Der Therapeut als Vaterfigur

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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AFI
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Beitrag Fr., 05.08.2022, 11:17

Liebe Natusik,

ich habe auch das Bedürfnis etwas zu schreiben, da ich deine Gefühle und Gedanken sehr gut nachvollziehen kann. Auch mir ging es so und da ich über viele Jahre ein großes Vertrauen in meinen Therapeuten aufgebaut habe, habe ich diese Gefühle auch angesprochen.

Ich möchte dir sagen, wie wertvoll und großartig ich die Reaktion deines Therapeuten finde auch wenn es natürlich nicht das ist, was man sich insgeheim wünscht. Mein Therapeut hat es nicht geschafft so abgegrenzt zu bleiben, hat sich verstrickt, die Kontrolle verloren und es ist einfach alles schief gelaufen weil er seine Rolle verlassen hat. Sicherlich hat er für eine Zeit meine Bedürfnisse aber vor allem seine gestillt aber die Folgen waren schwer. Ich habe ihn als Therapeuten, als Arzt verloren und wurde Retraumatisiert.

Deswegen möchte ich dir sagen auch wenn es sich vielleicht nicht so anfühlt wie dankbar du sein kannst, dass dein Therapeut dir immer wieder eure Rollen klar macht und das du damit eine große Chance hast das Problem mit ihm aufzulösen weil er nur so in der Lage ist dir zu helfen.

VG

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Natusik
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Beitrag Fr., 05.08.2022, 11:18

DandyLion,
ich hab mich auch schon mehrmals gefragt, ob und wann meine Gefühle ihm gegenüber enden werden.
Im Moment denke ich, dass es nie passieren wird. Es wird mit der Zeit nur besser und vielleicht werde ich, wenn ich nach Jahren über ihn denke, ein warmes und angenehmes Dankbarkeitsgefühl ihm gegenüber spüren.
Und das mit dem Zulassen der Gefühle finde ich super, denn gegen Gefühle (egal, welche) zu kämpfen, ist extrem kräfteraubend und sinnlos
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Natusik
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Beitrag Fr., 05.08.2022, 11:21

AFI,
es hört sich gar nicht gut an, was du da durchmachen musstest. Hat dein Therapeut dann irgendwie die Vaterrolle im Echt übernommen oder noch schlimmer?
Falls du das nicht teilen willst, ist auch verständlich.
Fühl dich gedrückt!
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AFI
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Beitrag Fr., 05.08.2022, 11:29

Natusik hat geschrieben: Fr., 05.08.2022, 11:21 AFI,
es hört sich gar nicht gut an, was du da durchmachen musstest. Hat dein Therapeut dann irgendwie die Vaterrolle im Echt übernommen oder noch schlimmer?
Falls du das nicht teilen willst, ist auch verständlich.
Fühl dich gedrückt!
Ich hatte damals dazu ein Thema hier eröffnet und auch sehr viel wertvolle Rückmeldung erhalten, die mir geholfen hat.

Ja mein Therapeut war dann eine Mischung aus Vater und Partner über einen längeren Zeitraum und hat die Grenze ins Private überschritten. Ich hätte mir sehr gewünscht, wenn mein Therapeut damals so gewesen wäre, wie du es über deinen berichtest. Auch wenn das vielleicht erst einmal doof klingt und auch weh tut. Ich hatte nur das Bedürfnis dir dies einmal aus dieser Perspektive zu erzählen, wie wertvoll Abgegrenztheit auch sein kann. Aber das ist natürlich nur meine Sicht aus meiner Perspektive und durch meine Erlebnisse :)

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Steffi83
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Beitrag Fr., 05.08.2022, 11:35

Oh Mann ja wenn sich die Person, der Therapeut, da nicht selbst gut reflektieren kann, eigenes so reinschlittert dann ist das natürlich krass und fühlt sich vielleicht sogar erst gut an, gleichzeitig eben merkt man vllt schon es ist ungesund. In meiner Konstellation ( ich halte sie für sehr reflektiert) denke ich mittlerweile ja auch, wirklich gut ist das nicht und eben habe es ja auch geschafft es zum Thema zu machen und nun wird es anders, wir hören auf und ich gehe (hoffentlich) in einen professionellen Rahmen, auch wenn da ebenso mitdenken gefragt ist, aber gleichzeitig ist man ja auch erstmal mehr oder weniger abhängig und will sich ja auch so gern mal fallen lassen können. Ich z.b. überdenke ja ständig alles, gleichzeitig habe ich bei dieser Übertragung weniger im Griff als ich denke und das überfordert mich dann. Da ist dann der Therapeut gefragt.


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Natusik
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Beitrag Fr., 05.08.2022, 11:38

AFI,
das ist höchstwahrscheinlich nicht "nur" deine Sicht, sondern auch richtig in einer Therapie.
Hab vor kurzem im Internet gelesen, dass alle Therapeuten und Therapeutinnen die Abstinenzregel beachten müssen. Sonst kann es nach hinten losgehen
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Montana
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Beitrag Fr., 05.08.2022, 14:48

DandyLion hat geschrieben: Fr., 05.08.2022, 10:56 ... und dann wird es sich irgendann bessern bzw man fühlt sich besser? Wie lange es dauert, Jahre oder Jahrzehnte kann man nicht wissen.
Ich mag das damit vergleichen, wenn man etwas anderes im Leben verliert. Ich hatte eine wahre Herzenskatze. Als sie starb, blieb eine weitere Katze allein zurück und ich habe eine neue Katze gesucht und gefunden, die ich zu uns holen wollte. Mein Freund verstand das nicht. Sein Argument war, dass ich so extrem unter dem Tod der besonderen Katze litt, dass ich mir das doch besser nicht nochmal antun sollte. Besser keine neue Katze, die voraussichtlich früher geht als ich. Ich war und bin immer noch der Meinung, dass das Positive überwiegt. Ich habe Erinnerungen aus vielen gemeinsamen Jahren. Und die sind unbezahlbar wertvoll und nicht dadurch getrübt, dass eine Katze eine so viele geringere Lebenserwartung hat. Die neue Katze von damals ist jetzt 16 Jahre alt, und das schlägt sich in gesundheitlichen Problemen nieder. Aber bereut habe ich die Entscheidung nie. Der Freund ist schon lange aus meinem Leben verschwunden (auch ein erzwungener und sehr harter Abschied), aber diese Katze ist noch immer da. Sie schläft gerade in meinem Bett.
Ich stelle mir vor, auf die Therapiezeit genauso zurückzublicken.

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Scars
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Beitrag Sa., 06.08.2022, 16:25

Natusik, was ich nicht verstehe ist, was denn anders wäre, wenn er dein „richtiger“ Vater wäre? Möchtest du Kontakt außerhalb der Stunden oder wie? Du bekommst doch väterliche Aufmerksamkeit und er bleibt ansprechbar für dich, du kannst ja auch Stunden bei ihm nehmen. Ich frage mich das gerade, weil ich mich selbst mit diesen Übertragungsmustern sehr schwer tue. Bei den weiblichen Therapeutinnen bin ich zwar immer in emotionale Abhängigkeit geraten, aber als „Mütter“ habe ich die irgendwie nicht empfunden. Gerade kann ich mir auch wenig vorstellen, wie das funktionieren soll...?
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Natusik
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Beitrag Sa., 06.08.2022, 17:00

Scars,
Recht hast du...
Eins weiß ich sicher: ich will unbedingt, dass dass er in mir eine Tochter sieht, dass es gegenseitig wird und nicht nur einseitig.
Kannst du das jetzt besser nachvollziehen?
LG
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Candykills
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Beitrag Sa., 06.08.2022, 17:14

@DandyLion am besten wird es zumindest angesprochen und allein dadurch kann es schon zur Besserung kommen.
Ob ein Therapeut/in bereit ist nachzubeeltern und das auch überhaupt im jeweiligen Fall für sinnvoll hält, ist eine andere Frage. Sowas kann halt auch total nach hinten losgehen und die Abhängigkeit so verstärken, dass sich das alles nur noch schwer auflösen lässt.
Eine Therapie geht normal auch nicht über etliche Jahre, somit ist auch nur eine bestimmte begrenzte Zeit da für diesen ganzen Prozess.
Aber wie gesagt: ansprechen ist gut und meist hilfreich.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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Candykills
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Beitrag Sa., 06.08.2022, 17:18

Natusik hat geschrieben: Sa., 06.08.2022, 17:00
Eins weiß ich sicher: ich will unbedingt, dass dass er in mir eine Tochter sieht, dass es gegenseitig wird und nicht nur einseitig.
Aber dir ist schon klar, dass das nicht eintreten wird, weil dein Therapeuzt, wenn er Profi ist, sowas im realen Leben hat (Partnerschaft, Kinder, Freunde) und sich sowas nicht in seiner Praxis sucht.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)


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Natusik
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Beitrag Sa., 06.08.2022, 18:07

Candykills,
würdest du, bitte, so nett sein, mir keine Antworten mehr schreiben?
LG


Anm.Mod.: Natusik, Du schreibst in einem öffentlichen Forum. Auch wenn Dir die Antworten nicht alle passen, Candykills hat Dir absolut nichts böses oder angriffiges geschrieben. Er darf selbstverständlich hier weiter antworten, wenn er das möchte! Pauline
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Scars
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Beitrag Sa., 06.08.2022, 19:53

Hey Natusik, nein, tatsächlich kann ich es nicht nachvollziehen. Wahrscheinlich haben meine Therapeutinnen aber auch direkt meinen Hang zur emotionalen Abhängigkeit erkannt und nicht angefangen, mich „nachzubeeltern“...

Für mich bleibt die Frage, was denn dann anders wäre. Solange du Zuwendung etc. bekommst, also emotional das, was du dir wünschst, ist es doch egal, ob du „nur“ die Patientin bist, oder? Oder fehlt dir was? Hast du konkrete Phantasien zu deinen Gefühlen? Wir ihr zusammen am Abendbrot-Tisch sitzt oder so?

Ich kenne das mit Mutter-/Vaterfigur eher aus anderen Beziehungen z.B. mit der Chefin. Das schmerzt mich dann schonmal. Da rufe ich mir dann aber ins Gedächtnis, dass private Beziehungen kompliziert sein können und ich lieber in dem Rahmen bleibe, wo ich einfach nur das bekommen kann, was mir gut tut. Und: man kann gleichzeitig eine gute Chefin und schreckliche Mutter sein.

Ich denke, dass deine Gefühle für den Therapeuten vielleicht auch einfach jetzt so stark waren, wegen der schlimmen Situation mit deinem Partner. Es gibt einfach Momente, wo man sich zu (s)einem Elternteil flüchten möchte und wenn man das nicht hat, muss halt Ersatz her. Das finde ich ziemlich normal.
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Natusik
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Beitrag Sa., 06.08.2022, 21:43

Scars,
danke für deine Fragen, die mich zum Nachdenken bringen!
LG
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herostrikesback
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Beitrag Sa., 13.08.2022, 20:21

Hey Natusik,

ist das oft so, dass tiefen-psychologische Therapeuten auch außerhalb der Richtlinien Therapie Termine abrechnen können?

Ist das auch ein Arzt?

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