Soll man Thera überhaupt sagen dass man 'verliebt' ist?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

isabe
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Beitrag Do., 28.07.2016, 18:08

Lieben kann man ja sowieso nur, wenn man auch die schlechten Seiten des Anderen kennt. Man liebt sozusagen nicht "weil", sondern "obwohl". In einer Therapie haben die schlechten Seiten des Therapeuten als Privatmensch aber nichts verloren.

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mio
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Beitrag Do., 28.07.2016, 18:08

ziegenkind hat geschrieben:hat irgendjemand schon einmal alles an einer anderen person geliebt?
Ja ich, denn das ist das Wesen von Liebe. Dass man auch das liebt, was einem vielleicht nicht so gefällt. Es gehört nunmal zu dem geliebten Menschen dazu und deshalb werde ich auch das dann lieben. Weil ohne wäre der andere ja nicht der, der er ist.

Und natürlich kennt man niemals "alles", auch dann nicht, wenn man in einer echten Liebesbeziehung ist - aber schon deutlich mehr als nur den "beruflichen Ausschnitt". Oder weisst Du, was für Unterwäsche Deine Thera trägt? Oder was sie alles gerne isst? Oder wie ihr Kleiderschrank aussieht? Ob sie den Klodeckel runter macht oder nicht? Was ihr regelmässig schlechte Laune bereitet? Ob sie ihr Ei köpft oder pellt? Etc. pp. Wohl kaum.

Das Gefühl sich "nahe" zu sein, bedeutet nicht, dass man der Person wirklich nahe ist. Das ist pure Romantik.

Nah ist man jemandem, in dessen Nähe man mal gelebt hat oder noch lebt, den man recht genau kennt. Je mehr, desto näher. Von meiner Thera kenne ich die Praxis. Ich hab ein paar persönliche Informationen, weiss ein paar kleine Fakten aus ihrem Privatleben, von der Privatperson. Das wars dann aber auch schon. Jemanden wirklich "kennen" und demjenigen wirklich "nah" sein ist für mich schon ein wenig mehr als nur das Gefühl emotionaler Nähe und Vertrautheit, das auch gehörig täuschen kann. Weil eben extrem "Fehleranfällig" und "idealisierbar".

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Schnuckmuck
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Beitrag Do., 28.07.2016, 18:10

Seine ganzen persönlichen Seiten haben in der Therapie nichts zu suchen sein Wesen mag die Ursache für seine Berufswahl sein, aber lässt keine Rückschlüsse auf ihn als Privatperson zu.

Er ist ein unbeschriebenes Blatt

Ich liebe übrigens nicht alles an meinem Mann, aber das muss ich auch nicht.


ziegenkind
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Beitrag Do., 28.07.2016, 18:37

Kann es nur eine form der liebe geben?

heisst sich und seinen gefühlen gegenüber ehrlich sei, heisst reifes lieben nicht auch, dass ich niemanden immer und zu jeder minute lieben kann?

Folgen wir gerade beim lieben nicht oft eher ideqlvorstellungen, von dem wie wir sein wollen als dem, was wir fühlen? Und lieben wir dann schon wirklich oder denken wir noch, wir lieben?

Ich liebe nicht alles an meinem mann und nicht alles an meiner therapeutin. Ich liebe beide anders. Und ich liebe meine therapeutin ni ht für die ihre zuwendung, sondern für ihr lebendig sein in man hen momenten, aber auch für ihr unbeholfensein in anderen. Einmal hab ich sie sehr geliebt für die art ihres wütend seins. Und: in vielen momenten wusste ich mich von ihr geliebt, wohlwissend, dass sie nicht mit mir leben will und ich (meistens) nicht mit ihr.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Schnuckmuck
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Beitrag Do., 28.07.2016, 19:22

Ich glaube aber nicht, dass du bei der liebe zu deiner Therapeutin von einer liebe sprichst, die mit einer Liebe übereinstimmt, in der man sich eine Partnerschaft wünscht,

Man kann auch eine sehr gute,Freundin für ihren Charakter lieben, für ihre Herzlichkeit, für ihre Art mit Kids umzugehen.

Aber das sind zwei paar schuhe

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Solage
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Beitrag Do., 28.07.2016, 20:08

Ich weiß, wie es sich anfühlt sich zu verlieben.
Ob ich mich in Herrn Müller oder in den Therapeuten verliebe, ist es doch mein ureigenes Verliebtheitsgefühl.

Wenn ich mich verliebte, dann war das eher spontan in Männer, die ich eben noch nicht so gut kannte. Die ein Geheimnis für mich waren. Aufregend mit einer entsprechenden sexuellen Anziehung. Mit Herzklopfen, großer Aufregung im Kontakt, nicht bei Sinnen sein, rosarote Brille, Verklärung.....etc.
Kannte ich den Mann dann länger, intimer, wusste ich mehr über ihn, löste sich das Gefühl entweder wieder auf oder es entwickelte sich Liebe.

Wenn sich in der Therapie eine große Vertrautheit entwickelt, ich mich sehr wohl und aufgehoben fühle, dann bin ICH nicht verliebt, sondern fühle mich verstanden.

Als ich meinem jetzigen Therapeuten mal sagte, dass er doch so viel von mir weiß und ich doch so wenig von ihm, da widersprach er mir: "Sie wissen doch auch schon sehr viel über mich, wir kennen uns doch."
Ja, das stimmt. Erfahre ich doch wirklich auch viel über ihn, wenn er Stellung bezieht, seine Meinung äußert und auch konkret auf meine Fragen antwortet. Dabei Affekte zeigt, sehr engagiert ist und keineswegs eine leere Leinwand ist. Das passiert nicht alleine durch bezahlte Dienstleistung. Da begegnen sich immer auch zwei Menschen mit sich.


mio
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Beitrag Do., 28.07.2016, 21:31

ziegenkind hat geschrieben:Kann es nur eine form der liebe geben?
Nein, aber hier geht es ja um "Verliebtheit" und darum, ob sowas realistisch ist.

Wenn Du nur die "Therapeutin" (die Du ja kennst) mit ihrer Art zu therapieren liebst, dann ist das ja kein "Realitätsverlust" (wenn Du sagst, dass Du ihr nah bist und sie nah kennst schon eher, Du hast Dich ihr in bestimmten Momenten nah gefühlt, weil Du sie nah an Dich rangelassen hast. Sie wird da schon eine therapeutische Distanz gewahrt haben, auch dann, wenn Dir das vielleicht anders vorkam.).

Verliebtsein bedeutet dass sich mehr Nähe gewünscht wird als da ist, dass gedanklich um den anderen und Phantasien wie es mit ihm gemeinsam so ist/wäre gekreist wird. Das ist ja sehr viel Sehnsucht mit drin. Und diese Sehnsucht läuft eben in den luftleeren Raum, so nicht geschaut wird, was der Sehnsucht eigentlich (an eigenen unbefriedigten Wünschen und Bedürfnissen) zu Grunde liegt.

Für meine Begriffe liegen diese Gefühle in dem Gefühl des uneingeschränkten "Angenommenwerdens" begründet, was ja auch in der Liebe ein Stück weit so ist. Von daher lässt es sich nicht klar trennen. Nur dass ein Therapeut dies eben aufgrund seiner "Funktion" tut, es ist also ein Stück weit einfach "illusionär" selbst wenn es im Setting real ist.

In der "echten" Liebe wird mein Gegenüber sich aber - so es gesund ist - nicht alles bieten lassen von mir und auch nicht immer verständnisvoll nur auf mich und meine Bedürfnisse/Erleben schauen sondern eben auch sich selbst mit in die Beziehung einbringen. Was dann halt ein ganz anderer Schnack ist.


ziegenkind
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Beitrag Do., 28.07.2016, 22:02

wie kann denn verliebt sein oder lieben realistisch oder unrealistisch sein? das einzige, was realistisch sein kann, ist die wahrscheinlichkeit der erwiderung eines gefühls, aber doch nicht das gefühl selber.

und: mein ziel war es, durch therapie ein mensch zu werden, der seine gefühle nicht davon abhängig macht, ob s erwidert werden, ganz besonders nicht beim lieben. ich wollte frei lieben können. und ich glaub, ich kann es täglich ein wenig mehr.

zu nähe und gefühlter nähe: ja, das kann man leicht verwechseln. aber auf dauer in einer therapie? in meiner ging das nicht so gut. da habe ich anfangs unter schwierigkeiten gelernt, darüber zu sprechen, was ich empfinde und was ich wahrnehme, auch und gerade dann, wenn ich das gefühl großer nähe, eines sich intensiven berührens zwischen mir und meiner therapeutin hatte. und ja, in diesen momenten hat sie mir ihr gefühl, ihre wahrnehmung mitgeteilt. auch das war schwer, besonders dann, wenn es eine übereinstimmung gab. mitunter ist nämlich die gefühlte nähe einfacher zu ertragen als die wechselseitige und schon gar als die offen thematisierte.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


Speechless
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Beitrag Do., 28.07.2016, 22:13

Als ob die Stärke der Gefühle davon abhängig wäre, wie nah man jemandem ist und ob man dessen morgendliche Eiroutine mitbekommt. Unerwiderte Liebe oder Liebe auf den ersten Blick kann genauso stark oder sogar stärker sein, wie Liebe gegenüber jemandem, mit dem man jeden Tag aufwacht. Gemeinsame Zeit ist kein Gradmesser für die Tiefe von Gefühlen!


mio
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Beitrag Do., 28.07.2016, 22:17

ziegenkind hat geschrieben:wie kann denn verliebt sein oder lieben realistisch oder unrealistisch sein?
Dann, wenn der andere nicht wirklich wahrgenommen und gesehen wird als Mensch sondern nur die Vorstellung, die ich mir von ihm mache. Sowas kann passieren, wenn jemand sich nicht (vollständig/aufrichtig) zeigt (wie in der Therapie zB.) oder aber auch, wenn ich nicht in der Lage bin (ohne meine eigenen Projektionen mit rein zu bringen) sauber hinzusehen, wie der andere wirklich ist.

Sprich: Das "Gefühl" ist zwar da (Gefühle sind immer wahr), aber die "Ursache" dafür ist nicht real sondern basiert auf einer (Selbst oder Fremd) Täuschung.

Wie gesagt: Solange Dir klar ist, dass Du nur "die Therapeutin" (mit dem was sie Dir in und über die Therapie) zukommen lässt/zeigt liebst ist alles im Rahmen. Gefährlich wird es erst dann, wenn da "mehr" draus gemacht wird als da ist.


mio
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Beitrag Do., 28.07.2016, 22:18

Speechless hat geschrieben:Als ob die Stärke der Gefühle davon abhängig wäre
Die Stärke nicht. Aber die "Wahrhaftigkeit" schon.


isabe
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Beitrag Do., 28.07.2016, 22:20

M.E. kann es Liebe auf den ersten Blick nicht geben, wohl aber ein Verliebtsein auf den ersten Blick, das sich dann zu einer Liebe entwickeln kann, sodass man später denkt, es sei Liebe auf den ersten Blick gewesen.


ziegenkind
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Beitrag Do., 28.07.2016, 22:34

mio, wir reden aneinander vorbei. ich habe meine gefühle und wahrnehmungen in meiner therapie immer auch in der kommunikation artikuliert und von meiner therapeutin rückmeldung bekommen. da ist es schwer mit der aufrechterhaltung von täuschung. die therapie ist seit fast zwei jahren vorbei und ich habe immer noch ein zärtliches gefühl der liebe für sie und ich weiß mich auch von ihr geliebt. gefährlich ist daran nichts. ich bin liebesfähig geworden, etwas, das mir jahrzehntelang schmerzlich gefehlt hat.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


isabe
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Beitrag Do., 28.07.2016, 22:43

Sich von jemandem geliebt wissen, ist nur dann möglich, wenn der Andere dies explizit äußert oder mit entsprechenden Handlungen untermauert (Körperkontakt usw.). Genau diese Handlungen werden in einer Therapie aber nicht unternommen.

Alles Andere ist ein Sich-geliebt-Fühlen. Fühlen und Wissen unterscheiden sich gelegentlich. Das funktioniert im Guten wie im Schlechten. Aber natürlich ist es heilsam, sich vorzustellen, man werde geliebt. Und wenn das nicht geäußert wird, dann denkt man sich halt dazu, dass es die Abstinenz ist, die das Bekenntnis verhindert.


mio
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Beitrag Do., 28.07.2016, 22:49

Ich glaube eher, dass Du ehrliche Zuwendung erfahren hast. Und gelernt hast Dich anderen ehrlicher zuzuwenden.

Das ist durchaus auch eine Form bzw. ein Bestandteil von Liebe, aber nicht zwingend die Liebe von der die Rede ist, so landläufig von Liebe/Beziehung die Rede ist. Eher die "Grundvorausetzung" um sich überhaupt liebevoll begegnen zu können. Aber nicht jedem dem ich liebevoll begegne bringe ich auch "vollumfängliche" Liebe (auch im Sinne von "für den anderen da sein" und "Verantwortung übernehmen, Beziehung eingehen eben, so nötig") entgegen, mit allem was dazu gehört für mich. Da gibt es für mich schon graduelle Unterschiede.

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