Therapeutenwechsel wegen mangelnder Warmherzigkeit??

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Lou Salome
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Beitrag So., 13.10.2013, 22:14

Ulrich hat geschrieben:
Lou Salome hat geschrieben: Hallo in die Runde!


Ganz spontan kam mir in den Sinn, dass es vielleicht ein Zeichen von Gesundung und Heilung ist, sich nicht mehr so wohl in einer rein therapeutischen Beziehung zu fühlen, die ja bestimmt ist von einer klaren Rollenverteilung und den eingesetzten Therapiemethoden und Ablauf je nach Auffassung der jeweiligen Krankheitslehre.
Ulrich hat geschrieben:Es hängt von der Haltung bzw. der Strategie des Therapeuten ab, ob dieser Punkt, dass man sich in einer Therapie nicht mehr wohl fühlt jemals erreicht wird. Ein Therapeut, der so ähnlich behandeln will wie ein Zahnarzt, der ist froh, wenn der Patient ihn nicht mehr braucht. Das ist relativ unabhängig von der Therapiemethode. Aber es gibt auch Therapeuten, die es gar nicht mögen, wenn der Patient Anstalten macht ihn zu verlassen, "bloß' weil es ihm besser geht. Diese Haltung hat seinen Grund teils in ökonomischen Zwängen (ein Patient, der nach schnell erfolgter Heilung weggeht bedeutet, dass "Zahlungsausfall") und teils in persönlichen Problemen des Therapeuten begründet, der Patienten als so eine Art Ersatz für Freundschaften benutzt und der unglücklich ist, wenn er von einem Freund verlassen wird.

Das hört/liest sich für mich so, als ob es selbstverständlich wäre, dass ein Patient unmündig ist und die Richtung, der Ablauf und auch das Ende (insofern es eines sein soll) ausschließlich vom Therapeuten instruiert werden und den therapeutischen Qualitäten wird auch noch eine gewisse Boshaftigkeit und ein bewusstes Abhängigmachen unterstellt. Hätte ich so ein Bild von Psychotherapie in meinem Kopf, wäre ich vermutlich nie zu einer gegangen. Ich verstehe aber durchaus den Ansatz, Therapien zu hinterfragen und eine kritische Sicht darauf ist sogar unbedingt notwendig. Alerdings ist es auch nur möglich klar zu sehen, wenn man selbst nicht allzu negativ behaftet diesbezüglich ist. Definitiv ist jedoch gesundes Misstrauen angebracht. Und wie du richtig erwähnst, verleiten ökonomische Misstände tatsächlich Menschen dazu, sich unprofessionell zu verhalten. Das gilt ohnehin für alle Bereiche in der Wirtschaft. Ziemlich prikär wird es halt bei sozialen Dienstleistungen; und nichts anderes ist eine Psychotherapie.

Lou Salome hat geschrieben: Meines Erachtens findet man nur sehr spärlich Therapeuten, die bereit sind, von ihrer Rolle ein wenig Abstand zu nehmen und als Mensch mit Persönlichkeit zum Vorschein zu treten; also selbst das zu geben, was letzten Endes das angestrebte Ziel der Therapie sein sollte.
Ulrich hat geschrieben:Authentisch sein ist also das Ziel einer Therapie? Was bedeutet das nun genau? Dass man jemandem nichts vorspielt, oder das man jemandem besonders gut was vorspielt?
Was sind deine Beweggründe, diese Frage so zu stellen? Authentisch bedeutet für mich (was das Vorgehen in der Therapie angeht), dass mir in Phasen der Selbstunsicherheit und Selbstzweifel, in Zeiten in denen ich mich selbst nicht mehr mündig fühle, mir der Therapeut so gut er kann vermittelt, dass ich dennoch mündig und erwachsen und fähig bin. Auch die Sicht zu erweitern, dass es jedem auch noch so glückliche wirkenden Menschen schlecht ergehen kann. Dass Leiden nicht meine Persönlichkeit ist, sondern lediglich etwas, das ich erfahre. Und mich stärkt, dem Leid Ausdruck zu verleihen, und zwar genauso, wie ich es brauche.


Danke übrigens für die anregenden, berechtigten Fragen. Über einige brüte ich noch und sitze sie noch aus.
Und das mit dem Zitieren hab ich noch nicht raus..was für ein Durcheinander..wie im echten Leben

so, jetzt ist es lesbarer
Der Lohn für Anpassung ist, dass alle dich mögen außer dir selbst. (Rita Mae Brown)

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Ulrich
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Beitrag Di., 22.10.2013, 09:12

Lou Salome hat geschrieben:
Danke übrigens für die anregenden, berechtigten Fragen. Über einige brüte ich noch und sitze sie noch aus.
In meiner zehntätigen Abwesenheit, die mehr oder weniger krankheitsbedingt war (ich hatte eine Art Burnout), habe ich über viele der Dinge, die von dir und der Threaderöffnerin geschrieben wurde nachgedacht. Ich habe dazu viel geschrieben, allerdings nur privat. Das bin ich seit 1988 so gewöhnt, dass ich rein privat über meine Probleme schreibe (die meisten dieser selbstanalytischen Schriften habe ich vernichtet, wie es ja S.Freud auch gemacht hat). Mein psychisches Leiden bedingt es, dass vieles, was ich erlebe für mich zu einem Problem wird, so auch vieles was ich lese. Dieser Thread ist aber ein relativ angenehmes Problem für mich, weil ich viel dadurch gelernt habe.

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Henrike76
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Beitrag Di., 22.10.2013, 12:37

Also ich habe auch den Thera gewechselt weil u.a. ich da wenig Verständnis empfangen habe ("Denken Sie doch die Traumata einfach mit einem anderen Ausgang zu Ende!").

Zudem hatte die Wissenslücken und keinen Abschluss in Traumatherapie.

Wegen der Esstörung musste ich sowieso in stat. Therapie, das wäre zu Hause nie gegangen!

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Ulrich
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Beitrag Mi., 23.10.2013, 10:51

Leider ist das Wechseln des Therapeuten für Kassenpatienten nicht so einfach wie für Privatpatienten und Selbstzahler. Mich persönlich hindert diese Einschränkung daran, überhaupt eine Therapie anzufangen. Ich hab einfach keine Lust, mich schon nach acht probatorischen Sitzungen auf einen Therapeuten für 2 Jahre festzulegen. Ich hab das Gefühl, dann sitze ich in der Falle und komme nicht mehr raus. Dagegen mag man argumentieren, dass Kassentherapeuten bestimmt "gut" sind, denn sonst wäre sie ja nicht von der Kasse zugelassen.

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Henrike76
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Beitrag Do., 31.10.2013, 00:48

@Ulrich

Letztendlich geht man ja immer ein Risiko ein bei ner Therapie.

Immerhin bekommen wir aber zumind. welche! Ich glaube nicht dass das überall in der EU so geht.

Manchmal merkt man erst nach 1 Jahr dass das so pralle auch nicht ist.
Dann kann man nochmals wechseln (oder auch stationär gehen).
z.T. denke ich auch dass amb. PT zu viel Einzel-PT-Stunden geben müssen.
In der Klinik waren das so 10-12 Einzelstunden in der Woche, ich finde das etwas passender (je nach Krankheit natürlich).

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Luxbordie
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Beitrag Do., 31.10.2013, 07:25

Säße mir Thera wie ein kalter Stein gegenüber würde mir das mehr schaden als nützen. Bei uns wird keine PT über die KK abgerechnet. Da müssen sich die Theras dann schon ein bisschen Mühe geben. Denn mal davon abgesehen dass es für einen Selbstzahler schweineteuer ist, kann man auch gehen wenn man will, man ist nicht an irgendwelche Auflagen von der Krankenkasse gebunden.
LG
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sandrin
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Beitrag Do., 31.10.2013, 11:05

Heißt das, du musst die gesamte Therapie selber tragen? Harter Tobak. Das verändert aber die Situation total, seh ich auch so.

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Luxbordie
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Beitrag Do., 31.10.2013, 11:11

Ich habe jetzt das "Glück" dass die Kirche meine Therapie bezahlt wegen des sexuellen Missbrauchs. Trotzdem bin ich frei zu gehen wenn ich will. Allerdings ist das bei Thera nicht notwendig. Ich fühle mich bei ihm sehr gut aufgehoben.
LG
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sandrin
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Beitrag Do., 31.10.2013, 11:19

Die Kirche? Oh, dann heißt das wohl, dass du eines der Opfer bist. Das tut mir leid. Hab ich nicht mitgekriegt.
Aber trotzdem ist es schon ein hohes Gut, dass man bei uns Therapie bezahlt bekommt.

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Luxbordie
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Beitrag Do., 31.10.2013, 11:23

Da hast du Recht... Bei uns ist es wohl ein bisschen billiger als bei euch. Thera orientiert sich zwar an den deutschen Preisen, fragt aber weniger, eben weil wir meist Selbstzahler sind. Aber 500€ im Monat könnte ich mir nicht leisten...
LG
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pandas
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Beitrag Do., 31.10.2013, 14:07

Luxbordie hat geschrieben: Denn mal davon abgesehen dass es für einen Selbstzahler schweineteuer ist, kann man auch gehen wenn man will, man ist nicht an irgendwelche Auflagen von der Krankenkasse gebunden.
Na, gehen, wenn wir wollen, können wir hier auch.
Man muss das nicht vor der KK rechtfertigen, das kann man selbst entscheiden und in jedem Stadium eine laufenden Therapie innerhalb von 2 Tagen kündigen.
Die restlichen Stunden der Laufzeit können dann bei einem anderen Therapeuten genommen werden, den man sich selbst suchen kann.

Allerdings findet sich hier nicht so leicht ein Therapeut, denn:

http://www.psychotherapiepraxis.at/pt-f ... 41&t=30023
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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Luxbordie
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Beitrag Do., 31.10.2013, 14:58

Ich bin auf jeden Fall froh dass ich mir meinen Thera raussuchen kann, dass die Wartezeiten sehr kurz sind. Und dass jemand das alles bezahlt.

Und vor allem dass ich keine zeitliche Begrenzung habe. Es ist mir sehr wichtig dass ICH entscheiden kann wann die Therapie für mich zu Ende ist, wann ich bereit bin mich von Thera zu trennen.
LG
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Ulrich
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Beitrag Do., 31.10.2013, 19:41

Henrike76 hat geschrieben:@Ulrich

Letztendlich geht man ja immer ein Risiko ein bei ner Therapie.

Immerhin bekommen wir aber zumind. welche! Ich glaube nicht dass das überall in der EU so geht.

Manchmal merkt man erst nach 1 Jahr dass das so pralle auch nicht ist.
Dann kann man nochmals wechseln (oder auch stationär gehen).
z.T. denke ich auch dass amb. PT zu viel Einzel-PT-Stunden geben müssen.
In der Klinik waren das so 10-12 Einzelstunden in der Woche, ich finde das etwas passender (je nach Krankheit natürlich).

Psychiatrische Krankenhäuser kann man sich als Kassenpatient nicht aussuchen. Ich gehe davon aus, dass es regionale Unterschiede zwischen den Therapieangeboten gibt. Aber dass 10-12 Einzelstunden irgendwo gemacht werden (Einzelsitzungen) kann ich mir nicht vorstellen. Denn wer soll das bezahlen? Es wäre höchstens als Gruppentherapie (von der gesetzl. KK) bezahlbar, die aber für mich nicht in Frage kommt.


pandas
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Beitrag Fr., 01.11.2013, 00:29

das stimmt, das deutsche gesundheitssystem ist in der eu noch das beste.

anderswo geht alles schon auch, aber nicht so easy wie hier.

ich habe mal gehört, in der uk gibt es beispielsweise lange wartezeiten für krebsoperationen.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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Ulrich
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Beitrag Fr., 01.11.2013, 17:43

@Pandas

Deine Antwort passt irgendwie nicht zu dem was ich geschrieben habe. Ich habe das deutsche Gesundheitssystem keineswegs gelobt. Natürlich ist es in der Hölle noch schlechter.

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