Verhalten der Therapeutin löst Unsicherheit bei mir aus

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

Widow
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Beitrag Mo., 30.04.2012, 19:50

Liebe AufdemWeg,

mir scheint, dass montagne gerade etwas sehr Klärendes geschrieben hat:
So wie Du, liebe montagne, "Trauer" beschrieben hast, so wird das Gefühl, welches man mit diesem Wort zu bezeichnen versucht, meines Erachtens tatsächlich weitgehend verstanden. Und so, wie Du es beschrieben hast, ist es ein - in und mit und durch allen Schmerz - lebensbejahendes Gefühl, das hast Du sehr schön zum Ausdruck gebracht.

Ich glaube aber, dass es AufdemWeg um etwas anderes geht. Um eine Traurigkeit, die als Reaktion auf schlimme Verluste immer wieder einem alles ins Wanken bringt: Die Welt, die um einen herumsteht, die Zeit, die in einem vergeht, und auch das eigene Ich, das ohnehin so ein fragiles Dingens ist.

Herzlich alle, die hier lesen, grüßend,
Widow

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montagne
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Beitrag Mo., 30.04.2012, 20:01

ja es holt einen immer wieder ein.. weil man ja weiterlebt und die anderen weiter weg sind....
ich glaube.. für mich persönlich.. es hört nie auf. diese Trauer wird immer wieder kommen. aber für mich persönlich wird es aushaltbarer, lebbarer, akzeptabler.

früher wollte ich sterben, weil die trauer so schlimm war. oder ich sterbe einfach, egal ob ich will oder nicht.
die trauer ist immer noch schlimm und verschlingend. aber ich weiß ich will und muss nicht mehr sterben.

ich glaube die trauer gehört irgendwann zum leben. die frage ist wie man damit umgeht. ob man gegen sie kämpft oder sie annimmt.
amor fati

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Beitrag Mo., 30.04.2012, 20:36

Annehmen über all hör ich das und ich frag mich: was soll das eigentlich bedeuten?
Annehmen bedeutet für mich eine Wahl zu haben
aber die habe ich nicht.
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montagne
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Beitrag Mo., 30.04.2012, 20:43

du hast die wahl es anzunehmen oder nicht.

annehmen heißt aber nicht, dass wir eine wahl darin haben was uns widerfährt. es heißt vllt. genau das gegenteil davon. das wir annehmen, das wir darauf keinen einfluss haben. das anerkennen. ich glaube das leben an sich ist größer als jeder einzelne von uns.

manchmal hadere ich auch so sehr damit, dass andere weg sind und ich immer noch da bin, dass wir getrennt sind.
aber in momenten wie diesen denke ich wirklich das leben ist größer als das. leben heißt... leben wie es passiert. es heißt nicht, dass wir über alles die kontrolle haben,. nur in einem gewissen rahmen haben wir sie. und der ist schon sehr viel früher erreicht, als bei der frage von leben und tod an sich.

ich habe für mich angenommen das es so sein soll, das sich noch lebe und andere nicht. ich kann mich auch dagegen entscheiden, aber ich glaube es hatte einen sinn, dass ich noch lebe. nämlich den sinn, das sich mein leben lebe, so wie es ist.
amor fati

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Beitrag Mo., 30.04.2012, 20:47

Mir kommen solche Worte
an Tagen an denen ich mich so fühle wie heute vor wie Hohn oder wie ein Konstrukt um überhaupt weiterzuleben.

Mein Problem ist aber nicht das weiterleben
ich lebe gerne!
Mein Problem ist die Traurigkeit und die zieht mich runter, die lähmt mich, die macht mich kaputt.
Und deswegen ignorieren ich sie und mache weiter im Programm und deswegen kann ich sie auch nicht teilen weil dann tritt sie so richtig auf den Plan...und DAS kann ich nicht gebrauchen
weil ich nämlich da sein will...
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bloedekuh
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Beitrag Mo., 30.04.2012, 20:52

Definition für annehmen: Akzeptieren, dass man auf irgendwas keinen Einfluss hat und sich diesen Entschluss schön reden. Der Gegensatz wird als Resignation bezeichnet. Auch angenommen, aber mit schlecht reden.
Die Welt ist eben so, wie sie ist und sie fragt uns nicht nach unserer Meinung. Die Verklärung unserer selbst und unserer Gefühle mag uns kurzfristig ein Wohlgefühl verschaffen, es ist aber dasselbe wie wenn man durch verschiedene Farbgläser die Welt betrachten würde. Hier überwiegend durch rosarote.
Sag es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet:
Das Lebendge will ich preisen,
Das nach Flammentod sich sehnet.
(Goethe: Selige Sehnsucht)

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Beitrag Mo., 30.04.2012, 20:55

@boedekuh

heute Nacht in meiner Traurigkeit würde ich komplett bei dir unterschreiben!
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Widow
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Beitrag Mo., 30.04.2012, 20:55

**AufdemWeg** hat geschrieben: Annehmen bedeutet für mich eine Wahl zu haben
aber die habe ich nicht.
Liebe AufdemWeg,

ich möcht gern mit Dir tanzen: "Annehmen", den, DIESEN, genau DIESEN, diesen speziellen Tod "akzeptieren" --- ich hätte fast neue Tode verursacht, als mit diese Worte gesagt wurden (und ich wäre immer noch versucht, das zu tun, sollte jetzt immer noch jemand aus meiner Umgebung diese Worte sagen - das macht aber selbst Mr. Gemini52 nicht mehr; jedenfalls seit geraumer Zeit nicht mehr *fingerkreuz*).

Keine Wahl. Ja. So ist das. Ich konnte ihn ja nicht ablehen, DIESEN Tod. Also kann ich ihn auch nicht annehmen.

Was vielleicht ich, und vielleicht Du, was wir aber eventuell können, das ist: Uns in der Zeit zusehen.
Denn, so jedenfalls meine Erfahrung: Die Zeit, in der ja Dinge passieren (z.B. Therapie), sie macht was. Sie vergeht. Und sie vergeht in uns. Ich bin jetzt schon nicht mehr ganz dieselbe, die eingangs mit Dir tanzen wollte (das aber will ich immer noch!).

Und wohin und wozu das alles führt? Don't know, ist mir heut Abend aber egal. Auch das ein Effekt heute verstrichener Zeit.

Wie ist das? Du hast Familie. (Von wegen: "nix geschafft" aus einem andern posting von Dir!) Kannst Du Dir darin, in Deiner Familie, beim Zeitvergehen zusehen? Guten Gefühls, ohne Traurigkeit - das wünsch ich Dir!

w.

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Mary-Lou
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Beitrag Mo., 30.04.2012, 20:58

Ist es denn nicht gerade die Kunst, die Welt auf verschiedene Art und Weise betrachten zu können? Im Übrigen finde ich die Welt auch durchaus in rot, gelb oder violett schön. Wie so vieles, liegt es wohl auch hier im Auge des Betrachters.
Frühling: „Eine echte Auferstehung, ein Stück Unsterblichkeit.” (Henry David Thoreau)

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münchnerkindl
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Beitrag Mo., 30.04.2012, 21:00

**AufdemWeg** hat geschrieben:
Mein Problem ist aber nicht das weiterleben
ich lebe gerne!
Mein Problem ist die Traurigkeit und die zieht mich runter, die lähmt mich, die macht mich kaputt..
Ist es denn eine Traurigkeit aufgrund von konkreten Ereignissen in deinem Leben, also sagen wir mal Tod, die Liebe deines Lebens hat sich für jemand anders entschieden, deine berufliche Traumperspektive ist unwiederbringlich futsch, etwas konkretes in diese Richtung.

Oder so eine multikausale Sache mit vielen kleinen Anlässen, nach dem Motto "alles in meinem Leben geht schief".

Oder ist es diese diffuse depressive Traurigkeit, ein runtergezogensein das eigentlich gar keinen so konkreten momentanen Anlass hat?

Wenn du nachspürst warum du traurig bist, was findest du da, wenn du mal in dieses Gefühl reinschaust?


montagne
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Beitrag Mo., 30.04.2012, 21:05

ich lebe gerne!
Mein Problem ist die Traurigkeit
Ja eben drum ist die Trauer so stark, weil du gerne lebst... glaube ich...

Ich kann mir vorstellen, dass es sich heute Abends für dich wie Hohn anfühlt. Ich kenne dieses Gefühl. Vllt. fühlen sich meine eigenen Worte in ein paar Wochen oder Monaten für mich auch wieder an wie Hohn. das ist es ja. Einmal kommt die Trauer näher, dann rückt wie wieder weg. Einmal fühlt es sich wie Hohn an und dann wird es wieder klarer.

Ich weiß nicht wie es wird, in der Zukunft. Ich weiß aber heute Abend, dass der Tod zum Leben dazugehört. Irgendwann verliert jeder seine Unschuld, irgendwann wird jeder Überlebender und Hinterbliebender des Todes. Jeder.

Ich kann nichts dagegen machen, dass meine Worte vllt. wie Hohn klingen. Aber sie sind gewiss nicht so gemeint. Sie kommen von meinem inneren, von meiner Brust, wo meine Trauer wohnt. Manchmal ist meine Brust ganz zugezogen und eng... und manchmal ist sie weit....

Ich versuche einfach nicht mehr dagegen anzukämpfen. Ich versuche es. So wird es leichter.
amor fati

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bloedekuh
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Beitrag Mo., 30.04.2012, 21:14

@ Mary Lu: Eine Kunst ja. Genauso wie schöne Musik zu komponieren. Problem der Kunst ist halt, dass sie nicht angelernt werden kann und die Frage nach Wahrheit darin nichts zu suchen hat.
Sag es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet:
Das Lebendge will ich preisen,
Das nach Flammentod sich sehnet.
(Goethe: Selige Sehnsucht)

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Sabriel
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Beitrag Mo., 30.04.2012, 21:45

Widow hat geschrieben: Was vielleicht ich, und vielleicht Du, was wir aber eventuell können, das ist: Uns in der Zeit zusehen. Denn, so jedenfalls meine Erfahrung: Die Zeit, in der ja Dinge passieren (z.B. Therapie), sie macht was. Sie vergeht. Und sie vergeht in uns.
Der Tod findet manchmal in der Zeit statt, und manchmal vor der Zeit. Dann schmerzt nicht nur der Verlust, sondern auch die nicht-lebbare Zeit. Und manchmal findet der Tod so sehr vor der Zeit statt, dass der Schmerz ueber das nicht-lebbare Leben unertraeglich wird.

Vielleicht kann man in der Zeit irgendwann auch Abschied nehmen, von all dem ungelebten, aber das ist eine eigene schwere Last, neben dem Abschied vom Menschen.

Ich kann dir grade gar nichts wuenschen, AufdemWeg, aber ich denke an dich.

Viele Gruesse
Sabriel
“I'm just the weatherman
I make the sun, wind, rain and the colourful rainbow
I am a lucky man
I can freeze my pain if I feel that way”

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Mia Wallace
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Beitrag Di., 01.05.2012, 09:23

Hallo liebe Auf dem Weg,

ich glaube, daß Trauer -wie jedes andere echte Gefühl- etwas sehr Lebendiges ist.
Kann es sein, daß du Trauer und Depression (also Leere, das Gefühl der Gefühllosigkeit, tiefste Löcher, die mit normaler Trauer nichts mehr zu tun haben) verwechselst?

Liebe Grüße
Mia

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Beitrag Di., 01.05.2012, 14:55

Vielleicht kann man in der Zeit irgendwann auch Abschied nehmen, von all dem ungelebten, aber das ist eine eigene schwere Last, neben dem Abschied vom Menschen.


Dann höre ich immer wieder
wo eine Tür zugeht
geht eine andere auf.

Was ist wenn das aber nicht wahr ist?
Was ist wenn das alles nur beruhigende Flosskeln sind?
Was ist wenns einfach so ist, dass es immer nur um Abschiede geht
und das berühmte Loslassen?

Immer das Gefühl dabei selbst verkehrt zu sein
wenn man das nicht erfüllt, was andere Menschen verlangen.
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