Welche Therapie bei (komplexen) Traumatisierungen?

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Offy
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Beitrag So., 04.04.2010, 16:57

wenn es um "traumakonfroatation" geht... was bedeutet das dann? wer bestimmt, wann es zu einer konfrontation kommt?
In erster Linie bestimmst du es selbst. Natürlich in Zusammenarbeit mit dem Thera, der dich bei unzureichender Stabilisierung notfalls ausbremsen wird. Bei mir war es zu Beginn meiner "Therapiekarriere" extrem gefährlich, weil genau das nicht passiert ist. Ich selbst war immer krass unruhig und wegen fehlender Erinnerung bald "wahnsinnig". Es hat mich sehr belastet, vieles nicht zu wissen und meine damalige Therapeutin hat die Erinnerungssuche unterstützt. Das war der falsche Weg, wie ich heute weiß. Es hat mich retraumatisiert und hat einige Symptome verschlimmert, was bis heute anhält. (Nebenbei hat meine Thera mich noch mit etwas anderem retraumatisiert. Ich kann also vielleicht nicht alles mit der Erinnerungssuche erklären.)

Heute weiß ich, dass es eben anders funktioniert. Erst -und auch immer wieder mittendrin- die Stabilisierung. Ich hoffe, dass ich es merken werde, wenn der Zeitpunkt der Traumakonfrontation gekommen ist. Von einigen Betroffenen habe ich mal gelesen, dass es so ist.

das sind wirklich sehr mühsam errungene erkentnisse, die ich mir oft immer wieder neu erarbeitenn muss. wie geht ihr mit so was um? kann man da irgendwann auch auf so etwas wie ein "institutionalisiertes" gedächtnis zurückgreifen?
Ja richtig. Vieles muss immer wieder neu erarbeitet werden. ABER: Je öfter, desto schneller geht es. Du schreibst ja, dass du weißt, dass es vorbei geht. Und dieses Wissen hilft dir. So ist es hier auch. Ich glaube daran, dass sich das irgendwann automatisiert und greift, ohne dass wir das noch bewusst steuern müssen.
Und nun hoffe ich mal, dass niemand das Gegenteil behauptet. *gg*
Heute weinte ich –
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hungryheart
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Beitrag So., 04.04.2010, 17:27

@ausgefuchst
dem ganz kleinen mini-hungry, den anderen mini-hungrys (yo, war nicht das erste mini-hungry) mir und meinem mann gehts gut
aber anstrengend ist's.....

@carö hey du, lange nichts voneinander gelesen



sag mal, ist das Ö neu???


@candle
ich glaube, du tust dich öfters schwer, eine grenze zu sehen und zu respektieren
Nimm was du willst und zahl dafür.

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stern
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Beitrag So., 04.04.2010, 20:50

wenn es um "traumakonfroatation" geht... was bedeutet das dann? wer bestimmt, wann es zu einer konfrontation kommt?

ich frag deshalb, weil es sich so geplant anhört. ich kann mich zB nicht erinnern, dass sowas je bei mir stattgefunden hat.
möglicherweise weil deine Therapie nach einem anderen Konzept und/oder mit etwas anderem Fokus ausgestaltet ist. Was im einzelnen Traumakonfronation ist und worum es da geht (zum Bleistift dissoziertes wieder zu integrieren), das dürfte sich eigentlich recht schnell nachgooglen lassen... und ist dort evtl. besser beschrieben als wenn ich mir jetzt die Finger wund tippen würde.

Soweit ich weiß, hat sich dieses auch schon von ausgefuchst beschriebene phasenhafte vorgehen schon über einige Zeit bewährt... in der Klinik in der ich war (aber natürlich nicht nur dort), gab es bei Traumatherapien ebenfalls diese Dreiteilung Stabilisierung - Konfrontation - Integration. Und was heißt "geplant". Ich denke eine solche Therapie kann man genauso gut oder schlecht planen und deren Entwicklung prognostizieren wie jede andere auch. Und sicher läuft es eher nicht so à la: Ok, sie müssen nun stabil genug sein (weil diese Phase ist beendet), jetzt werden wir mal konfrontieren. Sondern es kann immer wieder zu vor- und auch rückschritten kommen, die wieder umfassende Stabilisation erfordern. Sprich: die Kontinuität der Fort- bzw. Rückschritte ist ja nicht unbedingt vorhersehbar.

Konfronation ist auch nich zwingend... manchen Patienten brauchen vielleicht viel stärker Stabilisierung und die Stabilität erreicht nie das Niveau dass man ruhigen gewissens eine Konfrontation versuchen kann. Der nächste kann hingegen doch recht vieles gut bewältigen, so dass das Risiko einer Destabilisierung Konfrontation als zu hoch eingeschätzt wird, weswegen der Fokus auf andere Bereiche gelegt wird... individuell. Sicher kann man nun diskutieren, wann ist eine Konfrontation indiziert und wann kontraindiziert (auch dazu dürfte es Kontraindikationen geben), aber das ergibt vielleicht wieder eine ähnliche Hick-Hack-Diskussion wie sie bereits stattgefunden hat.

Tja: Wer bestimmt es: Ein ausgebildeter Therapeut wird da sicher auf die Indikationen/Kontraindikationen achten.... z.b. insbes. wie es um die Stabiltät bestellt ist. Also zum Bleistift: Dissoziiert jemand regelmäßig stark, so wird IMO kein vernünftiger Therapeut exponieren (eine Methode der Exposition ist z.B. die des EMDR. aber worum es im Thread des Titels nach hätte auch gehen können: es gibt noch einige (angepasste) Ansätze mehr. und manche beschreiben ja auch, dass ihnen die "traditionellen" Verfahrenskonzepte helfen. Schade dass es eigentlich bisher eher darum ging, dass PA evtl. kontraindiziert ist, und nicht was es für verschiedene Möglichkeiten gibt, die grds. HELFEN könnten - neben der "traditionellen PA", die ja von manchen beschrieben wurde (wobei ich wiederum betone, dass sich auch das nicht pauschal beantworten lässt, denn PT ist etwas hochindividuelles. Und je nach konzeption und vorliegenden zentralen Schwierigkeiten kann der Zugang ein anderer sein).

Wie gesagt: meine grenze ist hier, dass ich aus selbstschutzgründen nicht soviel persönliches schreibe (z.B. zu meinem background/erfahrungen) und eher vager/abstrakter bleibe. Aber zur Konfrontation mal soviel: Mich verunsicherte (besser gesagt: ernüchterte) schon, dass meine Thera vor einiger Zeit meinte, dass sie mit der Stabilität noch nicht ganz so zufrieden war... aber gut, mal sehen, nachdem seitdem keine "krisenhaften Zuspitzungen" (allgemein formuliert) da waren, verbuche ich das erstmal als Fortschritt. Und sie meinte mal, sie will mal anhand einer Situation (die für mich auch nicht größere Tragweite hat) schauen, wie ich damit umgehen kann, also wie es mit der Stabilität aussieht. Ich meine, wenn das nach hinten los geht, dann brauche ich in anderes vorerst gar nicht tiefer einsteigen. Aber gut, das ist wohl das was andere schon beschrieben haben: Es kann ernüchternd sein, wenn man nicht so zügig kommt, wie man (das Kind? Der Kopf, der sich gleichzeitig gewisser Risiken bewusst ist?) das gerne hätte, weil man manche Schwierigkeiten am liebsten "loswerden" will (o.k. das [und schwupps isses weg] klappt so nicht unbedingt, aber ich lasse es mal so stehen).
Zuletzt geändert von stern am So., 04.04.2010, 21:13, insgesamt 5-mal geändert.
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stern
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Beitrag So., 04.04.2010, 20:50

Als hilfreich erlebe ich dass ich meinen Theras (also meinem stat. und meiner jetzigen) schon vertrauen kann, dass sie bisher recht gut erkannten, wann sie mitunter stark auf die Bremse gestiegen sind und mich teils recht nachhaltig zu Distanzierungsübungen "animierten" (gerade zu Zeitpkten in denen ich selbst weder einordnen konnte, was gerade mit mir abgeht, geschweige denn, dass ich die Wallungen ansatzweise hätte aufhalten können - im gegenteil... zuvor hätte ich mich eher noch tiefer darin verstrickt). Ich weiß auch nicht inwieweit meine Erfahrungen hier alllzuviel anderen nutzen, denn alles was bisher ablief ist stark auf mich und meine Schwierigkeiten gemünzt - die eben hochindividuell sind. Insofern ist ein Transfer der Erfahrungen auf andere doch eh nur sehr bedingt möglich. Das war teils auch in Gruppen bei mir der Fall, dass ich nicht mit allem soviel anfangen konnte (wie auch andere nicht soviel damit anfangen konnten, als ich mal vorsichtig was einbrachte. Hing halt auch stark davon ab, wo ansatzweise Überlappungen in den Problembereichen da waren). Daher kann evtl. auch dieser Thread den hochangesetzten Zielsetzung m.E. nicht unbedingt gerecht werden.

Daher würde ich einem Traumapatienten auch "nur" raten: Suche dir einen, der zumindest traumaerfahrung hat. Und auch das geht vielleicht ein bissi im Thread unter: Nicht jeder der Traumata erlitten hat, entwickelt zwangsweise Folgestörungen. Bah, mir stößt es schon auf, ein paar Situationen als ebenfalls FÜR MICH als Trauma einzuordnen (z.B. Unfall. wie das eine Probethera tat, wenngleich man es so sehen kann). aber daraus entstand für mich (meine ich) zumindest nix, was ich einer Therapie zuführen muss. Ein anderer kämpft vielleicht eher mit vereinzelten Folgen, die nochmals spezifischer angegangen werden... und der hauptfokus liegt vielleicht stattdessen vielmehr auf anderen Problembereichen (wie innere Konflikte). Usw. hochindividuell das ganze...eben auch deswegen, weil die Schwierigkeiten hochindividuell sind. Und beim nächsten hinterlassen traumatische Ereignisse vielleicht eine schwere PS, die sich wie ein roter Faden durch die Persönlichkeit zieht... gepaart mit x-Traumafolgen. Ich meine, es liegt doch fast auf der Hand, dass hier nich ein Kamm für alle passt. Sondern viel richtet sich doch danach, wie heute Schwierigkeiten da sind, mit denen man nicht klar kommt (und wegen dem man in aller regel die eine Therapie aufsuchte, weil man sie bis dto. noch nicht bewältigen konnte. Andere haben vielleicht angepasste Bewältigungsstrategien gefunden. Ich meine, jeder kann selbst auf das gleiche Trauma unterschiedlich reagieren. So meinte meine Thera in Bezug auf eine paar Ereignisse, die ich bisher als banaler einschätzte, dass das für eine starke Persönlichkeit, dass ich das so wegsteckte. Andere hätten hier evtl. auch Traumasymptomen reagiert). Hilfreich ist, wenn man einem guten Thera findet, dem man halbwegs vertrauen kann, dass er (möglichst schon aus Erfahrung) ein paar gute Ansätze im Kasten hat, die helfen könnte. Das selbst so wie ein Thera zu beurteilen, was angezeigt ist, das kann kaum ein Patient (ausgefuchst vielleicht ausgenommen ). Sprich: Ohne ein gewisses Grundvertrauen läuft es IMO auch nicht.

@ neko: Schon gut, kann passieren
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candle
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Beitrag So., 04.04.2010, 21:13

Hallo stern!
stern hat geschrieben:
weil die Schwierigkeiten hochindividuell sind.
Ich denke in vielen Beiträgen wird die individuelle Seite ständig vernachlässigt, was ich doch traurig finde und den Zugang zu einem Miteinander versperrt. Als wäre es ein Traumawettbewerb, wer es am schlimmsten hatte.
Sondern viel richtet sich doch danach, wie heute Schwierigkeiten da sind, mit denen man nicht klar kommt (und wegen dem man in aller regel die eine Therapie aufsuchte, weil man sie bis dto. noch nicht bewältigen konnte.
Sehr richtig und kann es aus meinen Therapien bzw. Therapeuten, die ich hatte, nur unterstreichen, dass das für mich das Wichtigste ist an aktuellen Konflikten zu arbeiten. Hintergründe dazu haben sich mir meistens dann von selber erschlossen.
Ich meine, jeder kann selbst auf das gleiche Trauma unterschiedlich reagieren.
Sehr richtig!

candle
Es ist besser ein Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
Sommer-Stumpenhorst

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Aditi
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Beitrag So., 04.04.2010, 21:24

medusa52 hat geschrieben: Meine Seele konnte erst "gesunden", als ich aufhörte "wissen zu wollen" und anfing "fühlen zu wagen"
es ist mir ein bedürfnis diese erfahrung, der ich mich voll anschließen kann, hervorzuheben, damit sie in all den gedanklichen überlegungen nicht verlorengeht.
mlg
aditi

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neko
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Beitrag So., 04.04.2010, 21:58

ich würde gerne noch einmal eine konkrete frage loswerden - die irgendwo auch mit dem fühlen wagen und dem nicht mehr wissen müssen zu tun hat.

mir spukt immer mal eine unsicherheit im kopf rum: es gibt eine geschichte in meinem leben, von der ich nicht alles erinnere, die mich lange in meinen träumen terrorisiert hab und die ich einmal in der therapie angesprochen habe. damals hat mich das total umgehauen. es hat danch viel zeit gekostet, da wiede raus zu kommen. danach hab ich dann über vieles andere gelrnt zu sprechen, was aber lebensgeschichtlich später war. das konnte ich dann auch irgendwie "verarbeiten" oder "integrieren", will heißen, ich konnte es aushalten, drauf zu gucken, ich bin irgendwann nicht mehr weggetreten, hab wut gespürt und dann auch trauer. irgendwann wurden die horror-täume weniger und mittlerweile kann ich mcih sogar manchmal an schöne träume erinnern. alles ganz schön also - so weit. das erste mal im leben hab ich das gefühl, in meiner mitte angelangt zu sein, muss mich und andere nicht mehr so viel kontrollieren, kann entspannt sein und muss mich nicht mehr mit arbeit deckeln. es gibt nur ein kleines aber. ich hab seit meinem desaströsen erstversuch, von dem ich mittlerweile weiß, dass ich ihn viel zu früh unternommen habe, immer einen riesigen bogen um diese eine geschchte gemacht. manchmal denke ich, ich muss da noch mal ran. gleichzeitig hält mich aber die angst davonn ab, das ich damit vieles (erst mal wieder? für immer?) kaputt mache. irgendwie pendele ich hin und her zwischen zwei haltungen: die eine sagt mir, du musst nicht alles ausleuchten, die alpträume sind weg, genieße dein neues leben, hör endlich auf, dauernd tests mit dir veranstalten zu wollen. die andere raunt mir zu, solange du dich da nicht ran wagts, bist du aus der scheiße nicht raus, stell dich dem, mach keine halben sachen. ich weiß, letztlich muss ich das selber entscheiden. und doch - vielleicht kann mir ja jemand seine erfahrungen "borgen".

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stern
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Beitrag So., 04.04.2010, 23:30

damals hat mich das total umgehauen. es hat danch viel zeit gekostet, da wiede raus zu kommen.
Das spricht IMO dafür, dass damals deine Stabilität unzureichend war... eine der wichtigsten Voraussetzungen, um an etwas "ranzugehen" (was auch immer du genau darunter verstehst). Bevor ich weiter schreibe habe ich noch einen Punkt, den ich noch nicht ganz verstehe... und zwar wie folgendes zusammenpasst:
das erste mal im leben hab ich das gefühl, in meiner mitte angelangt zu sein, muss mich und andere nicht mehr so viel kontrollieren, kann entspannt sein und muss mich nicht mehr mit arbeit deckeln. es gibt nur ein kleines aber.
und
die andere raunt mir zu, solange du dich da nicht ran wagts, bist du aus der sch*** nicht raus
was ist die sch*** (das "kleine aber", oder wie groß ist das aber deines Empfindes nach) in der du heute deswegen noch steckst?

Ansonsten denke ich (und sry, ich bin eben teils der gedanklich gestrickte, rationale Typ, wozu ich durchaus stehe): Beide Haltungen haben wohl ihre Berechtigungen. Also ich kann beide Bedürfnisse durchaus gut nachvollziehen. Nur ich weiß nicht, ob die Erfahrungen anderer dir die Antwort auf deine (implizite) Frage, ob du da nochmals rangehen solltest, um ganz mit etwas abschließen zu können FÜR DICH beantworten können. Denn die Garantie, dass eine Konfrontation nicht mehr aufwühlen könnte als es unter dem Strich nutzt, die gibt es IMO bei keiner Therapie (man kann bestenfalls Risiken minimieren... z.B. durch ausreichendes Schaffen von Stabilität. Wie schätzt du die denn dzt. bei dir ein? Könnte es dich wieder überrollen (dann würde ich es als eher kritisch sehen)? Auch gibt es keine Garantie, dass ein "Rangehen" an Vergangenes in jedem Fall die aktuelle Lebensqualität verbessert. laienhaft, intuitiv und vielleicht unzulässig pauschalisiert gesagt, tendiere ich fast zu folgendem: Wenn du damit halbwegs gut leben kannst, würde ich nicht mehr tiefer einsteigen und mithin bestimmte Risiken (wie du sie wohl schon mal erlebt hast) nicht unbedingt eingehen. So wäre zumindest ich gestrickt.

Bist du denn dzt. in Therapie, so dass du das mit einem Thera ebenfalls nochmals genau beleuchten könntest, wo Risiken und Nutzen liegen könnten bzw. inwieweit das für dich zum jetzigen Zeitpunkt angezeigt erscheint? Oder ist deine Punkt auch der, soll/kann ich nach einer desaströsen ersten Therapie überhaupt noch eine Therapie wagen... und an wen könnte ich mich wenden?
Zuletzt geändert von stern am Mo., 05.04.2010, 08:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Offy
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Beitrag Mo., 05.04.2010, 05:01

Hallo neko,

ich gehöre immer zu denen, die glauben, alles wissen zu müssen. Erinnerungslücken empfinde ich als grausam.
Mit diesem Hintergrund tendiere ich dazu, dir zu empfehlen, die Sache anzugehen. Wie schätzt du denn die Intensität dieses "kleinen Abers" ein im Vergleich zu den Dingen, die du bereits bearbeitet hast? Vergleiche sind doof, ich weiß.

Du hast im Laufe der Therapie viel gelernt, kennst Strategien und gehst anders mit Belastungen um. Das alles kann dir jetzt helfen, diesen letzten Rest auch noch anzugehen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass du dadurch erst mal wieder einen (gefühlten) Rückschritt machst, aber auf Dauer kannst du vermutlich besser damit leben. Dass es dir im Kopf rumspukt, zeigt eigentlich schon, dass du damit nicht abgeschlossen hast. Ignorierst du das, wird die Unsicherheit immer bleiben, denke ich.


LG Offy
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TimpeTe
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Beitrag Mo., 05.04.2010, 08:23

Guten morgen neko

Deine Frage kommt mir sehr bekannt vor. Auch bei mir gibt es noch einen "blinden" Flecken. Und ich gehöre auch zu den Menschen, die alles immer genau wissen wollen. Aber meine Erfahrung ist die, dass das Wollen allein nicht reicht um zu einem Resultat zu führen.Ich habs sehr lange versucht. Also habe ich diese eine diffuse Erinnerung als ein wichtiges Gefühl ernst genommen und in alle andern bewussten Erinnerungen integriert. Und dort schlummert sie heute still mit all den andern Greueln. Ich habe so viel Jahre dazu gebraucht, um ein für mich gutes Leben zu erarbeiten und jetzt habe ich für mich entschieden, dass meinen Verletzungen genüge getan ist.
Liebe Neko...der Umgang mit diesen "blinden" Flecken, die nicht mehr richtig erinnert werden können, ist sehr persönlich. Ich habe sehr gezögert, ob ich dies hier schreiben soll. Aber manchmal ist es auch erleichternd zu hören, dass andere diese Probleme kennen. Und dass man sie vielleicht auch mal verabschieden darf, wenn es Zeit ist. Und WANN dieser Zeitpunkt kommt, dass kannst nur du selber entscheiden. Aber ich denke, dieser Flecken flüstert ja "nur"..wenn es ihm ein Bedürfnis wäre mehr Beachtung zu finden, so würde er schreien....
Neko... ich bin nur eine Stimme von ganz vielen und wenn du mit meinen Gedanken nichts anfangen kannst, leg sie einfach beiseite. Die richtige Antwort liegt auschliesslich in dir.

In diesem Sinne...sei ganz herzlich gegrüsst...medusa
Wenn wir bedenken, dass wir alle verrückt sind, ist das Leben erklärt. (Mark Twain 1835-1910)

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neko
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Beitrag Mo., 05.04.2010, 09:04

liebe offy, liebe stern, liebe medusa

danke für eine offenheit. eure antworten helfen mir - gerade weil sie meine stimmenvielfalt abbilden. ich bin grad auf dem sprung und antworte heute abend noch mal ausführlicher.

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hungryheart
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Beitrag Mo., 05.04.2010, 09:06

carö hat geschrieben:hallo,

wenn es um "traumakonfroatation" geht... was bedeutet das dann? wer bestimmt, wann es zu einer konfrontation kommt?

in der klinik (verhaltenstherapeutisch) haben die mitpatienten, die traumatherapie gemacht haben, erzählt, wie das bei ihnen lief:

erst gab es eine ganz lange phase, in der sie mit verschiedenen übungen so stabilisiert wurden, dass sie sich selbst helfen konnten, wenn sie von erinnerungen und gefühlen überschwemmt wurden.
dann wurde über das trauma geredet.
zum schluss wurde -geplant und abgesprochen und auch nicht mit allen- so weit möglich konfrontiert.
in gedanken (als durchspielen des traumas in gedanken unter anderen, neuen vorzeichen) und, soweit möglich, auch am ort des geschehens.
eine mitpatientin fuhr z.b. mit ihrem bezugstherapeuten in die stadt, in der ihre vergewaltigung stattgefunden hatte und an die orte, an denen es passiert war (hatte sie bis da hin gemieden)

die haben das mit ihren bezugstheras jeweils abgesprochen.
der thera haht wohl zu beginn dieses vorgehen besprochen und den jeweiligen schritt dann genau mit den mitpat. abgesprochen und auch nichts ohne deren zustimmung gemacht.

lg
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Erdbeermütze
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Beitrag Mo., 05.04.2010, 09:17

Hallo zusammen,

hier geht/ging es ja heiß her. Meine Anmerkungen sind zwar jetzt schon wieder überholt, aber ich kann irgendwie nicht anders es doch noch hier herein zu setzen. Leider kann ich mich nicht so gut ausdrücken wie viele andere hier und hoffe es wird dadurch nicht wieder falsch verstanden.
ausgefuchst hat geschrieben:Merkt Ihr, Du und Erdbeermütze eigentlich, dass Ihr hier was verwechselt und dann eigentlich ein Therapieverfahren verteidigen wollte, dass Euch kaputt machen würde?
Da hast du falsch gelesen. Ich habe kein Therapieverfahren verteidigt. Ich habe von allen gesprochen und nachher bin ich auf meine persönliche Situation eingegangen.

ausgefuchst hat geschrieben: Ich wünsch' mir aber auch jemanden, der meine Fragen beantworten kann. Und den gibt's hier leider so gut wie nie. Das macht mich traurig.
Nicht jeder schreibt sein Fachwissen hier herein aus verschiedenen Gründen. Ich habe meine. Einer der Gründe ist, weil ich nicht dazu in der Lage bin bzw. ich mir Einbilde es nicht zu können, ich denke ich bin zu doof und kann nichts (na ja halt eine Persönlichkeitsstörung von mir).


Aber alle Wissenschaft und Fachwissen nützt nichts bzw. ist gut und schön, aber der Mensch ist nun mal ein Individuum und gerade wenn es um die Psyche geht. Ein gutes Beispiel bilde ich selber. Du schreibst:
ausgefuchst hat geschrieben:Komplexe Traumatisierungen sind von einem Monotrauma zu unterscheiden. ……. ändert, als auch die Software wird geschädigt.
Das ist alles richtig was du schreibst, das kann man in jedem Fachbuch usw. lesen. Aber alleine daran erkennt man, das ein Mensch sich nicht in einer Schublade zwängen lässt. Ich habe 2 bis 3 Monotrauma erlebt also müsste ich Trauma-Typ I und normal PTBS haben, blos ich habe eine komplexe PTBS, Trauma-Typ II (ich denke du weißt das es auch Symptom abhängig ist). Ich habe auch sehr viele Fachbücher gelesen (kann immer nur alle deine fachlichen Ausführungen hier im Forum voll bestätigen, da ich dies auch genauso verstanden habe wie du sie beschreibst). Ich habe soviel gelesen, weil ich einfach für mich Antworten brauchte in dieser und auch in anderen Richtungen, die ich teilweise nirgendwo gefunden habe, weil ich halt nicht in den Typischen Katalog reinpasse. Und das macht mich wahnsinnig warum Trauma-Typ II wenn ich lt. Definition nur Typ I bin, warum regiert mein Körper so obwohl das eigentlich nicht seinen kann usw. Mein inneres Gefühl sagt mir deshalb zwar, ich bin schwach, stell dich nicht so an, bleib auf dem Teppich, bilde mir das alles ein, bis hin zu starken Schuldgefühlen, bin halt ein Psycho usw. Aber das zeigt nur wie unterschiedlich wir alle sind und dazu kommt noch, das die Traumaforschung noch in ihren Kinderschuhen steckt.


Auch wenn ich der Meinung bin das man zu einen Spezialisten gehen soll wenn man z.B. Herzkrank ist und nicht zum einen Allgemeinmediziner und trotzdem kann ein Allgemeinmediziner unter umständen mehr ausrichten als ein Herzspezialist. Bei der Psyche ist mit das entscheidenste die zwischenmenschliche Beziehung wenn die nicht stimmt nutzt der beste Thera nichts. Auch das Couch-Setting was bei Traumapatienten normalerweise nicht gut ist, ist für mich eine Bereicherung, obwohl ich ein Problem im Allgemeinen mit Rückenliegen habe und trotzdem, für mich ist dieses Setting das Beste.


medusa hat geschrieben: Meine Seele konnte erst "gesunden", als ich aufhörte "wissen zu wollen" und anfing "fühlen zu wagen"
Oh, danke für diesen Satz. Irgendwie, ganz leise im Hintergrund kam mir dieser Gedanke auch schon. Hab mir auch schon gesagt, du musst aufhören zu lesen, all das bringt dich nicht mehr weiter (am Anfang hat es mich am Leben gehalten), vergesse alle Diagnosen, was soll das bringen (gerade auch im Bezug darauf das ich in einigen Katalogen nicht reinpasse) du machst dich dadurch nur noch mehr fertig und trotzdem rutsche ich immer wieder da herein und suche wie wahnsinnig nach Antworten. Dieser Satz hat mir aber gezeigt das ich auf dem Richtigen Weg bin, muss es „nur noch (haha)“ umsetzten. Da ich mit meinen Gefühlen auf Kriegsfuss bin, wird das noch eine harte lange Arbeit.

LG
Erdbeermütze

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carö
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Beitrag Mo., 05.04.2010, 10:48

hallo zusammen,

danke für eure erklärungen, was eine traumakonfrontation ist und wie es in etwa abläuft.... mit nekos kurzer schilderungen kann ich etwas anfangen, bei den anderen gruselts mich etwas. nicht wegen den schilderungen an sich... nicht falsch verstehen, sondern weil ich mir das so gar nicht vorstellen kann...

ich denke, dass hier auch wieder deutlich wird, wie unterschiedlich menschen reagieren, was sie wollen, was sie brauchen. oder anders gesagt: ich hab das jetzt so verstanden, dass dieses vorgehen, bei klar auf den hand liegenden und erinnerbaren traumatas zu anwendung kommt...

das hätte bei mir kaum funktioniert, weil ich keine explizite erinnerungen habe. ich habe u.a. "nur" ein amnestisches syndrom über den fraglichen zeitraum, d.h. eine erinnerungslücke mit anfang und ende... und an der stelle @neko... ich habe auch, wie medusa, lange versucht und gehofft, dass mir konkrete erinnerungen kommen, damit ich damit besser umgehen kann, aber es ging nicht... es klopft tatsächlich auch bei mir immer wieder leise an... und wie medusa, denke ich mittlerweile "lass gut sein"... ich kann mir auch so gut vorstellen, was passiert ist. will nicht mehr weiter grübeln... es kommt entweder von alleine, oder halt nicht. inzwischen kann ich damit leben, früher hat es mich fast verrückt gemacht.

ich hab ja in der VT versucht, das, was offensichtlich war, auch anzugehen. ich möchts hier nicht so aufrollen, aber ich konnte bis dahin für mich drei für sich stehende "geschichten" identifizieren und erinnern, die ich immer als die auslöser für die symptome schlechthin begriffen hatte (und wie stern richtig geschrieben hat, müssen derartige erlebnisse nicht bei allen menschen die selbe reaktion hervorrufen)... was bei mir nur dazu führte, das ich mich dafür auch noch verurteilt habe, wie "übersensibel" und gestört ich doch bin, wenn andere auf derartige dinge nicht reagieren und quasi "normal" sind. in der VT hat sich das gespräch darüber halt schnell erschöpft. einfach nur darüber reden hat mir nichts gebracht... also über das, was bewusst war, reden meine ich, an das andere bin ich in diesen setting nicht drangekommen. alle symptome blieben in vollem umfang, ja wurden schlimmer...und die thera endete mit so einem sicher gut-gemeinten kopf-hoch-satz "wird schon werden: sie werden schon schlafen, wenn sie arbeiten und müde genug sind"... nein, der wunsch hat sich nicht erfüllt.. grauenhafte zeiten sind da auf mich zugekommen.

wenn ich die erfahrungen anderer darüber lese, dann fühlt sich eben für mich, mein weg, richtig an. ich bin froh, dass ich mich nie in so einer tiefe mit solchen typ I, typ II gruselgrusel-geschichten auseinandergesetzt habe... bzw. ich fing an, es zu tun, mich einzusortieren... wurde aber immer wieder vom PA gewissermassen ausgebremst und auf unser gemeinsames hier-und jetzt - zusammensein hingewiesen, wo sowas nicht zählt. phuuu, wie erleichternd. vermutlich kommt es eben nicht nur auf die jeweilige persönlichkeit an, was gut tut und weiterhilft, sondern auch auf die "art" und den zeitpunkt der erlebnisse. ich habe leider schon viele sachen erlebt, als ich noch sehr klein war.. und die "bedrohunglage" hat angedauert... da hängt vieles zusammen, für vieles musste ich erst eine sprache finden, um das schwebende, immer präsente bedrohungsgefühl überhaupt mal benennen und greifen zu können. vieles hielt ich bis zum beginn meiner ersten thera, der VT, für normal... in einem anderen setting als der PA wäre ich da vermutlich nicht rangekommen, weil ich mich gar nicht erst eingelassen hätte.

ich kann an dieser stelle nur nochmals medusas satz aufgreifen... nicht mehr explizit wissen wollen, sondern das fühlen wagen.. manchmal "vergesse" ich ihn und merke dann aber immer wieder, wie gut es mir tut, vertrauen zuzulassen, nicht dem zweifel und der angst (die dieses akribische wissenwissenwissen-müssen vorantreiben) das zepter zu überlassen...

LG
carö
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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Aditi
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Beitrag Mo., 05.04.2010, 11:38

Erdbeermütze hat geschrieben: Hab mir auch schon gesagt, du musst aufhören zu lesen, all das bringt dich nicht mehr weiter (am Anfang hat es mich am Leben gehalten), vergesse alle Diagnosen, was soll das bringen (gerade auch im Bezug darauf das ich in einigen Katalogen nicht reinpasse) du machst dich dadurch nur noch mehr fertig und trotzdem rutsche ich immer wieder da herein und suche wie wahnsinnig nach Antworten.
liebe erdbeermütze,

müssen tust du erstmal gar nichts. ich kenne das auch gut von mir. habe im laufe der jahre eine kleine "fachbibilothek" angehäuft. beinahe jedes buch, das ich fand und das mit dem thema zu tun hatte, habe ich "verschlungen" um mich besser verstehen zu können. dieser "zwang" hat sich inzwischen aufgelöst. dieses viele lesen hat ja auch einen sinn, nämlich den: nicht fühlen zu müssen. je mutiger ich bezüglich "fühlen" wurde, desto mehr nahm der zwang "wissen" zu wollen ab. das passiert, würde fast sagen, "automatisch" - darum, setz dich deswegen nicht unter druck.

mlg
aditi

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