Illusion Psychotherapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

ziegenkind
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Beitrag Sa., 06.07.2013, 11:29

titus, du machst zwei fehler, die ich auch von mir kenne und die typisch sind für gestörte. ist aber heilbar...wenn man hinguckt.

1. wenn du einen satz auf eine bestimmte art und weise verstehst, dann tust du das wie alle anderen auch, vor dem hintergrund deiner geschichte. geht ja gar nicht anders. man versteht ja nun mal mit dem hirn, das durch unsere erfahrungen geformt worden ist. haarig wird es dann, wenn man all das übersieht und unbedingt - wahrscheinlich zur selbstberuhigung sagen muss - nee, das kann man ja nur so verstehen, wie ich das tue.

2. warum man sich selber beruhigen muss, hat mit dem zweiten zu tun. du sagst "nur" eine projektion. ich sag: oh gott, wie schlimm, eine projektion. niemand hat projektionen am laufen, weil er ein böser oder dummer oder uneinsichtiger mensch ist. projektionen sind sozusagen the last exit, der ausdruck von ganz viel innerer not. übrigens ein schönes beispiel für das, wovon ich hier rede: die eigene innere gnadenlosigkeit. macht so, denke ich, nur ein therapeut, der sich seine zulassung in irgendeinem kaputten land in einer u-bahnunterführung gekauft hat.

zu guter letzt: aus projektionen raus kommen wird immer weh tun, glaub ich. die gibt es nicht, die absolute schonbehandlung, so nach dem motto, mutti er hat überhaupt nicht gebohrt. das verstehe ich immer nicht. wie man den anspruch oder die erwartung haben kann. ich bin in ganz tiefen schichten so verletzt, vernarbt, verstört worden. wie soll das gehen, sich das anzugucken, diese wunden nachzubehandeln OHNE dass es weh tut? wie soll man darüber sprechen, dass man eigentlich selber hätte sterben wollen, ohne dass es auch unangenehm ist? vielleicht ist das meins. ich kenne diese kindersehnsucht nicht, mami kommt und es tut nicht mehr weh. meine mami ist nicht gekommen und es tat weh. in diesem einen falle ist das vielleicht ganz gut: es erspart mir die ilusion von der schmerzfreien heilung tiefer wunden.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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leberblümchen
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Beitrag Sa., 06.07.2013, 11:42

Ziegenkind, du meinst also - und ich würde es nicht vermuten, wenn ich es nicht so oft lesen würde... -, dass jeder, der von schlechten Erfahrungen mit seinem Therapeuten schreibt, nur projiziert?

Das wird so nicht sein.

Was das vermeintliche 'Hellsehen' betrifft: Hm, ich bin in der Tat davon ausgegangen, dass ein Therapeut im allgemeinen spürt, was den Patienten bewegt in dem, was er sagt. Aber vielleicht bin ich einfach nur an einen besonders einfühlsamen Therapeuten geraten.

Wenn ich erst mal ewig erklären müsste, warum mich ein Ereignis oder eine Erfahrung so beschäftigt, dann hätte ich vermutlich das Gefühl, der Andere sei nicht besonders empathisch - und damit wäre er für mich persönlich als Therapeut gestorben.

Was nicht heißt, dass es nicht wichtig wäre, das eigene Empfinden auszudrücken. Aber es ist ein Unterschied, ob ich es für mich ausdrücke oder ob ich es erst mal dem Anderen erklären muss, weil der nicht kapiert, dass es schlimm ist, seinen Bekannten irgendwo suizidiert zu sehen.

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ExtraordinaryGirl
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Beitrag Sa., 06.07.2013, 11:49

Wieder dieses Alles-oder-nichts-Denken ... Nur weil ein Therapeut einmal oder hin und wieder erklärt haben will, weshalb ihm etwas erzählt wird, muss es nicht grundsätzlich so sein.

Wobei doch gar nicht gesagt ist, dass er den Belastungsgrad des Geschilderten nicht nachvollziehen kann ... Aber eine Therapie ist nun einmal in der Regel weniger ein "Ich k**** mich bei dir aus." als vielmehr eine Hilfe, um mit dem Erlebten fertig zu werden. Und weil Therapeuten keine Hellseher sind, ist es nun einmal hin und wieder nötig, nachzufragen, welches nun das konkrete Anliegen der Patientin ist.

Und: Wer einmal unempathisch ist, muss nicht immer unempathisch sein.
"Charakter zeigt sich in der Krise."

(Helmut Schmidt)

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stern
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Beitrag Sa., 06.07.2013, 12:00

titus2 hat geschrieben:Aber es ist ein Unterschied, ob ich es für mich ausdrücke oder ob ich es erst mal dem Anderen erklären muss, weil der nicht kapiert, dass es schlimm ist, seinen Bekannten irgendwo suizidiert zu sehen.
Nun ja, das zu checken ist für mich kein Ausdruck besonderer Empathie... um das nicht nachvollziehen zu können, muss man schon fast emotionaler Trampel sein, dass das Erfahrungen sind, die man lieber nicht erlebt.

Was es im Patienten konkret anstößt, kann aber von Patient zu Patient sehr wohl verschieden sein, so dass das zu ergründen ist (außer man kennt einen Patienten bereits sehr gut, aber selbst dann kann man in dem ein oder anderen noch daneben liegen). Was vordergründig gleich erscheint, muss es nämlich in der Psychodynamik, die angestossen wird, nicht sein.

Läge alles auf der Hand, bräuchte es wohl keine Psycho-Analysen oder Hypothesen, die ein Therapeut auch nicht ohne Patient machen. Sondern dann ist man vermutlich an einen Hellseher geraten

Oder liegt der Irrtum darin, dass davon ausgegangen wird, alle Menschen ticken gleich und man muss nur ein Schema F abarbeiten. Also man holt Lehrbuch xy... sucht heraus, wie man bei allen Patienten zu reagieren hat, wenn jemand Erzählung yx erzählt. Wenn das so leicht wäre, würde es langen Therapeuten-Roboter zu programmieren .
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sandrin
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Beitrag Sa., 06.07.2013, 12:04

Ja, suizidgedanken lassen sicher viel Raum für Interpretationen. Da ist es durchaus legitim, wenn da der Therapeut nochmal nachfragt, wieso er damit behelligt wird.

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stern
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Beitrag Sa., 06.07.2013, 12:13

Nur dass es in dem Fall um den Selbstmord eines Mitstudenten ging... oh man.

Btw. Meine Selbstmordgedanken wurden von Therapeuten so im Schnitt 30 Minuten hinterfragt. Bestimmt weil es von vorneherein eh klar ist und die Therapeuten jeweils unempathische Trampel waren .

Vielleicht kann es auch schlichtweg daran liegen, dass man es ernst nimmt, wenn man nachfragt, anstelle irgendwelche eigene Schlüsse zu ziehen (die mehr über den aussagen können, der diese Schlüsse zieht), die nunmal Fehlschlüsse sein können. Und DANN ist erst das Gejammer groß, warum der Therapeut nicht nachgefragt hat, tsssssssssss.
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sandrin
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Beitrag Sa., 06.07.2013, 12:23

Es gibt Bereiche, da fahr ich persönlich eine Nulltoleranzlinie. Und wenn ein Patient seinem therapeuten gegenüber Suizidgedanken äußert und der mit so ner nescheuerten Frage kommt, ist die für mich erreicht. Wenn das Therapie ist, dann rette sich wer kann.
Vermutlich koemnte ein Therapeut zu einem Mord raten und einige hier wuerden noch ernsthaft darüber diskutieren, dass das doch ganz legitim sei. Allmählich wird es schockierend fuer mich.

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Fify
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Beitrag Sa., 06.07.2013, 12:26

Dann passt einfach die Art der Therapie nicht. Es gibt doch unterschiedliche Therapien, wo ist denn das Problem?


ziegenkind
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Beitrag Sa., 06.07.2013, 12:26

titus, ich glaub, das ist eine sache von phasen in der therapie, von linderung und heilung. alle brauchen beides. aber der eine braucht da mehr, der andere da weniger. hat, denke ich, viel mit der tiefe der störung zu tun, mit den ressourcen des patienten, mit den strategien im umgang mit der eigenen macke zu tun. (sich da mal zu vertun als therapeut, finde ich übrigens sehr, sehr menschlich)

aber vielleicht können wir uns drauf einigen: ein therapeut fragt sicher nicht nur, wenn und weil er etwas nicht verstanden hat. oft fragt er, weil er verwortung unterstützen will, weil er vielleicht auch gemeinsam das freilegen will, was man selber lieber verborgen hätte...nur mal so als idee. (mich hat das mal fürchterlich wütend gemacht. ich hab der ziege das mal an den kopf geknallt: sie fragen hier so unschuldig. aber sie wissen es doch schon lange. was soll der schei.ß. die ziege sprach ganz, ganz vorsichtig: ja, stimmt, ich ane. ich möchte aber gemeinsam mit ihnen worte finden, die sie aushalten können. meine wut verrauchte - bis zum nächsten mal)

meine tiefe überzeugung: vom emphatisch verstanden werden kommt linderung. und die ist sehr, sehr wichtig. heilung kommt davon nicht.

nee, natürlich ist das nicht immer eine projektion, wenn man glaubt, der therapeut oder die therapie ist sch.eisse. hatte ich eigentlich auch schon gesagt, nicht? ich hab so eine daumenregel - und die kann natürlich auch mal falsch sein. weil ich bin ja kein hellseher. wenn es allzu aberwitzig, sadistisch, gemein ist, was man seinem therapeuten unterstellt, dann spricht einiges dafür, dass man es mit einer projektion zu tun hat.
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stern
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Beitrag Sa., 06.07.2013, 12:27

sandrin hat geschrieben:Es gibt Bereiche, da fahr ich persönlich eine Nulltoleranzlinie.
Kannst du ja in deiner Therapie , wenn es dir damit besser geht. Gibt halt verschiedene Ansichten und Handhabungen dazu.
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sandrin
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Beitrag Sa., 06.07.2013, 12:30

Ja, ich hoffe ebenfalls, dass hier moeglichst viele mitlesen. Das ist naemlich ein gutes Beispiel, was passieren kann, wenn Therapien aus dem Ruder laufen

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yamaha1234
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Beitrag Sa., 06.07.2013, 12:32

Leider ging mir gerade meiner langer Beitrag flöten, deshalb die kurzversion: man kann sich auch jeden Scheiß so hinbiegen aus Angst das idealisierte bild des Theras zu zerstören bis es wieder passt. Theras sind Menschen und machen Fehler und da bewirkt eine Entschuldigung des Theras sicher mehr als 10 Stunden hypothetische reflexionsarbeit im stillen Kämmerlein.


ziegenkind
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Beitrag Sa., 06.07.2013, 12:32

ach so, projektionen und v.a. projektionen, die so sichtbar werden, so präsent im raum stehen, das man gemeinsam da drum herum spazieren kann wie um ein kunstwerk, die sind eine riesen chance. eine lernchance. ich hab viel über mich gelernt beim studium meiner projktionen - darunter auch viel, was ich vorher gar nicht so kommunikativ verfügbar hatte. ein heilungschance. die projektion, die ich ganz sagen kann, kommt nicht wieder.

ich und meine ziege wie mögen meine in der regel mehrfach verschachtelten projektionen mittlerweile genau so gerne wie die documenta.
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ziegenkind
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Beitrag Sa., 06.07.2013, 12:38

sandrin, nach dem was ich gelesen habe, hat der therapeut nicht gefragt: warum behelligen sie mich damit. er hat gefragt, warum erzaählen sie mir das.

ich verstehe sehr gut, warum man eine frage so verstehen kann. ist mir auch schon so gegangen. aber da liegen doch millionen von hasen im pfeffer. und das ist doch wichtig, dass diese hasen sich mal zeigen, oder? sonst krepieren die ungesehen im pfeffer. da muss man doch das gespräch mit diesen hasen suchen, als therapeut, und nicht so tun als hieße der hase mein freund harvey.
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stern
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Beitrag Sa., 06.07.2013, 12:41

sandrin hat geschrieben:Und wenn ein Patient seinem therapeuten gegenüber Suizidgedanken äußert und der mit so ner nescheuerten Frage kommt, ist die für mich erreicht.
Wie gesagt: In dem geschilderten Fall ging es nicht darum, dass ein Patient gesagt hat, ich will mich umbringen. Sondern um den Selbstmord eines Mitstudenten. Macht einen Unterschied.

Und meine Selbstmorgedanken wurden bisher immer näher angeschaut und hinterfragt. Wie meinetwegen auch Selbstverletzungen hinterfragt werden.

Kann doch eine unterschiedliche Psychodynmamik dahinter stecken.
Zuletzt geändert von stern am Sa., 06.07.2013, 12:50, insgesamt 1-mal geändert.
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