EMDR

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

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Zerrissene
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Beitrag Sa., 16.05.2009, 18:21

Noch mit Bauchschmerzen den Therapieort verlassen,

in die Stadt gegangen,

Eisschokolade getrunken,

4 (!) T-Shirts und eine Bluse gekauft (so heftig war anscheinend alles...),

natürlich Handy zu Hause liegen lassen,

mich "erst" zwei Stunden später ins Auto gesetzt, um die Heimfahrt

anzutreten,

im Auto dissoziiert, an nichts gedacht...

Zu Hause angekommen, mein Mann und mein Kind auf der Straße wartend,

in großer Sorge, um mich...

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Lena
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Beitrag So., 17.05.2009, 10:15

Hallo Zerrissene,

ich hoffe, es geht Dir besser heute?

Was tröstendes kann ich leider nicht sagen - nur, dass ich mitfühlen kann.

LG Lena


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Zerrissene
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Beitrag So., 17.05.2009, 11:59

Hallo Lena,

die Sonne da draußen tut mir gut. Überhaupt alles, was mich gerade umgibt.

Gestern abend stand ich noch mächtig neben mir, aber langsam wird es besser, auch wenn ich noch sehr erschöpft bin.

Zerrissene


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Zerrissene
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Beitrag So., 17.05.2009, 20:26

Es hat sich gestern in der Therapie so viel ereignet, das muss ich erst mal für mich sortieren. Ich reagiere immer gleich so heftig, d.h. die Emotionen und körperlichen Reaktionen folgen zugleich, obwohl ich doch nur mal ganz kurz in den Topf hinein geguckt habe. Ganz ohne Hintergedanken, ganz ohne diesen Satz im Kopf: "Du willst dir das heute mit deinem Therapeuten anschauen".

Ist alles ohne meinen wirklichen Einfluss, ich schneide ein Thema an und brauche dann eigentlich nur noch darauf zu warten, was passiert. Manchmal passiert auch gar nichts oder ich gerate an einen Ort, wo nur noch Leere um mich herum ist. Ich bin zwar da, kann aber nichts mehr hören und erst recht nicht verstehen, was der Thera zu mir spricht. Mittlerweile habe ich es aber gelernt in einer solchen hilflosen Situation ihm mitzuteilen, dass ich ihn nicht mehr verstehe (müßte ich eigentlich nicht, er sieht es doch). Ist schon komisch, ich sitze da, wie im Nebel, weil alles verschwommen, nehme nichts mehr um mich herum wahr, verstehe die Worte meines Theras nicht, die irgendwo in der Ferne an mir abprallen, und kann ihm doch sagen, dass ich nicht verstehe, was er gerade zu mir spricht.

O.k., das sind banale Situationen, die mich nicht weiter berühren. Denn immer dann, wenn ich so reagiere, bringe ich mich an einen sicheren Ort, wo mich nichts mehr erreicht. Mein Thera sagt, ich brauche diesen Rückzugsort, weil es "zu heiß" wird und ich eben diesen Schutz für mich (noch) benötige. Ich werde auf einmal weggezogen und lande an diesem leeren, stillen Ort.

Dabei hatte ich nur ein flashback, was mir zu dem Zeitpunkt noch gar nicht so bewußt war. Ich meine, ich habe meinem Thera so ganz nebenbei von diesem Ereignis erzählt, weil ich es ihm eben nur mitteilen wollte, damals, als es mir auf einmal schlecht wurde und ich weinend zu meinem Mann in die Küche rannte.

Es passierte an einem Abend, als ich meinen Sohn ins Bett brachte. Er ist jetzt knapp 4 Jahre alt. Nachdem ich seine Bettdecke über ihn legte und ihn so anschaute, sah ich auf einmal ein ganz ängstliches Kind dort liegen, dass auf der Seite liegend starr zur Wand guckte, irgendwie abwesend, andererseits voll da, wie, als würde es auf etwas lauern, wie, als würde es auf etwas lauschen. Es lag so steif da, so verkrampft, es lächelte nicht. Es war so schrecklich dieses Kind anschauen zu müssen, so hilflos, so anscheinend allein. Es sah blass aus und es nahm mich wahr, und doch nicht wahr. Mir kamen sofort die Tränen und ich bekam einen Schreck. Das Kind da, was da lag, konnte nur ich sein, ich spürte es. Ich wand mich ab und ging schnell raus und suchte meinen Mann, um ihm davon zu erzählen. Es war nur ein kurzer Augenblick, doch das Erlebnis blieb haften, kleben und wollte in der Therapie noch einmal angeguckt werden. Als ich halt davon erzählte, reagierte mein Körper so heftig.

Mehr werde ich nicht berichten. War ja nur ein kleiner Auszug aus meiner gestrigen Therapie. Jedenfalls stehe ich noch ganz am Anfang meiner Therapie, denn ich nähere mich immer mehr der dunklen Welt des Grauens, und eigentlich weiß ich schon alles, will und kann es nur nicht so richtig zulassen, weil mein Körper nicht will bzw. mich durch Weggehen daran hindert hinzugucken. Ich glaube, ich schaff es einfach noch nicht. Es hat anscheinend nichts mit Mut zu tun, sondern mit den eigenen Grenzen des Aushaltens, des Zulassens. Der Körper weiß genau, wann er aufhören muss und eigentlich kann ich ihm vertrauen, auch wenn es mich manchmal ärgert, dass er mich bremst, andererseits würde ich den Schmerz nicht aushalten, ich weiß es, ich fühle es.

Zerrissene

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Zerrissene
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Beitrag So., 17.05.2009, 20:41

Ich muss es in einem extra Absatz plazieren, weil es nicht dahin gehört, von dem ich so eben berichtet habe.

In solch einer Therapie wird natürlich immer ganz viel angeschnitten und beleuchtet. Und was ich jetzt schreibe, wird euch sicherlich abschrecken, aber ich habe noch einen anderen Weg gefunden, der mich, so habe ich jedenfalls den Eindruck, schneller voran bringt als vielleicht 10 Stunden EMDR.

Über diese "Methode" hat noch kein "Lehrbuch" berichtet. Ist vielleicht auch nicht abkopierbar, sondern nur bei mir machbar und damit realisierbar.

Ich benutze den Kontakt zum Täter, um zu heilen...

.....

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kleiner stern
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Beitrag So., 17.05.2009, 20:53

Hallo Zerrissene,


Es passierte an einem Abend, als ich meinen Sohn ins Bett brachte. Er ist jetzt knapp 4 Jahre alt. Nachdem ich seine Bettdecke über ihn legte und ihn so anschaute, sah ich auf einmal ein ganz ängstliches Kind dort liegen, dass auf der Seite liegend starr zur Wand guckte, irgendwie abwesend, andererseits voll da, wie, als würde es auf etwas lauern, wie, als würde es auf etwas lauschen. Es lag so steif da, so verkrampft, es lächelte nicht. Es war so schrecklich dieses Kind anschauen zu müssen, so hilflos, so anscheinend allein. Es sah blass aus und es nahm mich wahr, und doch nicht wahr. Mir kamen sofort die Tränen und ich bekam einen Schreck. Das Kind da, was da lag, konnte nur ich sein, ich spürte es. Ich wand mich ab und ging schnell raus und suchte meinen Mann, um ihm davon zu erzählen. Es war nur ein kurzer Augenblick, doch das Erlebnis blieb haften, kleben und wollte in der Therapie noch einmal angeguckt werden. Als ich halt davon erzählte, reagierte mein Körper so heftig.


Ich kann gerade gar nicht viel Schreiben,
weil Du so gut das beschrieben hast, wie ich mich oft fühle,

Dir erst mal alles liebe
Claus
Manche Menschen können dier Tränen der anderen sehen ,
auch wenn diese nichts sagen.


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Zerrissene
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Beitrag So., 17.05.2009, 20:57

Hallo Claus,

ich finde, ich habe mich ziemlich schlecht ausgedrückt. Da gibt es keine Worte, die das beschreiben können, wie ich mich gefühlt habe. Dabei geht es nicht so sehr um mich, sondern vielmehr um dieses Kind. Es hätte mehr Zuwendung, Aufmerksamkeit meiner Wortwahl verdient. Ich finde keine.

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flashpoint
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Beitrag So., 17.05.2009, 21:22

Zerrissene hat geschrieben:
Ich benutze den Kontakt zum Täter, um zu heilen...

.....
finde ich gut (wenn du ihn nicht gerade abmurksen willst). Leider ist das oft sehr schwierig, aber wenn ich das in aller Vorsicht sagen darf, dem nochmal gegenüber zu treten und diesmal gewappnet zu sein und ihn für seine Schuld zur Rechenschaft zu ziehen, scheint mir (als Laien in der Angelegenheit) der beste Weg um abzuschließen. warum soll man das ewig mit sich rumtragen, wenn der ganze Scheiss doch ihm gehört denke ich mir.
"Nicht die Dinge selbst, sondern die Meinungen über dieselben beunruhigen die Menschen." - Epiktet, Handbüchlein der Moral

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Taffi
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Beitrag So., 17.05.2009, 22:19

Zerrissene hat geschrieben:Dabei geht es nicht so sehr um mich, sondern vielmehr um dieses Kind.
Liebe Zerrissene,

ich denke doch, es ging um dich. Um dich als Kind. Natürlich hat jedes Kind Liebe, Aufmerksamkeit, Trost, Zuwendung, Gehalten- und Beschützt-Werden verdient. Und auch du hättest das als Kind so sehr gebraucht und verdient.
Hoffentlich komme ich dir damit nicht zu nah.

Ganz, ganz liebe Grüße
Taffi
Es ist wichtig, jemanden dort abzuholen, wo er gerade ist. Aber manchmal ist es auch wichtig, jemanden dort zu lassen, wo er gerade sein will.

"Erfahrungen sind Maßarbeit. Sie passen nur dem, der sie macht." Carlo Levi


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Zerrissene
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Beitrag Mo., 18.05.2009, 07:33

Zerrissene hat geschrieben:
Ich benutze den Kontakt zum Täter, um zu heilen...

.....
Guten Morgen,

nun eine kurze, nähere Erklärung, schließlich war diese Aussage von mir auch Thema in der letzten Therapie-Stunde.

Wenn ich den Täter treffe, dann sind es Seiten von mir, die nicht betroffen sind und keinen sex. Missbrauch erlebt haben, weil gesund aufgewachsen. Natürlich ist dieser Kontakt mit großem Risiko verbunden, denn ich muss wirklich sehr stark sein, stabil... und natürlich ist mir bewußt, dass ich aufgrund von trigger sehr schnell in Gefahr gerate und klein werde, damit angreifbar. Und es ist nicht so, dass mir das bisher immer gelungen ist. Andererseits brauche ich diese Erfahrung, um zu wachsen bzw. zusammenzuwachsen, denn nur so kann ich wirklich heilen, denn indem ich IHN im Heute erlebe, erkenne ich ganz schnell seinen wahren Kern. Was nützen mir diese Erinnerungen der Betroffenen-Seiten, ihre Bilder, ihre Körpererinnerungen, wenn wir sie nicht in der Gesamtheit fühlen, wahrnehmen? Und jetzt kommt der Punkt. Mittlerweile bin ich in der Therapie so gut vorangekommen, dass die Seiten, die sich mit ihm treffen, sehr wohl dieses Wissen im Hinterstübchen haben, dafür ist zuviel in der Therapie und in den letzten Jahren passiert. Sie beobachten ihn sehr genau. Ich meine, ich "benutze" ihn, und besonders in Situationen, wo wir mit dem Täter ganz allein sind, outet er sich, macht er so viele Fehler (ohne es selber zu bemerken, weil er sich so sicher fühlt). Und einmal habe ich seine wahre Seite wiedererleben dürfen, in einem kurzen Moment, wo er sich plötzlich verwandelte und ich seine böse Seite (wieder)-erkannte. Er hilft mir, um zu heilen, denn durch das Antriggern werden Seiten in mir wach, lebendig, die alles schon erlebt haben, nur fehlt halt dieser Informationsfluss, weil diese dissoziativen Barrieren in mir noch da sind. Es sickert nach und nach hindurch, es wird durchlässiger. Ich meine, wäre ich nicht vielseitig, bestünde ich nicht aus dissoziierten Anteilen, wäre es in der Praxis bestimmt nicht möglich, für die Therapie den Täter heranzuziehen. Und noch vor ein paar Jahren hätte ich es auch nicht gekonnt, als die Erinnerungen hochkamen, weil mein Körper so geschwächt war, ich nicht stabil. Da konnte ich nichts beeinflussen, d.h. ich hatte mich nicht unter Kontrolle. Es kam, wie es kam. Und zu 80 % war ich nicht in der Lage mich einem Mann nur körperlich zu nähern, weil ich halt heftig reagierte.

Und ich mache nichts ohne meinen Therapeuten und erst in der letzten Stunde machte ich ihm das Angebot meinen Täter zu treffen. Macht aber dahingehend keinen Sinn, weil er sich von seinen Schokoladenseiten präsentieren würde (mein Thera ist "Profi" in der Begutachtung von Sexualstraftätern).

Mir wird immer mehr bewußt, dass ich in der Beziehung sehr berechnend bin, denn er ahnt nicht, dass ich ihn "nur" aus den o.g. Gründen treffe. Und ich muss lernen zukünftig vorsichtiger zu sein. Mein Mann warnte mich kürzlich, als ich ihm nebenbei erzählte, dass der Täter wüßte, dass ich noch immer Therapie mache. Er wollte mich an einem Freitag besuchen. Als ich sagte, dass ich am darauffolgenden Tag früh aufstehen müßte, weil ich zur Therapie fahre, hat er kurzfristig abgesagt. Für mich kam es an als eine Art von Bestrafung. Mein Mann meinte, ich würde ihn provozieren, indem ich ihn von meiner Therapie erzähle. Strenge Sicherheitsvorkehrungen gibt es auch im Umgang mit meinem kleinen Sohn, er darf nicht einen Moment mit ihm allein sein. Schon verbale Übergriffe können schaden, und der Täter ist so narzistisch, dass er überhaupt kein Empfinden für sein Gegenüber hat.

Damals habe ich ihn doch immer nur als Kind erlebt, egal, in welchem Zustand ich mich gerade befand, ich war Kind. Es gab u.a. eine Tochter, die hat ihn geliebt, fühlte sich als die eigentliche Ehe-Frau, übernahm eh die Rolle ihrer Mutter, und war so stolz darauf, weil sie über dieser Mutter stand. Die Mutter, war einerseits froh ihre Ruhe zu haben, andererseits hatte sie Angst vor dieser Tochter, hatte ständig Angst davor etwas falsch zu machen. Die Tochter, ging mit IHM aus, verbrachte ihre ganze Freizeit (Kindheit, Jugendzeit) mit IHM... und wenn sie mal tanzen ging, stand ER da draußen irgendwo im Dunkeln und wartete auf sie, bis sie die Disco verließ...

Jetzt kann ich nicht mehr weiter schreiben...


Lena
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Beitrag Di., 19.05.2009, 13:48

Hallo Zerrissene,

ich habe länger über Deine letzten Antworten nachgedacht... und ich hoffe, dass ich Dir mit der Frage jetzt nicht zu nahe trete... was gibt Dir der Kontakt mit dem Täter? Du schreibst, dass Du in dieser Beziehung sehr berechnend bist, Du schreibst, dass er nicht einschätzbar ist, dass er immer noch eine Gefahr ist, dass Du ihn mit Deiner Therapie evtl. provozierst und dass Dein Sohn nie mit ihm alleine sein soll. Was ich sehr nachvollziehbar finde? Aber warum gibt es überhaupt noch Kontakt? Sind das nicht eigentlich alles Gründe, dass man diesen Menschen nie mehr wieder sehen will?

Ich frage es auch aus dem Grund, weil ich selbst so meine Probleme mit Kontaktabbrüchen habe was bestimmte Personen angeht. Und auch wenn das bei mir nicht mit solchen Gefahren verbunden ist, wie Du sie beschreibst, ist auch mein Kontakt zu denen eher berechnend und kritisch und distanziert. Das, was mich von einem Kontaktabbruch abhält, ist eine emotionale Abhängigkeit aus der ich mich nur extrem langsam lösen kann. Und ich für mich würde die Frage, was mir der Kontakt gibt beantworten mit "nichts außer ständigen neuen Verletzungen".

Musst Du nicht beantworten, wenn Du nicht möchtest, waren nur meine Gedanken dazu.

LG Lena


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Beitrag Di., 19.05.2009, 17:17

Hallo Lena,

ich versuche immer alle Fragen zu beantworten. Stecke nur mitten in den Urlaubsvorbereitungen, denke aber, heute abend noch etwas Zeit zu finden.

Bis später...

LG Zerrissene


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Zerrissene
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Beitrag Di., 19.05.2009, 19:01

Lena hat geschrieben:
... was gibt Dir der Kontakt mit dem Täter? Du schreibst, dass Du in dieser Beziehung sehr berechnend bist, Du schreibst, dass er nicht einschätzbar ist, dass er immer noch eine Gefahr ist, dass Du ihn mit Deiner Therapie evtl. provozierst und dass Dein Sohn nie mit ihm alleine sein soll. Was ich sehr nachvollziehbar finde? Aber warum gibt es überhaupt noch Kontakt? Sind das nicht eigentlich alles Gründe, dass man diesen Menschen nie mehr wieder sehen will?

LG Lena
Als der Missbrauch in 2001 hochkam, habe ich sofort den Kontakt zu IHM abgebrochen. Der Kontaktabbruch hielt etwa drei Jahre an. In dieser Zeit hätte ich auch nicht seine körperliche Nähe ertragen. In 2004 mußte ich für längere Zeit zur Krisenintervention in die Klinik. Da ging es mir wirklich sehr schlecht. Seiten kamen nach vorne, die den Kontakt zu ihren Eltern wünschten. Wohlgemerkt Seiten, die NICHT betroffen sind. Bis zu diesem Zeitpunkt ist es mir echt schwer gefallen für ein inneres Gleichgewicht zu sorgen. Die einen wünschten diese Kontaktaufnahme, die anderen bestanden auf Kontaktabbruch.

Um meine damalige Situation zu verdeutlichen, ein Gedicht von mir, dass ich einst schrieb:

Sie sind zurück...

Ich halte mich nicht mehr aus,
will raus, will weg.
Will vor mir flüchten.
Diese Stimmen, diese Befehle,
sie wollen mich überwältigen.
Diese Tränen, diese Schreie,
sie wollen mich aufweichen.
Dieses Verlangen, diese Sehnsucht,
sie wollen, dass ich ihre Mutter und ihren Vater anrufe.
Sie wollen zu ihm!
Was soll ich nur tun?
Man bekämpft sich, in mir.
Sie werden immer stärker.
Ich habe Angst vor ihnen,
weil es so viele sind.
Habe keine Kraft mehr,
denn sie impfen mir ihre Gefühle und Gedanken ein.
Bald bin ich nicht mehr ich,
sondern ein Teil von ihnen.
Bald werde ich fühlen und denken, wie sie...
Die Kleinen, die Betroffenen, sie sind weg.
Spurlos weg.
Mit ihnen die Erinnerungen!
Mit ihnen der Missbrauch!
Mit ihnen die Todesängste!
Sie waren doch noch so klein, um sich wehren zu können.
Sie wurden geholt und weggesperrt, von ihnen.
Die anderen, die diesen Vater lieben, sind zurück
und wollen alles rückgängig machen.
Sie wollen mich umstimmen und mir diesen Quatsch ausreden.
Sie wollen zu diesem Vater,
sie wollen zu dieser Mutter.
Ich kann sie spüren, ich kann sie hören,
diese Stimmen, die mich sogar im Schlaf überfallen.
Sie wollen mich überzeugen,
dass diese Therapie ein ganz großer Unsinn war,
weil ich getäuscht wurde,
von den Kleinen, von den Betroffenen,
die es in Wirklichkeit gar nicht gibt.


Jetzt mache ich erst mal einen Absatz, weil die andere Begründung gesondert folgt und nicht so richtig hierher paßt.


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Zerrissene
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Beitrag Di., 19.05.2009, 20:24

Seitdem ich wieder Kontakt zu ihm habe, ist das Gleichgwicht meiner Handwaage (nehme ich gern als Beispiel) nahezu hergestellt, d.h. auf beiden Waagschalen befinden sich gleichschwere Gewichte, die dafür sorgen, dass die Waage ganz ruhig steht und nicht in die eine oder andere Richtung ausschlägt.

Was die Kontaktpflege zu IHM angeht, ist sie z. T. auch berechnend (ich korrigiere mich). Es wäre nicht fair zu behaupten, dass alles nur Berechnung wäre, schon den Seiten in mir gegenüber, die den Kontakt wirklich wollen, weil ER nun mal ihr Vater ist.

Ich benutze ihn für meine Therapie und ich habe wirklich die Erfahrung gemacht, dass ich viel schneller voran komme, weil ich ihn in der Gegenwart erlebe und mitunter durch ihn auch angetriggert werde und Erinnerungen schneller aktiviert werden. Und so risikovoll das eine Erlebnis mit ihm auch war, hat es mir verdeutlicht, wie gefährlich er ist. Ich meine, diese plötzliche Verwandlung, die ich bei ihm zu sehen bekam, ist für mich schon von enormer Bedeutung und ist nicht mehr zu vergessen. Und dieses Gesicht wurde wieder empor geholt, wach gerufen und als Datei geöffnet, immer wieder abrufbar.

Verstehst du?

Ist echt schwer es richtig zu erklären, weil ich noch selber an dieser Erklärung arbeite. Ich meine, in der EMDR hole ich mir auch "irgendein Bild oder irgendein Gefühl" aus meinem Speicher und benutze es für die Arbeit bzw. als Aufhänger um intensiver reinzugehen. ER ist wie EMDR, natürlich nicht im geschützten Rahmen und ich muss sehr wohl aufpassen nicht klein zu werden. Das habe ich aber Gott sei Dank auch schon gut gelernt, immerhin mache ich jetzt schon 7 Jahre ununterbrochen Traumatherapie und sechs Jahre haben wir allein gebraucht um uns zu stabilisieren.

Mein Thera vertraut mir. Wir beschreiten sehr oft Wege, die vorher noch nicht gegangen sind und probieren aus.

Zerrissene


Lena
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Beitrag Di., 19.05.2009, 20:35

Hallo Zerrissene,

danke für Deine Antwort!!

Ja, ich denke, ich kann es jetzt ganz gut nachvollziehen. Bei mir selbst sind einige Gedankengänge dazu sehr ähnlich, z.B.
Es wäre nicht fair zu behaupten, dass alles nur Berechnung wäre, schon den Seiten in mir gegenüber, die den Kontakt wirklich wollen, weil ER nun mal ihr Vater ist.
Trotzdem ist es natürlich sehr gefährlich, wenn man so aufpassen muss, wenn nach wie vor Risikosituationen eintreten können. Und es wird ja oft auch als Mitvoraussetzung für eine Traumatherapie genannt, dass kein Täterkontakt mehr bestehen soll.
Trotzdem - ich kann das, was Du geschrieben hast, schon nachvollziehen.

Wünsch Dir weiter gutes Vorankommen in der Therapie!!

LG Lena

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