Schaut ihr euch den Kampusch-Film an?

Gibt es demnächst themenbezogene TV- oder Radio-Sendungen? Kinofilme? Fanden Sie interessante Artikel oder Pressemeldungen in Zeitschriften oder im Internet, Bücher oder DVD's? Hier können Sie die anderen davon informieren...

Themis
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Beitrag Do., 28.02.2013, 19:49

Ich schrieb schon auf Seite 2 (Dienstag):
Themis hat geschrieben:Nein, ich werde ihn mir nicht ansehen. Mir reicht es, in ihr Gesicht zu sehen. Ihre Art zu sprechen, ihre Augen - das ist zu schlimm, um es auszuweiden.

Das Geld gönne ich ihr. Zudem ihr Vater mit einem heute? veröffentlichten Buch gegenschießt. Mit dem stimmt etwas nicht.
Schön, dass es noch mal erwähnt wurde.

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Dilemma
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Beitrag Do., 28.02.2013, 19:53

FreudsLeiden hat geschrieben:PS: danke Dilemma, du hast mir klar gemacht, der läuft ab heute. In einer halben Stunde wegbin
Ich danke dir und bin gespannt wie der Film auf dich gewirkt hat.

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BillieJane
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Beitrag Do., 28.02.2013, 21:12

Vorab, nein, ich werde mir den Film nicht anschauen, weil das für mich einfach zu schrecklich ist und ich persönlich habe nichts davon, mir so fürchterliche Dinge anzuschauen. Interessant fände ich jedoch an der Geschichte wie Natascha Kampusch überlebt hat. Hierfür könnte ich mir eher vorstellen, das Buch zu lesen. Doch wie gesagt, auf der Leinwand mir anschauen, wie dieser kranke Kerl, dieses Kind vergewaltigt und an sich fesselt, nein danke!

Zu dem Bashing gegenüber Natscha Kampusch und den Menschen die sich täglich melden um diese Frau und das was sie erlebt hat in Frage stellen: Ich bin schockiert!

Ich glaube kaum, dass sie sich mit 10 Jahren hat freiwillig entführen lassen.
Der springende Punkt bei diesenn ganzen Anzweiflungen ist für mich, dass diese Menschen ihr Alter und die damalige Extremsituation in der sie sich mit 10 Jahren befunden hat unterschätzen.

Natascha Kampusch wurde mit 10 Jahren entführt und eingesperrt. Das ist Fakt!

Sie war als 10 Jährige in eine für sie lebensbedrohliche Situation. Und ich kann mir gut vorstellen, dass sie mit 10 Jahren auch rational so weit entwickelt war um davon auszugehen, dass sie aus dieser Situation nicht einfach so raus spazieren können wird (etwas sarkastisch ausgedrückt in Anlehnung an die Zweifler), sondern dass sie sich in Gefahr befindet. Es ist durchaus davon auszugehen, dass sie sich die ganze Zeit über gefragt haben muss, ob sie überlebt.
Zuletzt geändert von BillieJane am Do., 28.02.2013, 21:23, insgesamt 3-mal geändert.

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FreudsLeiden
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Beitrag Do., 28.02.2013, 21:14

Dilemma hat geschrieben:Ich danke dir und bin gespannt wie der Film auf dich gewirkt hat.
also ich bin zurück. Und ich bin tief beeindruckt. Ich habe extra keine Kritiken gelesen und ich kann nur sagen, ich habe selten so ein mitreißendes Kino erlebt. Kein frontales Betroffenheitskino, sondern pures Drin-Sein in der Geschichte. Ich hab irgendwann das Gefühl dafür verloren, dass es Schauspieler sind, eine geniale Leistung, sowohl von der Kampusch-Darstellerin als auch vom Priklopil-Darsteller. Irgendwann hab ich vergessen, dass die spielen.
Ich war absolut gebannt, dachte zwei Stunden an nichts anderes, und war nur genervt durch das Gestöhne der anderen Zuseher. Manche haben schon schwer gelitten im Kinosessel.
Ich fand die Inszenierung des ganzen als sadistischen Wahnsinn total überzeugend, ich hatte eigentlich mehr einen hirnlosen, brutalen Kinderschänder erwartet. Aber gerade die psychische Gewalt die Priklopil auf NK ausübt, nimmt einem den Atem. Niemals kitschig, nie billig. Ob das zu Hause auf einem kleinen Schirm gut ankommt, weiß ich nicht. Es ist schon ein Kinofilm, der gut auf der großen Leinwand wirkt und es ist vielleicht auch besser ihn nicht alleine zu sehen. Es ist etwa eigenständiges, Kunst, ich glaube nicht, dass ein Film das Leiden der NK auch nur annähernd abbilden kann, aber wenn, dann kann es dieser Film.

Zuletzt geändert von FreudsLeiden am Do., 28.02.2013, 21:18, insgesamt 1-mal geändert.
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BillieJane
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Beitrag Do., 28.02.2013, 21:16

Ich habe in meinem Freundeskreis einen ehemaligen Bankmitarbeiter in leitender Position, welcher im Vergleich zur Geschichte von Natascha Kampusch "lediglich kurz mit einer vorgehaltener Waffe bedroht" worden ist. Nach diesem Erlebnis ist er sukzessiv abgestürzt, trotz psychiatrischer Behandlung und Therapie, empfängt Harzt IV und hat eine Leberzirrhose. Ein sehr begabter, sehr gut ausgebildeter Mann mit einer großen Familie welche ihn die letzten 10 Jahre aufopferungsvoll unterstützt hat. Ohne Vergleiche ziehen zu wollen, aber was dieses Mädchen psychisch durchmachen musste vom Alter mit 10 Jahren an, ist kaum vorstellbar. Sie hat einen Alptraum erlebt aus dem es kein Erwachen gab.

Ihr Entführer war in dieser Situation, so pervers es klingen mag, jedoch auch ihre einzigste Bezugsperson. Die einigste Bezugsperson mit dem sie aufgewachsen ist, mit dem sie den restlichen Teil ihrer Kindheit, Pubertät erlebt und gelebt hat in Gefangenschaft, vollkommen isoliert. Dieser Mann war ihre einzige Realität über einen entscheidenden Entwicklungszeitraum. Und an dieser Stelle, verwundert es mich nicht, dass sie - so habe ich gelesen - ihre vorherigen Fluchtchancen nicht wahrnehmen konnte. Ich habe das Buch nicht gelesen, doch wenn ich versuche mich einzufühlen so kann ich mir gut vorstellen, dass sie bei den ersten Gänge mit dem Täter nach draußen, nicht sofort schreiend losgerannt ist: "Hilfe, hilfe, ich bin ein Entführunsopfer", sondern vielmehr paralysiert gewesen sein muss. Sie war schließlich keine erwachsene Frau, sondern ein Kind als sie entführt und in einem Keller aufgewacht und aufgewachsen ist.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, welche innere Überwindung es sie damals gekostet hat, diesen letzte Schritt zu gehen, sich ein Herz zu fassen wie man so schön sagt und zu fliehen.

Zu der Frage warum sie ihre Geschichte vermarktet: Das Medieninteresse war von Anfang an enorm. Ich kann mich sehr gut erinnern, dass viele Boulevard-Presse Stellen damals eine regelrechte Jagd eröffnet haben um sie ausfindig zu machen um ein erstes Foto zu schießen, wie sie aussieht, wer sie ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass es nur sehr schwer war sich zu verstecken. Ich kann mir auch vorstellen, dass sie nicht weiter ihr Leben wie die letzten 8 Jahre zuvor in Gefangenschaft leben wollte und sie deshalb in die Offensive gegangen ist und sich gezeigt hat und ein erstes Interview gegeben hat um sich zu zeigen und um der Jagd auf ihre Person Einhalt zu gebieten.

Dass sie ein Buch geschrieben hat und Interviews gegeben hat, ich frage mich warum nicht? Warum sollte sie das nicht tun? Warum sollte sie nicht dadurch mit einer Art Opferentschädigung profitieren? Ich könnte es ihr nicht verübeln. Vor allem dann, wenn andere Menschen sich zu Wort melden und ihre Geschichte anzweifeln. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie durch das Buch und durch die Auftritte in die Öffentlichkeit versucht ihre Sicht der Dinge zu schildern und damit dem entgegen tretten möchte was an Spekulationen über sie verbreitet werden. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie den Weg in die Öffentlichkeit nicht suchen würde, wenn sie nicht das Gefühl hätte, dass andere unbeteiligte Menschen nicht Unwahrheiten über sie verbreiten würden.

Zu den anderen Stimmen, welche die Situation von Natascha Kampusch in die Öffentlichkeit bringen und ihr ein Mitverschulden, oder nicht eher geflohen zu sein, was auch immer vor werfen:

Ich selbst habe in meiner Familie Bergsteiger, und zwar das was man sich unter Extrem-Bergsteiger vorstellt, Expeditionen unter extremen Bedingungen. Aus diesen mittelbaren Erfahrungen kann ich sagen, dass an der Bergwand bei Sauerstoffmangel, Schneesturm, andere Gesetze herrschen als am Boden.

In diesem Sinne kann ich sehr gut nachvollziehen, dass es in Extremsituationen - wie der, mit 10 Jahren von der Straße gerissen zu werden, und sich für die nächsten Jahre einem pädophilen Psychopathen in der Gefangenschaft ausgeliefert zu sein, ebenso andere Gesetzmäßigkeiten herrschen. Solche die wir uns außenstehende kaum vorstellen können.
Zuletzt geändert von BillieJane am Do., 28.02.2013, 21:27, insgesamt 3-mal geändert.

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BillieJane
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Beitrag Do., 28.02.2013, 21:18

Ich gebe offen zu, dass ich auch nicht immer dieses Verständnis habe, wenn ich sehr nah persönlich in meinem Umfeld die Auswirkungen einer solchen Extremsituation erfahre. Was meinen Freund betrifft, welcher nach dem Banküberfall und der folgenden posttraumatischen Belastungsstörung abgestürzt ist, kann ich nur schwer verstehen, warum er seine Kinder und seine Frau aufgibt und es vorzieht sich zu Tode zu saufen. In den Gesprächen hatte ich immer das Gefühl, dass er seinem Therapeuten nicht alles sagt, dass mit diesem Ereignis noch mehr los getreten worden ist. Wir sind zwar nach wie vor da soweit es geht, doch ab einem gewissen Punkt kann man nur noch hilflos zusehen.

Das Natascha Kampusch noch nicht abgestürzt ist, grenzt meiner persönlichen Vorstellungskraft an ein Wunder, oder liegt vielleicht dem zugrunde, dass ein seelischer Anteil in ihr, sich so etwas wie Überlebenswillen bewahren konnte.

Abschließend möchte ich noch auf das Stockholmsyndrom hinweisen: [Unter dem Stockholm-Syndrom versteht man ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Dies kann dazu führen, dass das Opfer mit den Tätern sympathisiert und mit ihnen kooperiert.] http://de.wikipedia.org/wiki/Stockholm-Syndrom

BillieJane

[Leider war mein Beitrag zu lang, weshalb ich ihn splitten musste.]
Zuletzt geändert von BillieJane am Do., 28.02.2013, 21:31, insgesamt 1-mal geändert.

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FreudsLeiden
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Beitrag Do., 28.02.2013, 21:26

BillieJane hat geschrieben:Ihr Entführer war in dieser Situation so pervers es klingen mag, jedoch auch ihre einigste Bezugsperson. Die einigste Bezugsperson mit dem sie aufgewachsen ist, mit dem sie den restlichen Teil ihrer Kindheit, Pubertät erlebt und gelebt hat in Gefangenschaft, vollkommen isoliert. Dieser Mann war ihre einzige Realität über einen entscheidenden Entwicklungszeitraum. Und an dieser Stelle, verwundert es mich nicht, dass sie - so habe ich gelesen - ihre vorherigen Fluchtchancen nicht wahrnehmen konnte.
Das wird im Film extrem gut dargestellt, die enge Bindung an ihn. Ein Kind ist anpassungsfähig, es passt sich auch an ein Monster an. Das war mir vorher nicht so klar, das musste ich sehen. Oder lesen. Aber auf das Buch hatte ich damals keine Lust, weil das zu nahe an dem Hype dran war. Jetzt ist etwas Zeit vergangen.
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Dilemma
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Beitrag Do., 28.02.2013, 23:02

FreudsLeiden ich kann dir in allen Punkten zustimmen. Anmerken möchte ich noch, dass der Täter dem Kind erzählt hat, dass die Eltern verstorben sind und es ihnen auch nichts wert war. Ich kann die Zweifel an dieser Geschichte auch absolut nicht nachvollziehen. Wie du schon schreibst, sie war 10 Jahre alt...
Mich hat die ganze Tragödie von Anfang an sehr schockiert und berührt, ebenso die öffentliche Auftritte von Natascha Kampusch. Man sieht ihr deutlich an wie schwer traumatisiert sie ist. Der Film ist absolut sehenswert und gelungen.

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debussy
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Beitrag Fr., 01.03.2013, 12:39

Dilemma hat geschrieben:
debussy hat geschrieben:das sich ergözen am elend anderer, damit es einem selbst besser geht. ein wichtiger punkt.

Alles eine Frage der Interpretation Debussy.
nein.

ich kann n. k. nur wünschen, dass sie für sich einen sinn im leben findet. denn das hauptmotiv hat sie vor jahren verloren. mit der befreiung und dem tod von priklopil dürfte ja ihr ganzes lebenskonzept durcheinander geraten sein.
ihr derzeitiges mediales auftreten ist in meinen augen ein versuch, boden unter den füssen zu kriegen. einen sinn zu finden. ob das mit diesem mittel gelingt ist fraglich. ich glaube nicht daran.

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Nico
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Beitrag Fr., 01.03.2013, 12:47

Ich weiß nicht ob es für N.K. Um soviel schwerer ist einen Sinn im Leben zu finden als für Hinz und Kunz.
Ich vermute dass sie vor allem durch diverse Anfeindungen ( so wie jetzt eben durch ihren Vater ) sehr viel Sinn und Kraft bekommt.
Sie ist es gewohnt zu Kämpfen, ich glaube dass sie das auch jetzt antreibt.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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FreudsLeiden
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Beitrag Fr., 01.03.2013, 13:26

Nico hat geschrieben:Ich weiß nicht ob es für N.K. Um soviel schwerer ist einen Sinn im Leben zu finden als für Hinz und Kunz.
beim Reflektieren des Films bis heute, wird mir immer mehr klar, wie "allgemein" die Geschichte eigentlich ist. Es geht um Anpassung, Gehorchen, zuerst mit Wut, dann mit Verhandlungsgeschick, dann mit Lieb sein und absoluter Unterwerfung. Auch wer nicht im Keller eingesperrt war, kennt diese Dinge möglicherweise, aus viel alltäglicheren Zusammenhängen. Aus der ganz gewöhnlichen Situation, die dann eben kollektiv erlebt wird und als "Normalität" angesehen werden kann, selbst wenn es das nicht ist. Es gibt so vieles in unserer Gesellschaft und Sozialisation, was nicht unseren inneren Bedürfnissen entspricht, was uns aber via Norm als "normal" verkauft wird. In diesem Sinne war das Leben für NK "normal". Sie kannte es nicht anders. Irgendwann hat sie die glücklichen Kindheitstage vergessen und lebte in dieser neuen Realität.

Das ist für mich auch das Abstraktionswunder dieses Films, dass ich mich in der einen oder anderen Situation selbst wieder finden konnte, auch wenn ich nicht annähernd so etwas schreckliches erlebt hatte. Aber ein "gewisser Vorteil" - mich schaudert es selbst das so zu formulieren - war das Alter von 8 Jahren, dass es vielleicht möglich werden ließ, sich so extrem anzupassen. Würde ein erwachsener Mensch so eingesperrt, er würde eher daran zerbrechen. Sie reagiert einfach nur auf den "Reihenhausdiktor" und probiert aus, mit welchem Verhalten sie am ehesten bei ihm punktet. Ein Erwachsener würde sich vielleicht eher umbringen oder ihn killen. Aber über dieses Instrumentarium verfügt sie nicht als achtjährige. Für sie ist er die neue Mutter, die den gute Nachtkuss bringt. Ich habe jedenfalls sehr viel gelernt, über menschliches Verhalten.
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stern
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Beitrag Fr., 01.03.2013, 13:55

BillieJane hat geschrieben:Abschließend möchte ich noch auf das Stockholmsyndrom hinweisen: [Unter dem Stockholm-Syndrom versteht man ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Dies kann dazu führen, dass das Opfer mit den Tätern sympathisiert und mit ihnen kooperiert.] http://de.wikipedia.org/wiki/Stockholm-Syndrom
Ich weiß nicht wie die Beziehung im Buch oder Film dargestellt ist... aber ich glaube, vom Stockholm- Syndrom spricht man bei ihr nur eingeschränkt. Klar musste sie ein Stück weit mit dem Täter kooperieren... aber -nach dem worüber ich stolperte- versuchte sie schon auch, die bösen Taten zu sehen (und notierte die angeblich sogar teilweise zur Erinnerung).

Und das bringt schon eine gewisse Stärke zum Ausdruck, dass sie eben nicht zu sehr auf Spaltungsmechanismen zurückgreifen musste z.B. dergestalt: Der Täter als das Gute (zu dem auch eine Beziehung aufgebaut wird)... während die Rolle des Bösen jemanden anderem (bzw. sich selbst) zugeschrieben wird. Auch bei z.B. Jauch sprach sie z.B. konsequent vom Täter. Also ich denke schon, dass es für die Psyche entlastender (aber umso "unreifer") sein kann, wenn man vom Täter das Böse in irgendeiner Form abziehen kann. Das tat sie aber nur eingeschränkt.

Wäre diese Identifikation erfolgt, wäre es ihr wohl auch zunehmend nicht mehr möglich gewesen, zu fliehen (beim Stockholm-Syndrom geht es ja auch so weit, dass das Opfer dann die Täter vor der Polizei warnt oder den Täter vor der Polizei schützt, alles rechtfertigt wird, usw.). Ich weiß nicht, ob in dem Buch/Film irgendwo beschrieben steht, dass sie zu manchen Zeitpunkten die Flucht aus den Augen verlor?

Aha... gerade noch was gefunden, was sie selbst schreibt (in Übersetzung ihres Buches):
By seeing him as a human being, with a very dark and a somewhat lighter side, I was able to remain human myself. Because he was unable to break me.
This may be why I so vehemently oppose being placed in the pigeonhole of Stockholm Syndrome.
http://books.google.de/books?id=VFlhQQF ... CDIQ6AEwAA
Also in anderen Worten: Die Schublade mag sie selbst gar nicht so... verständlich, weil ein zentrale "Überlebens-Devise" eben gewesen ist, sich nicht brechen lassen...
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Dampfnudel
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Beitrag So., 03.03.2013, 00:40

Ich war heute auch in dem Film. Mein Eindruck war ähnlich wie das, was Du, FreudsLeiden, hier schon beschrieben hast. Ich war allein dort und dachte erst, dass ich froh war, allein dort gewesen zu sein, weil ich nach Filmen, die mich berühren, oft erstmal Zeit zum Sackenlassen brauche und dann nicht so gut reden kann. Und andere Leute wollen für mein Gefühl nach dem Kino immer reden.

Aber hier war's schon mehr als sonst, merke ich jetzt. Schreiben klappt, wie man sieht, aber ich bin immer noch stumm, und ich hab auch Angst, ins Bett zu gehen, dass ich dann da mit meinen Gedanken lange wach liegen könnte (langes Wachliegen ist sozusagen meine "Spezialität"). Sonst funktioniert oft Ablenkung durch einen Krimi, aber hab schon gemerkt, dass ich das nach diesem Film gerade nicht ertragen könnte, weil zu trivial.
Hätte ich nicht gedacht, dass der Film mich so mitnimmt.

Nachtrag: Was ich ein bisschen komisch an dem Film fand, war die Synchronisierung. Die war zum einen teilweise auffällig unpassend zu den Sprechbewegungen und zum anderen komplett in Hochdeutsch - und zwar nach der bundesdeutschen Oralisierungsnorm. Also, zumindest für einen Film, von dem jeder weiß, dass er in Wien spielt, müsste es doch möglich sein, Synchronsprecher zu finden, die auch die entsprechende Sprache beherrschen, oder nicht? Dadurch gab es ein paar Momente, in denen es doch wieder sehr deutlich wurde, dass es ein Spielfilm war, die also das im-Geschehen-Sein unterbrochen haben, aber ein bisschen Distanzierung zwischendurch hat mir wahrscheinlich auch ganz gut getan.
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FreudsLeiden
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Beitrag So., 03.03.2013, 11:06

Dampfnudel hat geschrieben:Was ich ein bisschen komisch an dem Film fand, war die Synchronisierung.
Das ging mir in der ersten Minute so. Allerdings ich bin an das Phänomen gewohnt. Selbst Hanecke-Filme ( der durch die Wiener Filmförderung gross geworden ist) haben die hochdeutsche Lautung. Das hängt mit dem Markt zusammen. 80 Mio. Deutsche oder so, Ausländer, die nur Hochdeutsch verstehen, das ist ein Zugeständnis an den Markt und ein Service für alle die, die nicht so gut deutsch sprechen.
Wienerisch wäre für die meisten nicht verständlich. So eine teure Produktion muss natürlich verstanden werden.
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stern
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Beitrag So., 03.03.2013, 11:18

Dampfnudel hat geschrieben:Hätte ich nicht gedacht, dass der Film mich so mitnimmt.
Ich will den so gerne sehen... aber genau das ist auch meine Befürchtungen . Leichtsinnigerweise erwähnte ich in der Therapie von einem anderen Film, der mir nicht bekam (und auf welche Art er mir nicht bekam. Dass es keine leichte Kost ist, war mir schon klar. Aber nicht, dass er mich so mitnimmt). Da kam von meiner Thera gleich pophylaktisch wie aus der Pistole geschossen : Aber in den Kampusch-Film gehen sich nicht. Also nicht, dass sie mir das verbieten könnte... das hatte eher etwas mütterlich-besorgtes. Nur wenn ich jetzt doch reingehe und das dann ansprechen würde, dass der mir auch nicht bekommen sei, könnte es den Eindruck erwecken, ich wolle das vielleicht gar nicht anders. Hmmm.

Da ich den Film noch nicht gesehen habe... kann ich mich nur auf eine Kritik berufen: Es wurde teils kritisiert, dass auch bildlich Ö bzw. Wien nicht so herauskommt. Na... schon klar, dass man keine Landschaftsdoku dreht... aber atmsophärisch würde mir das auch besser gefallen. Aber vielleicht ist als message auch eher gewollt: es kann überall passieren. Schon allein, dass auf ausländische Schauspieler zurückgegriffen wurde, passte nicht jedem. Aber es soll nicht so leicht gewesen sein, Schauspieler zu finden, die die Personen gut verkörpern können.
Zuletzt geändert von stern am So., 03.03.2013, 11:43, insgesamt 1-mal geändert.
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