Freundschaft mit Therapeutin möglich?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
yamaha1234
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 35
Beiträge: 1849

Beitrag Di., 23.07.2013, 23:05

ziegenkind hat geschrieben:ich würde den zusammenhang wahrscheinlich umdrehen: wo bedürftigkeit, wo brauchen da ist, kann freundschaft nicht klappen. die überwindung von bedürftigkeit wäre dann eine voraussetzung für freundschaft. das kategorische ausschließen von freundschaft vielleicht ein zeichen für misstrauen in die eigene fähigkeit zum überwinden von bedürftigkeit.
nu ja, ich denke "Bedürfnisse" gibt es auch in Freundschaften und diese halte ich für völlig "legitim", es muss halt nur klar sein, dass es keine "therapeutischen Bedürfnisse" sind die das Interesse an einer Freundschaft mit dem Therapeuten wecken....also wenn es um Abhängigkeit, symbiotischen Verschmelzungswunsch oder um die Suche nach einer Ersatzmami geht, ist das sicher sehr schwierig.....oder wohl eher problematisch.....

Werbung


leberblümchen
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 6034

Beitrag Mi., 24.07.2013, 06:38

mir scheint, bei kaum einem thema gibt es so viel vehemente lust an der generalisierung
Das ist sicher nicht der Fall. Generalisierungen haben den Zweck, das Miteinander zu ordnen; nennt man Gesetze oder, im kleineren Rahmen, Regeln. Die haben ja einen Sinn. Wenn diese Generalisierungen nicht für sinnvoll gehalten wären, hätte sich sicher niemand darum gekümmert, ein Abstinenzgebot zu etablieren und dies auch institutionell festzuschreiben. Dass es immer auch Menschen gibt, die bei einem bestimmten Thema sagen: "Warum ist das so? Ich will es aber anders, weil ich die Ausnahme bin, die mit dieser Regel nicht gemeint ist", ist 'normal', würde ich sagen, menschlich. Es gibt kaum eine Regel, kaum ein Gebot, kaum ein Gesetz, an das sich ausnahmslos alle Menschen gerne halten.

Ich könnte mich genauso fragen: "Wieso muss es der Therapeut sein, mit dem man befreundet sein will? Was steckt dahinter?" - Yamaha, du hast einen Unterschied in Bezug auf die Therapieform gemacht; das ist sicher teilweise nachvollziehbar. Man könnte fragen: "Was soll die Abstinenzregel da, wo sich zwei Leute vielleicht mal für 45 Stunden getroffen haben, um die Spinnenphobie aus dem Weg zu räumen?" - aber auch da könnte man sich fragen, ob es gerade die ehemaligen Spinnen-Phobiker sind, die den starken Wunsch haben, sich mit ihrem Therapeuten anzufreunden? Oder ob es nicht eher die sind, für die der Therapeut über Jahre zu einer sehr wichtigen Person in ihrem Leben geworden ist?


ziegenkind
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 51
Beiträge: 3514

Beitrag Mi., 24.07.2013, 07:20

yamaha, gibt es nicht einen unterschied zwischen bedürftigkeit und bedürfnisse haben? ich glaube wirklich, freundschaft und liebe, echtes sehen und wertschätzen des anderen beginnt jenseits des brauchens. wenn ich brauche, gar existentiell brauche, dann bin ich doch sehr stark bei mir, sehe vielleicht auch nur mich und kaum den anderen.

ja titus, dass du ein mensch bist, der an verregelung und normierung glaubt, das kann ich mir gut vorstellen. in zeiten des modernen verregelungswütigen gärtnerstaat, der permanent und überall unterschiede macht - hier nutzpflanze, da unkraut - wird aber vielleicht zu schnell die frage übersehen, wo, in welchem handlungsfeld verregelung, die immer auch zurichtung bedeutet, über kämme scheren, über leisten schlagen, unumgänglich ist und wo nicht. ich merke, im unterschied zu dir, bin doch eher anhänger eines libertären modells (hat nur wenig mit liberal und fdp zu tun).

im übrigen, um auch noch mal aus der perspeketive des verregelungsgläubigen bürgers zu argumentieren: gibt es ja auch regeln für den geltungsbereich der abstinenzregel. will heißen: man schiebt eine wartezeit zwischen ende der therapie und beginn der freundschaft ein, die der, der sich seiner selbst nicht sicher ist, nutzen kann, um zu sehen, ob die zeit des brauchens wirklich vorbei ist.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


leberblümchen
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 6034

Beitrag Mi., 24.07.2013, 07:26

Ich frage mich auch - und meine damit niemanden persönlich, sondern wirklich allgemein -, ob nicht der Wunsch, ausgerechnet mit seinem Therapeuten befreundet zu sein, nicht bedeutet, dass man gerne eine gewisse Grenze überschreitet, wie oben angedeutet, aus dem Wunsch heraus motiviert, das Besondere der Beziehung festzustellen, denn: Vielleicht hat ein Therapeut 200 Patienten im Laufe seiner Tätigkeit. Ich stelle mir vor, es gäbe dieses Abstinenzgebot nicht - wie viele Freunde kann ein Mensch haben?

Nun kann man davon ausgehen, dass nicht jede therapeutische Beziehung besonders fruchtbar ist, dass es gelegentlich vorkommt, dass beide froh sind, den Anderen irgendwann nicht mehr sehen zu müssen... Aber üblicher dürfte sein, dass auf beiden Seiten etwas entsteht. Etwas, das man eigentlich nicht gerne loslassen möchte, weil man es doch gemeinsam aufgebaut hat und so viel geteilt hat. Nochmal: Wie viele Freunde kann ein Mensch haben? Oder ist es vielleicht doch eher der mehr oder weniger heimliche Wunsch, der Besonderste der Besonderen zu sein? Eben nicht einer von 200 oder 100, sondern the one and only?

Welchen Grund hat es, dass viele Therapeuten diesen Abstinenzbegriff so ernst nehmen? Sind das alles Schizoide, für die 'Freundschaft' etwas ist, das außerhalb ihrer Vorstelllung liegt? Müssen die einem leid tun, dass sie so wenige Freunde haben? Wissen die gar nicht, was ihnen entgeht? Ich glaube nicht.

Um mal so allgemein zu bleiben: 'Freundschaft' steht im Titel: Es gibt enge Freundschaften und 'Bekanntschaften'. Mit meinen Bekannten treffe ich mich alle paar Monate mal, und dann hören wir wieder ewig nichts voneinander. Wir halten uns grob auf dem laufenden, verbringen einen netten Abend miteinander und dann geht jeder wieder in sein eigenes Leben.

Viele Menschen haben nur sehr wenige enge Freunde, mit denen sie vieles teilen. Was möchte jemand, der mit seinem Therapeuten befreundet sein will? Möchte er einen lockeren Kontakt aufrechterhalten? Oder möchte er denjenigen als wichtigen Menschen in seinem Leben behalten, nicht loslassen? Im ersten Fall ließe sich ein Kontakt sicher herstellen, indem man hin und wieder eine Stunde nimmt oder gelegentlich von sich hören lässt, zu Weihnachten oder zum Geburtstag.

Für den zweiten Fall frage ich mich noch immer, wie das aussehen sollte - für den Therapeuten, der - anders als der Patient - sehr, sehr viele Menschen jahrelang begleitet hat. Sollte er auch nur mit einem Teil seiner Patienten, die ihm ans Herz gewachsen sind und für die sich Gefühle entwickelt haben, befreundet sein wollen, so hätte er kaum noch Raum für Beziehungen aus anderen 'Sphären'. Er hätte dann - noch immer angenommen, das Abstinenzgebot existierte nicht - vielleicht zwei Freunde aus dem Sportverein, drei Kollegen, mit denen er befreundet ist; er hätte seine Familie, wäre vielleicht noch politisch oder in der Gemeinde engagiert, möchte auch mal Zeit für sich alleine verbringen. Kurz: Ich wüsste gar nicht, wo da noch viel Platz und Zeit sein sollte, sich mit Patienten anzufreunden...

Jetzt könnte man wieder argumentieren, dass das ja alles viel zu mathematisch und realitätsfern sei; schließlich sei man selbst ja nur EINER, und für den Einen wird sich schon Zeit finden, einmal im Monat (oder in der Woche?) spazieren zu gehen.

Aber wer so denkt, der denkt irgendwo auch, er sei der Einzige. Da wird die Realität eines Psychotherapeuten ausgeblendet: Es gibt nur MICH und den Therapeuten. Klar, man kennt es ja auch nur so. Man sieht ja nicht, dass er oder sie mit den anderen 199 Patienten (oder auch nur mit 50 von ihnen) ähnlich intime Momente erlebt, dass er auch mit ihnen leidet und sich mit ihnen freut. Dass er sich auch auf sie so einstellt, dass die Illusion entsteht, man sei besonders. Wenn nun nur nicht die Anderen auf die Idee kommen, ähnliche Wünsche und Phantasien zu entwickeln...

Natürlich gibt es immer auch 'wirkliche' Ausnahmen, liest man ja hier auch immer wieder. Es gibt Therapeuten, die Patienten verführen; es gibt Ehen, die aus dieser Konstellation entstanden sind; es gibt nichts, was es nicht gibt... Es gibt Raucher, die 100 Jahre alt werden und Menschen, die scheinbar sieben Leben haben. Die Frage, aber, die sich mir stellt, ist, ob jeder, der den Wunsch verspürt, mit dem Therapeuten befreundet zu sein, meint, er sei der potenzielle 100jährige Kettenraucher...

Werbung


leberblümchen
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 6034

Beitrag Mi., 24.07.2013, 07:28

Ja, ziegenkind, dass du dir dir merkwürdigsten Dinge vorstellst, ist mir schon öfter aufgefallen... Aber Phantasie ist ja unheimlich wichtig, das erhebt, nicht?

Übrigens: Therapeuten, die die Abstinenzregel wirklich ernst nehmen, fassen sich beim Wort 'Wartezeit' an den Kopf. Das klingt wie 'abnehmen, um in bestimmte Klamotten zu passen'.

Nochmal übrigens: Mir ist schon klar, dass meine Vorstellung in Bezug auf dieses Thema völlig unromantisch ist. Spielverderbermäßig. Jedoch: Meine Auffassung, eine Freundschaft sei unrealistisch, bedeutet NICHT, dass etwas fehlt - ich kenne ja die Stimme, die sagt: "Du bist ja nur neidisch, weil du selbst meinst, es nicht wert zu sein und weil dein Therapeut so abstinent ist" - nein, es fehlt nichts. Es ist etwas Anderes. Es ist eine Beziehung, aber es ist keine Freundschaft. Ich bin der festen Überzeugung, dass es Beziehungen gibt, die sich woanders abspielen als beim gemeinsamen Kinobesuch, beim Picknick oder bei einer Party. Ein Band, das unsichtbar ist, und trotzdem ist es da. Ähnlich vielleicht wie beim Beten oder Meditieren.

Für mich bedeutet das Ende der Therapie - mittlerweile - nicht, dass etwas vorbei ist. Und das so sehen zu können, kann sehr befreiend sein.


montagne
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 99
Beiträge: 4600

Beitrag Mi., 24.07.2013, 08:44

Ich glaube es liegt auch daran, dass viele Menschen eine Art Progression der Wertigkeit und Nähe wahrnehmen, von Arbeitsbeziehung, Freundschaft, Liebe/Paarbeziehung.

Nach meiner Erfahrung ist das aber nicht zwingend so. Zumindest was (für mich) Arbeitsbeziehung und Freundschaft angeht. Nur wenn man diese Progression so sieht und sie für Realität hält, dann wird sie natürlich auch wahrhaftig konstruiert. Und dann glaubt man vielleicht es bedarf der Freundschaft zur TherapeutIn um die Nähe zu erreichen, nach der man sich sehnt.
amor fati

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
yamaha1234
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 35
Beiträge: 1849

Beitrag Mi., 24.07.2013, 09:07

Ich möchte jetzt gar nicht jeden Satz zitieren, weil das mit dem Handy echt nervig ist, aber grundsätzlich fehlt mir bei deiner Sichtweise, Titus, so etwas wie die "metaebene" und die "Möglichkeit". Klar wird sich ein Therapeut nicht mit jedem seiner Patienten anfreunden wollen aber genauso will auch nicht jeder Patient seinen Therapeuten als Freund. Dies ist nicht meine erste Therapie und ich machte davor schon eine langjährige Therapie bei einer anderen Therapeutin, in dieser Therapie habe ich nicht eine Minute über eine mögliche Freundschaft nachgedacht, einfach, weil ich nicht dieses "innere Gefühl" dazu hatte. Es gab diesen Wunsch nicht.
In meiner jetzigen Therapie ist das anders. Nicht, weil ich sie brauche oder bedürftig bin (Ziegenkind ich stimme dir da zu, dass es einen Unterschied zwischen Bedürftigkeit und Bedürfnis gibt) sondern weil mich ihr Wesen, ihre Art, einfach ihr sosein erreicht und fasziniert. Ich weiß nicht wie dieser Mensch privat ist, aber ich würde sie gerne privat kennenlernen (nach meiner Therapie), auf einer metaebene fühle ich mich mit ihr verbunden, wir sind uns vom Wesen her sehr ähnlich. Für mich hat das alles eine Bedeutung, ist besonders, mal sehen ob sie das auch so wahrnimmt, meinen Wunsch halte ich jedenfalls für legitim und nicht für pathologisch.

LG


ziegenkind
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 51
Beiträge: 3514

Beitrag Mi., 24.07.2013, 09:21

noch einmal: ich hab wirklich das gefühl, dass dies ein thema ist, bei dem es kaum ohne abwertung des jeweilig anderen, seiner erfahrungen und seines standpunktes geht. mir scheint, erfahrungen und umgangsweisen, die anders sind als die jeweils eigenen, wirken enorm bedrohlich.

dies vorweg: ich bin mir ziemlich sicher, dass ich keine freundschaft zu meiner analytikerin haben werde. ich glaube, ich kann das nicht (dafür gab es zu viele momente des mich intensiven schämens vor ihr) und ich glaube, ich will das auch nicht. ich weiß grad gar nicht so genau warum. ist aber glaube ich so. was ich gerne hätte - und das scheint möglich zu sein - ist eine professionelle beziehung. keine therapeutische. wir haben etwas zusammen geschrieben. nicht über meine analyse. das hat unheimlich viel spaß gemacht, war vertraut und gleichzeitig fremd. das würde ich gerne wiederholen.

gleichwohl: meine beste freundin ist mittlerweile eng mit ihrem ehemaligen analytiker befreundet, bei dem sie 7 jahre war. es gab sogar mal eine zeit intensiver übertragungsliebe. all das liegt schon mehr als 3 jahre zurück. mittlerweile erlebe ich die beiden als ein sehr vertrautes freundespaar. und ja: manchmal bin ich ein wenig neidisch darauf. und doch: es überwiegt der respekt, vor der beharrlichkeit, mit der die beiden es geschafft haben, etwas ihnen beiden wertvolles NEU zu gestalten. wir machen hin und wieder etwas zusammen. und es ist schön, die beiden zusammen zu sehen. sie haben eine kultur des redens und der offenheit miteinander, die für mich sehr inspirierend ist.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

Benutzeravatar

stern
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 99
Beiträge: 25013

Beitrag Mi., 24.07.2013, 09:23

yamaha1234 hat geschrieben:Für mich hat das alles eine Bedeutung, ist besonders, mal sehen ob sie das auch so wahrnimmt, meinen Wunsch halte ich jedenfalls für legitim und nicht für pathologisch.
Klar, ist nicht gesagt, dass sie das genauso wahrnimmt oder den gleichen Wunsch hat. Wieviele (btw. insbes. narzisstisch angehauchten) Motivationen für einen Freundschaftswunsch gerade ausgegraben werden, finde ich auch beachtlich . Fragt sich nur, wieviel das über yamaha (oder sonstwie) "Betroffene" aussagt. Natürlich kann man alles pathologisieren. Ein Freundschaftswunsch ist für mich auch nicht per se etwas pathologisches... nichtmal bei Verliebtheitsgefühle (Therapie) wird das so gesehen. Sondern kann auch Zeichen einer Entwicklung sein (muss nicht, schon klar).

Und weil Regelungen erwähnt wurden: Ich weiß gar nicht, wie eng die Abstinenz bei platonischen Freundschaften nach der Therapie gefasst wird. Explizit beziehen sich Vorschriften vorrangig auf sexuelle Kontakte und private Kontakte während der Therapie. Da müsste man schauen, wie Freundschaften nach der Therapie auszulegen, dass sie nicht explizit genannt sind, sagt auch etwas... aber strenger als bei sexuellen Kontakten wäre das wohl auch nicht zu werten, also 1 Jahr Wartezeit längstens.
Zuletzt geändert von stern am Mi., 24.07.2013, 09:30, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)


leberblümchen
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 6034

Beitrag Mi., 24.07.2013, 09:29

yamaha: Die Möglichkeit, wie du es sagst, die ist ja vorhanden. Aber bei deiner Sichtweise fehlt mir die Realität. Die hab ich ja oben versucht, etwas zu beschreiben.

Du sagst, dass doch nicht jeder Patient den Wunsch habe, mit dem Therapeuten befreundet zu sein. Nein, jeder bestimmt nicht. Aber viele, glaub es mir. Der Wunsch reicht von Kontakthalten über Freundschaft bis Affäre und Ehe. Der Wunsch ist doch auch völlig verständlich und gar nicht pathologisch. Ungesund, vielleicht, wäre es, wenn man an diesem Wunsch festhält, obwohl er sich nicht umetzen lässt.

Du sagst, dass du vorher so etwas noch nie erlebt hast. Ich finde das schade oder ein bisschen traurig. Wobei das jetzt nur meine Vorstellung von 'Therapie' ist: dass sich zwei Menschen begegnen und einen Weg gemeinsam gehen und dabei natürlich der Wunsch entstehen darf, immer so weiter zu gehen, oder gar NOCH weiter. Weil es doch so schön ist und so bereichernd. Weil man doch so viel fühlt, was man vorher gar nicht gefühlt hat. Du spürst eine Verbundenheit und das ist schön.

Freundschaft entsteht dort, wo die Verbundenheit von zwei Menschen auf unbestimmte Zeit geteilt werden möchte, wo der Andere sich dem Einen ebenso verbunden fühlt, wie das umgekehrt der Fall ist. Wo diesem zeitlosen Verbundensein nichts im Wege steht. Wo man keinerlei Bedürftigkeit spürt, sondern ein aufrichtiges Interesse am Anderen, das weit über den Rahmen hinausgeht, in dem man sich ursprünglich kennen gelernt hat. Das alles ist für eine therapeutische Beziehung nicht vorgesehen. Und es wird auch im allgemeinen so gehalten werden, auf Therapeutenseite, dass eine derartige Beziehungsgestaltung nicht angepeilt wird, d.h., die können sich abgrenzen, und die müssen das auch. Es wäre gar nicht möglich, sich auf jeden Menschen so einzulassen, dass eine Freundschaft entsteht.

Eine langjährige Therapie ist immer auch das Inszenieren des Als-ob. Manchmal gelingt das Als-ob richtig gut, manchmal kommt so ein Als-ob gar nicht erst zustande, und manchmal findet man den Weg zurück nicht mehr. Das alles ist weitaus häufiger als eine Freundschaft zwischen Therapeut und Patient.

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
yamaha1234
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 35
Beiträge: 1849

Beitrag Mi., 24.07.2013, 09:37

Ehrlich gesagt titus interessieren mich Statistiken und Generalisierungen nicht, für mich ist die Situation zwischen mir und meiner Thera besonders, ebenso wie mein Interesse und meine Gefühle für sie. Was das auf einer Handlungsebene bedeutet wird die Zeit für mich zeigen aber sicher keine hypothetischen Ansätze. Schade, dass du immer wieder eine Bedürftigkeit mit meinem Wunsch assoziierst, ich sehe dies nicht so.

Benutzeravatar

stern
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 99
Beiträge: 25013

Beitrag Mi., 24.07.2013, 09:42

titus2 hat geschrieben:Freundschaft entsteht dort, wo die Verbundenheit von zwei Menschen auf unbestimmte Zeit geteilt werden möchte, wo der Andere sich dem Einen ebenso verbunden fühlt, wie das umgekehrt der Fall ist. Wo diesem zeitlosen Verbundensein nichts im Wege steht. Wo man keinerlei Bedürftigkeit spürt, sondern ein aufrichtiges Interesse am Anderen, das weit über den Rahmen hinausgeht, in dem man sich ursprünglich kennen gelernt hat. Das alles ist für eine therapeutische Beziehung nicht vorgesehen.

Während einer therapeutischen Beziehung ist das natürlich nicht vorgesehen. Aber nach Therapiebeendigung ist das nicht ausgeschlossen, ggf. mit Wartezeit.

Vorausgesetzt es haben beide den Wunsch. Hängt halt auch vom Therapeuten ab, ob es sich einlassen kann (denn natürlich kann man nicht 100er Freundschaften pflegen). Ich denke auch, ein Thera kann sich abgrenzen... aber muss yamaha das für sie antizipieren und entscheiden. Nö...
Eine langjährige Therapie ist immer auch das Inszenieren des Als-ob. Manchmal gelingt das Als-ob richtig gut, manchmal kommt so ein Als-ob gar nicht erst zustande, und manchmal findet man den Weg zurück nicht mehr.
Und manches soll gar kein als-ob sein... also Therapie ist doch nicht insbes. Pseudo- bzw. Übertragungsbeziehung, insbes. in der VT, wenn weniger übertragungsfokussiert gearbeitet wird.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)


ziegenkind
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 51
Beiträge: 3514

Beitrag Mi., 24.07.2013, 09:49

eins ist mir noch eingefallen. was ist eigentlich schlecht daran, etwas besonderes sein zu wollen? ich will das. ich glaub, wenn wir ehrlich sind, wollen wir das alle. wir wollen sogar zwei mitunter nur schwer miteinander vereinbare dinge. wir wollen besonders sein UND wir wollen dazu gehören.

was wir alle lernen müssen: nur weil ich etwas will, wird es noch nicht realität.

umgekehrt ist mir aber auch wichtig: nur weil etwas nicht realität werden kann, höre ich noch nicht auf etwas zu wollen.

ich möchte das nicht: meinen realitätssinn zur zensierung und domestizerung meines wollens und meiner phantasie einsetzen. das scheint mir arm zu sein, karg. ich möchte für mich den mut mit einem großzügigen lächeln auch da zu meinem wollen stehen zu können, wo es nicht erfüllbar ist. und: ich möchte durch reflexion meinem neid auf diejenigen grenzen setzen, die bekommen, was ich möchte und nicht haben kann. das ist noch ein bisschen weg dahin. aber vorstellbar ist das. ziegen sind so. und wenn sie glück haben, werden ziegenkinder so.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


leberblümchen
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 6034

Beitrag Mi., 24.07.2013, 09:53

yamaha, das wollte ich die ganze Zeit sagen: Du siehst euch als individuelle Beziehung. Dann aber frag ich mich: wozu ein Thread, in dem ja direkt nach allgemeinen Einstellungen gefragt wird? Wenn irgendjemand denkt: "Ich fühle, dass ich anders bin als die anderen 199 Patienten", dann ist das so. Dann fühlt man das aber auch für sich und muss vielleicht nicht im Form nachfragen, oder?

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
yamaha1234
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 35
Beiträge: 1849

Beitrag Mi., 24.07.2013, 10:01

ziegenkind hat geschrieben:
was wir alle lernen müssen: nur weil ich etwas will, wird es noch nicht realität.

umgekehrt ist mir aber auch wichtig: nur weil etwas nicht realität werden kann, höre ich noch nicht auf etwas zu wollen.

o.
Eieiei....wieso sollte man lernen "müssen", dass ein Wunsch keine Realität werden kann? Schränkst du deinen Wunsch da nicht von vornherein sehr ein? Wenn du von vornherein schon sicher sein kannst, dass dein Wunsch niemals Realität werden kann, dann finde ich das traurig und wenn dieser Wunsch im Zusammenhang mit einemanderen Menschen steht auch so etwas wie "anmaßend", denn woher willst du wissen was sich der andere wünscht?
Letztendlich geht es meiner Meinung nach um Selbstvertrauen, um das Vertrauen in seine Intuition, vertrauen in sein Bauchgefühl und den Glauben an die Möglichkeit.....was auf einer Handlungsebene sich davon umsetzen lässt, entscheide auf jedenfall ich nicht alleine....also geht es auch um mut seinen Wunsch anzusprechen....

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag