TFP - kein Vertrauen

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Hamna
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Beitrag Fr., 16.03.2012, 11:37

Müki, schön dass du wieder da bist! Hast wohl mein Rufen gehört?
Also was mir hier auffällt ist die Pauschalisierung: "IMMER" gibst du anderen Menschen "die Schuld"
Den genauen Wortlaut und ob er "immer" sagte, weiß ich jetzt gar nicht mehr so genau. Auf jeden Fall meinte er, das sei wohl ein Muster bei mir.
Erstens geht es nicht um Schuld. Es geht um Verantwortung.
Ja, dass ich mehr Verantwortung für mein Leben übernehmen muss, sagte er auch. Und dass ich das wohl nicht so gern tue, Verantwortung übernehmen, weil das ja auch ein Stück weit unbequem sei . Ehrlich gesagt, fühlte ich mich da schon ertappt, das habe ich ihm auch gesagt.
Ich denke mal nicht daß du in jeder Situation deines Lebens ausschliesslich die Verantwortung für Schiefgegangenes anderen Personen zuschiebst.
Naja... seitdem ich da jetzt mal ein paar Tage drüber nachgedacht habe, sieht es schon so aus, zumindest in den letzten paar Jahren, also mit Beginn der Depression .Ich weiß nicht, wodurch ich dieses Denken bekommen habe, dass andere mich wegen meiner Depression zu schonen hätten, und immer wenn es mir schlecht ging, war also irgendjemand nicht schonend genug mit mir umgegangen, ich hatte da so eine Anspruchshaltung entwickelt, oder eben wirklich eine Schonhaltung. Aber ich glaube, während der schweren Depression konnte ich auch einfach gar nicht anders. Selbst Verantwortung zu übernehmen, dazu hatte ich wohl gar nicht die Kraft. Und dann muss dieses Denken, diese Haltung, wohl irgendwie zur Gewohnheit geworden sein.

Von daher finde ich es wirklich gut, dass er das erkannt und mir gesagt hat. Den ersten Schock habe ich ja jetzt überwunden und angefangen, mit der neuen Erkenntnis zu arbeiten, und das fühlt sich auch gut an.

Das ist jetzt eigentlich tatsächlich das erste und was ganz wichtiges, was bei der Therapie für mich rausgekommen ist.
Naja, ein Therapeut ist ja nun ein Dienstleister, der sein Geld dafür bekommt daß er Hilfe bei einer Krankheit leistet, nicht irgendein Kaffeekränzchenonkel aus dem Bekanntenkreis, den man ggf tatsächlich vergrault wenn man zu wenig nett und pflegeleicht ist und mit zu vielen Problemen ankommt.
Naja, auch einem Therapeuten kann's ja mal zu blöd werden, außerdem fühle ich mich da schon auch ein Stück weit ausgeliefert, so dass ich mir dann auch wünsche, er möge mich sympathisch finden, weil er dann wahrscheinlich netter zu mir ist und nicht fies wird oder so. Also, dass ist tatsächlich eine reale Angst bei mir. Ich hab es ja in der Klinik erlebt, der Therapeut war wirklich ganz toll und konnte so richtig was, aber da er mich nicht leiden konnte, weil ich mich wie eine Wildsau benommen habe, kam ich nicht in den Genuss seiner "Kunst". Er steckte mich in die Schublade "impulsive PS" und machte sie zu, fertig.
Der Automechaniker muss auch damit leben daß man in dem Beruf dreckig wird. Also wenn ein Therapeut nur pflegeleicht-weichgespülte Klineten toll findet und den Rest so schnell als möglich loswird hat er ganz einfach seinen Beruf verfehlt und man sollte sich schleunigst einen anderen suchen.
Auch ein Automechaniker wird mich irgendwann wegschicken, wenn ich ihn nicht das kaputte Getriebe reparieren lasse, sondern immer nur hier und da ein Fleckchen aus dem Lack poliert haben möchte.
Ich glaube, mein Therapeut hat den Eindruck, ich lasse ihn nicht an die richtigen Baustellen ran, und dass er dann irgendwann frustriert ist, kann ich sogar verstehen.

Irgendwie finde ich es gerade selbst merkwürdig, dass ich ihn verteidige. Kann an meiner Tagesstimmung liegen, aber ich glaube, so ganz falsch liege ich trotzdem nicht damit.
Ja, Narzissmus ist immer eine Bewältigungsstrategie für innere Unsicherheit.
Stimmt, das war mir sogar auch schon mal bewusst, hatte es aber vergessen.

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münchnerkindl
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Beitrag Fr., 16.03.2012, 11:51

Rilke hat geschrieben: Ich glaube, mein Therapeut hat den Eindruck, ich lasse ihn nicht an die richtigen Baustellen ran, und dass er dann irgendwann frustriert ist, kann ich sogar verstehen..
Geht er denn ausreichend sensibel und einfühlsam mit deinen Schwachpunkten und Problemen um daß er es verdient daß du ihn an diese ranlässt?

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Justus
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Beitrag Fr., 16.03.2012, 11:52

Kurze Zwischenfrage:

Es wird hier viel von Verantwortung übernehmen gesprochen...

...aber was meint ihr damit konkret? Mehr Selbstreflektion? Einen höheren Blick auf die Geschehnisse?

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münchnerkindl
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Beitrag Fr., 16.03.2012, 11:55

Justus hat geschrieben:Kurze Zwischenfrage:

Es wird hier viel von Verantwortung übernehmen gesprochen...

Und wie steht es mit der Fähigkeit das zu tun? Weil die Fähigkeit dazu ist ja auch nicht was das einfach so vom Himmel fällt.

Und während einer schweren Depression ist man dazu ja schon krankheitsbedingt nur eingeschränkt in der Lage.

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Hamna
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Beitrag Fr., 16.03.2012, 12:40

titus2 hat geschrieben:Mir wäre jedenfalls wichtig, eine gewisse Systematik in die Therapie zu bekommen. Ich meine, wenn man so gar nicht weiß, ob man über 50 Stunden oder über 300 Stunden spricht, dann ist doch klar, dass einen das verunsichert. Da fände ich es jetzt schon wichtig, dass er sich mal festlegt, WAS er nun beantragen will. Er kann ja eine Analyse beantragen und dann schauen, ob ihr das wirklich so macht oder eben etwas 'abgeschwächt', weil man dafür ja auch ziemlich stabil sein muss. Was ich aber einfach nicht verstehen kann, ist, dass er nicht mal weiß, nach fast 50 Stunden, was er nun langfristig mit dir vorhat. Das würde mich total erschüttern, ehrlich gesagt.
Das finde ich ehrlich gesagt gar nicht so schlimm, solange er mich nicht gegen meinen Willen wegschickt. Ich weiß ja, dass bei Bedarf mehr geht und er mich auch nicht einfach so wegschicken wird, wenn es mir noch schlecht geht. Jedenfalls hat er mir das schon mehrmals gesagt. Ich meine, er hat noch nie gesagt "och, wir können uns da jetzt mal 300 Stunden Zeit nehmen", denn 300 Stunden sind ja auch eher die Ausnahme, und er mogelt die maximale Stundenzahl sowieso eher nach unten, um mir keine falschen Hoffnungen zu machen. Aber, naja, ich sag mal so... manchmal "droht" er ein bißchen, wie z. B. in der letzten Stunde, mit dem baldigen Ende oder so wie jetzt mit der Möglichkeit, dass der Antrag nicht durchgeht. Und wenn er dann merkt, dass er mich damit erschreckt hat und mir die Tränen kommen, dann lenkt er wieder ein und tröstet mich und sichert mir wieder zu, dass wir weitermachen und er mich nicht hängen lässt.

Also, dass du da bisher noch keine Einsichten hast in die Ursachen deiner Störung, das ist das Eine. Aber mindestens genauso wichtig finde ich die Frage, ob ihr euch wenigstens darüber einig seid, dass ihr zusammen arbeiten könnt und wollt. Und dafür müsste er dann schon mal aus den Puschen kommen. Das sind ja immer zwei Ebenen, um die es in einer Therapie geht. Da würd ich ihn schon mal verbindlich fragen, was er sich vorgestellt hat.
Also, bisher waren wir uns - ich sag mal: überwiegend - einig, dass wir zusammen arbeiten wollen. Ich muss mich da bei ihm schon ab und an mal rückversichern, ob das bei ihm so ist, besonders wenn es zu solchen Irritationen kommt wie im Moment, und er sichert mir das dann auch immer wieder zu. Bei mir sieht es aber ja im Moment eher so aus, dass ich vielleicht nicht mehr will. Was das Können angeht, das habe ich ja schon früh in Frage gestellt, wie schon beschrieben z. B. mit meinem Einwurf im letzten Jahr, dass ich den Eindruck habe, wir kämen nicht zusammen in die Arbeit. Also, über das Können müssen wir uns nun wirklich nochmal ernsthaft unterhalten. Und durchaus beide aus den Puschen kommen, ich nehme mich da ja nicht aus.
Und wieso er dir ausgerechnet jetzt - wo du ja eigentlich meinst, stabiler zu sein - sagt, du solltest in die Klinik gehen. Das sagt man ja nicht einfach so aus einer Laune heraus.
Das hat er wohl gesagt, weil ich ihm erzählt habe, dass ich mich am Montagabend aus lauter Verzweiflung gezielt betrunken habe. Ich weiß nicht, ob das nur eine Art "Drohgebärde" war oder er das tatsächlich ernst meint, vielleicht befürchtet er auch einfach, es würde wieder mehr werden und damit das Suizidrisiko wieder steigen. Da kann ich aber versichern, dass das nicht passieren wird.
Und dann noch mal: Was sind denn die nicht-therapeutischen Themen? Kann man nicht als Therapeut jedes x-beliebige Thema zu einem therapeutischen Thema machen? Also: Wenn du stundenlang erzählst, dass du dich fragst, ob du dir die Haare blau oder pink färben sollst, dann wäre es doch wohl an ihm, sich zu überlegen: "Was will Rilke mir damit sagen (oder NICHT sagen)?" - Das ist doch nicht dein Job, vorher zu reflektieren, was dem Herrn genehm ist? Mir versucht man gerade einzutrichtern, dass es MEINE Stunden sind und MEINE Zeit ist, die ich füllen kann, womit ich das möchte. Ist das nicht so üblich?
Und das ist eben ein sehr wichtiger Punkt! Vielleicht ist ihm das aber jetzt auch klar geworden, denn schließlich hat er jetzt durch mein "Alltags-Blabla" das Muster erkannt, die Verantwortung/Schuld auf andere zu schieben. Ich habe ihm aber auch schon vier mal erzählt, ich käme allein nicht an meine eigentlichen Themen ran. Das mag für ihn nach einer Weile frustrierend sein (für mich übrigens auch), aber vielleicht sollten wir uns mal überlegen, ob er mir da nicht helfen kann. Es ist ja nicht so, dass ich nicht reden würde, z. B. hilft es mir immer sehr, wenn er Fragen stellt. Kann sein, dass er befürchtet, mich dadurch in eine bestimmte Richtung zu lenken, aber wenn ich einmal drin bin, dann finde ich schon meinen Weg. Und letztendlich: ich weiß ja nicht, was mich so verkorkst hat, also wo soll ich da anfangen zu erzählen? Ich kann mir ja auch nicht auf Verdacht irgendwas rauspicken.

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Hamna
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Beitrag Fr., 16.03.2012, 12:53

münchnerkindl hat geschrieben:
Rilke hat geschrieben: Ich glaube, mein Therapeut hat den Eindruck, ich lasse ihn nicht an die richtigen Baustellen ran, und dass er dann irgendwann frustriert ist, kann ich sogar verstehen..
Geht er denn ausreichend sensibel und einfühlsam mit deinen Schwachpunkten und Problemen um daß er es verdient daß du ihn an diese ranlässt?
Ja, in den wenigen Stunden, in denen ich mal richtig ans Eingemachte ging, war er sehr behutsam und fürsorglich, das war schön.


leberblümchen
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Beitrag Fr., 16.03.2012, 13:39

Vielleicht ist die Frage etwas blöd, aber: Wieso kommst du denn nicht an deine Themen ran? Ich meine, er wird ja wohl nicht fragen: "So, nun erzählen Sie mir mal, was Sie unbewusst fühlen". Tastet man sich da nicht langsam vor? Hast du denn gar keine Erinnerungen, an die du anknüpfen kannst? Spürst du denn ihm gegenüber gar nichts - Wut, Angst usw.?

Also, irgendwie meine ich, dass es der Job des Analytikers ist, zu analysieren, warum du nicht an dich herankommst, oder liege ich da falsch?

Vielleicht liegt das daran, dass du ihm nicht vertraust? Wenn ich jemandem nicht vertraue, dann entblöße ich mich vor ihm auch nicht gerade. Und dass du nicht vertraust, hast du ja gesagt.

Und dann verstehe ich nicht, wieso er dich immer wieder so verunsichert. Gehört das zum Interventions-Standard-Repertoire? Ich meine, wenn du eine Persönlichkeitsstörung hast, ist es doch klar, dass dich so was aus der Bahn wirft - wie sollst du denn da vertrauen können, wenn du alle paar Wochen darauf warten kannst, dass er mit seinem "jetzt-weiß-ich-auch-nicht-mehr-weiter-" ankommt?

Ich bin ja selbst im Gegensatz zu dir eher unerfahren, aber ich würde mal meinen, dass man nur vertrauen kann, wenn man sich wirklich fallenlassen kann und wirklich das Gefühl hat, dass derjenige helfen kann und wird. Und wenn du das nicht spürst, dann wäre es doch an ihm, dir da ein bisschen Sicherheit zu vermitteln.

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Hamna
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Beitrag Fr., 16.03.2012, 14:54

Vielleicht ist die Frage etwas blöd, aber: Wieso kommst du denn nicht an deine Themen ran? Ich meine, er wird ja wohl nicht fragen: "So, nun erzählen Sie mir mal, was Sie unbewusst fühlen". Tastet man sich da nicht langsam vor? Hast du denn gar keine Erinnerungen, an die du anknüpfen kannst? Spürst du denn ihm gegenüber gar nichts - Wut, Angst usw.?
Nein, das fragt er nicht, er fragt: "Gibts es was, worüber Sie heute sprechen möchten?" oder öfter: "Wie geht's Ihnen, wie war die Woche?" (da bin ich dann aber sofort in Alltags-Blabla, also eigentlich forciert er das sogar mit dieser Frage ständig). Ich kann nicht aus dem Stand erzählen "Ja also, meine Eltern haben damals immer...", da würde mir entweder nichts einfallen, oder es ist zu schmerzhaft oder ist eben einfach so ohne Zusammenhang. Die Stunden, wo ich richtig was erzählen konnte, fingen auch damit an, dass er was gefragt hat, z. B. was mein Vater für ein Mensch ist, wie er mit mir umgegangen ist. Da komme ich dann gut ins Erzählen, aber ich hätte zum Beispiel niemals eine Stunde damit angefangen, dass ich von mir aus sage "Also, übrigens, mein Vater ist so ein Mensch:..."

Dass ich Angst vor ihm habe, habe ich ihm ja nun kürzlich mal erzählt, und auch warum. Ich habe tatsächlich fast panische Angst davor, er könnte aus seiner professionellen Rolle fallen, wie mein Ex-Thera. Daraufhin kam ja in der nächsten Stunde der "Vorwurf", anderen die Schuld zu geben. Da hatte ich dann tatsächlich auch den Eindruck, er verwendet das Erzählte irgendwie gegen mich, und das verletzte mich auch ziemlich, zumindest in diesem speziellen Zusammenhang.
Also, irgendwie meine ich, dass es der Job des Analytikers ist, zu analysieren, warum du nicht an dich herankommst, oder liege ich da falsch?
Aber wir arbeiten ja nicht analytisch Wobei ich mich auch immer etwas wundere, dass er das so trennt.
Vielleicht liegt das daran, dass du ihm nicht vertraust? Wenn ich jemandem nicht vertraue, dann entblöße ich mich vor ihm auch nicht gerade. Und dass du nicht vertraust, hast du ja gesagt.
Ja, ich habe das erstmals ganz stark gemerkt, als er von der Couch anfing und sagte, im Liegen könnte alles Mögliche hochkommen. Da hab ich sofort starke Angst bekommen, hab aus dem Stand angefangen zu heulen wie verrückt und habe mich insgeheim gefragt, ob und wie er mich auffangen kann, wenn da tatsächlich was hochkommt. Da hatte ich eben starke Zweifel, ob er das kann. Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, mittlerweile traue ich ihm da schon ein bisschen mehr zu.
Und dann verstehe ich nicht, wieso er dich immer wieder so verunsichert. Gehört das zum Interventions-Standard-Repertoire? Ich meine, wenn du eine Persönlichkeitsstörung hast, ist es doch klar, dass dich so was aus der Bahn wirft - wie sollst du denn da vertrauen können, wenn du alle paar Wochen darauf warten kannst, dass er mit seinem "jetzt-weiß-ich-auch-nicht-mehr-weiter-" ankommt?
Keine Ahnung. Manchmal habe ich tatsächlich den Eindruck, er steht drauf, mich so zu verunsichern, bis mir die Tränen kommen und ich ihn fast anbettel, mich nicht wegzuschicken. Das Perfide daran ist, dass er damit exakt ein (ihm bekanntes) "Spiel" meines Vaters wiederholt, der mich als Kind zum Weinen brachte, weil er es so schön fand, mich zu trösten. Irgendwie ist das pervers! Ich weiß nicht, ob er das mit Absicht macht, da sich das aber tatsächlich alle paar Wochen wiederholt, glaube ich das fast.

Das komische ist, dass mein Betreuer vom Sozialpsychiatrischen Dienst das auch gemacht hat! Der kannte aber die Geschichte mit meinen Vater nicht.
Ich bin ja selbst im Gegensatz zu dir eher unerfahren, aber ich würde mal meinen, dass man nur vertrauen kann, wenn man sich wirklich fallenlassen kann und wirklich das Gefühl hat, dass derjenige helfen kann und wird. Und wenn du das nicht spürst, dann wäre es doch an ihm, dir da ein bisschen Sicherheit zu vermitteln.
Im Grunde hat er das schon getan, einerseits, indem er ja sehr gut reagiert hat in den Stunden, wo ich wirklich geredet habe - also, die Stunden mit den psychotherapeutischen Themen, sag ich mal
Ja, aber andererseits... alles andere.

Ich weiß nicht, indem ich mich hier so intensiv jetzt mal damit (mit ihm) auseinandersetze, scheint mein Vertrauen aber irgendwie auch ein bisschen zu wachsen. Vielleicht liegt das aber auch nur daran, dass er mir gerade nicht gegenüber sitzt.


leberblümchen
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Beitrag Fr., 16.03.2012, 15:13

Hast du ihm denn mal gesagt, dass dieses Spielchen, dich erst zu verunsichern und dich dann zu trösten, genau das ist, was du von deinem Vater kennst? Ich meine, so funktioniert doch eine tiefenpsycholog. Behandlung. Und so arbeitet man sich langsam vor.

Und was sagt er, wenn du ihm sagst, dass du dir vorkommst, als würde er alles gegen dich verwenden? Das ist doch total spannend. Dazu müsste er doch etwas sagen können, nicht im Sinne von: "Ich hab Sie doch aber so lieb", aber irgendwie in die Richtung: "Woher kennen Sie das?" oder so.

Ich kenne das auch nicht so, dass ich in die Stunden komme und sage: "Heute reden wir mal darüber, dass meine Mutter mich im Alter von 6 Jahren gedemütigt hat" - das kommt dann irgendwie automatisch, und wo ich so darüber nachdenke, frage ich mich, wie es überhaupt dazu kommt, dass wir bei diesen Themen landen Ich plane das ja nicht vorher, sondern man fängt mit irgendwas an, mit einem bestimmten Erlebnis aus der Gegenwart, und dann sehe ich es plötzlich vor mir: "So war es damals auch schon, als...".

Mir fällt es auch immer schwer, so aus dem Nichts heraus etwas zu erzählen, aber trotzdem bleiben wir eigentlich nie auf so einem Alltagsgetratsche-Level. Irgendwie landen wir fast immer bei meiner Kindheit.

Das ist halt das Problem, wenn so Fragen kommen wie: "Wie geht es Ihnen?" - Da ist man ja schon mittendrin im Kaffeeklatsch.

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münchnerkindl
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Beitrag Fr., 16.03.2012, 15:28

Rilke hat geschrieben: Nein, das fragt er nicht, er fragt: "Gibts es was, worüber Sie heute sprechen möchten?" oder öfter: "Wie geht's Ihnen, wie war die Woche?" (da bin ich dann aber sofort in Alltags-Blabla, also eigentlich forciert er das sogar mit dieser Frage ständig). Ich kann nicht aus dem Stand erzählen "Ja also, meine Eltern haben damals immer...", da würde mir entweder nichts einfallen, oder es ist zu schmerzhaft oder ist eben einfach so ohne Zusammenhang. Die Stunden, wo ich richtig was erzählen konnte, fingen auch damit an, dass er was gefragt hat, z. B. was mein Vater für ein Mensch ist, wie er mit mir umgegangen ist. Da komme ich dann gut ins Erzählen, aber ich hätte zum Beispiel niemals eine Stunde damit angefangen, dass ich von mir aus sage "Also, übrigens, mein Vater ist so ein Mensch:...".
Finde ich absolut nachvollziehbar und verständlich. So funktioniert das vermutlich bei den allermeisten Menschen.

Die Frage ist, warum tut er das dann nicht, klagt aber dann darüber daß sich das ganze so an der Oberfläche langbewegt.

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Hamna
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Beitrag Fr., 16.03.2012, 16:08

Mir fällt es auch immer schwer, so aus dem Nichts heraus etwas zu erzählen, aber trotzdem bleiben wir eigentlich nie auf so einem Alltagsgetratsche-Level. Irgendwie landen wir fast immer bei meiner Kindheit.
Und fängst du dann selbst von deiner Kindheit an, oder fragt er nach?
Hast du ihm denn mal gesagt, dass dieses Spielchen, dich erst zu verunsichern und dich dann zu trösten, genau das ist, was du von deinem Vater kennst? Ich meine, so funktioniert doch eine tiefenpsycholog. Behandlung. Und so arbeitet man sich langsam vor.
Nein, noch habe ich das nicht gesagt, das ist mir aber auch erst vor kurzem aufgefallen.
Und was sagt er, wenn du ihm sagst, dass du dir vorkommst, als würde er alles gegen dich verwenden?
Das habe ich ihm auch noch nicht gesagt
Ich weiß gar nicht mehr, ob mir das erst später eingefallen ist, dass er auch das gemeint haben könnte, oder ob ich irgendwie zu geschockt war in dem Moment.

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Hamna
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Beitrag Fr., 16.03.2012, 16:26

münchnerkindl hat geschrieben:Die Frage ist, warum tut er das dann nicht, klagt aber dann darüber daß sich das ganze so an der Oberfläche langbewegt.
Ja, das weiß ich auch nicht. Er hat es ja ein paarmal erlebt, dass ich mit seiner Hilfe, also wenn er fragt, gut in die Tiefe gehen kann. Das muss ich ihm wohl nochmal sagen.

Ich überlege gerade, ich bin generell, also auch im Alltag mit Freunden z. B., jemand der nicht so wirklich von sich aus was erzählt, das tiefer geht. Wenn jemand fragt, erzähle ich praktisch alles und bin total offen, aber dann bin ich mir auch sicher, dass Interesse da ist, denn ich wurde ja gefragt. Klingt vielleicht jetzt blöd in dem Zusammenhang, aber ich mag mich nicht aufdrängen mit meinem Kram. Und wer nicht fragt, der hat auch kein Interesse - das habe ich, glaube ich, hier schon mal geschrieben - und dann erzähle ich auch nichts. Was eigentlich total blöd ist, denn andererseits frage ich auch nie was, weil ich nicht aufdringlich oder neugierig erscheinen will, also privat. Da bin ich aber wohl wirklich aus meiner Kindheit total konditioniert, mir wurde immer eingebleut, bloß niemanden zu nerven, und das ist eine ganz fest verankerte Angst bei mir, dass ich jemanden nerven könnte.


leberblümchen
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Beitrag Fr., 16.03.2012, 21:09

Rilke hat geschrieben: Und fängst du dann selbst von deiner Kindheit an, oder fragt er nach?
Das ist echt komisch: Mir geht es so wie dir: Wenn man erst mal darüber nachdenkt, kommen ganz neue Eindrücke, und man fragt sich, warum man darüber nicht vorher nachgedacht hat - ich weiß jetzt echt nicht, ob er damit anfängt oder ich. Es passiert irgendwie automatisch. Da sagt dann keiner: "Und jetzt kriegen wir mal die Kurve zur Kindheit" - wir sind einfach irgendwann mittendrin. Das ist wie so ein Fluss, in den man reingesprungen ist: Man schwimmt einfach immer weiter. Und dann fühlt es sich auch ganz normal an. Man sagt doch immer, dass man automatisch auf die wichtigen Dinge zu sprechen kommt, oder?
Hast du ihm denn mal gesagt, dass dieses Spielchen, dich erst zu verunsichern und dich dann zu trösten, genau das ist, was du von deinem Vater kennst? Ich meine, so funktioniert doch eine tiefenpsycholog. Behandlung. Und so arbeitet man sich langsam vor.
Nein, noch habe ich das nicht gesagt, das ist mir aber auch erst vor kurzem aufgefallen.
Und was sagt er, wenn du ihm sagst, dass du dir vorkommst, als würde er alles gegen dich verwenden?
Das habe ich ihm auch noch nicht gesagt
Ich weiß gar nicht mehr, ob mir das erst später eingefallen ist, dass er auch das gemeint haben könnte, oder ob ich irgendwie zu geschockt war in dem Moment.
So was finde ich bei einer tiefenpsychologischen Therapie ganz wichtig, dass man solche Sachen und Gefühle bespricht. Ich frag mich halt, ob er dich dazu ermutigt, oder ob es dir irgendwie komisch vorkäme, das anzusprechen. Wenn das natürlich nicht thematisiert wird, dass du ihm solche Sachen sagen 'darfst', dann ist das schwierig.

Äh, ja, das mit dem Nerven kommt mir sehr bekannt vor... Aber das muss doch besprochen werden!

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bloedekuh
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Beitrag Sa., 17.03.2012, 17:13

Man könnte die Situation zu Tode analysieren, über abstrakte Begriffe wie Verantwortung, Freiheit o.ä. diskutieren, Verständnis für die eine und/oder die andere Seite aufbringen...
Aber was ändert sich dadurch? Solange man nicht handelt, bleibt alles beim Alten.
Sag es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet:
Das Lebendge will ich preisen,
Das nach Flammentod sich sehnet.
(Goethe: Selige Sehnsucht)

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Hamna
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Beitrag Mo., 19.03.2012, 20:01

@bloedekuh: mit Handeln meinst auch du, Dinge zu benennen und anzusprechen in der Therapie, habe ich dich richtig verstanden?

Ihr habt ja recht, aber morgen habe ich z. B. wieder meinen Termin und weiß, wie immer am Tag davor, nicht wo mir der Kopf steht. Wenn es um die Therapie geht, fühle ich mich so oft unfähig, meine Gedanken zu ordnen. Werde hier auch nochmal lesen heute Abend, um mir einiges wieder präsent zu machen (auch wenn ich gerade Kopf und Herz mit was ganz anderem voll habe, aber darüber kann ich ja wieder nicht mit ihm sprechen, weil das kein "psychotherapeutisches" Thema ist. Für diese Ansage könnte ich ihn immer noch knutschen. ) Und wieder einen Zettel schreiben. Auch wenn ich noch nie während der Stunde draufgeschaut habe, weil es mir irgendwie total peinlich ist, meine Gedanken und Anliegen von einem Zettel ablesen zu müssen und somit zuzugeben, wie unsortiert ich oft innerlich bin.
Aber ich kann ja im Auto nochmal draufschauen.

Wenn ich an Morgen denke und mich in Gedanken da sitzen sehe, könnte ich gerade schon wieder losheulen. Überhaupt habe ich heute keinen guten Tag, ultra stressig alles und innerlich total aufgewühlt und auf Alarm.

Menno


Edit: titus, mich ermutigen, solche Dinge anzusprechen, das tut er nicht, leider. Und es ist nicht so, dass es mir komisch wäre oder ich mich nicht traue, das anzusprechen, aber oft fallen mir solche Dinge erst auf, wenn ich später über die Stunde nochmal nachdenke. Naja, und beim nächsten Mal ist dann wieder was anderes wichtiger. Aber ich versuche jetzt mal, beim Thema zu bleiben, denn es brennt ja gerade und muss und wird morgen besprochen werden. *sfz* Vielleicht ist's ja morgen auch die letzte Stunde. Wenn ich bedenke, dass es mir seit drei (?) Wochen schlecht und schlechter geht

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