Psychiatrie nahegelegt (im Optimal erkennt man die Indikation jedoch vorher).
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stern
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Beitrag Mi., 09.04.2014, 14:46

pandas hat geschrieben:Was hat denn das jetzt mit den Themen DIESES Threads zu tuen, abgesehen davon, dass das blosse Annahmen von Dir sind oder wo hast Du das erlebt? Und warum sollten Ängstliche keine Beziehung zum Therapeuten aufbauen können? Bei Phobien geht es doch nicht um Therapeuten-Phobie.
Das Leiden des Patienten hat doch erstmal nichts, aber auch gar nichts mit der Beziehung zum Therapeuten zu tuen.
In Bezug auf das Threadthema könnte man hieraus vielleicht lediglich ableiten, dass allgemein Therapieformen erweitert werden sollten, in denen es nicht nur um die Beziehung zum Therapeuten geht und diese ein höheres Kontigent zugesprochen werden könnten.
Wobei eine gute Beziehung zum Therapeuten sicher für alle Therapieformen wichtig ist, nur ist es in der Tat die Frage, ob es sinnreich ist, etliche Stunden KK zu finanzieren, wo DIREKT über die Beziehung zum Therapeuten gesprochen wird.
Ich würde es auch so sehen, dass man aufpassen muss, dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleicht. Nicht jeder Patient leidet unter wie auch immer gelagerten Beziehungs -oder Bindungsstörungen, sondern insbes. unter best. Symptomen. Bzw. es gibt auch klarer abgrenzbare Störungen wie best. Phobien oder meinetwegen auch best. Zwänge bzw. Erkrankungen, wo mehr eine bestimmte Symptomatik im Vordergrund steht, unter der man leidet (und die vorher nicht vorhanden war und sich zu einer Störung manifestiert). PERSÖNLICH würde ich dann nicht das Pferd von hinten aufzäumen und eine spezifische Symptomatik (die mein Leiden primär ausmacht) beziehungsorientert behandeln lassen sowie eine Beziehungsstörung nicht primär symptomatisch angehen, wenn für mich mehr Beziehungsstörungen relevant sind. Umso problematischer dürfte es aus Behandlungsgesichtspunkten sein, je weniger gut die Sypmtome abgrenzbar und zuordenbar sind bzw. je mehr sich verschiedene Symptome überlappen bzw. je chronifizierter etwas ist. Aber grundsätzlich ist eine Angststörung (wie meinetwegen eine Agoraphobie oder generalisiere Angststörung) etwas anderes als eine Borderline-Symptomatik (die natürlich auch verschiedenartige Ängste beinhalten kann)... und beides ist wohl nicht identisch zu behandeln. Klar abgrenzbare Ängste gelten eigentlich (passende Behandlung vorausgesetzt) auch als recht gut behandelbar. Ich meine mal gelesen zu haben, dass öfters eine Persönlichkeitsstörung vorhanden ist, je breiter gestreut Symptome sind... bzw. dass das im Auge zu behalten ist. Logisch... wenn man eine primäre Beziehungs- bzw- Persönlichkeitsstörung übersieht und auf Angst oder Depression hin behandelt, so erschiene mir das als ein plausibler Grund, wenn die Behandlung dann nicht anschlägt oder Symptome sich zwar gelegt haben, aber der Patient in 1,5 Jahren mir einer Esstörung oder einem Zwang erneut ein Behandlung benötigt.
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Beitrag Mi., 09.04.2014, 15:32

leberblümchen hat geschrieben:Mit 'Künkel' hat die Auswahl der Patienten nichts zu tun. Ein problematischer Patient, der für den Therapeuten phasenweise eine Belastung darstellt, ist auch deshalb schwierig, weil die Behandlung sehr viel länger dauert als bei anderen Patienten. Die Prognose ist auch nicht wirklich günstig, da die strukturell geschädigten Menschen nicht geheilt werden können.
Das kann man mMn nicht pauschalisieren... es ist nicht unmöglich strukturelle Störungen zu heilen (wenn man Heilung der Einfachheit halbe so definiert, dass die Krankheitssymptome, die die Diagnose ausmachen, und mithin Diagnose dann nicht mehr besteht). Kommt halt darauf an. So äußerte sich Arzt (Doku) in Bezug auf zum Bleistift Borderline-Patienten so, dass es Patienten gibt, die nach der Therapie (dauerhaft[er]) keine Diagnose mehr haben. Sowie Borderline-Patienten, die immer wieder in der Klinik landen bzw. dauerhaft Therapie bräuchten, was die Krankenkasse natürlich nicht finanziert. Bei von vorneherein aussichtsloser Perspektive würde die KK auch nicht unbedingt zahlen. Wenn eine Behandlung keine Besserung brachte (im Rückblick beurteilt), so muss man wohl sagen, die Behandlung nutzte bzw. brachte nichts (warum auch immer... je klarer man das hat, desto besser ist es wohl). Aber man kann eher nicht pauschal sagen, strukturelle Defizite sind nicht heil- bzw. behebbar. Kommt halt darauf an... manche meinetwegen neurobiologischen Begleit-Schäden oder bestimmte Einschränkungen bleiben vielleicht oder bessern sich "nur"... also der Heilungsbegriff i.S. "Restitutio ad integrum" ist wohl nicht bei jeder psychischen Störung anwendbar (auch nicht bei jeder körperlichen Erkrankung!)... aber Heilung in dem Sinne, dass man keine Diagnose mehr stellen könnte und die Symptome nicht mehr bestehen ist auch bei strukturellen Störungen grundsätzlich möglich. Mein Kenntnissstand.
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Beitrag Mi., 09.04.2014, 16:08

Eben, bei psychotherapeutischer Versorgung geht es nicht um Heilung in dem Sinne, sondern um Besserung des Gesundheitszustandes, Linderung der Symptome. D.h. doch nicht, dass Therapie nur bewilligt werden sollte, wenn eine Komplettheilung der Statistik nach eintreten wird.

Tztz, man stelle sich vor, wenn man solch ein Heilungsparadima z.b. in der KK-Versorgung von HIV-Positiven einführen würde etc.
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Beitrag Mi., 09.04.2014, 17:06

Ich würde sagen, es kommt darauf an (frag' nicht auf was ). Aber z.B. bei einer "handelsüblichen" Depression geht man eigentlich davon aus, das vollständige Heilung möglich ist (im Sinne vollständiger Remission... und jede Diagnose bemisst sich eben an den im ICD benannten Punkten=Symptomen.. nur je nach Störung können sich die Symptome fundamental unterschieden). Ein anderes (Über-)Ziel würde ich bei einer Nur-Depression persönlich auch nicht als sonderlich sinnvoll erachten (ich glaube, dass sehen auch Leitlinien vor). Wäre aus meiner Sicht ansonsten so wie eine Grippe zu behandeln, aber zu sagen, Kopfschmerzen lassen wir fortbestehen. Allerdings gibt es wohl faktische das Problem, dass manchmal doch ein paar Residualsymptome (wie Aufmerksamkeitseinbußen) zurückbleiben (ich habe mal gelesen, dass auch diskutiert wird, ob das häufiger der Fall ist als bisher angenommen ist). Wenn dass der Fall ist (als doch das eine oder andere Residualsymptom bleibt), soll die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht sein, dass es zu einem Rückfall kommt (rezidivierende Depression). Im Gegensatz zu den Leuten, bei denen die Depression wieder vollständig ausgeheilt ist. Bei man anderen Störungen sieht man vollständige Remission aller Syptome vermutlich nicht unbedingt als Regelfall oder realistische Perspektive an.
Zuletzt geändert von stern am Mi., 09.04.2014, 17:14, insgesamt 1-mal geändert.
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sandrin
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Beitrag Mi., 09.04.2014, 17:11

Man weiß inzwischen, dass das einmalige Auftreten einer Depression bereits die Hirnstrukturen so weit verändert, dass Rückfälle meist vorprogrammiert sind. Da werden neuronale Netze angezapft, die die Wahrscheinlichkeit für Rückfälle von Mal zu Mal erhöht.

Ich bin inzwischen so weit, dass ich es mir verbitte, dass irgenwelche Fuzis, die sich für Experten halten, meinen, sie können andere nach Belieben in Schubladen stecken.

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stern
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Beitrag Mi., 09.04.2014, 18:03

pandas hat geschrieben:Hier zeigt sich doch aber in der Realität, dass ein Mangel besteht, der darin liegt, dass bestimmte Diagnosen offiziell als nicht wirtschaftlich erachtet werden und somit Therapeuten, die mit diesen Menschen arbeiten möchten, auf andere Diagnosen umschreiben müssen. Das ist Betrug und ein Rechts-Mangel und wenn man daran nicht eine dringende Reformbedürftigkeit erkennen daran, sehe ich auch in diesem Nicht-Erkennen ein Mangel.
Ehrlich gesagt, kann ich nicht abschätzen, ob das nicht eher ein Gerücht ist, dass anderes vorgegeben wird als es in Wirklichkeit der Fall ist. Ich weiß es schlichtweg nicht... und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es aussagekräftige Befragungen dazu gibt, wie häufig Therapeuten Diagnosen faken. Denn bei aller Liebe: An einer zutreffenden Diagnose hängt doch einiges, auch in rechtlicher Hinsicht, Stichwort: Fehlbehandlung, etc. Ein Arzt kann auch nicht sagen, ach, wir schreiben einfach Blinddarm-OP, weil die Krankenkasse dem aufgeschlossener gegenübersteht ansteller der OP, die ich wirklich durchführen werde. Vielleicht hatte ich aber auch Therapeuten, die Berichte schrieben, die auch für mich nachvollziehbar waren. Eher kann ich mir vorstellen, dass manchmal verschiedene Diagnosen vertretbar wären, weil jemand Ähnlichkeit zu verschiedenen Störungen aufweist. Wenn die Behandlung aber nicht zu dem passt, was für die in Wirklichkeit zutreffende Störung/Beschwerden angezeigt ist, ist es irgendwo auch Betrug am Patienten... also wenn er nicht das erhält, was er eigentlich bräuchte und angezeigt wäre.

Und Stichwort psychotherapeutische Versorgung (topic): Da landen wir auch wieder beim Platzmangel. So habe ich gelesen, dass wohl öfters eine PA grundsätzlich möglich, evtl. sogar nötig/sinnvoll wäre, aber die Realität der psychotherapeutischen Versorgung diese Kapazitäten nicht hergibt (und dann stattdessen eine TFP/VT) durchgeführt wird. Schon vor dem Gesichtspunkt ist es eigentlich unsinnig eine Diagnose oder Indikationen zu faken... denn man stelle sich (überspitzt) vor, Therapeuten sagen nun großflächiger, ach, unseren Patienten geben wir am besten eine Spinnenphobie. Und dann gibt es wieder unsinnige Statistiken, nach denen 30% aller Behandlungen eine Spinnenphobietherapie sind (wie gesagt: überspitzt).

Und last but not least: Je genauer die Diagnose, desto zielgerichteter kann man ja in aller Regel auch behandeln. Ja, wäre schon irgendwie schräg, wenn man jemanden als Sozialphobiker einstuft, aber den Kontakten dann gar keine Bedeutung beigemessen werden würde (genauso krass, wenn das eine nicht zutreffende Diagnose ist, der Therapeut aber darauf herumreitet, dass für die Heilungsaussichten soziale Kontakte unbedingt zu aktivieren sind).
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Matzero
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Beitrag Mi., 09.04.2014, 19:36

Hallo!

Vielleicht noch mal einige Hinweise zur Verdeutlichung:

Nach den Psychotherapierichtlinien (in Deutschland) folgt die Indikation eines Psychotherapieverfahrens NICHT nach den ICD-10 Kriterien!

Die ICD-10 Kriterien diesen hier nur der Festestellung einer psychischen Störung mit Krankheitswert, die zudem in den Katalog der Richtlinienpsychotherapie fällt.

Die Differenziaindikation eines geeigenten Therapieverfahrens folgt (1) nach den Zielen und (2) nach der zugrundeliegenden URSÄCHLICHEN STRUKTUR der Störung. Dabei ist maßgeblich, über welches therapeutische Vorgehen eine NACHHALTIGE Änderung der für die aktuellen krankheitswertigen Beschwerden VERANTWORTLICHEN INNERPSYCHISCHEN KRANKHEITSDISPOSITIONEN erreicht werden kann. Das Vorliegen einer bestimmten Krankheitskonstellation begründet damit nicht zwangsläufig die Indikation eines bestimmten Behandlungsverfahrens! - und dies gilt auch für Diagnosen von Persönlichkeitsstörungen! Dessen ungeachtet müssen natürlich dabei auch Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit beachtet werden (daher sind analytische Behandlungen selten, müssen also gut gegen anderen Behandlungsmöglichkeiten abgewogen werden). Abzuwägenn sind auch Möglichkeiten außerhalb der Psychotherapie, also andere psychiatrische Behandlungen und die psychosomatische Grundversorgung bei einem Arzt.

Das Argument, dass Analytiker in ihren Berichten an den Gutachter übertreiben, um eine analytische Behandlung FÜR DEN ANTRAGSTELLENDEN PATIENTEN genehmigt zu bekommen, leuchtet mir nicht ein, da Analytiker auch tiefenpsychologisch-fundierte Behandlungen anbieten. Sowohl vom Aufwand wie auch finanziell ist es viel lukrativer, viele tiefenpsychologische Kurzzeittherapien durchzuführen; von der Politik und den Kassen wie auch der Kassenärztlichen Vereinigung wird man dafür auch noch gelobt, da so mehr Patienten versorgt und die Wartelisten entlastet werden.

Just my 2 Cent.

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